Читать книгу Black Heart - Band 15: Der Fluch des Vergessens - Kim Leopold - Страница 8
Kapitel 2
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Irgendwo, Irgendwann
Hayet
Ich schlage die Augen auf und denke für einen Moment, dass sich nichts geändert hat. Wir sind einfach eingeschlafen. Der Zauber hat nicht funktioniert.
Enttäuscht richte ich mich auf und blicke mich in Farrahs Schlafzimmer um. Die Kerzen flackern munter vor sich hin, selbst der Rauch aus dem selbstgemachten Duftsäckchen steigt noch fröhlich in die Luft. Aber irgendwie fühlt sich die Welt doch anders an. Kälter.
»Farrah? Willem?«, rufe ich vorsichtshalber. Doch das Einzige, was geschieht, ist, dass Mikael die Augen öffnet und sich stirnrunzelnd umsieht.
»Hat es geklappt?«
Ich zucke mit den Schultern und stehe auf, bevor ich ihm eine Hand reiche, um ihm hoch zu helfen. »Ich hab keinen blassen Schimmer. Wie fühlst du dich?«
Er wirft erleichtert einen Blick auf das Herz in seiner Hand. »Ich weiß nicht. Ich fühle mich … nicht wirklich anders.«
Das muss ja nichts bedeuten. »Lass uns mal nachsehen, ob Farrah und Willem nebenan sind.«
Wir verlassen den Kreidekreis und somit auch das Schlafzimmer durch die geöffnete Tür, um nach nebenan zu gehen. Und tatsächlich, Farrah und Willem sitzen um den kleinen Couchtisch herum und teilen sich eine Tafel Schokolade.
»Hey. Ich glaube, der Zauber hat nicht geklappt«, begrüße ich sie niedergeschlagen.
»Machst du dir keine? Ich mein, er hat uns seine verdammten Passwörter gegeben. Ich kenne Mikael. Er glaubt nicht daran, dass sie zurückkommen«, sagt Willem im nächsten Moment, und ich erstarre zu Stein. Sie sehen uns nicht … oder?
»Wenn er nicht daran glauben würde, warum hat er dann Hayet mitgenommen?«, entgegnet Farrah, ohne zu uns zu blicken. »Die beiden sind so gut befreundet. Er würde sie doch niemals in etwas reinziehen, dessen Ausgang ungewiss ist.«
Es hat tatsächlich funktioniert! Fast hätte ich vor Freude gejubelt, aber da dringt die Bedeutung ihrer Worte zu mir durch.
»Das denkst du vielleicht.« Willem rutscht nervös auf dem Sessel umher. »Aber Mikael hatte schon immer einen eigenen Kopf. Täusch dich nicht in ihm, Farrah. Nur weil er dir gegenüber kein Unmensch ist, bedeutet das nicht, dass er nicht eigentlich eiskalt berechnend ist.«
»Hayet …« Mikaels Stimme lenkt mich von dem Gespräch vor mir ab. »Ich … woah, hast du das gespürt?«
»Was?« Rasch drehe ich mich zu ihm. In meinem Magen steigt ein nervöses Kribbeln auf.
»Das.« Mikael hebt eine Hand, um sich an der Stuhllehne festzuhalten, doch sie gleitet einfach hindurch. Ich erschaudere. Er testet das Verhalten seiner Hand auch noch an ein paar anderen Gegenständen. »Wie kann ich hier nichts berühren, aber mein Herz trotzdem festhalten?«, wundert er sich und hebt das schwarze Etwas in seiner Hand auf Augenhöhe. Es pulsiert immer noch und zieht mich mit seiner Macht an.
Er hat eine gute Frage gestellt, aber sie beschäftigt mich gerade herzlich wenig. Viel lieber würde ich wissen, ob es stimmt, was Willem sagt.
»Würdest du wirklich für manche Dinge über Leichen gehen?« Ich stemme die Hände in die Seiten. Bevor wir darüber nicht geredet haben, bin ich nicht bereit, über irgendwas in dieser neuen Welt zu reden.
Über Mikaels Züge legt sich ein dunkler Schatten, und ich weiß instinktiv, dass Willem der Einzige ist, der sein wahres Gesicht kennt. Ich bin ein Spielball. Eine Puppe in seinem Zirkus, die sich von der Aufmerksamkeit, die sie von ihm bekommen hat, hat lenken lassen.
»Ich … Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Wie wär’s mit der Wahrheit? Musstest du auf dem Weg hierhin«, ich mache mit der Hand eine ausschweifende Bewegung, »wirklich ›über Leichen gehen‹?« Meine Stimme klingt schriller als beabsichtigt.
Ich hoffe, dass er meine Frage verneint, doch … er nickt.
»Was?« Ich fühle mich wie ein Kartenhaus, das einfach in sich zusammenfällt. Sämtliche Luft weicht aus meinen Lungen, ich stolpere zurück, will mich an dem Sessel festhalten, in dem Willem bis gerade gesessen hat, doch meine Hand findet keinen Halt, weil ich in dieser Welt nichts anfassen kann. Ich kann mich rechtzeitig fangen, bevor ich falle. »Wer?«
»Sein Name war Silas«, erklärt er düster, und ich sehe den Mann vor mir plötzlich mit ganz anderen Augen. Er ist nicht mehr bloß ein Opfer eines Zauberspruchs, ein Mann, der meine Hilfe braucht, um wieder vollständig zu sein. Er ist ein Mörder.
»Warum?«, hauche ich und versuche, irgendeinen Sinn hinter seinen Worten zu finden.
»Wenn ich es nicht getan hätte, hätte er es gemacht, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Du kannst verdammt nochmal nicht sterben!«, kreische ich. Mikael zuckt zusammen, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. Wenigstens scheint er sich für das zu schämen, was er getan hat.
Wenigstens. Ich schnaube auf. Wie kann ich so was überhaupt denken? Wie kann ich hier überhaupt mit ihm stehen und darüber reden, als hätte er bloß jemandes Vertrauen missbraucht?
Er hat einen Menschen getötet.
Einen Menschen!
Jemanden, der Träume und Ziele und Pläne hatte. Freunde, die ihn geliebt haben. Ein Leben.
»Wie kannst du einfach so ein Leben beenden?« Ich lasse mich erschüttert auf den Boden sinken. Meine Beine wollen mich einfach nicht mehr tragen. »Wer gibt dir das Recht dazu?«
Mikael verzieht das Gesicht und geht vor mir in die Hocke. Er streckt eine Hand aus, um mich zu berühren. Seine Fingerspitzen gleiten sanft über meine Wange. Wenigstens können wir einander berühren. »Hör zu, Hayet. Ich weiß, dass du meine Beweggründe nicht verstehen kannst. Das musst du auch gar nicht. Aber wir kommen jetzt nicht weiter, wenn wir darüber sprechen. Was geschehen ist, ist geschehen. Und jetzt müssen wir uns darum kümmern, diese Frau zu finden und wieder in unsere Welt zurückzukehren«, sagt er. »Ich erkläre dir später alles, was du wissen willst, okay?«
Ich erinnere mich an Willems Worte. Ich kenne Mikael. Er glaubt nicht daran, dass sie zurückkommen. »Willst du das überhaupt?« Ich fahre mir mit den Händen durchs Gesicht. »Willst du überhaupt zurück in diese Welt oder hast du sowieso die ganze Zeit damit gerechnet, dass wir bei diesem Abenteuer draufgehen?«
»Ich weiß, dass wir nicht draufgehen werden«, erwidert er fest.
»Woher?«, will ich wissen. Ehe er es mir nicht sagt, werde ich diesen Weg kein Stück mit ihm weiterverfolgen.
»Du bist Adeles Tochter, Hayet.« Er sieht mich schief an. »Glaubst du wirklich, sie würde dich in Gefahr bringen?«
»Wow.« Ungläubig schüttle ich mit dem Kopf. »Einfach nur wow.« Ich stehe auf, klopfe mir die Hände an den Hosenbeinen ab, und versuche, nicht vor Wut zu explodieren. »Soll das heißen, du hast das alles so geplant? Du wusstest genau, dass du hier nicht mehr lebend rauskommen würdest, wenn du nicht ein Ass im Ärmel hast, oder?«
»Du bist der Schlüssel, Hayet. Rein und wieder raus.« Mikael steht ebenfalls auf und hebt entschuldigend die Arme. »Aber falls es dich tröstet: Ich habe nichts davon geplant. Ich wollte dich hier nicht mit reinziehen. Du warst diejenige, die unbedingt helfen wollte. Erinnerst du dich?«
Ich grummle und verschränke die Arme vor der Brust.
»Weißt du, selbst wenn sie mich in eine Falle geschickt hätte, was ich ihr durchaus zutrauen würde«, fährt er fort, »würde sie dich hier niemals verkommen lassen. Du bist ihre Tochter. Du liebst sie und vertraust ihr, und ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit. Sie wird dich zurückholen.«
Seufzend fahre ich mir durch die Haare. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ob ich ihm böse sein soll, weil er so weit gedacht hat, wie es mir niemals eingefallen wäre.
»Ich will hier nicht sterben, Hayet.« Er blickt mich weich an und deutet auf Farrah, die mittlerweile allein auf der Couch sitzt und Däumchen dreht. »Vielleicht wollte ich das vor einigen Wochen noch, ja. Aber jetzt habe ich genug Gründe, um wieder zurückzukehren.«
Seine Worte lassen mein Herz weich werden. »Du liebst sie wirklich, hm?«
»Es geht mir nicht nur um Farrah.« Er schiebt sich vor mich, greift nach meiner Hand und drückt sie. »Ich will hier raus, um dich in Sicherheit zu wissen. Und ich will auch Emma und Willem glücklich sehen. Es gibt so viel, wofür es sich jetzt zu kämpfen lohnt.«
Nun hat er mich endgültig um den Finger gewickelt. Verdammt, wieso fällt es mir so schwer, ihm böse zu sein?
»Ich wollte dich niemals hier mit reinziehen. Ich wollte ja nicht mal, dass du meine wahre Identität kennst, Hayet. Es war niemals geplant, dass wir Freunde werden.«
Ich lächle, traurig darüber, dass er nie auf der Suche nach Freundschaft war. »Und jetzt sind wir hier.«
Er nickt. »Adele wird uns hier rausholen«, verspricht er mir, aber das ist es nicht, was ich von ihm hören möchte. Ich will Erklärungen. Für alles, was geschehen ist. Aber dafür ist jetzt weder der richtige Ort noch die richtige Zeit. »Wir sollten anfangen, bevor es zu spät ist. Lass sie uns suchen.«
Da ertönt ein heiseres Lachen hinter mir. Ich fahre herum und sehe eine Frau aus den Schatten der Eingangstür kommen. Sie hat ein aschfahles Gesicht und lange, braune Haare, aber was mir am meisten Angst einjagt, ist das teuflische Grinsen auf ihrem Gesicht.
»Ich schätze, ihr redet von mir«, spricht sie, und ich weiche unwillkürlich zurück. Mikael schiebt sich vor mich und breitet die Arme aus, als wolle er mich vor ihr schützen. »Wurde auch Zeit, dass mal wieder jemand neues anreist. Mein Magen knurrt schon seit einer halben Ewigkeit.«