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Exodus

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Nachdem sie das Schilfmeer durchquert hatten, und Pharaos Streitwagentruppe, von einer plötzlich einsetzenden Flut überrascht, verschlungen wurde, konnten die von Moses angeführten Menschen unbehelligt den Weg durch den Sinai nehmen. Da waren an den Grenzstationen keine ägyptischen Soldaten, keine Beamten mehr. Die hatten alle die unwirtliche Region verlassen. Keiner wollte in der Fremde sterben.

Die israelitischen Männer, die noch vor nicht allzu langer Zeit für den ägyptischen Staat Nilschlammziegel fertigen oder Dämme reparieren mussten, die als Wüstenpolizisten die Grenze zu bewachen hatten oder nur einfache Hirten waren, ließen es locker angehen. Mit ihren Frauen, Kindern und Herden zogen sie ungeordnet durch die für sie fremdartige Landschaft, die keinen Fehler verzieh, wollte man hier überleben.

Ihr Anführer Moses ärgerte sich sehr über den desolaten Zustand, mit dem seine Landsleute unbekümmert, immer weiter in die lebensfeindliche Welt des Sinai vorrückten. Daher rief er eines Abends die Oberhäupter der einzelnen Sippen zusammen, um ihnen Ratschläge zu erteilen, wie man den weiten Weg in das gelobte Land bewältigen könnte.

„Ich mache mir Sorgen darüber, dass es viele meiner Landsleute nicht schaffen werden, den weiten Weg, den wir noch vor uns haben, zu gehen“, eröffnete er ihnen. „Hunger, Durst und Kälte werden unsere ständigen Begleiter sein. Feindliche Stämme werden uns den Weg versperren und nach unserem Hab und Gut verlangen. Das Volk muss lernen zu kämpfen. Denn dort, wo es sich gut leben lässt, wird man uns nicht mit offenen Armen empfangen.“

„Lass ihnen doch ihre Unbekümmertheit, ihre Freude über die gewonnene Freiheit. Sieh doch, hier sind keine ägyptischen Beamten, keine Steuereintreiber. Niemand kommt, die Männer zur Fertigung der Nilschlammziegel zu holen. Da verlangst du, sie sollen lernen in Reih und Glied zu fechten? Die Kinder müssen sich vor keinem Krokodil und keinem Nilpferd fürchten. Was soll ihnen da schon geschehen?“ widersprachen ihm einige der Ältesten.

Moses ließ nicht locker. „Das versprochene Land wird euch nicht in den Schoß fallen. Ich sage es euch noch einmal, ihr werdet darum kämpfen müssen. Doch vielleicht müsst ihr euch schon zuvor wehren, wenn euch feindliche Stämme den Durchzug durch ihr Gebiet verweigern und eure Herden rauben wollen.“

Die Sippenchefs wurden bei diesen Vorhaltungen nachdenklich. Als sie gingen, bat Moses zwei hoch angesehene Männer, Jefunne und Nun, zu bleiben. „Ja Herr, hier stehen wir vor dir. Wie können wir dir zu Diensten sein?“, sagte Jefunne.

„Zuallererst, indem ihr die Anrede Herr weglasst. In meinen Adern fließt genauso das Blut der Stammväter Abraham, Isaak und Jakob. Meine leibliche Mutter war Jokebed, die Tochter Levis. Mein Vater Amram war ein Sohn Kehats. Mirjam ist meine Schwester und Aaron mein Bruder. Also nennt mich nur Moses, auch wenn das der Name ist, den mir meine Stiefmutter, die Königin Tian gegeben hat“, erklärte er ihnen.

„Aber du wurdest bei den Ägyptern aufgezogen, warst ein ägyptischer Prinz? Die Ägypter haben uns immer sehr bedrückt. Wir beide mussten sogar in ihrer Armee dienen, als du deren General warst. Du hast den Krieg gegen den Fürsten der Nordländer gewonnen“, erinnerte sich Nun.

„Du hast recht. Ich war ein ägyptischer Feldherr, der Stiefsohn des mächtigen Pharao Chaneferre Sobekhotep. Doch glaubt mir, die einfachen ägyptischen Leute sind nicht unsere Feinde. Es waren die Beamten der Pharaonen die unsere Leute zur Fronarbeit gerufen haben. Doch neben euch haben auch Ägypter, Nubier und Libyer geschuftet, und viele Vornehme waren frei von Vorurteilen. Meine Stiefmutter, die Königin Tian, war eine ganz liebe Frau. Sie hat nie schlecht oder hochmütig über unsere Landsleute geredet. Als kleiner Junge durfte ich mit den Kindern unseres Dorfes spielen. Damals wusste ich noch nicht, dass Aaron mein Bruder ist. Meine leibliche Mutter Jokebed war meine Amme. Sie hatte zur Königin ein inniges Verhältnis und wurde von ihr hochgeschätzt. Ihr habt als Fremde bei den Ägyptern gelebt und musstet ihnen gehorchen, so wie ein Diener seinem Herrn zu Diensten sein muss. Das ist nun vorbei, der Gott unserer Väter hat uns aus Ägypten geführt und wird uns in das gelobte Land bringen. Ihr habt gesehen, dass sich kein Pharao seinem Willen widersetzen kann. Es war der Wille Jahwes, dass ich bei den Ägyptern erzogen wurde. So habe ich alle die Fähigkeiten erlernt, die man braucht, um ein großes Volk zu führen, damit es in einer unwirtlichen Landschaft bestehen kann. An euch beide kann ich mich noch gut erinnern. Ihr wart dabei, als wir auf dem Golan im Krieg dem Fürsten der Nordländer gegenüber standen. Du Jefunne, du standest in der Vorhut, welche die Angreifer in die Falle gelockt hat und hast dich rechtzeitig vor deren Streitwagen in Sicherheit bringen können. Du Nun, du warst ein geschickter Speerkämpfer und hast am Ausgang des Hohlweges gefochten, um den eingekreisten Feinden den Durchbruch nach Kanaan zu verwehren“, sagte Moses.

„Wir haben damals nicht wahrgenommen, dass du uns beachtet hast. Du warst ja der hochmütige, unnahbare Feldherr, dem eine riesige Armee gehorchen musste“, warf Jefunne ein.

Moses antwortete ihm: „Ich bedauere es sehr, dass es euch so vorkam. Ihr könnt mir glauben, Hochmut war mir nie zu Eigen. Genauso wie ihr hatte ich Angst, die Armee könnte untergehen. Ich hatte schlaflose Nächte, habe gegrübelt, wie man so eine Streitmacht, deren Kampfwagen unbesiegbar schienen, bezwingen könnte. Seht mich genau an. Nicht nur ihr beide seid alt geworden, auch ich bin ein alter Mann. Meine Ausdauer hat nachgelassen. Ihr sollt mir dabei helfen, die vielen Menschen anzuführen. Wir wollen aus den ungeübten jungen Männern unseres Volkes eine schlagkräftige Truppe formen. Frühmorgens, bevor wir aufbrechen und abends, wenn wir ein neues Lager errichtet haben, sollen sie den Umgang mit den Waffen üben. Sie müssen lernen, in geschlossener Formation einem Feind standzuhalten. Sie sollen die Wachen stellen, wenn wir einen Lagerplatz errichtet haben. Bei Gefahr müssen sie das Widderhorn blasen. Ihr beide kennt euch in militärischer Disziplin gut aus. Jeder soll eine Einheit dirigieren. Euren Kommandos werden die Männer bereitwillig Folge leisten, während viele in mir noch den Ägypter sehen.“

Die beiden sahen sich an, bevor Nun einwarf: „Moses, dein Vertrauen ehrt uns, doch sieh, wir sind ebenfalls alte Männer. Du verlangst sehr viel von uns.“

„Macht euch keine Sorgen. Es muss einen Anfang geben. Ich denke, wir können bald jüngere Anführer aussuchen, die im Kampf dem Heerbann vorstehen werden. Wir wollen zu Beginn die Männer nach ihrer Ausrüstung aufstellen, zuvorderst die Speerkämpfer mit Schild, Dolch und Spieß. Danach die Bogenschützen, und die ganz jungen sollen den Umgang mit der Steinschleuder erlernen.“

Jefunne und Nun waren gute Ausbilder. Zunächst murrten die Männer noch, da ihnen Disziplin etwas ganz Ungewohntes war. Aber mit der Zeit fanden sie Spaß daran, den Umgang mit ihren Waffen zu üben. Moses beobachtete alles ganz genau. Ihm fielen zwei junge Männer auf, die sich durch besonderes taktisches Geschick auszeichneten. Er fand, diese beiden könnten die Anführer der Krieger werden. Moses beschloss sich darüber mit Nun und Jefunne abzustimmen. Er erklärte ihnen: „Ich bin mit dem, was ihr bewirkt habt, sehr zufrieden. Ihr habt aus den widerspenstigen Lümmeln eine gute Armee geformt. Ich glaube, dass ihr zwei zukünftig nicht mehr bei den Kämpfern sein müsst, wenn sie ihre Übungen ausführen. Mir sind zwei junge Männer aufgefallen, die ich für fähig erachte, unsere Streitmacht anführen zu können.“

„Dein Lob tut uns gut. Wer sind die beiden? Zeige sie uns, damit auch wir unser Urteil abgeben können“, forderte Jefunne Moses auf.

„Seht dort drüben! Das sind sie, die beiden, die vor den anderen Männern stehen und ihnen zeigen, wie man geschickt die Vorteile des Geländes ausnutzt. Ich kenne nicht ihre Namen. Vielleicht könnt ihr mir sagen, wie sie heißen und wer ihre Väter sind?“

Nun war erstaunt. „Der vordere ist Kaleb, der Sohn Jefunnes, und der andere ist mein Sohn. Ist es Zufall, dass du gerade die beiden ausgewählt hast?“

Moses schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht an Zufälle. Dann würden wir noch in Ägypten festsitzen, und ihr müsstet immer noch aus dem glitschigen Nilschlamm Ziegel formen. Geht, schickt die beiden Männer zu mir, noch bevor wir zum nächsten Tagesmarsch aufbrechen. Ich will sie fragen, ob sie es sich zutrauen, die Streitmacht unseres Volkes anzuführen.“

In Begleitung Nuns und Jefunnes kamen die beiden Krieger zu Moses, der ihnen ihre zukünftige Aufgabe nannte. Ganz ohne Bedenkzeit erklärten sie sich bereit, den Auftrag zu übernehmen. Moses war von ihrem forschen Auftreten und Ehrgeiz beeindruckt. „Dann soll es so sein. Du bist der Sohn Nuns, ach ich nenne dich Josua, und deinen Namen weiß ich schon, du bist Kaleb, dein Vater ist Jefunne. Die Sippenältesten sollen gleich erfahren, wer zukünftig unsere Krieger anführen wird. Ich denke ihr werdet viel Zustimmung erhalten, schon eurer Väter wegen, die hohes Ansehen genießen.“

Josua und Kaleb erfüllten alle in sie gesetzten Erwartungen. Die wehrfähigen Männer waren unter ihrer Führung sehr bald eine flexible und kampfstarke Truppe geworden. Die ortsansässigen Sippen des bevölkerungsarmen Sinai wagten es nicht mit den durchziehenden Stämmen Streit zu suchen, und die vermieden es ihrerseits, die Einheimischen zu Bedrängen. Man war darauf angewiesen, die immer knapper werdenden Lebensmittelvorräte durch Tauschhandel mit den ansässigen Clans aufzufrischen und kam so auch an wichtige Informationen, die für einen gefahrlosen Weitermarsch sehr nützlich waren.

Aber Moses war mit der erreichten Organisation der Stämme noch nicht zufrieden. Eines Abends rief er die Stammesältesten zu sich. „Wie wird die Geschichte unseres Volkes bewahrt und weitergegeben? Ich weiß, ihr kennt die Namen unserer Vorväter und alle ihre Taten. Von Generation zu Generation wurden sie an den Lagerfeuern weitererzählt, und an manche Ereignisse konnte man sich irgendwann nicht mehr so genau erinnern. Auch ihr erzählt die Geschichten euren Nachkommen, und die werden sie ihren Kindern weitergeben. Unser Volk wird bald im verheißenen Land ankommen. Die Stämme werden dann feste Regeln und Gesetze brauchen. Man wird Richter bestimmen müssen, um deren Einhaltung zu überwachen.“ Moses redete viel, doch die Herrschaften saßen desinteressiert am Lagerfeuer lachten und sprachen über ihre eigenen Themen. Moses hielt verärgert kurz inne, konnte aber seinen Zorn gut unterdrücken. Dann sagte er: „Ihr wundert euch nun sicherlich, weshalb ich euch das erzähle? Ich will euch sagen, was zu tun ist, denn eure Nachkommen werden bald ein starkes Volk sein. Die Taten der Vorväter müssen aufgezeichnet werden, genauso wie die Gesetzte, die uns der Gott, der euch führt, noch geben wird“, erklärte er den Honoratioren.

„Nur die Ägypter haben eine Schrift. Sie ist umständlich. Du bist der einzige, der sie beherrscht. Von uns versteht sie niemand“, warf Aaron ein.

Moses ließ den Einwand nicht gelten. „Ich erinnere mich, dass vor noch nicht allzu langer Zeit einige Jungen die einfache Schrift der Stämme des Sinai erlernt haben. Haben sie dieses Wissen nicht an die Jüngeren weitergegeben? Fragt nach den Männern, welche diese einfache Schrift beherrschen. Sie sollen ausgewählte Knaben und Mädchen unterrichten.“

Einige der ehemaligen Schüler hatten das Erlernte wieder vergessen, doch es fanden sich noch fünf Männer, die in der Lage waren, ihr Wissen weiterzugeben. Für die einfachen Hirten und Handwerker, die den Ägyptern dienen mussten, waren die neuen Pflichten zunächst fremd. Nicht alle verstanden, warum die jungen Männer militärische Disziplin üben sollten und Kinder zum Erlernen des Schreiberhandwerks ausgewählt wurden. Aber nur wenige murrten. Die Begeisterung und Zuversicht, bald frei in einem eigenen Land leben zu können, überwogen.

Eines Abends, nachdem die Stämme einen guten Platz zur Errichtung ihres Nachtlagers gefunden hatten, machten sich die wehrfähigen Männer wieder auf, um zu exerzieren und sich im Gebrauch ihrer Waffen zu üben. Josua und Kaleb führten jeweils eine Einheit an. Die einen waren mit Speer und Dolch ausgestattet, die anderen kamen mit Pfeil und Bogen daher. Die ganz jungen oder diejenigen welche keine hochwertigen Waffen besaßen, waren inzwischen geschickte Steinschleuderer geworden. An einem Felsvorsprung übten sie markante Ziele zu treffen. Plötzlich war ein lauter Schrei vernehmbar. Ein Geschoss war am harten Felsgestein abgeprallt und hatte eine Frau, die hier unvorsichtigerweise unterwegs war, um eine entlaufene Ziege einzufangen, am Kopf getroffen. Zunächst hatte niemand den Unfall bemerkt, doch die Schreie der Schwerverletzten waren nicht zu überhören. Einige der jungen Männer eilten zu dem Felsspalt, aus dem die Schreie kamen und fanden dort die Verletzte. Doch noch bevor sie mit der Frau das Lager erreichen konnten, war kein Leben mehr in ihr.

Alsbald hatte sich die Nachricht vom Tod der Frau herumgesprochen. Einige Frauen und Männer kamen daraufhin zusammen. Sie diskutierten lautstark und fanden, dass die militärischen Übungen der wehrfähigen Männer Schuld am Tod der Frau seien.

Bei den Unzufriedenen waren auch Leute, die Moses nahestanden, unter ihnen zwei Söhne seines Bruders Aaron, dessen Frau und selbst seine Schwester Mirjam. Sie verlangten, dass man die straffe Disziplin lockern solle. Doch die Nörgler fanden nur wenig Unterstützer, die ihnen am nächsten Morgen nachfolgten, um ihre Beschwerden Moses und den Stammesführern vorzutragen. Der Ehemann der Getöteten forderte, dass ihm der Schuldige am Tod seiner Frau eine Entschädigung zu zahlen habe.

Moses hörte sich die Einwände, die seinen Führungsstil infrage stellten, ruhig an. Das, was geschehen war, konnte er nicht rückgängig machen. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er grübelte, ob er noch weiter der Anführer seines Volkes sein konnte. Doch er kannte auch die vielen Gefahren, die überall im Verborgenen lauerten. Ihm war bewusst, das Land, das den Nachkommen der Patriarchen versprochen war, konnte nicht so einfach in Besitz genommen werden. Es musste erobert werden. Er bemühte sich ruhig zu erscheinen, als er den Beschwerdeführern antwortete: „Ich bin tief betrübt. Ein Mann hat durch einen tragischen Unfall die Frau verloren, die Kinder ihre Mutter. Ich wünschte, ich könnte das, was geschehen ist, rückgängig machen. Doch das kann ich nicht. Warum hat der Gott der Väter so etwas zugelassen? Er hat es mir nicht verraten.“ Er musste erst seine Tränen abwischen, bevor er weiter sprechen konnte. „Glaubt mir, ich hatte Zweifel, ob ich überhaupt noch der Richtige bin, der euch führen soll. Doch ich weiß auch, wie vollkommen das Land ist, das Jahwe den Urvätern versprochen hat? Ich weiß nicht, ob ich noch erleben darf, wie es unser Volk es in Besitz nehmen wird. Ich bitte euch, habt vertrauen, seid zuversichtlich. Es geht euch ein viel Stärkerer voran. Ich bin nur sein Werkzeug. Die Sühne für den Tod der Frau will ich von meinen Mitteln bezahlen. Niemand hat den tödlichen Stein absichtlich geschleudert. Wir wissen nicht, wer der Schütze war, und das ist auch gut, so muss sich niemand mit dieser Schuld quälen. Ich verstehe, dass meine Worte nicht jeden überzeugen können. Manch einer wird unzufrieden bleiben, doch wir dürfen niemals zulassen, dass sich unsere Ordnung auflöst.“

Die Ruhe schien wieder hergestellt. Fast alle sahen ein, dass Moses recht hatte, dass man auch weiterhin wachsam und gerüstet bleiben musste. Nur einer seiner Gegner blieb stur. Er versuchte seine Landsleute zu manipulieren und forderte sie sogar zur Umkehr nach Ägypten auf. Datan, so hieß der Aufrührer, sprach offen die Sippenältesten an: „Habt ihr nicht auch Zweifel, jemals das gelobte Land zu finden?

Wir haben Hunger. Nicht jeden Tag gibt es frisches Wasser. Bisher hatten wir nur Glück, dass wir nicht verdurstet sind. Ist es euch in Ägypten schlecht ergangen? Wir hatten unsere Herden, hatten immer Fleisch zu essen, und unsere Felder haben immer gute Ernten erbracht. Die Arbeit für Pharaos Bauten blieb auch erträglich. Seine Macht hat uns vor allen Feinden beschützt. Hier kann uns jeder fremde Kriegsherr überfallen, die Männer töten, Frauen und Kinder rauben. Ist es nicht auch ein Frevel, dass ihr die Gebeine Josefs aus seinem Grab gerissen habt, um sie irgendwo in der Fremde zu verscharren? Was hindert uns daran, zurück nach Ägypten zu gehen? Dort wird man uns wieder freudig aufnehmen. Moses und Aaron sind nicht besser als die ägyptischen Steuereintreiber. Erkennt ihr nicht, wie sich die beiden über euch erheben?“

Moses musste solchen Umtrieben entgegentreten und rief seine Landsleute zu einer Aussprache zusammen. Datan trug seine Vorwürfe erneut vor. Moses wartete die lebhafte Diskussion ab, bevor er sich äußerte: „Ich habe wohl erkannt, dass noch einige unter euch Zweifel haben, ob der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs sein Versprechen wahrmachen wird, und sein Volk in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, führen wird? Doch die Prüfungen, welche wir zu bestehen haben, gehören zu seinem Plan. Was glaubt ihr denn, woher die vielen Plagen kamen, die Ägypten so sehr geschlagen haben? Habt ihr nicht selbst erlebt, wie wir trockenen Fußes das Schilfmeer durchqueren konnten, während die ägyptische Streitmacht, die uns verfolgte, darin untergegangen ist. Ägypten liegt noch immer brach darnieder und ist nicht mehr das Land der reichen Fleischtöpfe. Unser Vorfahr Josef hat uns einstmals das Leben in Ägypten ermöglicht. Seinen Vater Jakob hat er aber im Land am Jordan begraben. Seinen Nachkommen hat er bestimmt, dass man ihn dort auch begraben soll. Es ist unsere Pflicht, seinen Befehl zu erfüllen. Datan, du hast in Ägypten freilich gut gelebt. Du vermisst deinen Reichtum, den du mit deiner Werkstatt erworben hast, in der für Pharaos Soldaten die Sandalen gefertigt wurden. Doch schon deine Handwerker haben wenig von der Bezahlung abbekommen, die dir dein Geschäft eingebracht hat. Warum also willst du das Volk zurück in die Knechtschaft führen? Letztendlich geht es dir doch nur darum, dort weiterhin gute Geschäfte zu tätigen“.

Datan schnappte nach Luft. „Alles Lügen!“, rief er. „Ich habe meinen Landsleuten Arbeit gegeben, damit sie ein gutes Leben führen konnten. Sieh dir doch diesen elenden Menschenhaufen an. Sie gehen in ihr Verderben. Das ist ein mickriges Volk. Ganz anders die mächtigen Babylonier und die stolzen Ägypter, die sind große Völker!“

„Da muss ich dir recht geben. Babylonier und Ägypter sind große Völker, mächtig und stolz. Unser Volk scheint da gering zu sein. Doch wir sind das erwählte Volk. Das erhebt uns über alle anderen Völker. Datan, deine Widerrede kann den Pakt, den Jahwe mit Abraham geschlossen hat nicht beenden“, erwiderte ihm Moses.

Der so gescholtene verhielt sich nun eine Weile unauffällig. Doch die Eintracht hielt nicht ewig an. Dieses Mal waren es Mirjam und Aarons Frau, die für Unruhe sorgten. Die beiden Frauen verlangten erneut die strengen Regeln, die den Israeliten während ihrer Wanderschaft auferlegt waren, zu lockern. Mirjam äußerte ihre Unzufriedenheit mit dem harten Führungsstil ihres Bruders öffentlich. Wenige Tage später überfiel sie ein starker Juckreiz, und rote Pusteln bedeckten ihren Körper. Moses rief die Stammesführer zusammen und redete zu ihnen: „Ihr wisst, Mirjam ist meine Schwester. Ich bin ihr sehr zugetan, denn sie hat auf mich achtgegeben, nachdem mich meine Mutter Jokebed im Schilfdickicht des Nil versteckt hatte. Der weise Jobab hat meiner Schwester sein Wissen weitergegeben. Bisher hat sie die Befehle des Gottes unserer Väter immer befolgt. Doch nun habt ihr erlebt, dass sie auch nur ein Mensch ist, so wie wir es alle sind, unvollkommen und manches Mal starrsinnig. Wir alle haben dem Befehl Jahwes Folge zu leisten. Ungehorsam und Widerspenstigkeit duldet er nicht. Mirjam hat sich falsch verhalten. Das, was ihr nun an ihr seht, ist die Strafe, welche über sie gekommen ist. Deshalb soll sie für sieben Tage aus unserem Lager verstoßen sein, und wenn sie danach nicht geheilt ist, muss sie auch noch weitere Tage fernbleiben.“

Die Ältesten waren mit so einer Entscheidung zufrieden. Alle Streitigkeiten waren vorerst beigelegt. Die tägliche Suche, ausreichend zu essen und zu trinken zu finden, bekam wieder oberste Priorität. Der Tross wanderte auf den Wegen weiter, die schon seit undenklichen Zeiten von Händlern und ägyptischen Expeditionstruppen genutzt wurden. Moses rief alle Führer der kampffähigen Männer zusammen, um ihnen für die nächste Wegstrecke Instruktionen zu geben. „Wir werden sehr bald zum Serabit el Chadim kommen. Das ist der Ort, zu dem die Pharaonen seit alters her Expeditionen schicken, um das wertvolle Kupfergestein abzubauen. Es kann sein, dass dort noch ägyptische Soldaten stationiert sind. Josua, bestimme einige Krieger, die als Beobachtertrupp vorangehen sollen, um auszukundschaften, ob Transporte mit dem wertvollen Gut oder ägyptische Patrouillen unterwegs sind. Es bleiben noch fünf Tage, dann werden wir die Kupferminen des Serabit el Chadim erreicht haben.“

„Wieso betreibst du diesen Aufwand? Sobald wir bei dem ägyptischen Stützpunkt angelangt sind, marschieren wir ein. Niemand wird uns daran hindern können“, warf Aaron ein.

„Ich ziehe es vor, die Überraschung auf meiner Seite zu haben. Ich will vermeiden, dass ein übereifriger ägyptischer Offizier eine Situation falsch einschätzt und womöglich glaubt, uns mit Gewalt aufhalten zu können“, erklärte ihm Moses.

Diese Argumentation überzeugte die Sippenältesten. Ihnen war ein gesundes Maß an Vorsicht allemal lieber als ein unbedachtes Losstürmen. Sie gaben Moses freie Hand, damit er seinen Plan zur unblutigen Einnahme des ägyptischen Stützpunktes umsetzen konnte. Josua und Kaleb wechselten sich täglich in der Führung des Spähtrupps ab. Dann trug Moses Josua auf: „Du wirst noch heute, bevor die Sonne am Höchsten steht, zu den Kupferminen kommen. Dann begib dich mit zwei Begleitern zum Kommandanten des Stützpunktes und bitte ihn, zu einem Treffen mit mir zu erscheinen. Lasse dich nicht provozieren, die ägyptischen Beamten sind hochnäsig und überheblich. Bleibe ganz ruhig, und wiederhole dein Verlangen. Hinter ihrem arroganten Getue verbergen sich meistens nur Angst und Unsicherheit.“

Es geschah, wie es Moses vermutet hatte. Der Ägypter blies sich vor den israelitischen Abgesandten auf, machte sich wichtig, betonte sein hohes Amt und forderte, die Stämme sollten einen großen Bogen um das Bergbaugebiet machen. Da Josua hartnäckig blieb, begleitete er ihn schließlich mit einem Zug Soldaten zum Rand der Siedlung, dem sich Moses an der Spitze der wehrfähigen Männer näherte. Als er einige Schritte vor dem ägyptischen Statthalter stehen blieb, rief dieser: „Wie könnt ihr es wagen diesen heiligen Ort der Hathor zu entweihen. Dieser Ort ist Eigentum seiner Majestät, dem Herrn der beiden Länder, des mächtigen Pharao Djedhotepre Dedumose, er lebe, sei heil und gesund. Ich stehe hier im Auftrag des Herrn der beiden Ufer des Nil, der die Kronen der beiden Länder trägt und verbiete euch diesen Ort zu betreten. Ich befehle dir, kehrt um! Pharao selbst hat mir den Auftrag gegeben, diesen Ort zu behüten. Seiner Weisung werde ich bis in den Tod Folge leisten.“

„Ich achte deinen hohen Rang und dein Pflichtbewusstsein. Jedoch erkenne ich aus deiner Drohung, dass du lange Zeit keine zuverlässigen Nachrichten aus Ägypten bekommen hast. So scheinst du noch nicht zu wissen, dass du vom Treueschwur, den du Pharao Dedumose geleistet hast, entbunden bist. Seine Majestät weilt nicht mehr unter den Lebenden. Auch seine beiden Söhne sind ihm in das Reich der Finsternis nachgefolgt. Ich weiß nicht, wer Ägypten nun regiert, ob es vielleicht im Delta und dem Niltal mehrere Männer gibt, die sich Pharao nennen oder ob sich die Gaufürsten untereinander raufen. Wir kommen nicht als Bittsteller. Versuchst du uns den Weg zu versperren, werden wir mit Gewalt kommen. Aus Ägypten wirst du keine Hilfe erhalten“, entgegnete ihm Moses.

„Ihr seid Räuber, gekommen um alle Diener der Majestät zu töten! Ich werde um mein Leben kämpfen, und mit mir wird die ganze Garnison fechten, also kehrt um!“, versuchte der Gouverneur hart zu erscheinen.

Moses sah die Furcht im Gesicht des Mannes. „Wir sind nicht eure Feinde. Du hast mein Wort, es wird dir und deinen Untergebenen kein Leid geschehen. Aber wir werden uns nehmen, was wir benötigen. Deine Garnison ist unterbesetzt. Ich habe erkannt, wie schlecht die Soldaten ausgebildet sind. Sieh hinter mir. Meine Krieger sind euch zahlenmäßig deutlich überlegen und sehr diszipliniert. Sie stehen tief gestaffelt. Wir werden nehmen, wonach uns verlangt, Ausrüstung und Nahrung. Denke auch an die Frauen, Kinder und Männer, die dir anvertraut sind. Ihr dürft alle zurück nach Ägypten gehen. Euer persönliches Eigentum soll unangetastet bleiben. Ich weiß auch, wie sehr du dich davor fürchtest in der Fremde zu sterben.“

„Was soll dein Gerede? Es ist egal, ob ihr uns mordet, oder ob wir ohne Nahrung auf dem Weg nach Ägypten verhungern müssen!“, rief der Oberst.

„Ich habe dir bereits zugesichert, es wird keinem deiner Untergebenen ein Leid zugefügt werden. Wir sind keine Feinde. Ich habe Achtung vor der schweren Arbeit, die ihr hier verrichtet. Wir werden euch für zehn Tage Verpflegung lassen, wenn ihr den Landweg nehmen müsst. Der Schiffsverkehr wurde sicherlich schon eingestellt. Niemand soll auf dem Weg nach Ägypten verhungern. Nun liegt es an dir, du kannst mir vertrauen. Entscheide mit Verstand, was dir besser erscheint, die Rückkehr nach Ägypten oder ein sinnloser Tod in der Fremde“, sagte Moses.

Der Kommandant stand verunsichert vor seinen Untergebenen. Man sah ihm an, dass er auf einen Ratschlag aus ihrer Mitte wartete. Doch die standen reglos, wandten verängstigt den Blick von ihrem Herrn ab. Nur ein älterer Unteroffizier trat zu ihm heran. „Herr, du stehst vor Prinz Moses, dem Sohn des guten Gottes Chaneferre Sobekhotep. Moses war einstmals der Heerführer der ägyptischen Armee. Ich bin stolz, unter ihm gedient zu haben. Jede Schlacht haben wir siegreich gewonnen. Ich weiß, du kannst seinem Wort vertrauen, wenn er dir verspricht, dass wir Verpflegung für zehn Tage behalten dürfen. Aber sei dir auch bewusst, du kannst keiner von ihm angeführten Streitmacht widerstehen. Darum tue, was er von dir fordert“, riet ihm der Mann.

Für den Gouverneur war so eine neue Situation entstanden. Er vollzog eine Kehrtwende und verneigte sich tief vor Moses. „Edler Prinz, ich habe dich nicht erkannt. Hier steht dein ergebenster Diener vor dir. Dein freundliches Angebot ehrt mich. Ich bin froh, dir zu Diensten sein zu dürfen.“

Moses entgegnete ihm: „Ich bin nicht mehr der Prinz Ägyptens, der ich einstmals war, und du bist nicht mein Diener. Ich respektiere dich als verantwortungsvollen Offizier, du hast dich gegen Blutvergießen entschieden. Meine Krieger haben Befehl, nicht bei den einfachen Leuten zu plündern. Aber wir werden in die Magazine gehen und nehmen die Dinge, die uns von Nutzen sind, auch Waffen und Werkzeuge. Und schon morgen werden wir diese Gegend verlassen.“

Moses rief Kaleb, Josua, Mirjam und noch weitere der angesehensten Frauen und Männer zu sich. Sie sollten die Beschlagnahme der Lebensmittelvorräte und Ausrüstung des ägyptischen Stützpunktes überwachen und Ausschreitungen unterbinden, denn er wusste nur zu gut, dass seine Landsleute nicht über die Disziplin einer ägyptischen Armee verfügten. Die Älteren schickte er weiter, einen sicheren Lagerplatz zu errichten.

Die von Josua und Kaleb angeführten Gruppen begannen alsbald damit die Magazine des Stützpunktes auszuräumen. Moses hatte sich im Schatten des Hathortempels an eine Säule gelehnt. In den Händen hielt er seinen knorrigen Stab. Jefunne, Nun und Mirjam kamen hinzu. „Ich bin sehr erstaunt, wie diszipliniert unsere Krieger sind. Es hat keine Zwischenfälle gegeben. Wir haben alle Dinge gefunden, die wir benötigen und können uns mit alledem zurück in unser festes Lager begeben. Ja, wir wollen zufrieden sein. Seht nur, die vielen Schätze des Tempels, das Korn aus den Vorratshäusern und auch die Waffen aus den Arsenalen. Das alles hat uns der Gott unserer Väter in die Hände gegeben“, sagte Nun.

Moses und Nun gingen voraus. Die israelitischen Männer folgten ihnen mit dem Beutegut nach. Mirjam und Jefunne hatten es nicht so eilig und blieben noch. Der alte Unteroffizier aus der Gefolgschaft des ägyptischen Gouverneurs kam zu Jefunne. „Erkennst du mich? Wir haben damals in der gleichen Kompanie gekämpft, als es gegen den Fürsten der Nordländer ging. Am Hohlweg vor der Lichtung haben wir einen Streitwagen erobert. Du hast mich damals vor großem Ungemach bewahrt, als ich an einem Gespann festhing. Mit deiner Streitaxt hast du den Riemen durchtrennt, in dem sich mein Fuß verfangen hatte. Wir waren gute Kameraden, Ägypter, Kanaanäer und Nubier. In Ägypten wurden wir als Helden gefeiert, und unser gerechter Feldherr hat uns gegen den Rat seiner Generäle aus der Kriegskasse reich beschenkt. Danach bin ich in der Armee geblieben, und obwohl ich weder lesen noch schreiben kann, Unteroffizier geworden. Wir wollen Freunde bleiben, wie wir es damals waren.“

„Ich erkenne dich Kamerad. Du warst mir ein guter Freund. Unsere Wege trennen sich hier endgültig. Ich wünsche dir eine glückliche Rückkehr nach Ägypten. Ich gehe schon morgen mit meinem Volk weiter. Moses wird uns alle in das Land führen, das den Nachkommen der Vorväter versprochen ist“, und die Kriegskameraden umarmten sich zum Abschied.

Mirjam wollte das Gespräch der beiden älteren Herren nicht stören und schlenderte langsam voraus. Vor einem Gebäude, aus dem das Jammern einer Frau zu vernehmen war, hielt sie inne. „Bitte lass mir das Gewand! Auf dem Marsch nach Ägypten kann es während der Rast in der Nacht sehr kalt sein. Mein Neugeborenes wird erfrieren, wenn du mir die wärmende Decke nimmst!“

„Das ist nicht deine Decke. Sie lag hier in dem Schuppen des Tempels. Geh weg, und suche dir für dein Kind einen neuen Flicken. Ich behalte den Umhang!“ ließ sich ein Krieger nicht erweichen.

Mirjam ging in das Gebäude. Sie wollte schauen, was sich da zutrug. Der Krieger, der den Umhang in seinen Händen hielt, verneigte sich vor ihr. Die junge Ägypterin blickte verängstigt auf den Boden. Ihr schreiendes Kind hielt sie in ihren Armen.

„Du musst dich nicht fürchten. Wir sind keine Mörder und Räuber. Moses und die Ältesten haben dem ägyptischen Gouverneur versprochen, dass hier niemandem sein Eigentum genommen wird. Ich hoffe, mein Verwandter wird dir die Decke überlassen“, sagte Mirjam.

„Ich achte dich hoch Prophetin. Ich bin nicht von deinem Stamm, ich bin Benjaminit. Aber diesen Umhang werde ich der Ägypterin nicht überlassen, schon als Ersatz für meinen linken Zeigefinger, den ich verloren habe, als mich ein Schreiber des Wesirs zum Frondienst holte. Beim Entladen eines Transportkahns wurde durch das Gewicht der steinernen Sphinx meine Hand gequetscht. Ich hatte viele Tage Schmerzen. Nur mit der Unterstützung meiner Brüder konnte meine Familie die schlimme Zeit überstehen. Nein, nun sind wir die Stärkeren, und ich behalte dieses Stück Stoff als Wiedergutmachung“, erklärte ihr der Mann.

Mirjam schüttelte den Kopf. „Es war nicht die einfache ägyptische Magd, welche dich zur Arbeit rief. Du musst dem Wesir Pharaos zürnen. Neben unseren Leuten mussten auch die ägyptischen Bauern und Handwerker Frondienste leisten. Hier kannst du Barmherzigkeit zeigen.“

Doch der verbitterte Benjaminit ließ sich nicht umstimmen. Unbeeindruckt von dem Schreien des frierenden Säuglings verließ er mit dem Kleidungsstück das Gebäude.

Mirjam nahm ihr Gewand und gab es der jungen Mutter. „Dein Kind soll in den kalten Nächten nicht erfrieren. Der Stoff ist schmucklos, aber er wärmt gut. Ich wünsche dir viel Glück.“ Sie ging und beeilte sich zur Lagerstatt ihres Volkes zu gelangen. Alle anderen waren bereits gegangen.

Moses hatte doppelte Wachen vor dem Lager aufstellen lassen. Er wollte vermeiden, dass die Ägypter Mut fänden, sich das Beutegut zurückzuholen, oder dass einige seiner Landsleute nochmals zum Plündern aufbrechen würden. Weil er unruhig schlief, stand er am nächsten Morgen sehr früh auf und trat vor sein Zelt. Kurze Zeit später kamen auch Jefunne und Aaron auf den freien Platz.

„Seht, der neue Tag bricht an, als will er uns beglückwünschen. Ja, gestern war ein erfolgreicher Tag, das Volk hat seine Stärke erkannt, und alle sind zufrieden“, sprach Aaron zu den beiden.

„Lobet den Tag nicht vor dem Abend. Schaut dort drüben. Da sehe ich Datan und seine Unterstützer. Sie waren sehr lange ruhig. Ganz sicher kommen sie nicht, um dich zu der unblutigen Einnahme des ägyptischen Lagers zu beglückwünschen“, sagte Jefunne zu Moses.

Und er behielt recht. „Ich grüße euch. Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen. Gestern haben wir einen leichten Sieg errungen. Er hätte noch höher ausfallen können, wenn wir alle Ägypter getötet hätten. Du hast doch gesehen, wie elendiglich sie da vor uns kuschten. Die jahrelange Schmach, die sie unserem Volk zugefügt haben, gibt uns das Recht, sie alle zu erschlagen. Kommt, lasst uns zurückgehen und unseren Sieg vollenden. Danach wollen wir umkehren und Ägypten erobern. Da gibt es keinen starken Pharao mehr. Niemand verfügt dort über die Macht uns aufzuhalten. Warum sollen wir heute so früh den Weg durch das fremde Gebirge antreten? Treibe an diesem frühen Morgen das Volk nicht an. Sieh es doch ein, wir müssen umkehren. Mirjam ist bei den Schriftkundigen und diktiert ihnen die Taten der Vorfahren. Was gestern geschehen ist, wird nicht in Vergessenheit geraten. Ich sage dir, Ägypten ist das Land, welches Abraham versprochen wurde!“, wandte sich Datan an Moses.

Der war bestürzt. Er konnte nur schwer seinen Zorn unterdrücken, hielt seinen Stab fest umklammert. Er schüttelte den Kopf, aber ihm fehlten die Worte. Statt seiner antwortete Jefunne: „Dein Anliegen ist unehrlich. Dich leitet die Gier nach Reichtümern. Hast du in Ägypten nicht ein prächtiges Haus mit vielen Bediensteten in Auaris bewohnt? Deine Tochter hat einen Schreiber des Gaufürsten geheiratet. Du hast dem Tempel Figuren der Isis und des Horus gestiftet und damit den Gott deiner Väter beleidigt. Nun forderst du, man soll deine ehemaligen Geschäftspartner erschlagen. Wo bleibt dein Anstand?“

Datan blieb uneinsichtig. „Was kümmert mich die Vergangenheit. In Ägypten sind die Fleischtöpfe gut gefüllt. Es gibt Wein und Bier zu trinken. Schaut euch diese trostlose Gegend an. Hier haben wir nur bitteres Wasser, und die mickrigen Wachteln wollen sich nicht fangen lassen. Ich sage euch noch einmal, kehrt um und werdet die neuen Herren am Nil!“

„Und ich sage dir, wir werden nicht umkehren. Wenn du willst, kannst du mit deinen Freunden zurück nach Ägypten gehen. Das Wasser mag hier bitter sein, die Speisen fallen oft dürftig aus, aber niemand wird Hungers sterben. Vielleicht sind es nicht wir, die das Land, in dem Milch und Honig fließen, betreten werden. Doch unser harter Weg durch unwirtliche Gegenden und die bevorstehenden Kämpfe gegen fremde Stämme werden die nächste Generation stark machen. Ägypten mag derzeit verwüstet sein, und es gibt dort keinen mächtigen Pharao. Libyer, Nubier und Völker von weit her, aus Syrien, werden sich um das Land am Nil raufen. Wir wären dort fehl am Platz, müssten einen hohen Blutzoll entrichten, und gewiss werden sich die Ägypter irgendwann wieder erholt haben und die Oberhand zurückgewinnen. Habt Mut, euch geht ein Stärkerer voran. Was zaudert ihr noch, lasst uns weitergehen“, sprach Moses und die hinzugekommenen Stammesältesten stimmten ihm bei.

Datan versuchte sie zu verunsichern. „Glaubt ihr wirklich, Moses ist der rechte Anführer, auf den ihr euch verlassen könnt? Nein, er wird euch wieder im Stich lassen, wenn ihm seine persönlichen Belange wichtiger werden. Er ist jähzornig und feige! Erinnert euch daran, wie er seine Familie verlassen hat und ist aus Ägypten geflohen, nachdem er einen Diener Pharaos erschlagen hatte!“

„Du hast recht Datan. Ich war feige, als ich damals wegging. Für so viel Feigheit musste ich all meinen Mut aufbringen“, erwiderte Moses, und die Umstehenden lachten.

Zähneknirschend wandte sich Datan ab. Seine wenigen Unterstützer folgten ihm nach. Gut versorgt mit den frischen Vorräten, war die Stimmung der aus Ägypten geflüchteten wieder gestiegen. Mit den im Arsenal des Serabit el Chadim gefundenen Waffen waren die wehrfähigen jungen Männer nun eine schlagkräftige Truppe geworden.

Die Hure von Armageddon

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