Читать книгу Der SM-Autor (Erotik, BDSM, MaleDom) - Klaus X. Rohling - Страница 7

VORWORT DER SPONSORIN

Оглавление

Zum Glück musste ich nur ein einziges Mal erleben, wie ihn seine zweite (mittlerweile Ex-)Frau wegen seiner SM-Neigung beleidigte und ihm gleichzeitig mitten ins Gesicht spie.

Sie fragte ihn damals, wie aus einem finanziell gar nicht so schlecht gestellten Gymnasiallehrer so ein um die Existenz kämpfender Schreiberling von Schundliteratur (die offiziell eigentlich so gut wie niemand liest) werden kann.

Sie fragte ihn, wie aus einem normalen Familienvater ein perverser Casanova werden kann, der von einer Frau zur nächsten tingelt und dieses Lotterleben auch noch in Büchern verewigt.

Sie fragte ihn, ob er nicht permanent ein schlechtes Gewissen habe, mehrere Frauen gleichzeitig am Laufen zu haben, ja eventuell sogar zu lieben und die eine mit der anderen irgendwie doch zu betrügen.

Sie fragte ihn tatsächlich danach, was seine Eltern dazu sagen würden, wenn sie seinen Absturz hätten miterleben müssen.

Sie fragte ihn scheinbar mit innerer Überzeugung, ob er es nicht für besser halten würde, einen Psychiater aufzusuchen, um sich eine letzte Chance auf Heilung und damit einen geruhsamen Lebensabend zu bewahren. Schließlich sei er nicht mehr der Jüngste.

Ich wusste nicht zu sagen, warum sie überhaupt bei einer seiner Lesungen erschienen war, aber ganz plötzlich war sie einfach da.

Er schwieg dazu mit gesenktem Haupt, so als habe sie den Nagel auf den Kopf getroffen, so als könne er es aber leider trotzdem nicht ändern, ließ sich sogar ein weiteres Mal anspucken und obendrein auch noch in den Hintern treten, nahm mich an die Hand und ging mit mir, während sie ihre Schimpftiraden uns hinterherbrüllte, sodass alle Zuhörer des Publikums es hören konnten.

Ich an seiner Stelle hätte diesen Menschen, die seiner Frau hatten zuhören müssen, niemals mehr gegenübertreten können, wieviel schlimmer musste es für ihn gewesen sein, als sie sich auch noch an seine Vorgesetzten gewandt hatte.

Heute wundert´s mich nur noch, dass er es sieben Jahre lang in einer Ehe mit ihr hatte aushalten können.

Manche seiner letzten Lesungen außerhalb von Clubs verliefen da weit weniger beleidigend, weil die Fragen nicht ganz so abkanzelnd gewesen waren, vielleicht auch deshalb, weil er dort schon zumindest bei manchen Zuhörern als der SM-Autor angesehen war, der zumindest ein wenig versuchte, das Genre mit anspruchsvoller Literatur zu kombinieren.

Wenn ich seine Leseabende nach dem Gewinn des deutschlandweiten Lesewettbewerbs Revue passieren lasse, dann muss ich sagen, dass diese Auftritte trotz seiner Prämierung ebenfalls immer sehr merkwürdig und verletzend für ihn verlaufen waren, denn Zuspruch hatte er so gut wie nie bekommen.

Doch er schaffte es zeit unseres kurzen gemeinsamen Lebens, seine tiefe Enttäuschung und die damit verursachten Depressionen nur mir gegenüber zu offenbaren. Für alle anderen war er bis zum Schluss der unantastbare Erfolgsautor geblieben.

Als mein nachträglicher Eindruck solcher Leseveranstaltungen bleibt, dass sein Publikum und er aneinander vorbeiredeten und keine gemeinsame Schnittmenge fanden, wobei ihn das weit mehr belastete als sein Publikum.

Sie hatten ihn gefragt, ob er sich in seinem Studium jemals mit SM-Literatur beschäftigt habe oder ob er die Gründe kenne, warum die Wissenschaft sich mit der Literatur, die er verfasse, nicht beschäftige.

Sie hatten ihn gefragt, wie es dazu gekommen sei, dass er in seinem qualitativen Anspruch an die eigene Literatur, den er doch zumindest in seiner Jugend mal verspürt haben müsste, soweit habe absacken können.

Sie hatten ihn gefragt, ob er nicht die Angst habe, mit seinen Büchern die schöngeistige Literatur zu verraten.

Sie hatten ihn gefragt, ob er aus normalen Familienvätern perverse Casanovas machen wolle, die von einer Frau zur nächsten tingeln würden, oder es andere Gründe gebe, warum er ein solches Lotterleben in seinen Büchern verherrlichen und sogar verewigen würde.

Sie hatten ihn ernsthaft gefragt, wie es möglich ist, dass man literarisch gesehen so tief nach unten fällt. Schließlich habe doch jeder Schriftsteller zuallererst den Anspruch, schöngeistige Literatur zu schreiben.

Sie hatten ihn allen Ernstes gefragt, wie lange er gedachte, SM-Romane zu schreiben, denn schließlich müsse er doch schon bald damit rechnen, aus Altersgründen selbst keinen mehr hochzukriegen. Dann sei seine Literatur nichts weiter als ein Sammelsurium aus Lügengeschichten oder der Wunschtraum eines Eunuchen.

Er hatte ihnen oft mit gesenktem Blick geantwortet, dass es ihn traurig machen würde, dass sie ihn nicht danach fragten, ob er sich als Autor von SM-Romanen nicht viel befreiter und damit ein Stück weit auch besser fühlte oder ob sie nicht registrieren wollten, dass der Literaturmarkt sich grundsätzlich verändert habe, dass er einfach weiter und offener geworden sei.

Er hatte ihnen mit gesenktem Haupt geantwortet, dass er es bedauern würde, dass sie ihn nicht danach fragten, ob er endlich da angekommen war, wo er vielleicht schon immer hingewollt hatte. Er antwortete, dass er auch in seinem Genre stets um literarische Qualität, vor allen Dingen im psychologischen Bereich bemüht sei. Er liebe es nicht unbedingt, als Außenseiter zu gelten, aber könne man etwas gegen seine Bestimmung tun, ohne sich ernsthaften seelischen Schaden zuzufügen? Könne man etwas anderes tun, als die Einsamkeit zu ertragen, die aus seinen Neigungen entstehen kann?

Er hatte ihnen, manchmal die Augen zumindest eines fassbaren Gegenübers suchend, geantwortet, dass die gestellten Fragen ihn bereuen ließen, sich auf den Weg zu der Lesung gemacht zu haben, statt an seinen Romanen weiterzuschreiben und sich selbst damit ein Stück näherzukommen.

Ich hatte ihn damals bei den Fahrten zu den Leseabenden als einen sehr besonnenen und sicheren Autofahrer, einen intelligenten, bescheidenen, freundlichen, empathischen, sexuell stimulierenden, manchmal melancholischen, ja vielleicht sogar depressiven, dennoch durchaus hilfsbereiten, aber leider auch sehr starrköpfigen Mann mit zwei sich feindlich gegenüberstehenden Seelen kennengelernt, denn er schien niemals ganz mit sich und seiner Welt zufrieden sein zu können. Er schien niemals mit sich im Einklang zu sein oder sein zu können.

Heute bin ich ein wenig stolz darauf, sagen zu können, dass ich ihn in diesem seinem dualistischen Inneren kennenlernen durfte.

Heute bin ich sehr stolz darauf, von ihm dafür auserkoren worden zu sein, seine Aufzeichnungen in meinen Händen halten zu dürfen und für deren Vermarktung zuständig zu sein.

Heute bin ich äußerst stolz darauf, seine Memoiren in einem der größten und angesehensten Verlage untergebracht zu haben.

Leider war unser gemeinsamer Weg viel zu kurz, denn er war zu spät dort angekommen, wo er hätte glücklich werden können. Für ihn hatten die Irrfahrten seines Lebens zu lange gedauert, um noch einen anderen Ausweg finden zu können als den, den er aus seinem Innersten heraus für sich wählte.

Vor seinem letzten Besuch im Theater der Sinne nahm er so Abschied von mir, wie er sich immer von mir verabschiedet hatte.

Nichts hatte auf einen endgültigen Abschied hingedeutet.

Ich bin traurig, seine Absicht nicht erkannt zu haben und in jener Nacht nicht bei ihm geblieben zu sein, als er mal wieder allein sein wollte, wie er es sich zumindest gegen Ende unserer Beziehung leider viel zu oft gewünscht hatte.

Ich werde ihm seinen Autounfall niemals glauben. Ich glaube es ihm deshalb nicht, weil es mir für seinen gewöhnlichen Fahrstil nahezu unmöglich erscheint, dass er mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gegen einen einzelnen Baum auf einem ansonsten freien Feld prallte.

Ich kann es auch deshalb nicht glauben, weil er mir zuvor schon einmal von diesem einzelnen Baum berichtet hatte, als er sich von mir kommend auf der Heimfahrt gemeldet hatte, um mich beruhigt einschlafen zu lassen.

Bei seiner Feuerbestattung waren viele von denen zugegen, mit denen er sich in seinem Leben hatte anlegen müssen. Sogar seine letzte Exfrau war zugegen und sie hatte es sich nicht nehmen lassen, noch einmal auf seine Urne zu spucken.

Eigentlich hatte ich sie alle fragen wollen, ob sie nun endlich glücklich waren, ihn mit ihren Anfeindungen, mit ihrem demonstrativ zur Schau getragenen Abscheu, ihn mit ihren offen gegen ihn geführten Kriegen und Verleumdungsschlachten dahin gebracht zu haben, seinem Leben ein Ende zu setzen, doch ich ließ es bleiben, weil er doch ganz offensichtlich nur in einem Verkehrsunfall sein Leben gelassen hatte und weil er mir noch zu seinen Lebzeiten vorhergesagt hatte, dass sie mich sowieso nicht verstehen würden, so wie sie ihn niemals verstanden und damit zugrunde gerichtet hatten.

Der SM-Autor (Erotik, BDSM, MaleDom)

Подняться наверх