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II. Wir hoffen auf eine friedliche Lösung
ОглавлениеIn die entstandene Pause hinein fragte ich: »Was glauben sie, von wem die folgenden Worte stammen: ›Besser als eine Maschinengewehrgarbe für Berlin sei nach seiner Meinung die stufenweise Anwendung wirtschaftlicher Sanktionen… von der Drosselung bis zur Einstellung der Stahllieferungen…‹«
Der Richter sah verdrossen drein, wohl auch weil er keinen Zusammenhang zwischen der Chinesischen Mauer und der Einstellung von Stahllieferungen an die DDR erkennen konnte.
Er sagte scharf: »Das ist hier keine Quizrunde!«
Aber dann schien es ihn plötzlich doch zu interessieren, von wem die Äußerung stammte.
Ich beeilte mich mit der Antwort: »Franz Josef Strauß, war es, wie die ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹ am 31. 1. 1961 mitgeteilt hatte.«
Und fuhr eilig fort: »Und zur Kenntnis nehmen sollte man auch, dass das Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung am 12. August 1961 – das Datum scheint mir wichtig – ein Interview mit Kennedy publiziert hatte.«
Mit einem Mal schien der Richter sichtlich interessiert. »Mit Kennedy? Am 12. August?«
Ich nickte und griff zum nächsten Blatt: »Die erste Frage lautete: ›Herr Präsident, ich hätte gern ihre Stellungnahme zu einer Passage in der Rede Chrustschows. Er sagt in Verbindung mit einem Friedensvertrag zwischen der Sowjetunion und der ostdeutschen Regierung: »Wir beabsichtigen nicht, irgendwelche legitimen Rechte der Westmächte zu verletzen. Es ist von keinem Verbot des Zugangs nach West-Berlin, von keiner Blockade West-Berlins die Rede.« Steckt da eine Falle dahinter?‹
Kennedy: ›Ich glaube, sie müssen die Rede als Ganzes lesen. Ich glaube, es wurde erwähnt, dass wir mit der ostdeutschen Regierung in Verhandlungen eintreten sollen, um zu dem Ergebnis zu kommen, das vorgeschlagen wurde. Es gab eine ganze Reihe von Vorschlägen über die Rechte der ostdeutschen Regierung: den Zugang zu kontrollieren und auch das Territorium von West-Berlin zu kontrollieren – und deshalb sollte die Rede als Ganzes gelesen werden. Aber ich glaube, dass wir alle verfügbaren Mittel anwenden sollten, um eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob eine friedliche Lösung erreicht werden kann, die die Rechte der Bevölkerung von West-Berlin und unsere eigenen Rechte schützt.‹
Eine weitere Frage: ›Herr Präsident, wenn es um Berlin zum Kampf kommen sollte – d.h. wenn die Friedensbemühungen fehlschlagen – glauben Sie, dass der Kampf auf einen konventionellen Krieg beschränkt werden kann oder dass er zum Einsatz nuklearer Waffen führt?‹ Die Antwort des Präsidenten lautete: ›Wir hoffen sehr, dass wir imstande sein werden, eine friedliche Lösung zu erreichen.‹«
Der Richter unterbrach mich: »Liegt dieses Interview bei den Akten?«
»Das weiß die Staatsanwaltschaft sicher genauer als ich…«
Der Vorsitzende beflüsterte sich mit seinen Beisitzern und verkündete dann zur allgemeinen Überraschung: »Wir vertagen die Sitzung auf den 14. Also bis nächsten Dienstag!«
Die Staatsanwältin protestierte, meine Anwältin stimmte ihr zu. Warum, begriff ich nicht.
Der Richter sagte, schon fast an der Tür, zur Staatsanwältin gewandt: »Möglich, dass wir tatsächlich prüfen müssen, ob es sich um Volksverhetzung im Sinne des Gesetzes handelt.«
Die Staatsanwältin hatte erregt das Barett abgelegt. Ihr wallendes rotes Haar unterstrich ihre Empörung: »Das fehlte noch, Herr Vorsitzender, dass der Angeklagte uns hier belehren wird, warum diese Mauer errichtet wurde. Und das nach Jahrzehnten? Und nachdem alle Welt sich in dieser Frage einig ist. Mit mir nicht!«
Darauf der Richter kühl aber dabei freundlich lächelnd: »Da bliebe Ihnen – juristisch betrachtet – nur der Verzicht auf die Klage!« Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.