Читать книгу Gott Go Home! - Klaus Ungerer - Страница 8
ОглавлениеBärenstark, dubidubidu
Religion im 21. Jahrhundert, muss das wirklich sein?
Es ist der 27. Juni 2017, es ist sehr früh am Morgen in Little Rock, Arkansas, eigentlich fast noch Nacht. Vor dem State Capitol, dem Regierungssitz des Bundesstaates, bleibt ein dunkles Auto aus dem dünnen Verkehr heraus plötzlich stehen, genau auf der Höhe der Zehn Gebote, einer steinernen Gesetzestafel nach biblischem Vorbild, die man gestern erst aufgestellt hat. Vom Auto aus ist es nur ein kurzes Stück über den Rasen bis zu dem tonnenschweren Monument. Ein diensthabender Polizist sieht sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist. Aber er kann nichts mehr tun.
Per Livestream dokumentiert der Fahrer des Wagens auf Facebook, was nun passiert. Das Auto setzt sich wieder in Bewegung, zielgerichtet, im Scheinwerferlicht tauchen die Zehn Gebote auf, »Freedom!«, ruft der Mann im Auto mit heiserer Stimme – Freiheit! Er meint Religionsfreiheit. Er meint: Freiheit von Religion. Dann kracht sein Wagen in Gottes Wort. Die Übertragung endet im selben Moment. Die Sicherheitskräfte eilen rasch herbei, um den Fahrer des Wagens, Michael Reed, festzunehmen. Für die Steintafel kommt jede Hilfe zu spät. Zerbrochen liegt sie am Boden.
In einem akuten Zustand geistiger Umnachtung hat Reed also getan, was auch Moses tat – die vom Himmel gefallenen Steintafeln zerschmettert. Wo der allerdings noch das göttliche Gesetz aus einem initialen Impuls heraus zerschmiss, besaß Michael Reed Vorerfahrung in dieser speziellen Disziplin. Bereits im Oktober 2014 hatte er eine solche Tafel umgenietet. Die stand damals auf ebenso öffentlichem Grund, vor dem Oklahoma City Capitol. Auch hier kam Reed mit seinem Wagen angebrummt, auch da traf er den Granit mit der vollen Wucht aller ihm zur Verfügung stehenden Pferdestärken, und keine göttliche Macht verhütete die Zerstörung des Steins.
Seither war Michael Reed in den Archiven und im Internet greifbar, und man wusste auch, dass er kein sehr glücklicher Mann ist. Er wurde abwechselnd als Christ, Satanist und überzeugter Säkularist aktenkundig, und selbst seine Mutter musste schon gegenüber den Medien bekennen, dass er an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung leidet. Man könnte die Sache als einen von tausend täglichen Fällen sinnloser Aggression gegen arglose Materie abhaken.
Und bleibt doch an den Bildern hängen. Nicht nur, dass diese Steintafeln so hässlich sind. Sie sehen in beiden Fällen genau gleich aus. Schlecht imitiertes 19. Jahrhundert, autoritätsheischend in den Granit gemeißelt. Wieso stehen baugleiche Monumente an zwei verschiedenen Orten? Wieso sagt der Mann von der Mahnmalfirma, er habe jetzt schon um die zwanzig von diesen Dingern aufgestellt? Und wenn man als Nachrichtenleser in sich geht, hat man nicht denselben Klotz auch schon in anderen Gegenden fotografiert gesehen?
Sie sind nämlich tatsächlich über die gesamten USA verteilt, richtig durchgezählt hat sie bislang nur Gott der Herr, sie stehen vor Regierungsgebäuden, auf Schulgeländen und in Parks, gerne würde man sagen: ein Monument hässlicher als das andere. Aber genau das stimmt eben nicht, sie sind alle gleich furchtbar, und sie verkünden mit der Sturheit eines Bots, was sie halt zu verkünden haben. Wo kommen die alle her, hat der Herr sie vom Himmel geworfen, nachdem ihm klar wurde, dass es immer noch nur einen Augenzeugen für die Übergabe seiner Zehn Gebote gibt?
Die Geschichte dieser Gesetzestafeln ist eine uramerikanische. Sie verbindet schlechtes Pathos, patriarchale Religiosität und Hollywood-PR mit dem absoluten Willen zur Größe. Denn was wäre grandiosere Werbung für einen Film als eine Propagandakampagne, die flächendeckend und unter viel pompösem Getue mit staatlichem wie kirchlichem Segen den öffentlichen Raum erobert?
Genau das geschah 1956 mit dem Paramount-Film »Die zehn Gebote«, dem opulenten Höhepunkt des Technicolorkinos – sozusagen eine filmische Fortsetzung des religiösen Überwältigungsprunks, mit dem man seit dem Mittelalter in den Kirchen auf die Hirne der Gläubigen einwirkt. Gedreht wurde der Kulissenschinken inklusive Teilung des Roten Meeres von Cecil DeMille, als Remake seines eigenen Stummfilmklassikers von 1923. Dem Regisseur war nicht nur der Erfolg des Films ein Anliegen, er nahm auch den religiösen Inhalt sehr viel ernster als man es von einem Menschen im flatterhaften Showbusiness erwarten sollte. Er plante einen religiös grundierten Werbefeldzug, und er plante ihn nicht allein.
Ihm zur Hilfe eilte ein obskurer Herrenbund namens »The Fraternal Order of Eagles«, die Bruderschaft der Adler also, eine wohltätige Vereinigung, die bezeichnenderweise als Schutzbund mächtiger Theaterbesitzer gegen einen Musikerstreik ins Leben gerufen wurde und sich danach zu einer weltumspannenden Organisation auswuchs. Die drehte nun aktiv mit am konservativ-christlichen geistigen Rollback der 1950er Jahre. »Die zehn Gebote«, der Film, war für sie weit mehr als nur der nächste Blockbuster. Gerade machte man sich daran, das freiheitlichste Land der Erde als »Land Gottes« neu zu erfinden, ganz gegen die Intention seiner Gründerväter, und da kam der Film gerade recht.
DeMille und die »Eagles« initiierten eine beispiellose Kampagne. Schon seit 1951 wurden Zigtausende Reproduktionen der Zehn Gebote als Wandschmuck verbreitet – in ebenjener kruden Optik, die sich dann auch dem unschuldigen Granit einklopfen sollte. Präsident Truman gab seinen Segen. Und als wäre das noch nicht genug der frommen Tat, begann man in der Zeit des Filmstarts, die Zehn Gebote in Stein aufzurichten, hier und dort und everywhere. Selbst als der Film alle Rekorde gesprengt hatte und allmählich ins Fernsehen übersiedelte, gab man nicht Ruh mit der Aufstellerei. Die Werbekampagne war so erfolgreich, dass sie ihr eigenes Produkt überlebte. Bis heute stehen die Gesetzestafeln vor Regierungssitzen und auf Schulgeländen und in Parks, für viele Menschen sind sie geradezu Ausdruck der amerikanischen Seele, und viele wissen wahrscheinlich gar nicht, dass der liebe Gott hier einen Film beworben hat, der sich noch nicht mal allzu eng an die biblische Überlieferung hält.
Es ist dabei kein Zufall, dass der erfolgreichste aller Christenfilme alles mögliche Kolossale herzeigt, Landschaften und Gebäude, schöne Männer und Frauen, mächtige Farben und betäubende Musik – eins aber auf gar keinen Fall: Christus. Oder seine Botschaft. Die Patriarchen, die die USA mit Hilfe der Religion auf ihre Vorstellungen zuzuschneiden versuchen, haben noch stets mit dem Gott des Alten Testaments sympathisiert, dem Tyrannen, und mit Moses, seiner rechten Hand. Christus und seine Hippiekommune, in der sich alle lieb hatten, wird in diesen Kreisen eher selten zur Kenntnis genommen.
Kein Wunder. Jesus ist es ja, dessen Botschaft, klug ausgedeutet, die Gottesdiktatur des Alten Testaments beendet. Vor ihm sind alle gleich, ob arm, ob reich, und wenn die moderne Welt etwas aus Jesus abgeleitet hat, dann dies, dass es ohne Toleranz nicht geht. Dass folglich keine Religion sich über die anderen oder über den Staat erheben sollte, so wie es den Gründervätern der USA noch klar war. Ein bisschen haben wir es also auch dem Erlöser zu verdanken, dass die klotzigen, anmaßenden Monumente dann und wann ins Wanken geraten. Oder ins Wandern. So wie das Monument von Oklahoma City, Michael Reeds erstes Opfer. Das ist mittlerweile von seinem Standort verschwunden. Ein Gericht urteilte 2015: Die Zehn Gebote des Alten Testaments haben auf öffentlichem Grund nichts zu suchen.
Für die Gottisten ist das eine Niederlage, die sie oft gar nicht begreifen können. Denn mindestens ebenso sehr, wie ihr Gott in den Seelen der Menschlein herrschen soll, wollen sie selbst den öffentlichen Raum beherrschen, sei es durch das Errichten von Monumenten, sei es durch das Entfachen frommen Lärms.
In Indonesien wurde im Jahr 2018 eine Frau zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil ihr die Gebetsruf-Lautsprecher der benachbarten Moschee zu laut waren. Das Gericht fand, das sei Blasphemie. Und einmal mehr durfte der Nichtgläubige sich darüber wundern, wie leicht so ein Gott eingeschnappt sein kann. Gäbe es ihn, wie sollte man ihn beleidigen können? Hätte nicht er das komplette Universum geschaffen, wohingegen jeder von uns nur ein dümmlicher, verderblicher Fleischplops ist, der eine kurze Zeit über einen minder bedeutenden Planeten kreucht? Müsste nicht ein solcher Gott schmunzeln über jeden Versuch des Fleischplops, sich mit ihm zu messen? Wäre nicht jede Antwort darauf eine Herabwürdigung seiner selbst, eine Entgottung, so wie jede Beleidigung nur unter Menschen möglich ist, wohingegen Hunde, Molche, Steine, der Wind und eben die Unendlichkeit gar kein wirkliches Gegenüber darstellen für den menschlichen Geist in seiner beschränkten Originalität? Kann man nicht ausschließlich beleidigen, was einem im Alltag gegenübertritt?
Solche Fragen hatte sich die chinesischstämmige Indonesierin Meiliana, die im Mai 2019 auf Bewährung freigelassen wurde, möglicherweise gar nicht gestellt, und sie tat gut daran. Denn dass sie die Mehrheitsgottheit ihres Landes, den muslimischen Allah, beleidigt oder auch nur zu beleidigen versucht hat, kann man wirklich nicht behaupten. Ihre Freveltat war: Sie beschwerte sich beim Hausmeister der Moschee, dass deren Lautsprecher zu laut eingestellt und der Gebetsruf also lauter sei als vielleicht notwendig – ein Problem, das im Land nicht vollkommen unbekannt ist. Dort haben selbst muslimische Verbandsvertreter schon dazu aufgerufen, die Lautsprecher der Moscheen »weise« statt maximal einzusetzen. Aber das Lärmproblem ist hier ein immanentes. Wo ein als männlich gedachter Gott auf dem Wege des Gebetsrufs mehrmals täglich seine phallische Dominanz demonstriert, ist es naheliegend und schlüssig, dass die Lautsprecher mit größtmöglicher Wucht eingesetzt werden, damit alle Gläubigen und Ungläubigen hören, wo der Hammer hängt. Ganz wie der vielerorts wütende Krach der Kirchenglocken ist auch der Gebetsruf eher eine Machtdemonstration der vorherrschenden Religion ohne ernsthafte Funktion. Es ist ja nicht so, als ob die Gläubigen nicht wüssten, dass nun wieder Zeit zum Beten ist.
Nun hat allerdings, was uns in den Nachrichten als Religion begegnet, mit echtem, ernstzunehmendem Glauben an eine Gottheit meist wenig zu tun. Wo sie in den Schlagzeilen auftaucht, hat jemand sie gern als Machtinstrument zur Anwendung gebracht – ob nun ein paar gewaltbereite Irre einen Islamischen Staat gründen, ob etablierte orthodoxe Regimes Frauen und Andersgläubige unterdrücken, ob der Präsident der Vereinigten Staaten von evangelikalen Christen gepusht wird oder ob ein einflussreicher Arbeitgeber wie die Kirche sich vom deutschen Staat mit Sonderrechten und Geld ausstaffieren lässt.
Letztlich geht es dabei nicht wirklich um den jeweiligen lieben Gott, welcher ja inmitten menschlichen Machtgeschachers, wäre er real, zwingend zu einer skurrilen Figur verkäme: Wenn er allmächtig ist und außerhalb unserer Vorstellungskraft, warum müssen wir dann Blasphemie bestrafen? Ein Gott, den man beleidigen kann, muss ein kleinlicher, narzisstischer, alberner Gott sein. Hätte er Größe, würde er doch lachen über die Männlein, die seine Existenz oder Autorität in Frage stellen. Er würde sich in seinem Sonntagssessel zurücklehnen, grinsen und murmeln: Na warte, Freundchen, see you in Fegefeuer. Überhaupt, da Gott bekanntlich seine eigene Gerichtsbarkeit unterhält in Form von Himmel und Hölle, von Strafen und Belohnungen. Ist es da nicht viel lästerlicher, an seiner Stelle Richter zu spielen und jemanden zu einer gänzlich weltlichen Strafe verurteilen zu wollen, so wie eben jene Meiliana, die sich beim Hausmeister beschwerte?
Gott wirkt durchaus auf die Welt ein. Zwar sorgt er nirgends für Wunder und nimmt auch sonst keinen willentlichen Einfluss auf den Verlauf der Weltgeschichte, etwa zum Besseren hin. Dennoch ist »Gott« dort, wo sein Einsatz sich anbietet, ein effektiver machtpolitischer Faktor. Die Vorstellung eines Gottes und heiliger Regeln, die man zu befolgen habe, enthemmt Menschen, sie trägt dazu bei, ihnen eingeborene Moral zu nehmen. Man hat das zuletzt am Beispiel des grauenvollen IS-Regimes studieren dürfen, auch die blutrünstige Geschichte der christlichen Kirche konnte immer wieder anschaulich machen, wie Religion dazu eingesetzt wird, Menschen zu entmenschen und zu unerhörten Grausamkeiten zu treiben.
Immer steht ein Machtinteresse dahinter, das sich ihre Gutgläubigkeit und Verführbarkeit zunutze macht. Religion hilft, ethnische Gruppen zu definieren und gegeneinander aufzubringen, und besondere Gefahr droht, wenn zur ethnischen Spaltung auch noch eine vermeintliche wirtschaftliche tritt, so wie es in Indonesien der Fall war. Meiliana nämlich gehört zur Minderheit der chinesischen Indonesier, die ein fester Bestandteil der Bevölkerung sind. Von der niederländischen Kolonialmacht wurden sie lange protegiert, ihnen eilt ein Klischee von Reichtum, Tüchtigkeit und Gier voraus, womit der Neid vieler Menschen ihnen sicher ist. Vor zwanzig Jahren kam es in Indonesien zu Massakern von Mehrheitsmuslimen an chinesischen Indonesiern, viele Menschen starben, viele verließen das Land. Das ist unvergessen. Der Vorgang um Meiliana löste die schlimmsten Ausschreitungen seit jenen Ereignissen von 1998 aus.
Zunächst machte man auf sozialen Kanälen Stimmung gegen die Frau, Gerüchte wurden multipliziert, sie habe die Moschee mit Steinen beworfen. Als Nächstes rottete sich ein Mob vor ihrem Haus zusammen, um es in Brand zu setzen, was Nachbarn noch verhindern konnten. Dann brach die Aggression sich Bahn. Die Meute, hauptsächlich aus jungen Männern bestehend, tobte durch die Stadt Tanjung Balai, verwüstete und verbrannte ungefähr zwei Dutzend buddhistische Gebetsstätten.
Hat Gott das gewollt? Sieht er sich angemessen repräsentiert von einem Mob brüllender, wütender Jungmänner? Wieso hat er zugelassen, dass viele Menschen an ganz andere Götter glauben, warum ließ er die Chinesen und die Holländer ins Land? Dieser Gott, wenn es ihn gäbe und man versuchte, seine Handlungen und seine Unterlassungen zu verstehen, handelte wirr, lieblos und gefährlich. Vor diesem Hintergrund wäre doch wesentlich beruhigender zu glauben, dass es ihn eben nicht gibt – so beruhigend wie das Wissen, dass wir hier in einer Kultur leben, die sich, gegen alle Religion, über die Jahrhunderte hinweg Freiheitsrechte erkämpft hat und in der man, so oft man will, öffentlich sagen kann:
Eure Kirchenglocken jeden Sonntag nerven echt hart.
Doch der Gott findet auch andere Mittel und Wege, dem zivilisierten Teil der Menschheit auf den Wecker zu gehen. Etwa ist es schon mehrfach vorgekommen, dass Flugzeuge am Boden bleiben mussten, weil ein paar versteift religiöse Seelen sich standhaft weigerten, ihren Sitzplatz einzunehmen, zum Beispiel im Juni 2018 in New York. Von naturwissenschaftlicher Seite aus war dabei alles geklärt: Auf der Grundlage von Aerodynamik entwickelt, von Düsen angetrieben, wäre das Flugzeug, anders als alle Engel und Heiligen, nachweislich und nachvollziehbar jederzeit in der Lage gewesen, vom Boden abzuheben, um dann einige Zeit später in Tel Aviv wieder zu landen. Zwischen den Istzustand auf dem Asphalt und den planmäßigen Abflug hatte sich der Allmächtige geschoben, in diesem Fall jene Gottesfigur, die ein Teil der ultraorthodoxen Juden sich zurechterfunden hat. Nicht zum ersten Mal weigerten sich Passagiere, den von ihnen gebuchten Sitzplatz im Flugzeug einzunehmen. Denn sie würden dort neben Frauen sitzen. Um die Frauen nicht einmal ansehen zu müssen, so heißt es, hatte einer der Männer die ganze Zeit seine Augen geschlossen.
Nun mag man das merkwürdig finden. Wir selber haben nichts gegen Frauen, einige unserer besten Freunde sind Frauen. Wir haben nicht einmal was gegen Gottisten, solange sie sich freundlich, rücksichtsvoll und tolerant gegenüber dem Rest der Menschheit verhalten. Nur ist es leider so, dass genau das durch Religionen so unsäglich erschwert wird. Denn erstens unterscheiden die immer zwischen »uns« und »denen«, also den Gläubigen ebendieser Religion und den Gläubigen anderer Religionen oder den Menschen, die ganz ohne unsichtbaren Zaubermeister im Himmel auskommen. Zweitens haben alle derzeit angesagten Religionen auf der Welt den Nachteil, dass sie selbst innerhalb ihrer Gemeinschaft wieder spalten, in Menschen erster und zweiter Klasse. Wobei der Clubausweis für die erste Klasse ein Penis ist.
Es ist leicht, sich darüber lustig zu machen, dass erwachsene Menschen sich unter Berufung auf ein dreitausend Jahre altes Buch zu bizarrem Verhalten aufgerufen fühlen. Doch liegt der Fall noch absurder. Der Gott nämlich, der angeblich dem Kultgründer Moses diktierte, dieser Gott auf seiner Wolke hatte, bei aller Frauenverachtung, noch ein halbwegs pragmatisches Verhältnis zu den von ihm selbst erfundenen Dingen des Lebens: Lust zu zähmen und Sexualität zu regeln, schien er als eine wichtige Aufgabe zu sehen, ganz als sei ihm da beim Menschen-Entwerfen etwas gar zu Wildes rausgerutscht, das er nachträglich wieder in den Griff zu kriegen versucht. Im sogenannten 3. Buch Mose (Leviticus) gibt er klare Handlungs- bzw. Vermeidungsanweisungen, die den Anschein erwecken, der von Gott designte Mann sei eine vollkommen wildgelaufene Vögelmaschine, die vor nichts und niemandem haltmacht. Im Abschnitt, auf den sich die ultraorthodoxen Augenschließer berufen, findet sich eine ebenso fantasievolle wie bürokratische Aufzählung, welchen Leuten man sich nicht nähern und ihre Nacktheit entblößen, sprich: Sex mit ihnen haben dürfe.
Man soll nicht mit seiner Tochter schlafen. Man soll nicht mit seiner Schwiegertochter schlafen. Man soll nicht mit den Enkeltöchtern schlafen. Man soll nicht mit seinem Vater oder seiner Mutter schlafen. Männer sollen nicht mit anderen Männern Sex haben. Mit Tieren auch nicht. Viele Dinge davon erscheinen uns recht nachvollziehbar, manche eher weniger. Dass Gott davon ausgeht, die Männer in dieser Richtung belehren zu müssen, sagt eine Menge über ihn. Der nach seinem Vorbild geschaffene Kerl kann offensichtlich keine, aber auch gar keine Frau anschauen, ohne an Sex zu denken.
So weit, so basal. Gott hat den Mann als einen zwanghaften Lustmolch erschaffen. Nur strengste Strafen können ihn davon abhalten, als marodierender Dauererektit über alle Mitglieder seiner Familie herzufallen. Was also der ultraorthodoxe Mann ausdrückt, der sich nur mit geschlossenen Augen durchs Flugzeug manövriert, ist der Gedanke: »Ich bin ein Sexmonster! Ich bin ein Sexmonster! Mein Gott hat mich so geschaffen.« Das allein wäre schon kurios und traurig genug. Gleicht man aber ab, auf welche Stellen im 3. Buch Mose sich hier berufen wird, scheint das Ganze nur noch abwegiger. Denn die Anweisung des Gottes lautet ja gar nicht: »Du sollst dich im Flugzeug neben keine Frau setzen.« Die hierfür bemühten Leviticus 18.6 und 18.19 untersagen Sex mit Blutsverwandten. Und Sex mit Menstruierenden. Die Urangst vor Frauen, die patriarchalem Denken innewohnt, hat es in den vergangenen drei Jahrtausenden geschafft, diese Vorschriften durch originelle Auslegung noch weiterzudrehen. Bei vielen ultraorthodoxen Juden ist schon die Körperberührung zwischen Mann und Frau verboten, ja es genügt bereits ein Blickkontakt, um in Teufels Küche zu geraten. Was wäre das für ein Gott, der alle Freuden der Sexualität schafft, um seine Leute auf Schritt und Tritt mit dieser Versuchung zu quälen? Wie verquer und verbohrt muss ein Mann denken, um in der Frau die Konversationspartnerin, Freundin, Geschäftspartnerin, Bekannte, Verwandte etc. zu negieren, nur weil sie zufällig eine Vagina und keinen Penis besitzt?
Immerhin: El Al, die betroffene Fluglinie, hat nach dem Vorfall Farbe bekannt und angekündigt, in Zukunft jeden von Bord zu werfen, der seinen Sitzplatz verweigert, weil er neben irgendjemandem nicht sitzen möchte. Halleluja! Bis es so weit kam, musste allerdings der Chef der israelischen Tech-Firma Nice, Barak Eilam, massiv drohen: Seine Firma werde bei keiner Fluglinie mehr buchen, die sexistisch, rassistisch oder religiös diskriminierend sei. Hier hat das Toleranzgebot einer aufgeklärten Moderne glücklicherweise einmal den Sieg davongetragen. Dass alle Menschen gleichberechtigt seien, gleich welchen Glaubens, welcher Hautfarbe oder welchen Geschlechts, gehört in dieser Moderne zu den zentralen Überzeugungen, und es sind gute Überzeugungen. Gott und Moses waren vor dreitausend Jahren eben noch nicht so weit, vielleicht sollten sie mal eine aktualisierte Version ihres Buchs vom Himmel fallen lassen.
Solange sie das nicht tun, sind die Religionen weiterhin auf ihre angestaubten Märchenbücher angewiesen, und so müssen sie also die Menschen da abholen, wo man Menschen eben noch mit Märchenbüchern abholen kann. In der Kindheit zum Beispiel. Im Erwachsenenalter käme ja kaum wer auf die Idee, an einen unsichtbaren Zauberer im Himmel zu glauben. Die Religiösen müssen also früh anfangen, auf die Hirne der nachwachsenden Kundschaft einzuwirken, und das mit immer neuen, bunten, peppigen Ideen, die ein wenig über die Kerntristesse der vermeldeten Botschaft (Sünde! Tod! Erlösung durch Hinrichtung und Folter, hooray!) hinwegtäuschen. So gab es bei der Eröffnung der ersten »Kinderkirche« in Bottrop viele bunte Stühle zu bewundern. Auf den Fotografien des Ereignisses lassen sich zudem erstaunlich farbenfroh gemusterte Erwachsenenpullis und -blusen erkennen, die vermutlich böse Dämonen fernhalten sollen, sowie fröhliche und neugierige Kinder, die an dieser Zeitenwende des christlichen Glaubens teilhaben durften. Jetzt kommt die Kinderkirche, ein Konzept, das die Kita-Leiterin Petra Eberhardt ausgearbeitet hat und das vom zuständigen Bischof Franz-Josef Overbeck, der dem Militäreinsatz in Afghanistan seinen Segen gab, homosexueller Liebe hingegen nicht, ausdrücklich gelobt wird: »Ich würde mich freuen, wenn dort viele Kinder Gott mit allen Sinnen erleben.«
Gott? »Mit allen Sinnen«? Das sagt ein katholischer Priester? Da muss man erstmal leise schlucken und sich wieder erinnern, dass ja doch sogar, wenn die Zahlen so bleiben, die Mehrheit seiner Diener die ihnen anvertrauten Kinder nicht sexuell missbraucht hat, wiewohl dies Vergehen in der Bibel eine ehrwürdige Tradition besitzt. Aber wie geht das, Gott mit seinen Sinnen erleben? Wäre nicht ein mit Sinnen erlebbarer Gott das Ende aller Religion, da das Göttliche, nun nachweisbar, mit dem Irdischen zusammenfiele? Gott entzieht sich. Oder vergeht. Er spricht immer nur zu den Einzelnen, den Zeugenlosen, oder eben tief hinten in einer mythischen Vergangenheit, die ebenfalls keiner mehr nachprüfen kann. Den Sinnen im Jetzt erlebbar wäre dieser Gott wohl immer nur, wenn der Heilige Geist einige der Seinen befiele, und selbst da pflegt dieser sich entschieden wirr und unverständlich zu äußern, was man dann »in Zungen reden« nennt.
Wie also erfahren Bottroper Kinder Gott? An einer Stelle sind Decken und Kissen auf dem Steinboden ausgebreitet, mit einem Baldachinlaken darüber, das ist dann ein Beduinenzelt. Im Beduinenzelt kann man sich Geschichten aus der Bibel erzählen lassen, die durch das authentische Zelt erst ihre volle Wirkmacht entfalten. Beduinen! Weiß man ja. Nächtelang lesen die sich Bibelgeschichten vor. Darüber hinaus macht Gott sich erlebbar in der Benutzung von großen bemalbaren Papierrollen. Auch stellt er dem Nachwuchs Instrumente bereit, damit sie frühzeitig durch Hits wie »Einfach spitze, dass du da bist (Komm, wir loben Gott den Herrn)« oder »Bärenstark – dubidubidu« ihre beeinflussbaren Hirne auf das richtige Empfangsniveau herunterpegeln. Und ein Treppchen ist ans Taufbecken gestellt. Die Kinder können sich hier, wie die inspirierte Kitaleiterin mitteilt, gegenseitig oder einfach selbst segnen. Wie praktisch! Wenn der Trend zur Selbstsegnung geht, ist die Kirche bald alle Personalsorgen los.
Am tollsten aber ist der selbstgebastelte große Hahn, der neben dem Altar steht. Hahn, denkt man, wieso nochmal, was hat der mit dem hiesigen Gott zu tun? Das zu ergründen ist gar nicht so leicht, da das Hirn sich noch mit einer anderen praktisch unlösbaren Frage beschäftigt. Wenn der Name dieses Events wirklich »Kikeriki« lautet und wenn das tatsächlich bedeuten soll: »Kinder kennen richtig Kirche« – ist das dann noch Deutsch? Oder braucht man eine Einbildungskraft religiösen Ausmaßes, um den Slogan für schlüssig zu halten? Ohne Einbildungskraft wird man ja eh nichts in der Welt des entschlossenen Glaubenwollens. Na gut. Bleibt also aber der Hahn. Der steht da. Und erinnert uns, nach einigem Wühlen im Gedächtnis:
Stimmt. Der Hahn ist der eigentliche Gründervater der Kirche. Er ist das Fundament des ja doch recht bizarren christlichen Glaubens. Das Universum inklusive aller, die dies lesen, sei von einer Art unsichtbarem, allmächtigem Mann erschaffen worden, und demgegenüber müssten wir Menschen, aus Gründen, die auszuführen sich kaum lohnt, ein massiv schlechtes Gewissen haben. Die Kirche, die diesen Glauben in die Welt hinauspustet, wurde nun gegründet von Gottes Follower Petrus. Und wenn wir uns recht entsinnen, ist es ein Hahn, der ihn an seine Fehlerhaftigkeit erinnert, an seine unanständige Leugnung des Gottes.
Aus dieser tief empfundenen Scham heraus, möglicherweise, wurde Petrus dann Gründervater, und offensichtlich war er emotional zu verwickelt oder hat rein intelligenzmäßig nicht verarbeiten können, dass das ein Fluch ist, den die Gottheit ihm da angetan hat. Wenn ein allmächtiger Weltenschöpfer mir sagt, dass ich ihn verleugnen werde, dann tue ich nicht nur gut daran, ich komme nicht umhin, diesen Auftrag zu erfüllen. Verleugne ihn also. Und weine dann bitterlich, vielleicht ja auch ob der Ungerechtigkeit und der selbstherrlichen Art, in der der Gott immer schon mit den Seinen verfuhr.
Der Hahn jedenfalls wird seitdem von Religionskennern als Symbol der Reue gesetzt. Reue desjenigen, der von der Gottheit verflucht wurde, darüber, was er der Gottheit angetan hat. Hier also beginnt Kirche. Im Zeichen des Hahns dürfen die Kleinsten jetzt wieder gutmachen, was der arme Gott zu leiden hatte. Indem sie hüpfen, malen und leicht verständliche Lieder singen. Ein vom Bösen verführter Schelm, wer da im Hintergrund die aktuelle Studie desselben Bistums Essen annimmt, die dem Mitgliederschwund entgegenwirken soll und letztlich empfiehlt, an junge, solvente Seelen durch »niedrigschwellige spirituelle Angebote« heranzutreten und während der »Betreuung des Kindes«. Die Kinderkirche Kikeriki könnte eine wunderbare Möglichkeit sein, an religiös ausgebohrte Geister heranzukommen und sie in der Kirche zu halten, je niedrigschwelliger desto besser, das hat schon Jesus gesagt, oder hätte es doch, wenn ihm das eingefallen wäre. Kommt alle zu mir, hätte er gesagt, die ihr geldbeladen seid, Kinder und wirklich erstaunliche Pullis und Blusen im Schrank habt.
Schalarassabahalabankaboboh!
Prediger in den USA sieht Hexerei-Attacke auf Trump und redet in Zungen
Gott der Herr hat ein seltsames Vergnügen am Katz-und-Maus-Spiel mit den Menschen. Da er allmächtig ist, sollte es ihm ein Leichtes sein, endlich mal alle Leute auf Linie zu bringen. Er müsste ja nur ein eindeutiges Wunder zum Besten geben, einen Nachweis seiner Existenz. Einmal bloß die Pyramiden in die Luft heben und in Wuppertal wieder absetzen. Einmal, für alle Handys auf der Welt abfilmbar, per Wolkenformation in den Himmel schreiben: »Hej, es gibt mich, und jetzt vertragt euch endlich, sonst wird Papa sauer!« Es gäbe so viele Möglichkeiten, und wenn einer sie alle nutzen können sollte, dann doch wohl er. Dann müsste jeder Mensch an ihn glauben, und nicht an ihn zu glauben wäre nah am Irrsinn, so wie es heute das Glauben ist, das ohne jeden Realitätsbezug auskommt, weil es muss.
Dass Gott all diese Wunder nicht tut, legt den Verdacht nahe, dass er gerne Spielchen mit uns spielt. Bei denen unser Seelenheil der Einsatz ist. Er selbst hat nichts zu verlieren, sein Zugewinn liegt wohl in unserer Unsicherheit, im schlimmsten Fall: Zerrissenheit, die ihn anscheinend ergötzt, sonst hätte er sie ja längst beendet. Er, dessen Botschaft lautet, er liebe uns so sehr, zieht dennoch vor, möglichst wolkig zu bleiben, möglichst wenig Präsenz zu zeigen. Man muss schon feste glauben wollen, um auch glauben zu können. Man muss über sehr viel Leid und Sorgen auf Gottes Erde hinwegsehen, um in ihm einen liebenden Vater zu erkennen. Vielleicht ist es eine Art Stockholmsyndrom missbrauchter Seelen, wenn man diejenige Instanz verehrt, die allen Kummer mit einem Fingerschnippen beenden könnte und darauf verzichtet.
Nun denn. Gottes Menschen sind suggestibel, they want to believe. Sie freuen sich über das kleinste bisschen, das sich mit ein wenig Fantasie und viel Glaubenswillen zu einem Zeichen göttlicher Zuwendung zurechtdeuten lässt. Besonders gern genommen wird dabei alles, was angesichts eines seit Jahrtausenden schweigenden Gottes (doch noch beleidigt wegen des Apfels?) irgendwie nach Kommunikation aussieht. Menschen gehen auf die Knie, schließen die Augen, falten die Hände. Menschen drücken die Stirn auf Teppiche. Menschen drehen sich im Kreis, tanzen, singen, nehmen Drogen. Und in diesen Momenten meinen sie, jener Gott spreche zu ihnen. Endlich mal. Unhörbar natürlich, unsichtbar natürlich und nicht nachweisbar. Ließe er sich nachweisen, wäre das Glauben ja kein Glauben mehr. Es wäre Wissen, und alle Religion müsste verpuffen. Ließe er sich nachweisen, so wäre es eine vernunftgemäße Selbstverständlichkeit, sich ihm zu beugen, ihm zu folgen.
Gott aber scheut die Beweisbarkeit wie sein Ex-Mitarbeiter das Weihwasser. Offensichtlich liebt er es, uns im Unklaren zu lassen. Außerhalb seiner Gemeinden zeigt er sich nirgends. In seinen Gemeinden zeigt er sich so, dass nur ein äußerst fester Glaubensentschluss darin eine Göttlichkeit erkennen kann. Für den Rest der Welt sieht es nämlich oft einfach nur kindisch aus. Der unbedingte Wille zu glauben ist es, der die Menschen in den Gemeinden einander näherbringt, der ihnen, wie auch Verschwörungstheoretikern, den festen Boden eines Kinderglaubens verschafft. Er ist es aber auch, der sie ein Stückchen aus der neutral erlebbaren Welt aller anderen Menschen herausrückt. Gott trennt, er unterteilt die Menschen in Gruppen, und man muss es ja leider sagen: Sein ist das Reich der Leichtgläubigkeit. In etwa so wie E-Mail-Scammer ihre Anschreiben bewusst krude gestalten, um unter den Empfängern wirklich die Dümmsten herauszufiltern, weil sich mit den Dümmsten später besser arbeiten lässt, in etwa so gehen auch Gottes Staubsaugervertreter auf Erden vor: Wer mir diesen gequirlten Quatsch abnimmt, der gibt mir sicher auch noch sein Geld.
Dass das Einsammeln und Dirigieren von Leichtgläubigen nicht nur eine Frage von Massenpsychologie und Strafgesetz ist, sondern auch ein Politikum, wurde kürzlich wieder einmal in den Vereinigten Staaten deutlich. Dort hat der Prediger John Kilpatrick vor versammelter Mannschaft, sich dabei den Schweiß aus dem Gesicht tupfend, kundgetan, Donald Trump werde von Hexerei bedroht, die das Land übernehmen wolle, genauer, Trump stehe kurz vor einem Angriff durch den »Deep State«. Man müsse diesem Mann nun sofort, durch gemeinsames Beten – ob Gott wohl sonst keine Lust hat zu helfen? – Unterstützung zukommen lassen. Kilpatrick, ein Mann, der aus Jim Jones und Sigmar Gabriel zusammengemorpht erscheint, verkündet also Informationen, die nicht nur bizarr anmuten, sondern die er offensichtlich auch exklusiv vom Herrgott oder einem seiner Leute erfahren hat. Warum aber sollte man ihm glauben?
Die Antwort ist: Er kann in Zungen reden. Das In-Zungen-Reden ist biblisches Kulturgut, die Jünger des verstorbenen, dann wieder zombieartig im ganzen Land herumgeeierten, dann in den Himmel geflogenen Jesus fingen auf dem Markplatz an, in fremden Sprachen zu reden. Das war das Pfingstwunder und des Christengottes erster größerer Rekrutierungserfolg unter den Millionen Menschlein, die er geschaffen hat und von denen er sich wünscht, dass sie an ihn glauben, ohne dass er sich ihnen aber zeigen möchte. Die Jünger sprachen also anders daher als sonst, die Bibel meint, dass sie von allen Anwesenden auf einmal verstanden worden seien, vermerkt allerdings, dass es durchaus andere Deutungsansätze ihres Verhaltens gab: »Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.« (Apostelgeschichte, 2 : 13)
Davon lässt sich der Prediger Kilpatrick natürlich nicht abhalten, und während er also zum Gebet für Donald Trump aufruft, obwohl das Gesetz ihn zu politischer Neutralität verpflichtet, überkommt ihn immer mal wieder, wie ein Störsender, der Heilige Geist, und der Heilige Geist teilt also mit: »Schadabataradassaja!«, »Schadabararatodossajanda!«, »Goramamanu!«. Man sehe uns nach, wenn wir nicht jede Silbe korrekt wiedergegeben haben, andererseits sind Fragen der Rechtschreibung in diesem Fall wohl auch zu vernachlässigen. Denn der Heilige Geist im Jahr 2018 hat die Verwendung real vorhandener Sprachen offensichtlich aufgegeben, er äußert sich derzeit exakt so wie auch kleine Kinder sprechen würden, die sich ausmalen, sie sprächen ein Ausländisch.
Vielleicht dringt Gott auf diese Weise gar leichter in die Seelen ein? Ließe er den Prediger wie noch in der Bibelgeschichte in allen Sprachen der Welt sprechen, verblüffenderweise, so kämen in diesen Zeiten der Vernetzung auch die Übersetzer aus allen Ecken der Welt hinzugeeilt, und das Gesagte würde also profanisiert: »Jetzt steigt Donald Trump gerade in sein Auto ein. Der Deep State lauert drei Straßenecken weiter …«, »Die Hexenmeister, die dem Präsidenten ans Leder wollen, haben folgende Namen und Adressen … «, »Tut bitte etwas, Leute, der liebe, gute Oberhexenmeister im Himmel hat leider gerade keine Zeit. Am besten: Beten! So wird seine Zauberkraft wieder erhöht.«
Will der Mensch so etwas hören von seinem Gott? Aus der Erfahrung der letzten Jahrtausende lässt sich schließen: Klare, verständliche Aussagen sind von höheren Wesen nicht wirklich erwünscht. Anweisungen und Gesetze helfen niemandem, der gerade die elterliche Nähe der Gottheit erfahren will, weil die ihm ein wenig Trost spendet, so dass er dann im Gegenzug sein Geld spenden mag. Die Gotteserfahrung verlangt immer schon unverständliches Murmeln, geheimnisvolle Sprache, die als Mitteilung erkennbar, aber nicht verständlich ist, ob nun Schwundlatein oder inspiriertes Gebrabbel. Das erregt in uns ein Gefühl wohliger Geborgenheit, denn wir haben den Zustand eines Säuglings wieder erreicht, ach wie herrlich, dass da diese übergroßen, nicht verstehbaren Mächte sind! Die sorgen für alles. Sie wissen alles. Sie teilen sich mit, selbst wenn ich keine Silbe kapiere. Sie lassen mich ein Teil von ihnen sein, irgendwie, danke, danke! Schalarassabahalabankaboboh.