Читать книгу Kennedy und die Mauerbrigaden - Klaus Huhn - Страница 7

III. Chancen wie Kohlhaas?

Оглавление

Die Anwältin und ich fuhren durch die Stadt, bis uns einige freie Parkplätze vor einem Restaurant bewogen, bei einem gemeinsamen Essen die nächsten Schritte zu erörtern.

»Das kann teuer für Sie werden! Haben Sie das bedacht?«, fragte sie, irgendeinen grünen Tee schlürfend. Ich stierte auf ihren schmucklosen flachen Pullover, der nicht verriet, ob sie überhaupt einen Büstenhalter trug.

Ich bestellte Schnitzel mit frischem Spargel.

Sie auch, ließ sich dazu einen trockenen Weißwein bringen und fragte: »Was ich nicht verstehe: Alle sagen: Ulbricht hat die Mauer gebaut, weil die Leute in Scharen davonliefen. Warum das bestreiten? Ulbricht ist längst tot, die Davongelaufenen haben sich in Uelzen oder im Schwarzwald ein Haus gebaut, ihre Enkel sind erwachsen und es interessiert sie nicht die Bohne, warum diese Mauer oder andere errichtet wurden. Ist das nicht ein Hauch Michael Kohlhaas?« Zwischendurch: »Der Spargel ist exzellent.«

»Kohlhaas?«, fragte ich. »Der wurde gehenkt und danach sehne ich mich nicht sonderlich. Aber wenn sie sich erinnern, wurde auch der Tronka-Burgherr, der Kohlhaas die Pferde gestohlen und damit allen Ärger ausgelöst hatte, verurteilt…«

»…und sie wissen hoffentlich, dass ihnen Knast droht. Könnten drei Monate sein, aber auch fünf Jahre!« Sie lächelte: »Haben sie schon mal gesessen? Kennen sie Knast von innen? Gar nicht dran zu denken, dass es ihnen wie Kohlhaas ergeht: Sie bekommen recht – und werden anschließend gehenkt.«

Sie bestellte ein zweites Glas Wein, und sagte so bestimmt wie ich es ihr nie zugetraut hätte: »Es geht um das Buch, nichts sonst. Selbst wenn sie morgen ein Dokument bringen, das belegt, Kennedy habe die Mauer begrüßt, nützt ihnen das herzlich wenig. Paragraph 130 ist das Thema! Und kaum jemand ist bereit, hinzunehmen, was sie geschrieben haben. Ganz unter uns: Hat ihnen das Buch so viel eingebracht, dass sie eine fünfstellige Kaution hinblättern könnten?«

Ich hatte ihr diese Frage nicht zugetraut. Sie erhärtete sie noch: »Noch mal: Wir haben keine Chance!«

Ich widersprach: »Ich habe über die Geschichte der Mauer geschrieben, Fakten aufgelistet, darunter manche, die nicht in das Bild vom ›Einmauern‹ passen – und das allein sollte reichen, mich der Volksverhetzung zu bezichtigen?«

Sie: »Die Leute sind der DDR in Scharen davongelaufen, das ist die Wahrheit…«

Ich: »Das trifft zwar zu, war aber letztlich nicht der Umstand, der den Befehl auslöste. Und – das habe ich heute schon erwähnt – es bliebe doch die Frage, wovor laufen sie seit dem Tag weg, da die DDR unterging und die große Freiheit über das Land kam?«

Sie lächelte. »Mich müssen sie nicht überzeugen, aber sie bleiben ein Kohlhaas, wenn sie glauben, ein Gericht davon überzeugen zu können!«

Mir wurde klar, dass sie wenig Lust verspürte, sich weiter diesem hoffnungslosen Fall zu widmen.

»Also soll ich in den Knast gehen? Besuchen sie mich wenigstens?«

Sie zauderte einen Augenblick zu lange und antwortete dann höflich: »Ich glaub' schon!«

Ich tat, als riebe ich mir Tränen aus den Augen. »Armer Kohlhaas – war im Recht und wurde gehenkt!« Und fügte hinzu: »Ist ihnen der Name Jupp Angenfort ein Begriff? Das wäre ein jüngeres Beispiel. Wurde 1953 in Duisburg auf der Straße verhaftet, angeklagt, ein ›bolschewistisches Regime‹ in der Bundesrepublik errichten zu wollen, was der Rechtsstaat als ›Hochverrat‹ deklarierte und ihn zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilte.«

Sie schien mich trösten zu wollen: »Ich kenne den Fall. So waren die Zeiten nun mal und vielleicht sind sie wieder so. Bekennen sie sich schuldig, dann wird der Richter Verständnis zeigen. Und ich könnte vorsichtshalber noch ein Gnadengesuch formulieren. Damit kämen wir vielleicht durch.«

Ich zahlte und wir einigten uns, den nächsten Termin am Telefon zu verabreden.

Kennedy und die Mauerbrigaden

Подняться наверх