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LUCA

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Ein dünner Strang nur verbindet uns noch mit der Zivilisation, hier, in unserem Haus auf den Klippen, jener steinige Weg bergan nach Capoliveri nämlich, ein Höllenpfad, der unter der glühenden Sonne sich dampfend aalt und von mordlüsternen Terriern bewacht wird. Lieber lassen wir uns was kommen. Jeden Morgen und jeden Abend rollt ein silbernes Cabriolet langsam den Weinberg hinunter, klappt eine Autotür zu, betritt die Küche: Luca, der Koch. Luca hat olivgrüne Haut und olivenglänzende Haare, trägt Silbernieten am Gürtel, raucht, füttert die Katzen vorm Haus, würdigt uns keines Blickes und zaubert im Sperrgebiet Küche die prachtvollsten Mahlzeiten, an denen teilnehmen zu dürfen die Doraden und Langusten der näheren Umgebung dem Vernehmen nach Schlange stehen – Mahlzeiten, deren Namen wir nie erfahren und nach denen wir nicht zu fragen wagen, vor allem nicht seit der Zweitschweizer verschwunden ist. Einen Tag lang nämlich leistet uns ein Zweitschweizer Gesellschaft, leichthin durchs Haus schwebend, sein einziges Gepäckstück, die Sporttasche, nachlässig in seinem Schlafgemach abgestellt habend, ein aufgehender Jungstern des feinfühligen, zartschmelzenden Fabuliertons, der leider den Fehler begeht, Luca in seiner Küche aufzusuchen, just als der auf den entscheidenden Höhepunkt in der Zubereitung von Spaghetti al Nero di Sepia zusteuert – wir hören nie wieder von ihm, dem Zweitschweizer, der sich uns als Ralf vorgestellt hat. Luca serviert die dampfenden Nudeln nebst einem Traum von Rucola-Erdbeer-Pinienkernsalat, wir sehen drei, keineswegs vier Teller vor uns auf den Tischen stehen, ertragen es nur wenige Augenblicke lang, das Mahl unangetastet zu lassen, und trösten uns schließlich mit der Vorstellung, dass Ralf sich vielleicht nur versehentlich ein Bein gebrochen habe und hilflos in den Klippen liege, so dass wir uns für eine etwaige Rettungsaktion zunächst stärken müssen – was auch im Nachhinein die beste Entscheidung ist: Köstlich zergeht die ureigentlich süditalienische Tintenfischspezialität aus Pasta in einer geheimnisvollen, schwarzen Tintensoße, salzig wie die Nacht, auf unseren Zungen: auf meiner, der der Koautorin und der des Schweizers. Als wir die Mahlzeit mit einem Fruchteis und dem obligatorischen Espresso beendet sowie den Grappa des Tages wohlwollend abgenickt haben, und nachdem auch der Schweizer mit einem Gutenachtfläschchen Wein versehen worden ist – hat Ralfs Abbild in unserem Geiste sich in derselben Weise verflüchtigt wie auch der echte Ralf verschwunden bleibt. Eine Zeit lang steht noch die Sporttasche im vierten Gästezimmer, durch die geöffnete Türe gut sichtbar, dann entsorge ich sie in einer der unruhigeren Nächte den Ameisenabhang hinunter. Der Qualität des Essens tut das unselige Vorkommnis glücklicherweise keinen Abbruch, zuverlässig rollt Luca im silbernen Cabrio allabendlich vor, läßt er Türen klappen, Katzen maunzen vor Glück.

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