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2.

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Beck, L. O. Beck, Privatdetektiv, legte den Hörer auf, lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und starrte leer in die Luft, während er nachdenklich den Mund spitzte und zerstreut mit Daumen und Zeigefinger an der Unterlippe zog.

Dann richtete er sich entschlossen auf, beugte sich vor und zog die unterste Schreibtischschublade auf.

This called for a drink!

L. O. Beck liebte es, sich als dänischen Philip Marlowe der Achtzigerjahre zu sehen. Vor zehn Jahren war er der Philip Marlowe der Siebziger gewesen und davor ... nein, so weit zurück mochte er nicht denken.

Der Whisky in der untersten Schreibtischschublade gehörte mit ins Bild.

Beck schenkte sich einen steifen Whisky ein, legte die Füße auf die Schublade, die er offen gelassen hatte, trank einen Schluck und blieb mit dem Becher in der Hand sitzen.

»Sie sollen ein Mädchen für mich finden!«

So lautete der Auftrag.

Er hatte ihren Namen bekommen, ihr Geburtsdatum und die Namen der Eltern.

»Geboren wo?«, hatte Beck gefragt.

»Unbekannt. Aber vermutlich hier in der Stadt.«

»Vermutlich?«

»Ja.«

»Das wird schwer werden«, hatte Beck gesagt. Es war immer gut, die Klienten auf eine ansehnliche Rechnung vorzubereiten. »Es muss mehrere Hundert mit diesem Namen geben, und wenn wir nicht mit Bestimmtheit wissen, wo sie geboren wurde, dann ...«

»Wenn es einfach wäre, würde ich nicht Ihre Hilfe brauchen.«

Vorgestellt hatte der Mann sich nicht. Nur eine Stimme am Telefon. Älter vielleicht. Oberklasse. Ein Anwalt? Oder vielleicht der Vater des Mädchens?

»Was mache ich, falls, oder besser wenn ich sie gefunden habe? Gibt es eine Telefonnummer oder eine Adresse, die ich ...«

»Nein. Ich rufe Sie an. Wann glauben Sie, haben Sie etwas?«

Beck sah auf seinen Kalender. Heute war Montag. Wenn er beim ersten Versuch Glück hatte, konnte er den Auftrag vielleicht in ein paar Tagen erledigen, aber es war besser, sich auf der sicheren Seite zu bewegen.

»Ich verspreche nichts, aber Sie können es Montag versuchen.«

»Den Sechzehnten?«

»Ja.«

Am anderen Ende der Leitung war es kurz still. »Geht es nicht früher?«, fragte die Stimme dann.

»Das kann ich nicht versprechen. Der Auftrag ist ...«

»Ja, das weiß ich. Er ist schwierig. Aber wenn Sie ihn zufrieden stellend erledigen, bekommen Sie eine Extravergütung.«

»Ich werde es versuchen«, hatte Beck gesagt. »A propos Extravergütung ... mein Honorar beträgt 1.500 Kronen pro Tag.«

»Ausgezeichnet.«

»Plus Spesen«, hatte Beck sich beeilt hinzuzufügen. »Und 3.000 bar im Voraus. Sie können mir einen Scheck schicken.«

»Sie haben das Geld in einer Stunde«, hatte die Stimme gesagt. »Und dann habe ich noch ein paar Bedingungen. Zunächst einmal absolute Diskretion.«

»Natürlich, das ist das A und O in ...«

»Und ich meine hundert Prozent Diskretion. Versuchen Sie nicht herauszufinden, wer ich bin, und stellen Sie keine Fragen. Verstanden?«

»Klar«, hatte Beck gesagt. »Keine Fragen und absolute Diskretion.«

Er hatte noch mehr sagen wollen, aber der andere hatte ihn unterbrochen. »Ich rufe Freitagvormittag an. Zwischen zehn und elf.« Dann war der Hörer aufgelegt worden.

Beck trank einen Schluck von seinem Whisky und sah auf die Uhr.

Vielleicht war das Ganze nur ein Witz, aber das würde sich innerhalb von 50 Minuten zeigen. Er kannte niemanden, der 3.000 Kronen für einen Witz opfern würde, er brauchte also nur abzuwarten. Darin war er gut. Den größten Teil seiner Zeit verbrachte er mit Warten und das passte ihm ausgezeichnet. Beck war ein ziemlich fauler Mensch. Das war nichts, worauf er besonders stolz war, es war einfach eine Tatsache. Er machte sich nichts aus harter Arbeit – weder geistiger noch körperlicher Art –, vielleicht mochte er gerade deshalb seinen Job. Er war fast zufällig in diese Branche hineingeraten, damals. Nach dem Abitur und dem Militärdienst hatte er sich einige Jahre herumgetrieben, ohne richtig zu wissen, was er wollte. Schließlich hatte er sich bei der Polizei beworben. Bis er herausfand, dass das nicht sein Ding war, hatte er Schule und Probezeit absolviert. Die Arbeit war zu langweilig und es gab zu viel davon.

»Was zum Teufel willst du dann machen?«, hatte sein Vater ihn resigniert gefragt, als Beck wieder gekündigt und sich eine Zeit lang zu Hause in Jütland herumgetrieben hatte.

Beck hatte nur mit den Schultern gezuckt. Er hatte keine Ahnung, bis er über eine Annonce stolperte, in der das Jütländische Detektivbüro, Dänemarks älteste Detektei, einen Mitarbeiter suchte.

Die Detektei hieß Karl Christensen, und dass es die älteste Detektei war, stimmte offensichtlich, denn Karl Christensen war mitten in den Siebzigern. In seinen Broschüren hatte er damit geprahlt, für das berühmte Pinkerton Detektivbüro gearbeitet zu haben. Er hatte ihn mit drei Monaten Probezeit eingestellt und Beck hatte sofort erkannt, dass er hier am richtigen Platz war. Neben der Erledigung kleinerer Aufgaben, die Karl Christensen ihm in den ersten Monaten überlassen hatte, hatte er seine Zeit darauf verwandt, einen Bericht über Karl Christensen auszuarbeiten, den er ihm an dem Tag vorgelegt hatte, an dem die Probezeit endete.

Dieses Mal hatte Beck wirklich gute Arbeit geleistet. Der Bericht war ziemlich umfassend, aber der Name Pinkerton kam nirgendwo darin vor. Während des Zeitraums, in dem Karl Christensen angeblich dort beschäftigt gewesen war, hatte er sich Becks Bericht zufolge teils in Deutschland, teils an der Ostfront aufgehalten.

Karl Christensen hatte den Bericht gründlich studiert, gesagt, dass Beck ein Gespür für den Job hätte und ihn als seinen Kompagnon eingestellt.

Drei Jahre später war Dänemarks ältester Detektiv ruhig und friedlich in seinem Bett gestorben und Beck hatte das Büro allein weitergeführt.

Beck liebte seinen Job. Er verlangte weder große Gehirntätigkeit noch körperliche Anstrengungen, abgesehen von den Tausenden von Kilometern, die er im Laufe der Jahre bei der Beschattung von Leuten gewandert sein musste, aber selbst das amüsierte ihn.

Die Fälle, die er bearbeitete, waren meistens banal. Untreue Ehegatten, verschwundene Ehemänner und ausgerissene Kinder, aber für ihn wurden sie nie zur Routine, denn in seinen Augen gab es keine zwei gleichen Fälle.

Dieser Fall nun ging entschieden über das Übliche hinaus.

Nicht die Aufgabe selbst, aber die Geheimniskrämerei drum herum.

Normalerweise hätte er nicht viele Gedanken darauf verschwendet, wer ihn beauftragt hatte und warum, aber jetzt erwischte er sich dabei, wie er darüber nachdachte.

Keine Fragen – das war die Bedingung.

Und genau das ließ reihenweise Fragen aufkommen.

Beck dachte noch nach, als eine Dreiviertelstunde später ein Bote ein kleines, flaches Päckchen ablieferte und ihn um eine Quittung bat.

In dem Päckchen lagen 3.000 Kronen in kleinen Scheinen.

Um einen Witz handelte es sich hier jedenfalls nicht.

Es war so lächerlich leicht, dass er sich fast unanständig vorkam, das volle Honorar dafür zu verlangen. Als würde man einem Kind Bonbons klauen. Aber die Stimme am Telefon gehörte keinem Kind, verdammt noch mal!

Die Stimme rief pünktlich um halb elf am Freitagvormittag an.

»Haben Sie etwas herausgefunden?«

»Ja, es war schwer, aber es ist mir gelungen. Ihre Karen Jensen ...«

»Nennen Sie sie nicht meine Karen Jensen«, unterbrach der andere kalt.

Beck seufzte. »Gut, die bewusste Karen Jensen, Tochter der Sekretärin Aase Jensen und des Direktors Carl Fredrik Bruun, wurde hier in der Stadt geboren und lebt auch noch hier. Sie ist Bibliothekarin, ledig und hat mit ihrer Mutter zusammen in einem Haus im Hybenvej gewohnt. Nach dem Tod der Mutter hat sie das Haus verkauft und ...«

»Ja, gut. Aber sind Sie sicher, dass sie es ist?«

»Hundert Prozent. Ich kann Ihnen Kopien von ...«

»Das ist nicht nötig.«

Beck zögerte kurz. Es schien fast, als hätte der andere das Interesse verloren. Möglicherweise endete es damit, dass er den Rest seines Honorars in den Wind schreiben konnte.

»Sie ist, wie gesagt, umgezogen und ihre jetzige Adresse lautet Sandagervej 111. Sind Sie sicher, dass Sie nicht die Kopien haben wollen, die ...«

»Nein, kein Bedarf«, sagte der andere.

»Gut, dann ... ich weiß nicht, soll ich Ihnen eine Rechnung schicken?«, fragte Beck nach einer weiteren Pause.

»Wie viel schulde ich Ihnen?«

Beck musste kurz mit sich kämpfen. Normalerweise rechnete er nicht mit halben Tagen, er war Montag mit der Sache beauftragt worden und jetzt war Freitag. Fünf Tage.

»4.500«, sagte er.

»Sie nehmen auch, was Sie kriegen können«, antwortete der andere.

Arsch, dachte Beck. Laut fügte er hinzu: »Plus Mehrwertsteuer.«

»Sie haben nichts von Mehrwertsteuer gesagt, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben.«

»Das muss ich getan haben«, sagte Beck. »Darauf mache ich immer aufmerksam. Aber dafür brauchen Sie ja keine Spesen zu zahlen. Das macht dann ungefähr 6.000 Kronen, 6.150, um genau zu sein.«

»Die Steuer kann doch unmöglich 1.600 Kronen betragen«, protestierte der andere.

»Fünf Tage zu 1.500 Kronen macht 7.500 Kronen, plus Mehrwertsteuer 1.650, das sind 9.150 minus 3.000 Vorschuss. Ich komme auf nichts anderes als 6.150 Kronen«, beharrte Beck sanft. »Aber ich schicke Ihnen gerne eine Rechnung.«

»Nein, das ist in Ordnung. Ich schicke Ihnen das Geld.«

Beck erwog, die Extravergütung zu erwähnen, kam jedoch zu dem Schluss, dass das unklug wäre.

»Ja, dann ...«, begann er.

»Ich habe gedacht ...«, unterbrach der andere. »Wenn Sie im Moment nicht zu viel zu tun haben ... ich habe faktisch noch einen Job für Sie.«

»Noch ein Mädchen?«, fragte Beck.

»Nein, dasselbe Mädchen. Ich möchte, dass Sie ihre Bekanntschaft machen.«

Beck nahm den Hörer vom Ohr und starrte ihn an. »Was?«, fragte er ungläubig.

»Ich möchte, dass Sie sie kennen lernen.«

»Wie?«

»Darüber können Sie sich den Kopf zerbrechen.«

»Das gleiche Honorar?«

»Ja.«

»Darf sie wissen, wer ich bin?«

»Das ist egal. Gehen Sie so vor, wie Sie es für richtig halten. Aber vielleicht sollten Sie sich als Berater ausgeben.«

»Und wenn es klappt?«

»Finden Sie heraus, ob sie weiß, wer ihr Vater ist.«

»Ist das alles?«

»Ja. Schaffen Sie das?«

»Ich habe ein paar Aufträge, die ...«

»Können die nicht warten?«

»Vielleicht. Muss es direkt sein?«

»So schnell wie möglich.«

»Okay. Ich fange an, sobald ich das erste Honorar bekommen habe.«

»Das bekommen Sie heute. Und ich rufe Sie an und erkundige mich, wie es läuft. Übrigens, was für ein Auto fahren Sie?«

»Einen Ford Escort.«

»Neu?«

»Nein. In meinem Job muss man ...«

»Ja, verstehe. Aber für diesen Job sollten Sie etwas Schickeres mieten, denke ich. Schreiben Sie es aufs Spesenkonto.«

»Der Prinz auf dem weißen Ross?«

»So ungefähr, ja. Etwas in der Richtung. Ich melde mich.«

Dann wurde der Hörer aufgelegt.

Beck schüttelte den Kopf.

Der Mann war verrückt.

Er zog die unterste Schublade auf, nahm die Flasche heraus, schenkte sich einen Whisky ein und prostete sich zu.

War es so seltsam, dass er seinen Job liebte? Hier war alles möglich.

Wege des Todes - Skandinavien-Krimi

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