Читать книгу Irgendwann sehen wir uns wieder - Kristin Pluskota - Страница 7
5.
ОглавлениеMein Vater reiste mit mir von Stadt zu Stadt. Er hielt es für das Beste, sich nicht lange an einem Ort aufzuhalten. Er dachte, so würden uns die obersten Wächter nicht finden. Ich war froh, dass ich ihn hatte, deshalb war mir selbst das Reisen egal. Mein Vater zeigte mir so wunderschöne Orte. Ich stand vor den größten Wasserfällen, war auf den höchsten Bergen und tauchte in den schönsten Meeren. Ich ging nicht zur Schule, mein Vater brachte mir alles bei. Er war ein strenger Lehrer, aber ich liebte den Geschichtsunterricht, wir haben zum Beispiel nicht nur über die Chinesische Mauer gelesen, wir waren sogar da. Ich starrte meinen Vater mal wieder an, als er mir etwas vorlas. Ich musste an die Erzählungen meiner Mutter über ihn denken. Sie konnte ihn so gut nachmachen, wie er seine Brille immer wieder hochschiebt oder wie er sich nach zwei Sätzen räuspert. Aber auch, dass er auf alles eine Antwort wusste. Mein Vater zu einem Termin nie zu spät kam, eher war er eine halbe Stunde zu früh da. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen und manchmal vergaß ich sogar, dass ich ein Schutzengel bin. Wenn ich nachts wach wurde, wickelte er mich in meine Bettdecke ein und setzte mich auf einen Stuhl in die Küche. Kochte einen Kakao und erzählte mir Geschichten über meine Mutter. Sie fehlte uns sehr. Wenn mein Vater von ihr sprach, leuchteten seine Augen. Ich dachte viel über meine Mutter nach, ob es ihr gut ging oder wo sie gerade war. Mein Vater sagte mir, ich bräuchte keine Angst haben. Sie konnte schon immer gut auf sich allein aufpassen. Irgendwann wird sie vor der Tür stehen und dann sind wir alle wieder vereint. Ich sehnte mich nach ihren Umarmungen und ihrem Lachen. Wenn ich traurig war und sie vermisste, stellte mein Vater mich vor einem Spiegel. Er sagte dann immer, wenn du lange genug hineinschaust, wirst du sie sehen. Er hatte Recht, ihr Gesicht tauchte vor mir auf, dann konnte ich sie sogar spüren und ich wusste sie war am Leben. Mein Vater brachte mich oft zum Lachen, denn mein Lachen erinnerte ihn an meine Mutter und meine Nase. Ich war sehr froh, dass ich nicht seine Nase geerbt hatte. Ich hätte meine Fähigkeiten einem anderen Schutzengel übertragen können, um sterblich zu werden. Damit ich meinen Vater nie wieder verlassen müsste und wir in irgendeiner Stadt ein zu Hause finden würden. Doch dann würde ich meine Mutter, meinen Opa oder meine Freunde in Marlos nie wieder sehen. Vielleicht hätte ich mich jetzt anders entschieden. Als wir uns wieder auf den Weg in die nächste Stadt machen wollten, bekam mein Vater eine Nachricht. Sie stammte von meinem Opa. Ich war froh von ihm zu hören, doch es war eine traurige Nachricht.
Die obersten Wächter wussten von mir, ich sei bei meinem Vater nicht mehr sicher. Er sollte mich zu Freunden meiner Mutter bringen, die könnten mich besser beschützen und verstecken. Es viel meinem Vater schwer mich gehen zu lassen, hatten wir uns doch erst kennen gelernt. Auch ich wollte ihn nicht verlassen, doch es blieb mir nichts anderes übrig. Die Wächter würden meinen Vater nicht verschonen. Er weiß zu viel über Schutzengel und die andere Welt. Immer wieder musste ich mich von geliebten Menschen verabschieden. Wann hatte das ein Ende? Wir wollten noch einmal mit meinem Opa reden, vielleicht hätte man eine andere Lösung finden können. Doch wir konnten ihn nicht erreichen. Wir hatten nur diese eine Nachricht und wir mussten sie befolgen. Wir waren in großer Gefahr. Mein Vater brachte mich zu Maggie und John, zwei Wächtern, die auf der Erde leben. Maggie war meiner Mutter zugeteilt. Sie brachte Ariel damals zu meinem Vater auf die Erde. Schutzengel und Wächter haben eine enge Verbindung. Meine Mutter hatte Maggie von den Gefühlen zu meinem Vater erzählt. Auch sie war gegen diese Bindung, aber Maggie hätte meine Mutter nie gemeldet. John ist mit Maggie verheiratet, auch er kannte meine Mutter. Die Verbindung zu den Beiden brach, als Ariel mit mir schwanger wurde und zurück nach Marlos musste. Mein Opa, Palu hatte Maggie und John nichts von der Schwangerschaft erzählt. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen. Denn jeder Mitwissende würde vom Rat hart bestraft werden. Doch nun blieb ihm nichts anderes übrig, als die Beiden um Hilfe zu bitten. Denn mein Opa hoffte, dass ich bei ihnen in Sicherheit war. Maggie und John hatten die Fähigkeit, Erinnerungen an meine Kindheit in Marlos und das Leben auf der Erde aus meinem Kopf zu löschen. Das sollte uns alle retten. Als ich bei meinem Vater lebte, setzte ich zwar nicht meine Fähigkeiten ein, trotzdem fanden die obersten Wächter heraus, wo ich mich aufhielt. Nicht nur die Erinnerungen an meine Mutter, meinen Vater oder meinen Opa verschwanden, auch meine Fähigkeiten. Maggie und John wussten nicht wie lange, doch es würde reichen um die Wächter zu täuschen.