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Ich bin und war und werde sein Klabund

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Widmung

Das Es der Dinge, dem ich mich verschrieben,

Es mildert sich zum Du der Träumerei.

Ich werde ewig meine Seele lieben

In ihrer Ruh, in ihrer Raserei.

Geliebte, Ewige an meinen Mund:

Ich bin und war und werde sein Klabund.


Lebenslauf

Geboren ward Klabund,

Da war er achtzehn Jahre

Und hatte blonde Haare

Und war gesund.


Doch als er starb, ein Trott,

War er zwei Jahre älter,

Ein morscher Lustbehälter,

So stieg er aufs Schafott.


Er bracht ein Zwilling um …

(Das Mädchen war vom Lande

Und kam dadurch in Schande

Und ins Delirium.)


Der arme Kaspar

Ich geh – wohin?

Ich kam – woher?

Bin außen und inn,

Bin voll und leer.

Geboren – wo?

Erkoren – wann?

Ich schlief im Stroh

Bei Weib und Mann.

Ich liebe dich,

Und liebst du mich?

Ich trübe dich,

Betrübst du mich?

Ich steh und fall,

Ich werde sein.

Ich bin ein All

Und bin allein.

Ich war. Ich bin.

Viel leicht. Viel schwer.

Ich geh – wohin?

Ich kam – woher?


Schatten

Einem dumpfen Geiste

Bin ich untertan,

Oft fällt die verwaiste

Lust er gierig an.


Hellen Auges steh ich

In der lieben Welt,

Bis der fremde Schatten

Wieder in mich fällt.


Es hat ein Gott

Es hat ein Gott mich ausgekotzt,

Nun lieg ich da, ein Haufen Dreck,

Und komm und komme nicht vom Fleck.


Doch hat er es noch gut gemeint,

Er warf mich auf ein Wiesenland,

Mit Blumen selig bunt bespannt.


Ich bin ja noch so tatenjung.

Ihr Blumen sagt, ach, liebt ihr mich?

Gedeiht ihr nicht so reich durch mich?

Ich bin der Dung! Ich bin der Dung!


Im Spiegel

Ich sehe in den Spiegel.

Was für ein unverschämter Blick mustert mich?

Jetzt zieht er sich schon in sich selbst zurück –

Pardon: ich habe mich fixiert.

Ich will mir nicht zu nahe treten.


Meine Freunde kann ich mir an den Fingern einer Hand abzählen.

Für meine Feinde brauche ich schon eine Rechenmaschine.

Was bedeuten diese tiefen Furchen auf meiner Stirn?

Ich werde Kresse und Vergißmeinnicht drein säen.


Im Berliner botanischen Garten sah ich einen Negerschädel,

Aus dem eine Orchidee sproß.

So vornehm wollen wir's gar nicht machen.

Bei uns genügt auch ein schlichtes deutsches Feldgewächs.


Wir wollen durch die Blume zu den Ueberlebenden sprechen,

Wie wir so oft zu den nunmehr verwesten sprachen.

Also, meine liebe Leibfüchsin:

Du kommst mir deine Blume – Prost! Blume!


Ich stehe nicht mehr ganz fest auf den Füßen.

Der Spiegel zittert.

Seine Oberfläche kräuselt sich, weil ich lache.

Da ist der Mond – er tritt aus dem Spiegel in feuriger Rüstung

Und legt seine weiße kühle Hand auf meine fieberheiße Stirn.


Resignation

Ja, so geht es in der Welt,

Alles fühlt man sich entgleiten,

Jahre, Haare, Liebe, Geld

Und die großen Trunkenheiten.


Ach, bald ist man Doktor juris

Und Assessor und verehlicht,

Und was eine rechte Hur is,

Das verlernt man so allmählicht.


Nüchtern wurde man und schlecht.

Herz, du stumpfer, dumpfer Hammer!

Ist man jetzt einmal bezecht,

Hat man gleich den Katzenjammer.


Es ist genug

Es ist genug. Mein trübes Licht

Bereit' sich zu erlöschen.

Ich hab' vertan mein

Recht und Pflicht

Und meiner Seel' vergessen.


Es ist genug. Es weht ein Wind,

Weht nicht von Ost noch Norden.

Auf der Milchstraße wandert ein weißes Kind,

Ist nicht geboren worden.


Du über den Häusern heller Schein,

Wovon bist du so helle?

Stehst du um die Stirn einer Jungfrau rein

Oder brennt ein Sünder zur Hölle?


Der Schnapphans

Woher?

Vom Meer.

Wohin?

Zum Sinn.

Wozu?

Zur Ruh.

Warum?

Bin stumm.


Mein name klabund

Das heißt: Wandlung.

Mein Vater hieß

Schemen.

Meine Mutter: Schau.

Schritt im Schatten

Lenkte mich löblich.

Birke im Winde

Deuchte verwandt.

Aus dem Tal

Stieg ich zu Berge.

Über Schroffen

Klimm ich zu dir.

An den Lippen

Silberner Quelle

Hing ich verdurstet,

Hing ich verdorrt.

Unter der Sonne

Stand ich erfroren.

In den Nächten

Starb ich den Schlaf.

Vogel Anmut

Blinkte bedeutend

Durch die Zweige,

Zeigte empor.

Vogel Wehmut

Donnerte dunkel

Zwischen den Felsen,

Zeigte empor.

Vogel Demut,

Scham und Schleier,

Schwebte unhörbar,

Zeigte empor.

Siehe, da neigte sich,

Gastlich mir winkend,

Abendlich schluchzend,

Schwärmender Stern.

Einsames Wesen!

Gossest mit Funken

Flüchtiger Ferne

Feuer in mich!

Ich erfaßte

Lichtes Verlocken;

Griff nach der guten

Funkelnden Hand.

Ach mich ermatteten

Mutigen Wanderer

Zog sie zum Herde,

Wies sie zur Ruh.

In der ersehnten,

In der ertönten Eremitage

Schlug ich die Augen

Himmlisch empor.


Lied des Landstreichers

Ich werde wieder gut vor dir –

Woher mir das geschieht?

Ich fluchte, soff und stahl für vier,

Ich war ein Fuchs, ich war ein Tier –

Nun bin ich nur ein stilles Lied.


Du singst es dir in Träumen vor,

Wenn blaß der Mond am Himmel steht.

Der Wächter tutet unterm Tor.

Der Wind weht rauschend durch das Rohr –

Ich bin im Winde längst verweht …


Du und ich und dies und das


O gieb

O gieb mir deine Hände,

Der Frühling brennt im Hag,

Verschwende dich, verschwende

Diesen Tag.


Ich liege dir im Schoße

Und suche deinen Blick.

Er wirft gedämpft den Himmel,

Der Himmel dich zurück.


O glutend über Borden

Verrinnt ihr ohne Ruh:

Du bist Himmel geworden,

Der Himmel wurde du.


Auf ein Mädchen in der Dämmerung warten

Auf ein Mädchen in der Dämmerung warten –

Krähen fliegen über goldnem Garten.


Menschen streifen wie erloschne Sterne

Durch das gläsern hingegossne Ferne.


Wenn ein Kind aus einem Hause schreitet,

Ist es wie Musik, die uns geleitet.


In den Fenstern, die wir leicht erraten,

Tanzen Ladenmädchen mit Soldaten.


Auf ein Mädchen in der Dämmerung warten –

Sybil geht in einem fremden Garten.


Marietta

Kabarett zum roten Strich.

Leise flog der bunte Vogel

Über Busch und über Kogel

Unabänderlich.


Du und ich und dies und das

Unter Buchen auf dem Moose –

Eine kleine weiße Rose

Nahmst du aus dem Wasserglas.


Einmal fand ich deinen Schenkel

Kleine Rose milder Gier.

Große Mutter warst du mir,

Und ich war dir wie ein Enkel.


So wie wenn ich sterben müßte,

Dreizehn Jahre alt und jung,

Nebel und Erinnerung

Fiel ich zwischen deine Brüste.


Das Mädchen

Man wacht des Morgens hold eratmend auf.

Die Sonne blinkt durch blasse Fensterscheiben.

Man wird in dieser Welt ein wenig bleiben.

Für Leben nimmt man manches Leid in Kauf.


Man zieht sich an. Man setzt sich zum Frühstück.

Dann geht man fröhlich in den Tag spazieren.

Nebel fällt. Und Schnee. Und es wird frieren.

Fröstelnd kehrt man in sein Haus zurück.


Am Kamin sitzt man im Dämmerschein.

Ein Mann ist plötzlich da und viele Kinder.

Eins ist schon Sekretär. So wird das Leben linder.

Dann kommt die Nacht und man schläft ein.


Glück! O Schmerz!

Glück, so in den Tag hineinzusprühn,

Ich lasse mich bald hier- bald dorthin glühn

Von einem Mädchenblick, von einer Hand,

Die, weiß nicht wie, die meine fand

Und mich nun einen Augenblick umspannt,

Vielleicht auch zwei, vielleicht auch eine Nacht …

Schmerz, wenn schmerzlich dann die Früh erwacht!

Das Zimmer ist so blaß, die Luft so kalt,

Das Herz so müde – und das Weib so alt.

Und jene Hand, die Licht in Nacht geblößt,

Hängt steif am Bettrand, irgendleidbeschwert,

Ist nur gefaßt noch, nicht begehrt,

Hat mutlos sich und stumm und wie ein weißer Traum

Von uns gelöst.


Als du gestern von mir gingst

Als du gestern von mir gingst,

Glaubte ich,

Die Nacht verschlänge dich auf ewig.

Heut, da ich dich nicht sah:

Wie leer war mein Herz.

Die Welt

Ohne dich.

Aber jetzt

Bist du wieder da –


Die Luft ist voll von deinem Duft

Die Luft ist voll von deinem Duft,

O süßer Leib du von Jasmin!

Die Uhr schlägt drei.

Am Horizont

Die ersten rosa Wolken ziehn.


Die ersten rosa Wolken ziehn

Am Horizont.

Die Uhr schlägt drei.

O süßer Leib du von Jasmin,

Die Luft ist voll von deinem Duft!


Zwiegespräch

"Du gabst mir immer wieder

Dein Herz und deine Lieder,

Ich nahm sie sorglos hin.

Nun muß ich dich betrüben:

Ich darf dich nicht mehr lieben,

Weil ich nicht dein mehr bin."


"Und liebst du einen andern,

Will ich ins Weite wandern,

Mir wird so enge hier.

Wie schmerzlich blüht der Flieder!

Mein Herz und meine Lieder,

Ich lasse sie bei dir."


Die Mondsüchtige

Wandelnd auf des Daches First,

Auf der Mauer schmalem Rande,

Schreitet sie, die Hohe, Milde,

In des Mondes sanftem Licht.


Wie Musik ertönt ihr Schweben,

Ihre Füße gleiten gläsern.

Ihre Hände klingen leise,

Ihre Augen sind geschlossen.


Hinter ihr der treue Diener

Achtet ihrer Schritte, daß sie

Über einen Strahl nicht strauchle,

Sorglich hütet sie: ihr Schatten.


Gottgeheimnis, Götzenzauber,

Weiße Statue der Sehnsucht

Schreitet sie: ich streck' vergeblich

Meine Hände nach ihr aus.


O wie halt ich die Entschreitende,

O wie bann ich die Entgleitende,

Aber ruf' ich: stürzt sie nieder.

Aber schrei ich: ists ihr Tod.


Und so schreitet sie vorüber,

Ist auf ewig mir verloren.

Eine Wolke löscht den Mond aus.

Einsam stehe ich im Dunkeln.


Mond und Mädchen

Es kriecht der kahle Mond durch Zweiggeäder,

Ob wo im Haus ein Mädchen wohnt,

Ein warmes Bett, ein daunenweicher Leib,

Es wärmt zur Winternacht sich gern ein jeder …

O Mädel, bleib, du schlanke Zeder!


Der Mond tastet am Fensterglase

Und zittert vor Begier und Frost …

Das Mädel schlägt ihm vor der Nase

Die Läden zu und höhnt: Gib Ruh!

Alten Gliedern ziemt nicht junger Most!


Er aber hat den Finger in der Fensterspalte,

Ob ihrer Kissen eine Falte er nicht erspähe,

Er ihre Blicke, braune Rehe,

Über der Brüste Sommerhügel

Zärtlich schreiten sehe.


Kukuli
(Für Carola Neher)

Kleiner Vogel Kukuli,

Flieh den grauen Norden, flieh,

Flieg nach Indien, nach Aegypten

Über Gräber, über Krypten,

Über Länder, über Meere,

Kleiner Vogel,

Laß die schwere Erde unter dir

Und wiege dich im Himmelsäther –

Fliege zwischen Monden, zwischen Sternen

Bis zum Sonnenthron, dem fernen,

Flieg zum Flammengott der Schmerzen

Und verbrenn' in seinem Herzen!


Als sie die ihr geschenkte Kristallflasche in der Hand hielt

Brechen sich im Glas die Strahlen,

Bricht das Glas sich in den Strahlen?

Glänzt dein Auge in der Sonne,

Glänzt die Sonn' in deinem Auge?

Liebt dein Herz mich?

Herzt mich deine Liebe?

Seliges Verdämmern:

Denn wir sterben unser Leben

Und wir leben unsren Tod.


Als sie zur Mittagszeit noch schlief
(Für Carola Neher)

Zwar es ist schon Mittagszeit,

Sonne steht schon hell am Himmel –

In den Straßen: welch Gewimmel,

In den Herzen: welches Leid –

Manches Segel bauscht der Wind,

Mancher Kutter bleibt im Hafen –

Du sollst schlafen, du sollst schlafen,

Du sollst schlafen, liebes Kind.


Siebzigmal littst du Haitang,

Fünfzigmal starbst du Johanna –

Schmecktest Süßigkeit und Manna,

Wenn der Quell der Qualen sprang.

Süßes, junges Blut – es rinnt – Küsse,

Dolche flammten, trafen –

Du sollst schlafen, du sollst schlafen,

Du sollst schlafen, liebes Kind.


Einmal endet sich das Spiel,

Einmal endet sich das Grausen,

Und die Ewigkeit wird kühl

Dir um Brust und Schläfen sausen.

Sand deckt dich wie Wolle lind,

Und der Hirte bläst den Schafen –

Du sollst schlafen, du sollst schlafen,

Du sollst schlafen, liebes Kind.


Der südliche Herbst
Für Anny

Noch sind voll grünem Laube die Platanen.

Die Reben hängen an den Stöcken schwer.

Die Menschen frieren in den Eisenbahnen

Voll Ahnung frühen Winters allzusehr.


Ja: morgen ist die letzte Traubenlesung;

Dann gibt der Winter uns den milden Wein

Und schenkt uns Wehmut und Verzweiflung ein.

Ich rieche dich im Laube der Verwesung …


Nacht im Coupe

Sternschnuppen in der Nebelnacht?

Die Funken der Lokomotive,

Sie haben der Seele Reisig entfacht,

Der Liebe verstaubte Briefe.


Briefe, die ich lange trug,

Sie flammten im Funkenregen.

Da war ich frei – mein Herz, es schlug

Dem Morgenrot entgegen.


Liebeslied

Dein Mund, der schön geschweifte,

Dein Lächeln, das mich streifte,

Dein Blick, der mich umarmte,

Dein Schoß, der mich erwarmte,

Dein Arm, der mich umschlungen,

Dein Wort, das mich umsungen,

Dein Haar, darein ich tauchte,

Dein Atem, der mich hauchte,

Dein Herz, das wilde Fohlen,

Die Seele unverhohlen,

Die Füße, welche liefen,

Als meine Lippen riefen –:

Gehört wohl mir, ist alles meins,

Wüßt' nicht, was mir das liebste wär',

Und gäb nicht Höll' noch Himmel her:

Eines und alles, all und eins.


Nachts

Ich bin erwacht in weißer Nacht,

Der weiße Mond, der weiße Schnee,

Und habe sacht an dich gedacht,

Du Höllenkind, du Himmelsfee.


In welchem Traum, in welchem Raum,

Schwebst du wohl jetzt, du Herzliche,

Und führst im Zaum am Erdensaum

Die Seele, ach, die schmerzliche –?


Du warst doch eben noch bei mir

Du warst doch eben noch bei mir,

Ich war doch eben noch bei dir –

Ging denn die Tür? Sprang auf das Haus?

Und gingst du ohne Gruß hinaus?


Es ist so dunkel. Dämmert es?

Hier klopft ja was. Was hämmert es?

Klopft denn die Wand? Tropft denn die Kerz'?

Es klopft und tropft und klopft mein Herz.


Die Liebe ein Traum

Ein letzter Kuß streift ihre Wimpern, und

Ermattet von der Lust schließt sie die schönen,

Die müden Augen, atmet tief – und schläft.

Schon hebt sich leicht die Brust,

Senkt leicht sich

Dem Traum entgegen

Wie Mond dem Meer,

Wie Welle sich an Welle schmiegt

Und fällt

Und steigt.

Ich rühr mich kaum, damit ich sie nicht wecke,

Doch wie ihr leiser Atem mich

Wie Mohnduft trifft,

Bin ich entzündet und vom stummen

Glanz der Glieder

Entflammt.

Ich neige mich zu ihr und liebe sanft

Die Schlafende, die einmal nur im Traum

Wie eine Taube

Verschlafen gurrt

Und seufzt. –

Sie träumt

Vielleicht,

Daß ich sie liebe…


Leben lebt

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