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SCHULKIND SEIN

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„Dann weht ein anderer Wind!“ Und: „Wenn du nicht fleißig lernst oder Dummheiten in der Schule machst, gibt es Schläge“, solche Sätze sagte nicht nur mein Vater, es war damals üblich, den Kindern Angst vor der Schule zu machen. So trat ich mein Schülerdasein mit gemischten Gefühlen an.


Schulanfang 1959

MAMA am Fenster, MIMI am Tisch, diese ersten Worte im Lesebuch brachte uns Herr Martin bei, unser erster Lehrer. Noch im Rentenalter unterrichtete er die Schulanfänger im Lesen, Rechnen und Schreiben. Schon vor 1933 war er Lehrer gewesen, wurde in der Nazizeit jedoch aus dem Schuldienst entlassen. Nach 1945, politisch unbelastet, konnte er den Lehrdienst wieder antreten. Das tat er mit einer Beinprothese, die von seiner Kriegsverletzung herrührte.

Unsere ersten Schreibübungen machten wir noch mit Federhalter und Tinte. In den schweren, massiven Schulbänken befanden sich Öffnungen für die Tintenfässer. In diese tauchten wir unsere Schreibfeder ein und brachten mühsam die ersten Buchstaben zu Papier. Nicht ohne große Kleckse im Schulheft, auf der Schulbank, der Kleidung oder an den Händen zu hinterlassen.

Ich hatte zwei Probleme. Alle Kinder trugen einen neuen Schulranzen, in der Art wie damals üblich, helles Leder und zwei Schnallen. Ich hatte einen schwarzen mit nur einer Schnalle, welchen meine Schwester schon getragen hatte. Zweitens besaß ich keine Federmappe, sondern ein kleines

Holzkästchen für die Stifte, diese klapperten beim Laufen. So wurde ich von den Schulkameraden gehänselt, sie riefen: „Konrad mit dem schwarzen, altmodischen Ranzen und dem klappernden Holzkistchen.“ Mein Vater deutete die Situation so um, ich hätte das Bessere und die anderen Kinder seien nur neidig.

Nach Abschluss der ersten Klasse ging Herr Martin in den wohlverdienten Ruhestand. Unsere neue Klassenlehrerin wurde Fräulein D., eine junge Frau, welche gerade ihr Studium absolviert hatte.

In Klasse drei war wieder Lehrerwechsel, Frau N., eine Frau mittleren Alters, unterrichtete uns als neue Klassenlehrerin.

Das Jahr 1963 sollte mein Glücksjahr nicht sein. Im Februar bekam ich starke Bauchschmerzen. Ein Heizkissen auf dem Bauch sollte die Schmerzen lindern, das Gegenteil war jedoch der Fall. Unsere Hausärztin konnte keine Diagnose stellen, überwies mich also in die Universitätsklinik Leipzig. Noch am Abend fuhr mich mein Vater mit dem Auto in die Liebigstraße. In Leipzig waren die Temperaturen unter minus 20 Grad gesunken und es schneite heftig.

Nach mehreren Untersuchungen stellte dann ein Arzt die Diagnose: Blinddarmentzündung. Noch in der Nacht wurde ich notoperiert, der Blinddarm war vereitert und bereits geplatzt. Am nächsten Tag teilte der Arzt meinen Eltern mit, dass es eine halbe Stunde später – zu spät gewesen wäre.

Nach einer Woche in der Universitäts-Kinderklinik wurde ich zwar entlassen, musste zu Hause aber noch das Bett hüten.

An einem Abend klingelte das Telefon, es war Onkel Karl, der Bruder meines Vaters. Er teilte mit, dass Vater Robert, mein Großvater, verstorben war. Nur eine Woche war er mit Grippe im Bett krank gewesen. Sein Tod kam allen sehr plötzlich. Der Kontakt zu ihm war nicht so eng wie zu meinen Großeltern mütterlicherseits. Vielleicht 4 bis 6 Mal im Jahr besuchten wir ihn in Tautenhain.

Da hatte er mir, seinem jüngsten Enkel, immer seine Kaninchen gezeigt. Sein Tod machte mich sehr traurig. Großmutter Hulda war bereits 1956 verstorben, an sie habe ich keine Erinnerung.

Der Februar überzog das Land mit eisigen Temperaturen und viel Schnee. Die Tiefsttemperatur fiel unter minus 30 Grad. In den Braunkohletagebauen rund um Leipzig stockte die Kohleförderung, gleichzeitig aber wurde mehr Heizmaterial verbraucht. Aus diesem Grund schlossen die Schulen und der Unterricht fiel aus. Ich verpasste durch meinen Blinddarm keinen Schulunterricht. Außerdem führte man nun das Schulfernsehen ein.

Meine Blinddarmwunde heilte, die Temperaturen stiegen und der Frühling zog ins Land. Doch ein Unglück kommt selten allein.

Am Sonnabend, den 16. März wollte ich mit meinen Freunden Fahrrad fahren. Hier muss ich einfügen, dass damals die meisten Leute im Winter nicht Fahrrad fuhren. Im Herbst wurde das Rad geputzt, eingeölt und im Keller oder auf dem Hausboden zur Überwinterung abgestellt. Bei Familie Diebler überwinterten die Fahrräder auf dem Dachboden. Ich bettelte meine Eltern, mir mein Rad vom Boden zu holen. Nach längerem Betteln gaben sie nach und holten mir mein Fahrrad.

Ich fuhr zum Treffpunkt und wir starteten in die Fahrradsaison.

Nach einigen Radrunden machte ein Junge den Vorschlag, mit dem Radfahren aufzuhören und lieber Verstecke zu spielen. Gesagt, getan. Los ging es! Das Gemeinschaftsgrundstück in der Bergmannssiedlung, auf dem wir uns befanden, war mit einem Holzzaun eingefriedet. Vor dem Zaun stand eine große Kiste, welche ungefähr bis zum oberen Zaunriegel reichte. Ich kletterte auf die Kiste und stellte den linken Fuß auf den Riegel zwischen zwei Zaunlatten, dabei verlor ich das Gleichgewicht und stürzte nach vorn. Mein linker Fuß steckte jedoch noch im Zaun. Der Zaun war stabil. Und ich hatte günstiger Weise noch hohe Schuhe an.

Ich schaute nach oben direkt auf meine Schuhspitzen. Freunde befreiten mich aus der misslichen Lage. Doch hatte ich höllische Schmerzen im Bein und konnte nicht auftreten. So setzten mich die Jungs auf mein Fahrrad und schoben mich nach Hause. Der linke Unterschenkel bewegte sich zwischen Knie und Knöchel hin und her. Der Kommentar der Freunde, „das ist nicht so schlimm, höchstens verstaucht“, sollte mich trösten. Zu Hause angekommen, sah mein Vater sofort, was passiert war. Beide Unterschenkelknochen, Schien- und Wadenbein waren gebrochen.

Jetzt war keine Zeit zu verlieren. Vater legte mich in seinen Wartburg-Kombi und fuhr in das St. Elisabeth-Krankenhaus nach Leipzig-Connewitz. In der Notaufnahme wurde das Bein stabilisiert und ich kam auf Station. Zuerst in ein Kindergitterbett, da ein größeres nicht frei war.

Am Sonnabend und dem darauffolgenden Sonntag passierte erst mal nichts. Am Montag sollte der Knochenbruch gerichtet werden. Dies bereitete sehr starke Schmerzen. Ich wurde daher in den OP geschoben und bekam eine Äthernarkose. Als ich aufwachte, war um mein Bett ein Eisengestell errichtet worden, durch die Ferse ging ein Nagel, das Bein war ca. 45 Grad nach oben geneigt. Ein Seil war an dem Nagel befestigt, dieses ging über eine Rolle und am Ende war ein Gewicht angebracht und zog so das Bein auseinander, ein sogenannter Streckverband. Ich konnte mich kaum bewegen, jede Bewegung verursachte starke Schmerzen. Die Röntgenkontrolle ein paar Tage später zeigte, dass die Knochen nicht richtig zueinander standen. Es folgten ein zweiter Versuch, dies zu richten, starke Schmerzen, ab in den OP, Äthernarkose … Nach dem Aufwachen, was nach Äthernarkosen unter starker Übelkeit und Erbrechen geschieht, sah ich mich in der gleichen Lage wie zuvor, im Streckverband.

Das nächste Röntgenbild ergab, dass die Knochen immer noch nicht zusammenpassten. In einer Operation sollten dann die Knochenenden richtig zusammengefügt werden. Ich erhielt diesmal eine Lachgasnarkose. Nach dem Aufwachen, diesmal ohne Übelkeit und Erbrechen, war mein linkes Bein vom Fuß bis ganz, ganz oben unter der Pobacke in Gips. In der Operation waren vier Schlingen aus Silberdraht um mein Schienbein gewickelt worden. Das Wadenbein war glatt gebrochen und benötigte somit diese Prozedur nicht.

Die letzte Operation hatte zwei Wochen nach dem Unfall und Einlieferung ins Krankenhaus stattgefunden.

Nun lag ich acht Wochen mit dem Gipsbein im Bett.

Das St. Elisabeth war ein katholisches Krankenhaus. Die Oberin der Station und ihre Stellvertreterin waren Ordensschwestern. Sie trugen eine bodenlange, schwarze Ordenstracht mit Haube, bei der nur das Gesicht zu sehen war.

Es herrschte ein strenges Regime. Vor der Visite wurden die Betten gerichtet, danach mussten wir still auf dem Rücken liegen und die Arme parallel zum Körper auf der Bettdecke ablegen.

Besuchszeiten waren mittwochs von 15 bis 16 Uhr und sonntags von 14 bis 16 Uhr. Bis zur Besuchszeit war das große Tor in der Biedermannstraße verschlossen. Punkt 14 Uhr wurde es geöffnet und die davor wartenden Angehörigen stürmten auf das Klinikgelände und ins Haus auf die einzelnen Stationen. Dabei konnten schon mal mehrere Minuten der wertvollen Besuchszeit vergangen sein.

Zum Ende der Besuchszeit ging die Oberin mit einem Gong von Zimmer zu Zimmer und forderte die Besucher strikt zum Gehen auf.

Ich lag auf der chirurgischen Männerstation in einem Kinderzimmer mit acht Betten. Brauchte man hier aber ein Bett, wurde ich in einem „Männerzimmer“ mit 16 Betten untergebracht. Vermutlich deshalb, da ich schon die längste Zeit im Krankenhaus lag.

Dort sah ich viel Leid, war aber auch Zeuge von derben Witzen. Eine Krankenschwester betrat einmal in ihrer Freizeitkleidung das Zimmer. Das Kleid besaß einen tiefen Rückenausschnitt, was einen Patienten spontan zu der Äußerung veranlasste: „Schwester, Sie haben Ihr Kleid verkehrt herum an.“

Nach acht Wochen im Krankenbett bekam ich einen sogenannten Gehgips. Der hieß so, weil am Fußende ein Metallbügel eingegipst war und so durfte ich zwei Wochen nach Hause. Nach zehn Wochen im Liegen konnte ich mich nun erstmals wieder mühsam fortbewegen.

Aber ich musste noch einmal ins Krankenhaus. Da sollte der Gips entfernt werden und ich wieder nach Hause gehen dürfen. Der Arzt nahm eine große Schere, um den Gips aufzuschneiden. Dieser war sehr hart geworden. Der Versuch misslang. Der Doktor bekam einen Wutanfall und sagte nur: „Ab, auf Station!“

So war ich schneller wieder im Krankenhaus, nichts mit Gips ab und nach Hause.

Am nächsten Tag legte man mich in eine Badewanne voll warmen Wassers und der Gipsverband löste sich. Zum Vorschein kam ein Bein, das in allen Farben schimmerte. Im Knie konnte ich es nicht beugen. Für die Entzündung gab es Salbe und für das steife Knie Krankengymnastik. Auf dem Bauch liegend beugte der Therapeut das Bein im Kniegelenk, was stark schmerzte.

In Woche 14 nach Einlieferung sollte ich dann endlich entlassen werden. Am Vortag der Entlassung löste sich ein Grind an der Operationsnarbe am Schienbein. Oh Schreck, ein Stück Silberschlinge schaute heraus! Nichts mit Entlassung. In einer weiteren Operation wurde die Schlinge entfernt. Diese Aktion verlängerte den Krankenhausaufenthalt um weitere zwei auf insgesamt 16 Wochen.

Inzwischen war es Mitte Juli und in den großen Ferien. 14 Wochen hatte ich die Schule nicht besucht. Meine Eltern vereinbarten mit der Klassenlehrerin, dass ich nicht nach Klasse 5 versetzt werde.

So besuchte ich ab dem 1. September 1963 nochmals die 4. Klasse. Der Lehrer Herr P., ein noch junger Mann, hatte die Klasse nicht im Griff, sondern die Klasse ihn. Mein Vater sah sich die Geschichte bis zum Halbjahreszeugnis vor den Winterferien 1964 an. Mit dem Schuldirektor Erich Pöschel war er per Du und so reichte eine kurze Bitte: „Erich, nimm meinen Jungen aus der 4 c.“ Und so geschah es, ab dem zweiten Halbjahr besuchte ich die 4 a bei Frau K.

Meine Oma Ida kenne ich nur als herzkranke Frau, man sagte: „Sie hat ein schwaches Herz von der vielen Arbeit.“ Das Laufen fiel ihr schwer, längere Strecken waren nicht möglich, da fiel es ihr leichter, mit dem Fahrrad zu fahren.

Als „Findelkind“ in schweren Verhältnissen bei Pflegeeltern aufgewachsen, hatte sie nur ein Ziel, im Leben etwas zu erreichen.

Aus diesem Grund wollte sie auch nur ein Kind bekommen und großziehen. Damals, in der vorwiegend kinderreichen Zeit, eine Seltenheit. Sie wusste, Kinder kosten Geld und schränken ihre Erwerbstätigkeit ein.

Oma Ida und mein Vater verstanden sich gut, Schwiegermutter und Schwiegersohn waren aus dem gleichen Holz geschnitzt, beide hatten große Not in der Kindheit und Jugend kennengelernt.

Mit starkem Willen, Ehrgeiz, Fleiß und der notwendigen Geschäftstüchtigkeit erarbeiteten sie sich einen bescheidenen Wohlstand.

Meine Großeltern kenne ich nur im Rentenalter. Oma Ida konnte wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit nur noch ihren Haushalt versorgen.

Opa Alwin hingegen arbeitete noch in der Tischlerei als Hofarbeiter. Dort sorgte er für Ordnung und Sauberkeit auf dem Holzlagerplatz und in der Werkstatt. Im seinem Wohnhaus, der Leinestraße 2, war er Hausmeister, kehrte Fußweg, Hof, Keller und Trockenboden und schob im Winter Schnee. Dafür bekam er von der Hausbesitzerin einen Mietnachlass, musste nur 20 statt 30 Mark monatlich zahlen.

In den 60er Jahren waren elektrische Waschmaschinen noch eine Seltenheit, die Wäsche wurde mit der Hand auf dem Waschbrett gewaschen. Die große Wäsche machten Oma Ida und meine Mutter für beide Haushalte zusammen in der Leinestraße. Sie dauerte drei Tage lang.

Der Ablauf war wie folgt: Zunächst gab es einen Eintrag im Kalender, der im Treppenhaus hing. Jeder Mieter schrieb dort ein, wann er waschen wollte und somit Waschhaus und Trockenplatz benötigte.

Am ersten Tag wurde die Wäsche mit Sil oder Gemol eingeweicht, so sollte sich der Schmutz schon lösen.

Am zweiten Tag spannte Opa Alwin die Wäscheleine auf dem Hof, diese musste sehr straff gespannt werden, damit die nasse, schwere Wäsche nicht durchhing. Danach heizte er den Waschhauskessel an.

Die Holzwannen wurden mit warmem Wasser aus dem Kessel gefüllt, da hinein kamen Waschpulver und die vorgeweichte Wäsche. Das Ganze wurde mit einem keulenähnlichen Gegenstand aus Holz mehrfach kräftig umgerührt. Je nach Wäscheart und Verschmutzung kam die Wäsche dann aufs Waschbrett, wurde gerubbelt, geknetet und aneinander gerieben. Nach dem Waschgang musste mehrfach und gründlich mit klarem Wasser gespült werden, bis keinerlei Waschmittelrückstände mehr vorhanden waren.

Nach dem Spülgang kam die Wringmaschine zum Einsatz. Zwei drehbare Zylinder standen mit kleinem Abstand übereinander. Mit einer Kurbel wurden die Zylinder gedreht und durch den Spalt die nasse Wäsche gezogen, so dass das Wasser herausgedrückt wurde. Die noch feuchten Wäschestücke kamen auf die Leine und wurden mit hölzernen Klammern befestigt.

Bei Regen konnte die Wäsche nicht auf dem Hof getrocknet werden, wenn möglich, wartete man noch einen Tag länger, d.h. nur, wenn an dem Tag dann kein anderer Mieter den Trockenplatz für sich beanspruchte. Anderenfalls musste die ganze Wäsche auf dem Trockenboden unter dem Dach trocknen. War die Wäsche trocken, kam sie zusammengelegt in den Wäschekorb.

Praktisch war: An Waschtagen gab es immer Nudeleintopf. Dieser wurde einen Tag vorher aus selbstgemachtem Nudelteig gekocht. So brauchte das Essen nur aufgewärmt werden.

An Tag drei ging es zur Wäscherolle, dort wurden Bettwäsche und Handtücher glatt gerollt.

Solche Rollen oder auch Wäschemangeln genannt, gab es viele in der Stadt.

In einem langgestreckten Bau auf dem Hof hinter den Häusern befand sie sich. Betrieben wurde sie von ihrer Besitzerin. Nicht, dass sie die Wäsche rollte, dies musste man selbst tun. Sie stellte die Rolle nur gegen Bezahlung zur Verfügung. Den Wäschekorb stellten wir auf einen Handwagen, den ich zusammen mit meiner Mutter zog. Ziel war die Wäscherolle in der Helenenstraße in Dölitz. Nach dem Rollen wurden die Wäschestücke in den Korb gelegt und mit dem Handwagen ging es wieder zurück.

Am Abend räumte Mutter die glatt gerollte Wäsche in den Wäscheschrank. Dort lag sie dann ordentlich auf Kante, der Stolz jeder Hausfrau.

Waschen am Waschbrett war schwere Arbeit. Mutter wünschte sich eine Waschmaschine. Bei ihrem Mann rannte sie dabei offene Türen ein. Ihre Mutter hingegen wollte davon gar nichts wissen. Mit so einer neumodischen Maschine wird die Wäsche nicht sauber, war ihre Meinung.

Es wurde trotzdem eine Waschmaschine gekauft, eine WM 66 und diese wurde bei uns in der Auenhainer Str. 21 im Waschhaus aufgestellt. Ab dieser Zeit wurde die Wäsche für beide Haushalte bei uns gewaschen und was soll ich sagen, die Wäsche wurde sauber und Oma hatte nie etwas anderes gesagt. Eingeweicht wurde am Vortag ebenfalls, auch wurde das heiße Wasser im Waschhauskessel bereitet und dann in die Waschmaschine gegossen, dies sparte Stromkosten.

Aber dann kam die Wäsche in die Maschine und nach dem Waschgang in die Wäscheschleuder und danach auf die Leine.

Eine große Arbeitserleichterung, auch mussten Waschhaus und Trockenplatz nicht mehr mit anderen Mietern geteilt werden.

Auf die Rolle ging es aber immer noch, nun in die Auenhainer Straße.

Oma Idas Herzkrankheit verschlechterte sich, 1964 erlitt sie einen Herzschlag. Meine Mutter rief die Hausärztin zum Hausbesuch. Doch die medizinischen Möglichkeiten waren damals noch sehr eingeschränkt. In der darauffolgenden Nacht war sie friedlich in ihrem Bett eingeschlafen.

Die anschließende Trauerfeier fand auf dem Leipziger Südfriedhof statt. Hinter einer Glasscheibe wurde sie aufgebahrt und so konnten die Familienangehörigen, Freunde und Bekannten Abschied nehmen. Auch ich habe dort meine Oma letztmalig gesehen.

Opa Alwin war nun Witwer, sehr traurig und konnte mit der Situation schwer umgehen.

Seine Wohnung reinigte er selbst und hielt Ordnung, diese praktischen Seiten des Lebens waren nicht das Problem, sondern die seelischen Schmerzen.

Er war schon immer, wie man damals sagte, schwermütig. Depressiv nennt man es heute. Er konnte den Tod seiner geliebten Frau nicht überwinden und wollte am liebsten auch sterben.

Zum Mittagessen kam er jeden Tag zu uns und meine Mutter wusch auch seine Wäsche.

Jeden Sonnabend wollte er Kartoffeln und Quark essen, es musste aber selbstgemachter Quark sein, so wie er es von seiner Frau gewohnt war. Montags holte er im Milchladen in einer 5-Liter-Kanne Milch. Diese wurde stehen gelassen, bis sie sauer wurde, dann kam die Masse in ein Stoffsäckchen, dieses wurde in der Küchenspüle am Wasserhahn befestigt. Das Wasser lief durch den Stoff in die Spüle und es verbreitete sich in der Küche ein säuerlicher Geruch. Am Sonnabend war aus der sauren Milch Quark geworden. Mit Pellkartoffeln ein feines Essen. Zum Schluss aßen wir meistens noch eine Pellkartoffel mit Butter und Salz.

Zum Sonntagsessen brachte er immer eine Flasche Weißwein mit. Diese versteckte er auf der Veranda und sagte dann: „Konrad geh mal raus, ich habe dort etwas versteckt.“ Dieses Ritual wiederholte sich jeden Sonntag.

Sein Lebensmut kehrte jedoch nicht zurück, er wollte sterben. Schon viele Jahre hatte er einen Leistenbruch, welcher von einem Bruchband gehalten wurden. Eine Operation war nicht angesagt, er aber wollte unbedingt operiert werden, dachte, in seinem Alter von 79 Jahren wacht er aus der Narkose nicht wieder auf. Meine Eltern und auch die Ärzte rieten von einer Operation ab. Er hat sich dennoch „unters Messer“ gelegt und die Operation gut überstanden.

Opa erschien immer pünktlich 12.00 Uhr bei uns zum Mittagessen. An einem Tag 1966 war dies nicht der Fall. Meine Mutter war beunruhigt, da musste doch was passiert sein. Meine Eltern fuhren in seine Wohnung, den Schlüssel hatten sie und konnten hinein. In der Küche und im Wohnzimmer fanden sie ihn nicht. Die Tür zur Schlafkammer war nicht ganz geschlossen, mein Vater wollte sie öffnen. Spürte aber einen Widerstand. Nachdem er sie mit Kraft aufgeschoben hatte, sah er das Unglück – Opa Alwin hatte sich an der Türklinke stranguliert.

Den Abschiedsbrief fanden sie auf dem Wohnzimmertisch. Die kriminalpolizeilichen Untersuchungen bestätigten den Freitod.

Im Leipziger Umland waren viele Braunkohletagebaue aktiv und es war klar, dass nach der Auskohlung tiefe Löcher in der Landschaft verbleiben würden. Der Abraum wurde wieder in den Tagebau verbracht, aber die Braunkohle war ja nicht mehr da. Diese Restlöcher sollten Seen werden.

Als Kinder konnten wir uns dies nur schwer vorstellen. Aber bereits Anfang der 70er Jahre wurde der Kulkwitzer Tagebau westlich von Leipzig geflutet und es entstand der gleichnamige See mit Badestrand, Campingplatz und einem Schiff, das auf dem Land stand und als Gaststätte diente.

Es folgten der Cospudener, der Markkleeberger, der Störmtaler und der Zwenkauer See. Das Leipziger Neuseenland war entstanden.

Im Chemieunterricht behandelten wir die Entstehung von saurem Regen aus Industrieabgasen und Regenwasser. Nördlich von Leipzig, in Bitterfeld und Wolfen, gab es viele Chemiebetriebe und diese emittierten ungereinigten Abgase. Der daraus entstandene saure Regen bedrohte die Waldgebiete der Dübener Heide. Die lapidare Aussage der Chemielehrerin war, dieser Wald würde in einigen Jahren nicht mehr vorhanden und die Dübener Heide gestorben sein.

Die Entwicklung der Chemieindustrie wurde über den Schutz der Natur gestellt. Obwohl ich als Schüler diese Aussage nicht in Frage stellte, war es mir doch unheimlich, dass ein ganzes Waldgebiet aufgegeben werden sollte.

Anfangs habe ich die Schulzeit nicht besonders ernst genommen, zwar immer meine Hausaufgaben erledigt, da war meine Mutter schon hinterher, aber darüber hinaus nur das Notwendigste getan. Es gab viele Dinge, die mehr Spaß machten als zu lernen.

Und da sich in den 60er Jahren die Freizeit größtenteils draußen abspielte, war eine Woche Stubenarrest wirklich eine Strafe. Im Sommer sind wir viel Fahrrad gefahren, haben Radrennen veranstaltet, waren auf Rollschuhen unterwegs und spielten Verstecken.

Im Frühsommer, so Mai, Juni wurde gemurmelt, wir nannten es „Kullerschieben“. Unsere Straße war damals noch mit Kopfsteinpflaster gepflastert. Einige Steine wurden herausgenommen und an die Seite gelegt, in die so entstandene Kuhle wurde „hinein gemurmelt“. Es gab Glaskugeln, „Glaser“ genannt und welche aus Ton, „Toner“ genannt. Toner hatten keinen Wert, nur Glaskugeln waren anerkannt. Das Ganze spielte sich mitten auf der Fahrbahn ab. Damals gab es nur wenige Autos und wenn eines kam, gingen wir zur Seite und ließen es durch. Zum Ende der „Kullerschiebzeit“ wurde der Pflasterstein wieder an seinen Platz gebracht und es war Schluss bis zum nächsten Jahr. Noch heute ist es mir ein Rätsel, wer Anfang und Ende der „Kullerschiebzeit“ bestimmte.

Auch im Winter, bei Eis und Schnee waren wir viel draußen. Es gab Winter mit viel Eis und Schnee und auch welche ohne. Auch gab es Zeiten mit tiefem Frost ohne Schnee. Da haben wir unseren kleinen Rodelberg mit herangeschleppten Eimern Wasser selbst vereist und konnten rodeln. In diesen Zeiten fuhren wir auf den zugefrorenen Teichen Schlittschuh und spielten Eishockey.

In unsere Nähe gab es vier Teiche, zwei in der Kleingartenanlage „Zur großen Eiche“ und zwei Teiche im Dorf Dösen an der Leinestraße. Auswahl hatten wir somit genug. Eishockey spielten wir mit einem umgedrehten Spazierstock und einem kleinen Gummiball, welcher sprang und hopste. Einen Puck hatten wir nicht. Schlittschuhe, welche fest mit den Stiefeln verbunden waren, gab es in unserer Kindheit noch nicht. Die Schlittschuhe befestigten wir an unseren Skistiefeln. Alle Kinder hatten Skistiefeln und auch einfache Holzskier. Mit diesen fuhren wir den Rodelberg hinunter oder über die Felder Langlauf. Wenn am Abend die Gasbeleuchtung angezündet wurde, war es Zeit nach Hause zu gehen. Durchgefroren betraten wir das warme Haus. Der festgefrorene Schnee an unseren Skihosen und -socken taute und hinterließ große Wasserpfützen.

Die Skistiefel trugen wir auch in der Schule. Die Eisenbeschläge an den Skistiefeln klapperten laut auf dem gefliesten Fußboden. Die hohen, guten Winterschuhe wurden geschont, waren für den Sonntag oder wenn man mit den Eltern außer Haus ging.

Wir besuchten in der DDR die zehnklassige, allgemeinbildende polytechnische Oberschule (POS). Schüler, welche nicht 10 Jahre die Schule besuchen konnten oder wollten, hatten die Möglichkeit, diese nach der 8. Klasse zu verlassen. In einer dreijährigen Lehrzeit erlernten sie dann einen Beruf, meistens in einem Handwerk.

Nach der 8. Klasse wechselten die Schüler mit den besten Zeugnissen an die Erweiterte Oberschule (EOS), mit dem Ziel, nach 4 Jahren das Abitur, auch Reifeprüfung genannt, abzulegen.

Gute Zensuren waren jedoch nur eine Voraussetzung, zur EOS zugelassen zu werden. Auch die Einstellung zum sozialistischen Staat wurde bewertet. Kinder aus Arbeiterhaushalten erhielten bevorzugt den Zugang zum Abitur und damit zur Hochschulreife.

Wir anderen lernten weiter an der POS, nach bestandener Abschlussprüfung in Klasse 10 schlossen wir diese mit der mittleren Reife ab. Dem schloss sich eine zweijährige Lehrzeit in einem Handwerks- oder anderem Facharbeiterberuf an.

Mein Halbjahreszeugnis in der achten Klasse war schlecht und so kam ein Wechsel an die EOS, sehr zum Ärger meines Vaters, nicht in Frage. Vier Jungen aus unserer Klasse gingen ab Klasse 9 an die Erweiterte Oberschule.

Mein schlechtes Zeugnis versetzte mir aber doch einen Schreck. Ich sagte mir selbst: „So kann es nicht weitergehen, da wird ja nie etwas aus mir.“

Ab dem zweiten Halbjahr der 8. Klasse bemühte ich mich und lernte mehr. Der Erfolg stellte sich ein und das Zeugnis zum Schuljahresabschluss war schon viel besser.

An unsere Lehrer aus dieser Zeit habe ich durchweg gute Erinnerungen. Sie bemühten sich mit Erfolg, uns viel beizubringen, was bei den meisten auf fruchtbaren Boden fiel.

Die Schule in der DDR hatte grundsätzlich zwei Bildungsaufträge. Zum einen, die Kinder und Jugendlichen zu bilden, im wahrsten Sinne des Wortes.

Naturwissenschaften, Mathematik, Deutsch und die Fremdsprachen sollten auf den Beruf oder ein Studium vorbereiten. Neben der allseitigen Bildung war dann noch die „Herausbildung sozialistischer Persönlichkeiten“ der zweite Auftrag. Die Fächer Geschichte, Literatur und vor allem Staatsbürgerkunde sowie die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation Ernst Thälmann und ab dem 14. Lebensjahr in der Jugendorganisation FDJ – Freie Deutsche Jugend – waren darauf zugeschnitten. Die Lehrpläne waren darauf ausgerichtet und die Lehrer dafür besonders ausgebildet. Nicht alle Lehrer waren SED-Genossen. Vorsichtig haben manche zu erkennen gegeben, dass sie eine andere Meinung vertraten.

An einen Satz unseres Staatsbürgerkundelehrers kann ich mich bis heute erinnern. Er sagte: „Die Kapitalisten muss man hassen.“ In der nächsten Unterrichtsstunde kam er auf das Thema zurück und sprach sinngemäß: „Ich habe darüber noch einmal nachgedacht und möchte nicht zum Hass erziehen. Ich selbst habe persönliche Gründe, die Kapitalisten zu hassen, möchte dies jedoch nicht auf euch übertragen.“ Die Kehrtwende seiner Aussage hat mich damals stark beeindruckt.

Der Eintritt in die Organisationen der Pioniere und FDJ war ein Automatismus. Es wurde nicht gefragt und nicht darüber diskutiert. Ich kann mich an keinen Schüler in meinem Umkreis erinnern, der nicht Pionier und FDJler geworden war. In den Klassen wurde ein sogenannter Gruppenrat bestehend aus Vorsitzendem, Stellvertreter und Wandzeitungsredakteur gewählt. In den ersten Schuljahren waren dies überwiegend Mädchen. An eine Besonderheit erinnere ich mich. In unserer Klasse wurden Mädchen in den Gruppenrat gewählt, welche gleichzeitig die Christenlehre besuchten, da sie aus einem christlichen Elternhaus kamen. So etwas war sonst nicht üblich.

Auch ein nebenher von Jugendweihe und Konfirmation war möglich und wurde praktiziert. Zuerst Jugendweihe und im darauffolgenden Jahr Konfirmation. Dem Staat war wichtig, dass alle Jugendlichen an der sozialistischen Jugendweihe teilnahmen. Dass im Folgejahr konfirmiert wurde, war ihm mehr oder weniger egal.

Anfang der 60er Jahre eroberte eine Band von Liverpool aus die Musikwelt – The Beatles.

Beatmusik benannte man nach ihnen die neue populäre Musik.

So im Alter von 13 Jahren begannen wir uns für Musik zu interessieren und verfolgten im Rundfunk den Aufstieg der Beatles, der Rolling Stones und der anderen Musikgruppen.

Beatles oder Stones? Die Antwort auf diese Frage teilte uns Jugendliche in zwei Fangruppen.

Mir selbst gefielen die Beatles besser.

Radiohören wurde unsere Leidenschaft, ununterbrochen ertönte aus den Lautsprechern Musik.

Lieblingssender waren Radio Luxemburg und der Deutschlandfunk. Ersteren empfingen wir tagsüber auf Kurzwelle und am Abend konnten wir ihn über Mittelwelle hören. Tonschwankungen und Störgeräusche gehörten leider dazu. Auf Mittelwelle konnten wir den Deutschlandfunk empfangen und dort die Hitparade verfolgen. Auf Radio Luxemburg wechselten im Stundentakt die Moderatoren. Einer von ihnen war Frank, erst Jahre später wurde er uns als Frank Elstner bekannt.

Zwei ganz besondere Sender waren der „Deutsche Soldatensender“ und der „Deutsche Freiheitssender 904“. Beide strahlten von der DDR gen Westen, spielten Westmusik und sollten die Soldaten der Bundeswehr bzw. die westdeutsche Bevölkerung ideologisch beeinflussen. Sie sendeten kein 24-Stunden-Programm, waren nur früh morgens, mittags und dann noch einmal am Abend zu empfangen.

Ich besaß zwei Radioapparate, ein Röhrenradio, welches ich von meinem Opa Alwin geerbt hatte und ein Kofferradio aus sowjetischer Produktion. Dieses gab es nicht im Handel zu kaufen. Sowjetische Soldaten brachten es aus ihrem Heimaturlaub mit nach Leipzig. Auf der Fahrt von ihrer Kaserne zur Abfalldeponie in der Leinestraße, hielten sie an der Tischler-PGH an und boten ihre Waren feil. Bei Männern waren Rasierapparate begehrt. In der Sowjetunion wurden diese den Philip-Shave-Rasierern aus Holland nachgebaut. Die Sowjets störten sich nicht an Patentrechten. Durch solche Verkäufe erlangten die Sowjetsoldaten DDR-Geld, mit dem sie sich wiederum etwas kaufen konnten, vermutlich stand Schnaps ganz oben auf der Wunschliste.

150 Mark hatte ich gespart und kaufte mir bei den „Russen“ mein Kofferradio „Alpinist“, es hatte Mittel- und Langwelle, leider keine Kurzwelle. Trotzdem war ich glücklich wie ein kleiner Prinz.

Ebenfalls 150 Mark kostete das kleine Transistor-Radio „Micky“, das nur Mittelwelle hatte, dagegen war mein „Alpinist“ ein wahrer „Riese“.

Mit unseren Kofferradios zogen wir um die Häuser, das Schönste war, mit der „Heule“ im Arm mit Freunden an der Ecke zu stehen und lautstark Musik zu hören.

Der Empfang von Westrundfunk und Westfernsehen war ein spezielles Problem in der DDR. Direkt verboten war es nicht, aber Mitglieder der SED und andere staatstreue Personen sollten und durften die Westsender nicht einschalten. Mein Vater war nicht nur SED-Genosse, sondern schon 1930 in die KPD eingetreten.

Die Tagesschau in der ARD ließ er sich jedoch nicht verbieten. Unsere Antenne auf dem Dach war gen Westen ausgerichtet. In Leipzig war der Empfang schlecht, die Stadt war zu weit von der Grenze zur BRD entfernt. Es bestanden zwei Möglichkeiten der Ausrichtung der Antennen, nach Süden zum Ochsenkopf empfing man den Bayerischen Rundfunk und nach Nordwesten Richtung Harz den Norddeutschen Rundfunk NDR. Wir konnten den NDR besser empfangen. Somit standen uns zwei Fernsehsender, das DDR-Fernsehen und die ARD, zur Verfügung.

„Ein Kessel Buntes“ aus Ost-Berlin und „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff aus Hamburg flimmerten über die Mattscheibe.

Nicht nur eine neue Musik hielt Einzug in unser Leben, auch eine neue Mode und vor allem ein neuer Haarschnitt. Die Beatles mit ihrer Pilzkopffrisur waren uns Vorbild. Alle Jungen wollten sich die Haare lang wachsen lassen und stießen dabei auf verbitterten Widerstand der Eltern und Lehrer.

Auch bei Familie Diebler gab es einen ständigen Kampf zwischen Mutter und Sohn. Lange Haare kamen gar nicht in Frage, ich wurde zum Friseur geschickt. Ich bat ihn, nicht zu viel abzuschneiden und erntete zu Hause dafür die Frage: „Warst du wirklich beim Friseur?“

Schüler, deren Eltern es „lockerer“ hielten und die sich eine „Matte“ stehen lassen durften, bekamen vom Lehrer eine Mark und wurden zum Friseur geschickt.

Auch in der DDR entstanden Musikgruppen, die Beatmusik nachspielten und sich dazu noch englischsprachige Namen zulegten. 1965 gab es einen Beschluss der Partei- und Staatsführung, der diese Musik und vor allem die Bandnamen verbot.

Aus Protest versammelten sich Jugendliche im Leipziger Stadtzentrum. Mit ihnen wurde kurzer Prozess gemacht, Volkspolizisten verfrachteten sie auf LKWs und fuhren sie weg. Als erstes wurden ihnen die Haare ganz kurz geschnitten und dann mussten sie zwei Wochen schwere Arbeit im Braunkohlentagebau verrichten. Danach kehrten sie in die Schule zurück. Einige Schüler unserer Schule, sie waren 3 bis 4 Jahre älter, gehörten auch dazu.

Zum Heranreifen von Kindern und Jugendlichen gehört auch etwas Geld, um sich Wünsche zu erfüllen.

Das elterliche Taschengeld löste nur teilweise dieses Problem. Ich bekam zuerst eine, später 2 Mark pro Woche, dann 10 Mark und zum Ende der Schulzeit 20 Mark monatlich.

Daneben gab es verschiedene Möglichkeiten, etwas zu verdienen. Zum einen Altstoffe sammeln und diese in eine Ankaufstelle, genannt „der Lumpenmann“ zu bringen. Wir sammelten Zeitungspapier und Pappen, Flaschen und Gläser aus dem eigenen Haushalt und von Nachbarn. Auch Metallschrott war begehrtes Sammelgut. Diese, Sekundärrohstoffe genannten Materialien, wurden gut vergütet, da die DDR-Wirtschaft interessiert war, die Stoffe dem Produktionskreislauf wieder zuzuführen.

Im Herbst sammelten wir Eicheln und Kastanien für die Wildfütterung. Auf dem AGRA-Gelände befanden sich Wildgatter mit Rehen, Hirschen und Wildschweinen. Dort gaben wir die gesammelten Eicheln und Kastanien gegen einen Obolus ab. In Jahren mit vielen Eicheln war dies sehr lohnenswert.

Manche Jungen gingen Kegel aufstellen. Die Kegelbahnen hatten damals noch keine automatische Einrichtung dafür und so mussten die Kegel „händig“ aufgestellt werden. Nach Stunden berechnet gab es dafür etwas Geld.

Ab der 8. Klasse war es offiziell möglich, in den Ferien in Betrieben zu arbeiten.

In der Tischler-PGH meines Vaters gab es vor den Leipziger Messen im Frühjahr und Herbst in den Messehäusern viel Arbeit. In den Jahren 1967 und 1968 habe ich in den Winterferien die ganzen 3 Wochen und 6 Wochen der Sommerferien im Petershof gearbeitet. Der Stundenlohn betrug 2 Mark, bei einer 40 Stundenwoche ergab dies 80 Mark. Mal 18 Wochen in den zwei Jahren ein Lohn von 1.440 Mark. Damit konnte ich mir im Jahr 1969 nach dem Erwerb des Mopedführerscheines ein neues Kleinkraftrad „Schwalbe“ vom selbst erarbeiteten und gesparten Geld kaufen.

Die „Schwalbe“ kostete neu 1.265 Mark, der Erwerb des Führerscheines 8,50 Mark und die Kfz-Steuer und Haftpflichtversicherung für das Moped pro Jahr ebenfalls 8,50 Mark. Da mussten wir unsere Eltern nicht wegen des Geldes ansprechen, das hatten wir selbst. Der Liter Benzin kostete 1,40 Mark, der Verbrauch lag so etwa bei 2,5 bis 3 Liter pro 100 km.

Meine Schwester Martina zog im Herbst 1968 von Leipzig nach Kölpinsee auf die Ostseeinsel Usedom. Dort konnte ich im Folgejahr und auch 1970 die drei Wochen Winterferien und die acht Wochen Sommerferien an der Ostsee verbringen. Im Februar war es sehr kalt und schneereich, die Ostsee zugefroren und man konnte über die Eisschollen klettern.

Die ortsansässigen Fischer hatten ihre Boote auf den Strand gezogen. Jeden Vormittag trafen sie sich am Strand, standen auch bei tiefsten Temperaturen und eiskaltem Seewind im Kreis und klönten. Im Winter hatten sie keine Arbeit. Die Erträge des Fischfanges im Sommer ließen sie aber ohne Probleme über diese arbeitslose Zeit kommen. Schließlich vermieteten ihre Frauen im Sommer jeden Raum an Sommergäste und erzielten dabei hohe Einnahmen. Ein Ostseeurlaub war sehr begehrt, die Leute zahlten viel Geld. Um im nächsten Jahr dann wieder eine Unterkunft zu bekommen, brachten die Gäste solche begehrliche Dinge wie Fliesen, Tiefkühlschränke, Lauschaer Glaswaren und erzgebirgische Holzschnitzereien mit.

Die Vermieter räumten sogar ihre eigenen Schlafzimmer frei, sie stellten Feldbetten in der Garage oder auf dem Dachboden auf. Auch, man möchte es nicht glauben, selbst Hühnerställe dienten, nachdem sie grob gereinigt wurden, als Unterkünfte für Urlauber.

Kein Leben wie jedes andere

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