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Rückreise mit dem Schlafwagen

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Wir waren damals junge Burschen und der wenige Schlaf im Zug machte uns nicht viel aus. Wir sahen viel, verdienten für unsere Begriffe sehr gut, wurden bestens verpflegt und mussten uns nicht so den Arsch aufreißen, wie beispielsweise ein Bandarbeiter. Hinzu nach Varna hatte es keinen Stopp gegeben, aber auf der Heimreise warteten Aufenthalte in Bukarest und Budapest auf uns. Die Erwartungen an die rumänische Hauptstadt waren nicht sonderlich hoch, aber auf Budapest waren alle scharf. In Bukarest lief der Zug in den Regierungsbahnhof ein und damit sollte eigentlich gewährleistet sein, dass er dort sicher stand, da auch einige Soldaten mit MP dort herumstiegen. Die alten Hasen an Bord hatten uns empfohlen, die Fenster mit den Keilkissen der Sitzfläche zu verrammeln, hier wäre schon mancher Wagen geknackt worden. Wir verwandelten also unsere Wagen in Bunker und zogen in die Stadt ab. Diese machte nicht viel her und auch in den wenigen Geschäften war für uns nichts zu holen. Zurück im Bahnhof stellte sich bald heraus, dass zwei Wagen aufgebrochen waren und einiges wie Fotoapparate oder Klamotten fehlten. Meinen Wagen hatte es auch erwischt. Es gab etwas Theater vom Zugchef mit den rumänischen Genossen, aber diese zuckten nur mit den Schultern.

Wir verließen diesen ungastlichen Ort und rollten Richtung Budapest, wo wir am späten Nachmittag eintrafen. Zu dieser Zeit war ich auf zwei Sachen außerordentlich heiß: Schallplatten und Whisky. Das war in Budapest zu bekommen. Bezahlen musste man die Sachen allerdings auch. Es war so, dass DDR Bürger damals eine sogenannte Zollerklärung erhielten, mit der sie 100 Ostmark in die entsprechende Landeswährung tauschen konnten. Natürlich weiß ich, wieviel diese faule Bande hier monatlich an Geld nach Hause trägt, es ist ein Skandal! Mit 100 Ostmark würden die doch verhungern! Da ich gedachte ordentlich einzukaufen würde ich mit 100 Ostmark allerdings nicht weit kommen. Es war einfacher als gedacht. Da wir bei der Einreise in die DDR immer noch ordentliche Vorräte an Radeberger Bier an Bord hatten entwickelte sich ein reger Tauschhandel zwischen der Zugbesatzung und den Zöllnern: Bier gegen Zollerklärungen. Die schon lange als Schaffner fahrenden Profis gaben uns Frischlingen ohne viel Federlesens ein paar dieser Scheine aus ihrem Vorrat ab. Budapest machte schon was her. Viel Reklame, schöne Geschäfte, Straßenkaffees, Trubel auf den Straßen. Es gab einen Geheimtipp wo man Schallplatten bekommen konnte und dorthin begab ich mich. Tatsächlich lungerten dort ein paar Typen rum. Ohne groß zu zucken bezahlte ich die horrenden Preise, dafür hatte ich aber etwas, was ich zu Hause nie bekommen würde. Whisky gab es in jedem Spirituosenladen. Bepackt kam ich am Bahnhof an und verstaute meine Schätze im Dienstabteil. Dann war es Usus, dass wir uns bis zur Abfahrt noch ein bisschen in der Bahnhofsgegend herumdrückten. Beim ersten Mal waren wir in einem Straßenkaffee gelandet und hatten ohne auf den Preis zu sehen jeder 0,25 Liter Bier bestellt. Als dann die Rechnung kam blieb mir bald die Spucke weg, denn umgerechnet kostete dieser Tropfen Bier 7 Ostmark.

Jeder der hier angestellten und gnadenlos überbezahlten sogenannten Kollegen könnte das aufgrund der vollkommen ungerechtfertigten Vergütung locker tun, ich meine, 7 Mark für ein kleines Bier zu bezahlen. Es ist schon erbärmlich, wie hier Nicht- oder Minderleistung honoriert wird. Jedenfalls kamen dann immer kurz vor der Grenze zur DDR eingeschüchterte und ängstliche Urlauber zu mir, drückten mir einen Schein in die Hand und baten darum, dass ich in meinem Dienstabteil Schmuddelzeitungen mit Bildern von nackten Frauen und Ähnliches Anzügliches verstecken sollte. Die Sache lohnte sich, auf der letzten Etappe kassierte ich im Regelfall so um die 50 Mark, viel Geld für mich. Im Zielbahnhof angekommen hieß es wieder Wäsche abziehen, sauber machen und die verbliebenen Bestände aufzunehmen. Seltsamerweise hatte ich immer kleine Inventurdifferenzen, kein gutes Zeichen für einen angehenden Betriebswirtschaftler. Es war nicht viel, aber immerhin nicht zufriedenstellend. Insgesamt hatte die Sache viel Spaß gemacht, man kam ohne eigene Anstrengung herum, sah viel und konnte zumindest in Budapest gut einkaufen. Zum Gehalt kam noch das Trinkgeld dazu und das war für damalige Zeit nicht übel. Nach der Armeezeit und vor dem Studium hatte ich knapp 2 Monate Freizeit, ich ging also als alter Schlafwagenschaffnerhase nochmals auf Tour.

Ich möchte noch erwähnen, dass ich auf einer Fahrt mit dem Schlafwagen in die Slowakei auf eine allein reisende vielleicht dreißigjährige Tschechin traf, die mir eindeutige Avancen machte. Also schloss ich nach 22 Uhr mein Dienstabteil ab, und machte mich mit einer Flasche Sekt auf den Weg zu ihr. In der Oberschule hatte ich vier Jahre Tschechisch gelernt, aber zu einer regen Kommunikation kam es gar nicht erst, denn kaum war ich bei ihr, ging schon die Post ab. Die miesen Schienenstränge hatten diesmal etwas Gutes. Sie wissen schon, was ich damit meine.

Mein bewegtes berufliches und sonstiges Leben im Osten und im Westen oder: Gefaulenzt und gesoffen wird überall!

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