Читать книгу Die Feder von Kylnavern - Klara Chilla - Страница 2

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Prolog

Dunkelheit!

Kälte - und hin und wieder das Geräusch von tropfendem Wasser, das die einsame Stille durchbrach!

Wie lange war er schon hier? Er wusste es nicht, und es hatte auch keinerlei Bedeutung.

Es hatte keine Bedeutung, ob er saß oder lag oder womöglich den kleinen Raum seines Gefängnisses mit Schritten durchmaß. Wie oft hatte er mit den Händen die Wände abgetastet, um einen Ausgang zu suchen? Eine winzige Lücke, durch die Luft hinein drang?

Er hatte nichts gefunden, und auch das hatte längst seine Bedeutung verloren.

Also hockte er da und wartete ab. Längst war er sich nicht mehr sicher, ob seine Unsterblichkeit, die ihn davor bewahrte, den Verstand zu verlieren, noch ein Segen oder lediglich ein Fluch war. Ein Fluch, den er sich selbst aufgeladen hatte. Wie so vieles andere.

Heiser lachte er in die Stille und lauschte dem Klang, bis er sich verlor.

Eigentlich hatte sie ihm einen Gefallen getan. Gab es nicht Menschen, die freiwillig die Einsamkeit suchten, um sich von weltlichen Dingen zu lösen? Er lächelte. Das hatte er wohl inzwischen zweifelsohne getan. Er vermisste seltsamerweise weder Essen noch Trinken noch Kleidung oder ein bequemes Bett. Das einzige, was ihm fehlte, war frische Luft; das sanfte Streicheln einer kühlen Brise im Gesicht. Aber tatsächlich brauchte er auch diese nicht. Er hatte sich von allem gelöst, von dem, was er besessen hatte und von dem, was er getan hatte. Er fühlte sich geläutert und damit auf einzigartige Weise frei, so seltsam es auch klang. Vieles würde er jetzt anders machen.

Nachdenklich strich er über das Buch. Unwillkürlich lächelte er. Wenn sie auch nur geahnt hätte, dass er es dabei hatte, als sie ihn hier einsperrte …

Er verspürte keine Wut. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie sich rächen würde. Und Zeit hatten sie beide mehr als genug gehabt.

Plötzlich erwärmte sich das Buch in seiner Hand. Erstaunt hob er es hoch. Ein schwaches Leuchten drang zwischen den Seiten hervor. War es möglich? Unwillkürlich zitterten seine Hände und sein Herzschlag beschleunigte sich. Dunkelroter Schein glühte um das Buch, riss es aus dem Nichts. Er schluckte aufgeregt und öffnete es vorsichtig, als könnte er das, was dort geschah, mit einer Unachtsamkeit vertreiben. Doch das Glühen blieb, belebte mit sanftem Licht die beschriebenen Seiten, bis er eine neue Seite aufschlug. Das Buch hatte eine neue Seite erhalten!

Voller Unglauben strich er sanft über das Blatt, das unter seiner Berührung bebte. Wie von unsichtbarer Hand erschien rotglühende Schrift, brannte sich lautlos in das Papier und setzte die Geschichte fort, die er vor so langer Zeit begonnen hatte:

Verdun, der Seher, warf sich zu Füßen seines Königs.

»Es ist so weit, Königliche Hoheit. Der Wind hat die Nachricht zu uns getragen. Eine neue Schreiberin wird schon bald in unser Gebiet vordringen.«

»Wann?«

»In zwei Wochen, Königliche Hoheit.«

»Ihr wisst wo?«

»Mit absoluter Sicherheit.«

»Also wird es Zeit zum Aufbruch. – Wie finde ich sie?«

»Nicht Ihr, Königliche Hoheit.« Verdun schüttelte den Kopf. »Die Tinte wird die Feder finden.«

Der andere Mann betrachtete den alten Seher abschätzend.

»Bereitet alles vor«, sagte er knapp und winkte Verdun hinaus.

Die Schrift kühlte ab. Alles was blieb, war ein schwaches Leuchten, in dem er gerade noch die Buchstaben lesen konnte. Es war mehr, als er in den vergangenen Jahren gehabt hatte.

Mit klopfendem Herzen klappte er das Buch wieder zu. Hoffnung und Angst zogen ihn in eine Umarmung, denen er nichts entgegenzusetzen hatte.

Die Feder von Kylnavern

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