Читать книгу Gott Go Home! - Klaus Ungerer - Страница 7

Оглавление

Vorwort

Gott nervt

Religiös Benebelte schreien rum, töten, drohen, zerstören Schulen. Machen Lärm. Unterdrücken Frauen. Verfluchen Schwule. Sonntags donnern die Kirchenglocken, dass die Wohnung wackelt. Gott nervt wirklich ziemlich im Moment. Wobei, hat er nicht längst abgedankt, seit einhundert, zweihundert Jahren? Kann er es nicht endlich mal gut sein lassen mit kapriziösen Ideen, brutalem Herrschaftswillen, leeren Jenseitsversprechen und dem nimmermüden Willen zur Spalterei der Menschen?

Gerne würde man sein Andenken ja in Ehren halten, sich seiner Verdienste als Begleiter der Menschheit erinnern, als faszinierendes kulturelles Phänomen, als großer Gesellschaftsordner. In einer Mischung aus Respekt und Widerwillen könnte man seiner Spur durch die Jahrtausende folgen, bis zurück zu Echnaton, der den Mono-Gott, diesen imaginären Freund, einst erfand. Milliarden von Menschen hat er viel bedeutet – in der Kindheit der menschlichen Historie, der wir nach schlappen fünf Millionen Jahren immer noch zu entwachsen bemüht sind. Man vergleiche uns mal mit Erfolgsmodellen der Evolution wie Farnen, Asseln oder Spinnen. Dagegen sind wir stolze Menschenkinder bloß ein Fünkchen im Gewitter.

Aber Gott, der lang schon Tote, hat längst zu stinken begonnen. Seit einigen Jahrhunderten kann jeder halbwegs gebildete Mensch die Idee als unhaltbar und beschämend kurios erkennen: Ein allmächtiges Wesen, dessen Ursprung niemals erklärt wurde – lebt es? Ist es unbelebt? Ist es irgendetwas dazwischen? Jenes Wesen habe also das Universum mit allen physikalischen Gesetzen, mit der betäubenden Unendlichkeit und Milliarden von Sonnen und Planeten erschaffen.

Und dasselbe Wesen soll nun, im Jahr 2020, ein ernsthaftes Interesse daran haben, dass man – um nur einige der bizarren Regeln anzuführen – a) Löckchen an den Ohren trage, b) auf gar keinen Fall einen Baconburger bestelle, sondern wenn, dann Lammfleischdöner, c) Statuetten von gefolterten, halbnackten Bärtigen in jedes Klassenzimmer jeder Schule hänge, d) homosexuelle Liebe für etwas Schlimmes halte etc. pp. Man könnte seitenlang groteske Vorschriften aufzählen, die nach Borniertheit, Kleinlichkeit, Machtgeilheit, Unterdrückungslust, Narzissmus und Dämlichkeit riechen, kurz: nach Mensch.

Nachdem man hoffte, endlich aufgeklärten Zeiten entgegenzugehen, ist die Religion nun wieder dabei, ihr Haupt zu erheben, genauer gesagt, einige ihrer besonders hässlichen Häupter. Damit sind nicht nur die Gewaltexzesse islamistischer Formationen gemeint, nicht nur die Morde durchgeknallter Christen an Abtreibungsärzten, nicht nur die Absurdität eines Arche-Noah-Erlebnisparks in den USA. Auch hierzulande fordert die Religion immer noch, sich auf uralte Märchenbücher stützend, was sie für ihr Recht hält. Dass man am Karfreitag nicht tanze und nicht »Das Leben des Brian« aufführe. Dass man Kleinkindern ohne medizinischen Grund an der Vorhaut herumschnippele. Dass die Kirche ihre diakonischen Jobs je nach Glaubensbekenntnis vergeben dürfe. Und das alles in einer Zeit, da Gott sich allenfalls – wenn man unbedingt an der Idee von ihm festhalten wollte – irgendwo hinterm Urknall verorten ließe, von wo aus er vielleicht Gravitationswellen als Gruß sendet, die der menschliche Geist vorhergesagt und nachgewiesen hat. Schon lange ist es ein schlechter Witz, am lieben Gott als einer Vaterfigur, die sich um alles kümmert, festzuhalten. Ein Blick auf die Realitäten der Welt macht klar: Es kümmert sich keiner. Wir müssen uns selber kümmern.

Dennoch scheint ein allgemeines Einverständnis vorzuherrschen, dass Religionen einen besonderen Schutz zu genießen haben. Immer noch umgibt sie die Aura des Unantastbaren, so wie die hundertjährige Erbtante, die zwar nichts mehr sieht und kaum noch hören kann, dafür aber umso lauter ungefragt reinkrächzt.

Menschen, die sich als religiös bezeichnen, genießen das sonderbare Vorrecht, jede sinnvolle Debatte unterbinden zu können, sobald sie spüren, dass der argumentative Grund unter ihren Füßen wackelig wird. Es ist bezeichnend, dass wir Satiriker benötigen, um das Offensichtliche zu benennen. Im Nachgang des Charlie-­Hebdo-Massakers sprach Oliver Maria Schmitt, ehemaliger Chefredakteur der Titanic, aus, was die Grundlage einer aufgeklärten Gesellschaft zu sein hätte: »Im Zusammenhang mit religionskritischer Satire hört man immer wieder den unsinnigen Vorwurf: ›Aber damit verletzt ihr doch die religiösen Gefühle anderer.‹ Ich frage mich: Was soll denn das sein, ein ›religiöses Gefühl‹? (…) Ist das Gefühl eines aufgeklärten Geistes weniger wert als das Gefühl eines religiösen Einfaltspinsels? Es ist aufklärerische Menschenpflicht, jede Religion immer und überall zu kritisieren.«

Das war ein seltenes Licht in überschatteten Zeiten. Überschattet nicht nur vom Irrationalismus des Wachstumsglaubens, sondern auch vom Obskurantismus abergläubischer Weltanschauungen. Glaube ist Aberglaube, der über das Hosentaschenformat hinausgewachsen ist, mächtige gesellschaftliche Strukturen ausgebildet hat und, mehr als das Wochenhoroskop, für Hierarchie und Unterwerfung steht. Wer glaubt, ordnet sich unter, gibt Verantwortung ab. Das bedeutet das Gegenteil eines freiheitlichen, demokratischen Menschenbilds, das Gegenteil von Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Immer und überall sind es Männer, die unter viel Brimborium eine quasi magische Macht für sich beanspruchen – basierend auf den Erkenntnissen früherer Kriegsherren wie Mohammed, charismatischer Outcasts wie Jesus und offensichtlicher Scharlatane wie Scientology-Gründer L. Ron Hubbard oder Mormonen-Urvater Joseph Smith.

Gibt es denn tatsächlich noch viele Menschen, die an die Kekswerdung Christi glauben? In Berlin leben aktuellen Studien zufolge drei Viertel der Bevölkerung ohne ernsthaften Glauben an Gott, und bohrt man bei denjenigen nach, die sich als »spirituell« bezeichnen, bleibt meist nicht viel mehr übrig als ein warm waberndes Gefühl der Aufgehobenheit im Universum, das auch ein Atheist problemlos empfinden kann. Wo Menschen der Kontakt mit Bildung vergönnt war, spielen Fragen nach Engeln, dem Paradies oder der Hölle keine Rolle. Sondern dringendere und konkretere Probleme: Wie speisen wir die Menschheit, gibt es Zugang zu Wasser für alle? Wie vermeiden wir Kriege, wie schaffen wir Verständnis untereinander? Wie geben wir den Chancenlosen Hoffnung? Doch wohl nicht durch das Gebet zu einem reformierten Tyrannen.

Die Initiative »Pro Reli« plakatierte einmal den Slogan »Keine Moral ohne Gott!« – ein unethischer Akt. Dass religionsfreie Menschen weniger moralisch als andere agieren, davon ist jedenfalls nichts mitzubekommen, für Selbstmordanschläge aus Glaubensgründen fehlt ihnen schon mal die Motivation. Ganz oft sind »Ungläubige« liebevolle Partner und Eltern, engagieren sich für die Umwelt, kümmern sich um Geflüchtete, verhindern Nazi-Aufmärsche, geben Bettlern Geld, retten Tiere. Niemand hat dafür einen Gott nötig oder gar dessen phallisch gereckten Zeigefinger. Die meisten Menschen sind von sich aus moralisch – weil Jahrmillionen der Evolution sie zu sozialen Wesen gemacht haben.

Jeder Mensch hat denselben Wert, niemand soll sich über andere erheben, niemand andere verletzen. Diese Botschaft wird gern aus dem Wirken des Jesus von Nazareth abgeleitet, doch ist seine Verwendung dabei eher ein Hindernis. Man sollte nämlich nicht bloß gut zu anderen sein, weil es ein magischer Oberaufseher befiehlt. Man sollte es tun, weil man selbst es für richtig hält und weil es für alle das Beste ist.

Gott? Heute brauchen wir uns nicht gemein zu machen mit Jahrtausende alten Gespinsten. Denn wir haben uns, und in uns steckt Hoffnung: ein Häuflein halbwegs intelligenter, halbwegs liebesfähiger, weit überwiegend friedliebender Zweibeiner auf diesem abgelegenen Planeten auf einer ovalen Umlaufbahn um einen minder bedeutenden Stern.

Gott Go Home!

Подняться наверх