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II. Das Konzept der Integration

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[71] Das Integrationskonzept durchbricht das traditionelle Nebeneinander von Nationalstaaten. Die überkommene Auffassung von der Unantastbarkeit und Unteilbarkeit der Souveränität der Staaten weicht der Überzeugung, dass die unvollkommene Ordnung des menschlichen und staatlichen Zusammenlebens, die eigene Unzulänglichkeit des nationalen Systems und die in der europäischen Geschichte zahlreichen Machtübergriffe eines Staates auf andere (sog. Hegemonie) nur überwunden werden können, wenn die einzelnen nationalen Souveränitäten zu einer gemeinsamen Souveränität zusammengelegt und auf höherer Ebene in einer übernationalen Gemeinschaft verschmolzen werden. Das Ergebnis dieser Operation ist die Existenz[S. 77] eines Europäischen (Bundes-)Staates, in dem unter Bewahrung der Eigenheiten der in ihm zusammengeschlossenen Nationen die Geschicke der Menschen von Gemeinschaftsgewalten gelenkt und ihre Zukunft gesichert wird (Föderation).

Die EU ist eine Schöpfung dieses Integrationskonzeptes, auch wenn es aufgrund des Beharrungsvermögens der Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer nationalen Souveränität einer Modifikation bedurfte. Die Mitgliedstaaten waren nämlich nicht bereit, die nach dem Zweiten Weltkrieg wiedererlangte und gerade verfestigte Struktur ihres Nationalstaates zugunsten eines Europäischen Bundesstaates preiszugeben. Es musste also abermals ein Kompromiss gefunden werden, der – ohne einen Europäischen Bundesstaat errichten zu müssen – mehr als eine bloße Kooperation der Staaten gewährleistete. Die Lösung bestand darin, den Mitgliedstaaten nicht die vollständige Preisgabe ihrer Souveränität abzuverlangen, sondern lediglich die Aufgabe des Dogmas von ihrer Unteilbarkeit. Es ging also zunächst nur darum, festzustellen, auf welchen Sachgebieten die Mitgliedstaaten bereit waren, auf einen Teil ihrer Souveränität zugunsten einer ihnen allen übergeordneten Gemeinschaft freiwillig zu verzichten. Das Ergebnis dieser Bemühungen spiegeln die drei Gründungsverträge der EGKS, der EWG und der EAG wider.

In ihnen und den heutigen Unionsverträgen sind diejenigen Gebiete im Einzelnen aufgeführt, auf denen der EU Hoheitsrechte übertragen worden sind. Dabei wird der EU und ihren Organen keine generelle Befugnis zum Erlass der zur Verwirklichung der Vertragsziele erforderlichen Maßnahmen erteilt, sondern Art und Umfang der Befugnisse zum Tätigwerden ergeben sich aus den jeweiligen Vertragsvorschriften (Prinzip der begrenzten Ermächtigung). Auf diese Weise bleibt der Verzicht auf eigene Befugnisse für die Mitgliedstaaten überschaubar und kontrollierbar.

Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union

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