Читать книгу Die Schule der Wunderdinge (2). Simsala Schirm - Kira Gembri - Страница 10

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3. Kapitel

An diesem Abend schrieb Tilly eine Liste. Das tat sie immer, wenn sie ihre Gedanken ordnen wollte, und gerade herrschte in ihrem Kopf das absolute Chaos. Es war nicht etwa so, als würde ihr nichts einfallen – im Gegenteil. Seit sie von der Schule nach Hause gekommen war, sprudelten die Ideen aus ihr heraus wie Wasser aus einem Springbrunnen:


Das alles hätte Tilly echt cool gefunden, aber konnte sie so etwas als neue Wunderschülerin bereits schaffen? Und was davon würde Wilma am besten gefallen? Sosehr Tilly ihre neue Lehrerin auch mochte – eigentlich wusste sie noch viel zu wenig über sie.

»Eine Frage«, sagte Tilly, als ihre Mutter hereinkam, um ihr einen Teller Haferkekse zu bringen. Lux saß gut versteckt unter dem Schreibtisch, sodass Frau Bohnenstängel ihn nicht bemerkte. »Wenn du morgen Geburtstag hättest, was wäre dann dein größter Wunsch?«

»Eine beigefarbene Weste wäre nicht schlecht«, sagte Frau Bohnenstängel, die gerade einen beigefarbenen Pullover trug. »Oder ein Paar neue Strumpfhosen …«

»Mama! Ich meine etwas ganz Besonderes«, protestierte Tilly.

Frau Bohnenstängel tippte nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen ihre Unterlippe, dann hellte sich ihre Miene auf. »Es gibt wiederverwendbares Backpapier, das wollte ich mir schon lange besorgen!«

Seufzend beugte sich Tilly wieder über ihr Notizbuch. Herr und Frau Bohnenstängel waren zwar sehr nette Eltern, aber mit der quirligen, schrägen Wilma hatten sie ungefähr so viel gemeinsam wie zwei Stockenten mit einem Papagei. Sie wussten auch nichts von der Wundervilla. Tilly hätte ihnen zwar gerne alles erzählt, aber leider war das ausgeschlossen.

Clarissas Vater, der Bürgermeister von Blasslingen, fand es schon empörend genug, dass Tilly eingeweiht worden war. Er hatte sogar von Wilma verlangt, ihr alle magischen Erinnerungen mit einem Gedächtnissauger wieder wegzunehmen. Die Wunderlehrerin war strikt dagegen gewesen, aber sie hatte versprechen müssen, dass niemand sonst von dem Geheimnis erfuhr.


Also blieb ihr auch diesmal keine andere Wahl, als sich für Tillys Eltern eine Ausrede einfallen zu lassen.

»Viel Spaß bei deinem Erdkunde-Projekt!«, verabschiedete sich Frau Bohnenstängel am nächsten Morgen von ihrer Tochter.

»Verschiedene Gesteinsarten zu erforschen, klingt wirklich interessant!«, fügte Herr Bohnenstängel hinzu.

Offenbar hatten die beiden am vergangenen Abend einen Anruf von Wilma bekommen. Tilly versuchte, ganz harmlos zu lächeln, dann machte sie sich auf den Weg zur Schule. Insgeheim fühlte sie sich fast so mies, als stünde ihr tatsächlich ein Projekt zum Thema Gesteinsarten bevor. Was sollte sie bloß tun, wenn sie von früh bis spät vergeblich auf einen Geistesblitz wartete? Sicher glaubten Clarissa und Gabriel dann wieder, sie wäre an der Schule der Wunderdinge fehl am Platz!

»Ist euch schon was eingefallen?«, fragte Tilly sofort, als sie Pip und Nico traf. Seit ihrem ersten gemeinsamen Abenteuer warteten die drei jeden Morgen aufeinander, um zusammen in die Klasse zu gehen.

»Ja«, sagte Pip düster. »Mir ist eingefallen, dass ich immer furchtbar schlecht in Wettbewerben bin.«

Nico zögerte, dann öffnete er seinen Rucksack und holte ein zierliches kleines Flugzeug hervor. Es bestand aus Papier, Strohhalmen und einem Gummiband, das man verdrehen konnte. Wenn man es losließ, drehte es sich wieder zurück und trieb dadurch den Propeller an.

»Mein Papa hat mir beigebracht, wie man solche Flugzeuge baut«, sagte Nico. »Vielleicht schaff ich es, dass es ähnlich gut fliegt wie Clarissas Schmetterling, Loopings macht und so. Aber …« Er brach ab und steckte den Papierflieger unsanft wieder in seinen Rucksack. »Das passt eigentlich nicht richtig zu Wilma, also vergesst es wieder.«

Tilly biss sich auf die Unterlippe. Nicos Vater hatte magische Gegenstände auf der ganzen Welt erforscht, doch von seiner letzten Reise war er nicht zurückgekommen. Kein Wunder, dass Nico oft mit seinen Gedanken woanders war! Gerade überlegte Tilly, ob sie etwas Aufmunterndes zu ihm sagen sollte, da klingelte es zum Unterricht. Eigentlich war es eher ein lustloses Tuten, das perfekt zu ihrem Klassenlehrer, Herrn Klausner, passte. Der kam soeben herbeigeschlurft und sagte mit der langweiligsten Stimme, die man sich vorstellen konnte: »Jetzt bitte rasch … auf eure Plätze. Wir wollen uns heute … in aller Ruhe … den Kommaregeln widmen!«

Was dann folgte, war ein typischer Vormittag an der Blasslinger Grundschule. Genauer gesagt, war der Vormittag so öde, dass Tilly zu spüren glaubte, wie sie innerlich verschrumpelte. Normalerweise hätte sie sich mit ihrem Notizbuch die Zeit vertrieben, aber nachdem sie schon so viele Ideen aufgelistet und dann wieder durchgestrichen hatte, fühlte sich ihr Kopf merkwürdig leer an.

Ihre Laune wurde auch nicht gerade besser, als sie am Nachmittag mit den anderen Wunderschülern in der Besenkammer zusammentraf. Von dort aus führte eine verborgene Treppe bis zum Garten der Wundervilla. Um den Eingang sichtbar zu machen, musste man die Wand neben dem Putzmittel-Regal mit einem Staubwedel kitzeln. Wenn dann mit einem Kichern die Geheimtür erschien, lachte Tilly normalerweise mit – aber diesmal war ihre Vorfreude auf die Wundervilla längst nicht so groß wie sonst.

Gabriel hingegen grinste von einem Ohr zum anderen. »Ich hab gestern schon angefangen, mein Wunderding zu bauen, und bin richtig gut vorangekommen«, verkündete er. »Ihr auch?«

Clarissa reckte die Nase in die Luft. »Was für eine Frage«, erwiderte sie kühl.

»Mhm, ich hab auch was«, sagte Bastian und wirkte dabei ungewöhnlich vergnügt.

Tilly musste schlucken. Wie es aussah, waren sie und ihre Freunde die Einzigen, die mit der Aufgabe Schwierigkeiten hatten! Während die anderen die schmale Treppe hinaufstiegen, fischte sie schnell ihren Kerzenständer aus dem Rucksack und wisperte ihm zu: »Jetzt wird es höchste Zeit für eine gute Idee! Fällt dir vielleicht was Tolles ein?«


Lux überlegte einen Moment, die mittlere Kerze leicht schief gelegt. Dann puffte er ein quadratisches Rauchzeichen in die Luft, das sich gleich darauf zu einem Dreieck zusammenfaltete. Tilly wusste genau, was das bedeuten sollte: Servietten. Die waren nämlich Lux’ Lieblingsspeise.

Mit einem schwachen Lächeln setzte Tilly ihn auf ihre Schulter. »Da finden wir hoffentlich noch was Besseres«, sagte sie und beeilte sich, die anderen einzuholen.

Hintereinander kletterten sie durch die Öffnung am Ende der Treppe und liefen dann einen Weg aus Steinplatten entlang, der durch einen verwilderten Garten führte. Als die Villa mit ihren Erkern, Türmchen und efeubewachsenen Mauern in Sicht kam, kniff Tilly überrascht die Augen zusammen. An der Eingangstür hing ein Zettel, der sich aus der Nähe als Brief entpuppte. Tilly erkannte Wilmas Handschrift, aber die Buchstaben sahen so schief aus, als wäre die Wunderlehrerin beim Schreiben in furchtbarer Eile gewesen.

»Oh verflixt. Das kann nichts Gutes bedeuten«, meinte Pip, die den Zettel als Erste erreicht hatte.

»Geh zur Seite, Piepmatz«, sagte Clarissa und drängte Pip ein bisschen nach rechts. Dann las sie laut, was auf dem Zettel stand:

Ihr Lieben, ich habe eine beunruhigende Nachricht erhalten. In einer benachbarten Stadt verschwinden neuerdings Wunderdinge – dieser Sache muss ich unbedingt auf den Grund gehen. Morgen bin ich aber hoffentlich wieder zurück, dann machen wir alles wie besprochen.

Bleibt wunderbar! Eure Wilma.

Die Schule der Wunderdinge (2). Simsala Schirm

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