Читать книгу Einführung in die Psychomotorik - Klaus Fischer - Страница 6
ОглавлениеVorwort
Die grundlegend überarbeitete und in großen Teilen ergänzte vierte Auflage dieser Einführung erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem sich das Fachgebiet der Psychomotorik einerseits im Feld von Bildung,Förderung und Gesundheit und im Aus-, Fort- und Weiterbildungssektor etabliert hat, andererseits erfordert die aktuelle interdisziplinäre Körper- und Bewegungsdebatte verschiedener Fachdisziplinen Aufmerksamkeit und eine eigene (Neu-)Positionierung. Bewegung und Körperlichkeit haben im internationalen Fachdiskurs in den 2000er Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren (Marshall 2015, 2016). Gegenwärtig etabliert sich interdisziplinär ein dynamisch-systemisches Entwicklungsverständnis (Witherington 2015), das Bewegung und Körperlichkeit eine fundamentale und verbindende Bedeutung für alle Entwicklungsbereiche zuschreibt (Krist 2006; Fogel 2011; Shepherd 2017). Genau dieses ist der Hauptbegründungsstrang für das psychomotorische Paradigma. Es geht darum, die Wechselwirkung von Bewegung, Kognition und sozial-emotionaler Kompetenz zu verstehen und für Prozesse der (kindlichen) Bildung und Entwicklungsförderung zu nutzen (Berthoz 2000; Kastner 2010). International hat sich dafür der Begriff „embodiment“ (Körperlichkeit) etabliert. Die neue Debatte um Körper und Bewegung weist der psychomotorischen Entwicklung eine integrierende Bedeutung zu (Krist 2006; Weber 2017).
Der Begriff Psychomotorik betont innerhalb der Fachdiskurse über die menschliche Motorik den engen Zusammenhang von Wahrnehmen,Erleben, Erfahren und Handeln in sozial-ökologischer Einbettung. Es sind dies die Schlüsselbegriffe und Gegenstandsbereiche, über die Selbstbildungsprozesse, Entwicklungsförderung und psychomotorische Gesundheitsförderung über die Entwicklungsspanne in vielen Anwendungsfeldern unseres Bildungs-, Hilfe- und Gesundheitssystems wirksam werden. In diesem Verständnis hat sich das Fach seit den 1950er Jahren als pädagogisch-therapeutisches Konzept entwickelt,das ebenfalls von der Wechselwirkung psychischer und motorischer Prozesse ausgeht und diese in einen Bezug zur menschlichen Persönlichkeitsentwicklung stellt (Eggert 1994/2008; Reichenbach 2011; Zimmer 2012; Fischer 2015a; Krus 2015a; Kuhlenkamp 2017).
Das neue Lehrbuch gibt einen Überblick über die zahlreichen Mosaiksteine der psychomotorischen Konzeptdiskussion in der Theorie und den Praxisfeldern und leistet somit einen Beitrag zum Implementationsprozess des Faches. Die Kapitelfolge bearbeitet die Historie und Quellenbezüge des Faches, die Schlüsselbegriffe, die entwicklungstheoretische Grundlegung und die Ausrichtung zwischen Pädagogik und Therapie einerseits sowie die Anwendung auf die verschiedenen Handlungsfelder von der Frühförderung bis zur Psychomotorik im Alter (Motogeragogik) andererseits. Das Kapitel Motodiagnostik, Evaluation und Wirkungsforschung sowie eine Adressenliste von nationalen und internationalen Vereinigungen, Hoch- und Fachschulausbildungen und Weiterbildungsakademien beschließen die Fachübersicht. Die Grundstrukturder vorliegenden Einführung ist gegenüber der letzten Ausgabe beibehalten, alle Teile aktualisiert und um diese Themen ergänzt worden:
■ die Embodimentdebatte
■ die Spielthematik in der Psychomotorik
■ den Stellenwert der psychomotorischen Diagnostik
■ Naturerfahrung und Spielraumgestaltung
■ Bewegung in der Kindheitsforschung
■ das Konzept der Bewegungsbaustelle
■ Wirksamkeitsforschung in der Psychomotorik
■ viele Bezüge und Quellen aus dem reichhaltigen Repertoire psychomotorischer Publikationen zu den Handlungsfeldern
Die Praxisthemen der Psychomotorik und ihre theoretischen Begründungszusammenhänge sind heute fester Bestandteil zahlreicher Ausbildungsgänge auf Fachschul-, Hochschul- und Universitätsebene. In vielen Studienschwerpunkten zur Kindheits-, Sozial-, Heil- und Sportpädagogik, aber auch zur Physio-, Ergo- und Sprachtherapie finden psychomotorische Themen Berücksichtigung; an vier Universitäten des deutschsprachigen Raumes (Köln, Marburg, Wien, Zürich) sind forschungsorientierte Masterschwerpunkte entstanden.
Dieses Lehrbuch möchte verschiedene interdisziplinäre Diskussionsstränge und Zusammenhänge verdeutlichen und mit dem psychomotorischen Fachdiskurs in Beziehung setzen. Sie eröffnet damit Möglichkeiten, dem gewachsenen Bedarf an fachlich-wissenschaftlicher Grundlegung für Abschluss- und Prüfungsarbeiten (z.B. Bachelor, Master) zu entsprechen.
Köln, im November 2018 Klaus Fischer