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Reformziele: Korrektes Sprechen, Lesen und Schreiben

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Ganz konkret fordert die Admonitio: „Und dass Leseschulen für Knaben entstehen sollen. Psalmen, Kurzschrift, Gesänge, Computus [Kalenderrechnung], Grammatik und die katholischen Bücher sollt ihr sorgfältig verbessern in den einzelnen Klöstern oder Bischofssitzen; denn oft, wenn manche Gott auch gut bitten wollen, bitten sie doch schlecht aus unverbesserten Büchern. Und eure Knaben, lasst die nicht beim Lesen und Schreiben [den Text] verderben; vielmehr, wenn es nötig ist, ein Evangelienbuch, Psalterium und Messbuch zu schreiben, sollen Erwachsene mit aller Sorgfalt schreiben“ (c. 72). Und an anderer Stelle wird gefordert, den Wissensstand der Kleriker zu prüfen: „Die Bischöfe sollen in ihren Pfarreien sorgfältig die Priester prüfen, ihren Glauben, ihre Taufen und Messfeiern, dass sie den rechten Glauben haben und die katholische Taufe beachten und die Messgebete wohl verstehen, und dass die Psalmen würdig nach den Unterteilungen der Verse gesungen werden, und dass sie das Vaterunser verstehen und predigen, dass es alle verstehen, damit jeder weiß, was er von Gott erbittet […]“ (c. 70). Lernunwillige sollen bestraft werden, wie ein anderes Kapitular fordert: „Wer unterrichtet ist, soll belohnt und zu weiterem Studium ermuntert, wer nachlässig und träge ist, soll mit Buße belegt werden.“

Ein zentrales Dokument der Bildungsreform stellt ein Rundschreiben des Königs an die Klöster und Bistümer des Reiches dar, die Epistola de litteris colendis („Brief über die Pflege der Wissenschaften“, um 787); erhalten ist das Exemplar für den Abt von Fulda. Programmatisch heißt es darin: „Wir hielten es für nützlich, dass in den uns durch Christi Gunst zur Leitung anvertrauten Klöstern außer der Ordnung regelgemäßen Lebens und dem Wandel in heiliger Religion bei denjenigen, die durch Gottes Gabe lernen können, je nach Fähigkeit der Lerneifer auch für das Studium der Literatur aufgebracht wird. Wie die Norm der Regel die Ehrbarkeit der Sitten ordnet und schmückt, so soll auch die Beharrlichkeit des Lehrens und Lernens Ordnung und Schmuck in die Wortfolge bringen, dass die, die Gott durch rechtes Leben gefallen wollen, nicht vernachlässigen, ihm auch durch richtiges Reden zu gefallen.“ Der König hatte „aus etlichen Klöstern häufiger Schreiben empfangen“, in denen er „rechten Sinn, aber ungepflegte Rede“ erkannte; „denn was die fromme Hingebung innerlich in Treue diktierte, das schien die wegen der Nachlässigkeit im Lernen ungebildete Zunge äußerlich nicht fehlerfrei auszudrücken.“ Aber nicht nur im Schriftverkehr, auch im gesprochenen Gottesdienst mahnte Karl die sprachliche Korrektheit an, wie aus einem anderen Sendschreiben deutlich wird: „Wir haben es nicht geduldet, dass in unseren Tagen bei den heiligen Lesungen während der Gottesdienste ungehörige Sprachschnitzer ertönen.“ Offenbar waren Kleriker wie die von Bonifatius angeprangerten bayerischen Priester auch jetzt noch anzutreffen.

Immer wieder ging es um die Verbesserung der Kenntnisse der lateinischen Sprache, die auf dem Kontinent im 8. Jahrhundert zunehmend verwildert war – ganz im Gegensatz zu Irland und England, wo seit dem 7. Jahrhundert eine wesentlich niveauvollere lateinische Sprach- und Literaturlandschaft entstanden war (als Autor der Admonitio gilt denn auch der Angelsachse Alkuin). Dieses „neualte Latein der Karolingerzeit“ (Wolfram von den Steinen) war nicht identisch mit dem klassischen Latein, sondern angereichert mit Elementen aus der Vulgata und den Schriften der Kirchenväter, aber auch mit Lehnwörtern aus den Volkssprachen: das sog. „Mittellatein“, das ja dann für das ganze Mittelalter grundlegend blieb. Dieses Mittellatein war nun keineswegs eine tote Sprache, sondern lebte in Kirche, Schule und Bildung höchst lebendig fort (von den Steinen hat treffend von der „Vatersprache des Mittelalters“ gesprochen).

Neben den Bemühungen um die Reform des Lateins zeigte Karl ein verstärktes Interesse an der Volkssprache, wie Einhard berichtet:

„Ebenso ließ er die uralten volkssprachigen/heidnischen Lieder (barbara et antiquissima carmina), in denen die Taten und Kämpfe der alten Könige besungen wurden, aufschreiben und der Nachwelt überliefern. Auch eine Grammatik seiner Muttersprache ließ er in Angriff nehmen [nicht erhalten]. Auch gab er den Monaten, für die bei den Franken bis dahin teils lateinische, teils einheimische Namen in Gebrauch waren, Benennungen aus seiner eigenen Sprache. Ebenso gab er zwölf Winden eigene Bezeichnungen, während man vorher nur für kaum vier Winde besondere Benennungen hatte finden können. Und zwar nannte er von den Monaten den Januar Wintarmanoth, den Februar Hornung [manchmal noch in altdeutsch stilisierten Kalendern zu finden], den März Lenzinmanoth, den April Ostarmanoth, den Mai Winnemanoth [Wonnemonat], den Juni Brachmanoth, den Juli Hewimanoth [Heumonat], den August Aranmanoth [Erntemonat], den September Witumanoth [Holzmonat], den Oktober Windumemanoth [Weinlesemonat], den November Herbistmanoth, den Dezember Heilagmanoth [heiliger = Weihnachtsmonat]“ (c. 29).

Karls Interesse an der Volkssprache dürfte nicht zuletzt aus den Bemühungen um Predigt und katechetische Unterweisung erwachsen sein. Sicher ist es kein Zufall, dass Taufgelübde, Vaterunser, Glaubensbekenntnis, Sündenverzeichnisse und Beichtformeln zu den ältesten überlieferten Texten in althochdeutscher Sprache gehören. Bezeichnenderweise stammen die ältesten Belege für theodiscus („volkssprachlich“, daraus „deutsch“) aus den Jahren 786 und 788. In den Akten einer Synode in Tours 813 findet sich dann explizit die Unterscheidung von rustica Romana lingua aut theodisca, und so darf man wohl ohne Übertreibung feststellen, dass „die Erkenntnis von der Gliederung des christlichen Abendlandes in zwei große Sprachgemeinschaften aus der Bildungsreform Karls des Großen erwuchs“ (Eugen Ewig).


Karolingische Minuskel. (Illustrierte Handschrift von Alkuins Bibeltext, um 804)

Eine weitere Frucht der Reformbemühungen war die neue karolingische Schrift, die sog. karolingische Minuskel. Die älteren Handschriften aus dem 7. und auch noch 8. Jahrhundert zeigten je nach ihrer regionalen Herkunft ganz verschiedene, in sich uneinheitliche Ausprägungen; ihre vielfach verwilderten Formen machten sie oft schwer lesbar. Jetzt entstand eine klare, einheitliche Schrift von formschöner Gleichmäßigkeit. Es handelt sich um eine Minuskelschrift, auf dem Vierlinienschema beruhend, mit Ober- und Unterlängen. Um 781/83 in einer Evangelien-Prachthandschrift erstmals bezeugt, breitete sich die neue Schrift im 9. Jahrhundert im gesamten Reich, später über das ganze Abendland aus. „Anstelle ungeordneter Vielfalt ist Ordnung und Einheitlichkeit getreten“ (Josef Fleckenstein). In dieser neuen Schrift wurden jetzt von Klerikern und Mönchen in bisher ungeahnter Menge antike Texte abgeschrieben; was uns heute von römischen Autoren, aber auch von den Kirchenvätern überliefert ist, verdanken wir zum allergrößten Teil den Abschriften der Karolingerzeit. Als die Renaissance-Humanisten bei ihrer unermüdlichen Suche nach den antiken Klassikern auf diese Codices stießen, glaubten sie die römischen Original-Handschriften in „lateinischer“ Schrift gefunden zu haben und übernahmen auch selbst diese Schriftform. So wurde durch einen „gelehrten Irrtum“ die karolingische Minuskel zur Grundlage unserer heutigen „lateinischen“ Schrift – im Gegensatz zur „deutschen“ Schrift.

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