Читать книгу Mein bewegtes berufliches und sonstiges Leben im Osten und im Westen oder: Gefaulenzt und gesoffen wird überall! - Klaus Wagner - Страница 5
Armeezeit
ОглавлениеZur Armee bin ich mit einer gespannten Erwartung gegangen. Es war nicht so, dass ich noch nie länger von zu Hause weg gewesen war, denn in den Ferien fuhr ich mit meinen Kumpels gern weg, vor allem ins Ausland. Einmal waren wir mit unseren Mopeds bei den Tschechen unterwegs. Es war üblich, seine Karre irgendwie in der Leistung zu steigern und ich hatte das getan, indem ich einen anderen Zylinder mit mehr Hubraum samt Kolben montiert hatte. Das Ding ging wie der Teufel, aber leider nur am Anfang unserer Reise. Schon nach kurzer Zeit fiel die Leistung rapide ab, von stolzen 70 Km/h auf magere 25. Nun hatten wir kaum Werkzeug dabei und ich hatte die Hoffnung, dass es wenigstens bei dieser Geschwindigkeit bleiben würde. Sehr erleichtert erreichte ich unseren Zeltplatz und wir machten es uns erst einmal bei gutem tschechischem Bier gemütlich. Eines Tages wollten wir einen kleinen Abstecher in eine nahegelegene Stadt unternehmen und fuhren los. Ich schlich den anderen mit meinem flügellahmen „Habicht“ (so hieß das Moped) hinterher und die Leute in den Dörfern sahen mir erstaunt nach, als ich mit 15 km/h an ihnen vorbeibretterte. Langsam bahnte sich die Erkenntnis Raum, dass ich mit meiner Mühle in diesem Zustand mehrere Tage benötigen würde, um wieder nach Hause zu kommen. Das wollte ich mir nicht antun und hatte auch insgeheim Schiss davor, auf mich allein gestellt auf diese Tour zu gehen. Also beschlossen wir, dass wir uns trennen würden. Die anderen Kameraden würden mit Motorkraft die Heimreise antreten, ich mit dem Zug. Das Moped fuhr im Gepäckwagon mit. Am Heimatbahnhof angekommen verweigerte das Fahrzeug endgültig den Dienst und zwang mich so, es durch die halbe Stadt bis nach Hause zu schieben. Den nächsten Tag brachte ich es die Werkstatt und nahm mir vor, nie wieder manipulierend in Maschinen einzugreifen. Dennoch hatte ich die Sache durchgezogen und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand von diesen arbeitsscheuen Sesselfurzern hier das überstanden hätte.
Weitaus angenehmer war der Urlaub in Ungarn. Ein Kumpel hatte sich das Auto von seinem Vater ausborgen können und wir gingen zu viert auf die Reise. Ohne Probleme kamen wir bis zum Balaton und ernährten uns dort von Rotwein und einer auf dem Kocher zubereiteten Mischung aus Paprika, Zwiebeln und Tomaten, Geld hatten wir kaum. Wer Geld hatte bekamen wir schnell mit, denn auch etliche Westgermanen urlaubten dort. Diese Leute ließen es sich in den umliegenden Restaurants richtig gut gehen, uns blieben die Türen verschlossen, weil unübersehbar auf Deutsch informiert wurde, dass man nur D-Mark akzeptieren würde. Es hätte beinahe noch Handgreiflichkeiten mit einem dunkelhäutigen Typen gegeben, der uns mit bayrischem Dialekt klar machte, dass er sich hier vor Ort alles leisten könnte. Ein Neger am Balaton, der bayrisch spricht, das war schon skurril. Trotzdem waren die Tage schön und nun stand bald die Armeezeit an.
Wir hatten uns am Tag der Einberufung an einem Bahnhof einzufinden, wurden registriert und mussten dann lange auf den Zug warten. Mit mir waren noch drei Kumpels aus meiner Schule dabei, die zumindest zur gleichen Einheit kommen sollte. Wir gaben uns natürlich als total coole Socken aber in Wahrheit ging uns allen die Düse weil wir überhaupt nicht wussten, was auf uns zukommen würde. Der Zug zuckelte lange durch die Landschaft, dann mussten wir aussteigen, wurden auf LKW verfrachtet und in die Kaserne gefahren. Als wir das Eingangstor passierten hörten wir die höhnischen Rufe der Posten, die so etwas wie „Tagesäcke“ von sich gaben. Das war uns damals noch nicht ganz verständlich, aber das sollte sich schnell ändern. Dann standen wir alle noch in Zivil auf einem großen Appellplatz und ein kurzbeiniger Offizier hielt eine Ansprache, in der unter anderem die Rede vom ehrenvollen Dienst und dem gegenseitigen Helfen der Diensthalbjahre untereinander war. Das sollte sich kurze Zeit später als der blanke Hohn herausstellen. Jedenfalls wurden wir eingekleidet und erhielten eine Vielzahl von Klamotten und Ausrüstungsgegenständen. Der einzige in diesem Augenblick zu sehende Vorteil war der, dass wir Neuen in der sogenannten Ausbildungskompanie zusammengefasst wurden. Keiner von uns hatte jemals zuvor Bettwäsche auf Kante legen müssen oder einen Gang gebohnert. Das Ausbildungsprogramm war happig, das Essen mies. Treppen waren grundsätzlich im Laufschritt zu nehmen. Hier in der Firma ist es üblich, dass die Leute immer den Fahrstuhl benutzen, obwohl sich die Büros im ersten Stock befinden, das sind zwei Treppen! Kein Wunder, dass alle zu viel Fett auf den Rippen haben und überhaupt nicht leistungsfähig sind.
Irgendwie haben wir diese Monate überstanden, und dann wurden wir aufgeteilt. Einer meiner Kumpels wurde wie ich zum Planzeichner ausgebildet, die anderen sollten als Funkorter arbeiten. Als Planzeichner steht man in einem angedunkelten Raum, dieser hier war in einem Bunker, hinter einer Plexiglasscheibe, auf der Koordinatenquadrate aufgebracht sind. Man trägt Kopfhörer, hat einen Fettstift und einen Wischlappen in der Hand und ein anderer Typ vor einem Sichtgerät – der Ableser - bläst einem in einem Affenzahn Zahlen ins Ohr. Ein Stück weit weg vor der Scheibe sitzen Berufssoldaten und Offiziere auf einem Podest und glotzen auf die Plexiglaswand. Eine kurze Erklärung: die Zahlen beschreiben Kennung, Höhe, Kurs und vor allem den Standort eines Luftfahrzeuges. Man sieht also das Koordinatensystem, hört die Zahlen und lässt seinen Kopf kreisen, wo der verdammte Standort sein könnte. Hat man den gefunden zeichnet man mit dem Stift eine Nummer des Ziels an und schreibt auch noch die Höhe darunter. Soweit dürfte das klar sein, oder? Da man hinter der Scheibe steht aber die Typen auf dem Podest lesen wollen was passiert, muss man zwangsläufig alles in Spiegelschrift erledigen. Ich habe mich damals wie in der ersten Klasse gefühlt, denn wir mussten erst einmal lernen, alles in Spiegelschrift darzustellen. Irgendwie hatte ich dazu Talent und auch bald den Dreh raus. Das war noch einfach. Stellen Sie sich bitte aber einmal vor, am Himmel schwirren vielleicht 15 Flugzeuge herum, und das war noch wenig. Natürlich wollten die Podesttypen sehen wie und wohin sie sich bewegen. Das hieß, dass man jede Minute 15mal eine endlose Zahlenkette hörte und am Standort des jeweiligen Luftfahrzeuges einen Strich vom vorherigen Standort aus zu ziehen hatte. Es ergab sich also eine Linie. Da man die Plexiglastafel ja nicht endlos vollschmieren konnte, dann hätte ja keine Sau mehr durchgesehen was vor sich ging, musste man also die Ziele immer wieder ein Stück umsetzen, das heißt, den bereits absolvierten Kurs wegwischen und die aktuellen Angaben wieder anzeichnen.
Das war schon eine Sache, die höchste Konzentration und enormes Tempo erforderte. Es ist für mich überhaupt keine Frage, dass diese phantasielosen und trägen Gestalten hier im Büro um mich herum kläglich daran gescheitert wären. Ohne dass ich es darauf angelegt hätte wurde ich der beste Planzeichner in meinem Diensthalbjahr, und die Ableser rissen sich darum, mit mir Dienst zu schieben. Diese Leistung brachte mir zwar schon nach einem halben Jahr den Gefreiten ein, aber auch jede Menge Verachtung. Man bezeichnete mich als Arschkriecher und Ähnliches, dabei hatte ich bloß einen guten Job gemacht. Na ja, die Beschimpfungen ließen dann nach aber ich hatte weiterhin ein Problem. Wir arbeiteten im sogenannten diensthabenden System, also rund um die Uhr in einem recht großen Bunker. Der verfügte neben den militärischen Einrichtungen über einen ordentlichen Speisesaal, einen Sport- und einen Fernsehraum. Geschlafen wurde in einer Pyramide von 4 übereinandergestapelten Betten. Jede Schicht am Planchet ging zwei Stunden, dann waren zwei Stunden frei, dann wieder zwei Stunden Schicht und so weiter. Der Spaß ging so im Regelfall 5 Tage, dann ging es aus dem Bunker heraus und in die Kaserne. Stellen Sie sich bitte vor, dass sie über diesen Zeitraum immer nur zwei Stunden Schlaf haben. Na gut, das wäre ja vielleicht noch auszuhalten gewesen, aber ich flog öfter einmal mit Alarm raus, weil ein anderer nicht in der Lage gewesen war, die vielen Ziele zu beherrschen. Damals fühlte ich mich ein bisschen wie der King der Planzeichner, und war es auch. Was ich zu dieser Zeit geleistet hatte, würden diese schlappen und interessenlosen Typen hier bei mir im Büro garantiert nicht hinkriegen.
Es gab übrigens in meinem Diensthalbjahr einen Typen, der Porzellanmaler und schon verheiratet war. Naturgemäß konnte der Kerl gut zeichnen. Wenn es nachts am Himmel mal ein bisschen weniger hektisch zuging vertrieb er sich die Zeit damit, nackte Frauen in lasziven Posen an das Planchet zu zeichnen oder kopulierende Paare darzustellen. Armin, wie er hieß, zeichnete sich seinen ganzen Frust aus dem Leibe, denn als einziger von uns jungen Burschen hatte er bis zur Armee die Möglichkeit gehabt, seine Frau regelmäßig vögeln zu können. Jedes Mal, wenn er aus dem Kurzurlaub zurückkam, war er etwas entspannter und wir alle waren neidisch, denn es war uns klar, dass er zu Hause kaum aus dem Bett herausgekommen war. Aber es war so, dass dieser Zustand bei Armin nicht lange anhielt und er dann wieder alle mit stinkiger Laune bösartig anfuhr. Er sollte sich mal nicht so haben, auch wir anderen hatten ja mächtigen Druck.
Mit der Zeit wurde alles Routine und im dritten Diensthalbjahr waren wir die EK, die Entlassungskandidaten. Dazu gehörte, dass diverse unangenehme Aufgaben an die noch Längerdienenden abgeben wurden. Wir waren nicht bösartig, aber von den immer gleich verlaufenden Tagen genervt und wollten endlich wieder nach Hause.