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Weltentstehungsmythen
ОглавлениеRund um die Welt finden wir Weltentstehungsmythen, die bei aller Verschiedenartigkeit doch erstaunliche gemeinsame Muster aufweisen. In ihnen ist oft von einem Gott oder mehreren Göttern die Rede. Es geht bei ihnen um die Erschaffung der Welt ebenso wie um die Erschaffung des Menschen, um den primordialen Zustand und die Trennung von Himmel und Erde sowie von Wasser und festem Land. Viele Mythen handeln auch vom paradiesischen Urzustand und der Vertreibung aus dem Paradies. Es geht um die Auflehnung gegen Gott, um Leben und Tod, um Väter und Mütter, Söhne und Töchter.
In zahlreichen Kulturen spielt bei der Kosmogenese, der Weltentstehung, das Ei eine wichtige Rolle. Neben dem Chaos, der Urflut, der Finsternis, dem Meerungeheuer oder dem Urriesen ist vor allem das kosmische Ei ein häufig anzutreffendes mythologisches Bild, mit dessen Hilfe der Urzustand unmittelbar vor der Erschaffung der Welt beschrieben wird. Das Ei steht für das anfängliche Ganze, für die ursprüngliche Totalität des vorschöpferischen Seins (oder: Nichtseins). Nach einem japanischen Mythos beispielsweise gab es am Anfang ein Ei, in dessen Mitte sich ein Keim befand. In diesem Ei gab es weder Himmel und Erde noch Mann und Frau. Der Keim veranlasste nun die Trennung von Himmel und Erde und damit auch das Entstehen von Mann und Frau.2 Diese Vorstellung von einem kosmischen Ei, in dem Himmel und Erde in einer anfänglichen Einheit miteinander verschmolzen sind, findet sich auch in den Mythologien Chinas, Indiens, Indonesiens, Polynesiens und Afrikas, ja rund um die Welt.
Wir können bei den Weltentstehungsmythen folgende häufig wiederkehrende Phasen mit ihren jeweiligen Motiven erkennen: Zunächst also das kosmische Ei, das Chaos, die Urflut oder die primordiale Finsternis, also die Urtotalität. Dieses anfängliche amorphe Ganze wird zuweilen auch als Seeungeheuer oder vielköpfige Schlange dargestellt, aus dessen Zerstückelung die sich neu ordnende Welt dann hervorgeht. In dieser Urtotalität ist noch alles vermischt und einheitlich, während erst der Schöpfungsvorgang die Differenziertheit der entstehenden Welt hervorbringt.
In einer zweiten Phase ergibt sich in den Weltentstehungsmythen dann zumeist eine Teilung: eine Teilung von Himmel und Erde, manchmal auch – wie im biblischen Schöpfungsbericht – eine Scheidung der oberen Wasser von den unteren Wassern. Diese Trennung kann durch einen aufgerichteten Keim, einen Baum, ein Seil, einen Phallus, einen Gott oder einen Menschen verursacht werden. Es kann sich auch eine Insel oder eine Lotusblüte aus dem Wasser erheben. In einem taoistischen Schöpfungsmythos beispielsweise herrschte zunächst eine Finsternis ohne jegliche Gestalt. Himmel und Erde waren eins, ebenso Sonne und Mond. Es heißt, dass zu jenem Zeitpunkt alles einem Hühnerei glich, in dem Dotter und Eiklar (Albumen) miteinander vermischt waren. In der Mitte wuchs ein Keimling solange heran, bis er das Ei, dem er dann entschlüpfte, selbst in Händen halten konnte.
Als weitere Komponente der Weltentstehung kennen die Mythen das Paradies-Motiv (die heile Welt) sowie die Vertreibung aus demselben durch einen Sündenfall oder eine anders geartete Auflehnung. Der paradiesische Zustand geht verloren und bleibt in der Folge nur als Erinnerung zurück.
Psychologen, angefangen mit Sigmund Freud, haben in den Mythologien der Völker verschiedentlich Signale frühkindlicher Erlebnisweisen gesehen. Der deutsche Psychologe Norbert Bischof vertritt in seinem monumentalen und epochalen Werk Das Kraftfeld der Mythen3 die These, dass die Weltentstehungsmythen allesamt das Produkt von Rückerinnerungen an Entwicklungsstufen frühmenschlichen Welterlebens seien. Er zeigt auf, wie die Schöpfungsmythen als Niederschlag von Erfahrungen zu werten sind, mittels derer der frühkindliche Mensch sich seine eigene Welt erschaffen hat. In seiner umfangreichen Darstellung belässt es Bischof nicht nur bei Mutmaßungen, sondern beruft sich auf empirische Forschungen und allgemein anerkannte Erkenntnisse über frühkindliche Entwicklungspsychologie. Gleichwohl versteht Bischof seine Thesen nicht als unzweideutige harte Wissenschaft, sondern als ein Deutungsmodell, bei dem er sich in eine Grauzone jenseits akademischer Modeströme vorwagt. Ich selbst finde aber, dass seine Deutungen einen hohen Grad an Plausibilität besitzen, gut begründet sind und deshalb ernst genommen werden müssen. Ich kann seine sehr ausführlich dargelegten Thesen hier leider nur kurz skizzieren.
Bischofs Argumentation besagt, dass es in den ersten Jahren des menschlichen Daseins einige elementare, traumatische Erfahrungen und Erlebnisphasen des Kindes gibt, die sich tief in das Erleben eines jeden Kindes und damit auch in das kollektive menschliche Unbewusste eingegraben und nachhaltig die Weltentstehungsmythen geprägt haben. Was heißt das konkret?
Solange sich der heranwachsende Fötus im Uterus der Mutter befindet, nimmt er sich als eine unauflösliche Einheit zwischen sich und der ihn austragenden Mutter wahr. Eine Unterscheidung zwischen sich und dem Uterus oder zwischen sich und der Mutter vermag er nicht zu ziehen.
Auch in den ersten ca. anderthalb Jahren nach der Geburt hat das Neugeborene noch kein Bewusstsein seiner persönlichen Identität und Individualität. Es nimmt sich in dieser Phase – in Kontinuität zu seinem Erleben im Mutterleib – als identisch mit seiner Umwelt wahr, kann noch nicht präzise zwischen sich und den Eltern unterscheiden, versteht sich immer noch als eins mit der Umgebung.
Diese frühe Phase ist beobachtbar an drei objektiven Kriterien: An der Art und Weise, wie sich das Neugeborene selbst im Spiegel wahrnimmt, an der Fähigkeit oder Unfähigkeit, empathisch zu sein, sowie am Typus seiner von ihm gemalten Bilder.
Hält man den Kindern in der frühesten Phase einen Spiegel vor, vermögen sie noch nicht, sich selbst darin zu erkennen, sondern neigen dazu, das eigene Spiegelbild mit einem anderen Kind zu verwechseln. Markiert man ihnen einen Fleck ins Gesicht, bringen sie den Fleck im Gesicht ihres Spiegelbildes noch nicht mit sich selbst in Verbindung.
Etwa um den 18. Monat kann es passieren, dass sich manche Kinder weigern, in den Spiegel zu schauen. Diese Weigerung hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ihnen allmählich die nicht ganz angenehme Wahrheit zu dämmern beginnt, dass es sich bei dem Spiegelbild um die eigene Person handeln könnte. Diese Wahrheit ist aber noch zu bedrohlich, als dass sie sich ihr jetzt schon stellen könnten, weil sie sich noch nicht als Individuum, sondern immer noch als Einheit mit der Umwelt verstehen. Norbert Bischof spricht hier vom „medialen“ Ich, das mit seiner Umwelt verschmilzt, im Gegensatz zum späteren „figürlichen“ Ich, also dem individualisierten Ich, das sich erst ab der zweiten Hälfte des zweiten Lebensjahres herauszubilden beginnt.
Bis zum dritten Geburtstag haben die allermeisten Kinder dann aber ihr Eigenbewusstsein voll entwickelt, was sich in Bezug auf ihr Spiegelbild darin zeigt, dass sie sich in ihm nun tatsächlich selbst wahrnehmen. Sie haben keine Angst mehr vor ihrem Spiegelbild, und wenn sie in diesem einen Gesichtsflecken sehen, berühren sie alsbald ihr eigenes Gesicht an der betreffenden Stelle, weil sie diesen Identifikationsschritt bereits vollzogen haben.
Dieser elementare Paradigmenwechsel zeigt sich auch im Verhalten des Kindes anderen gegenüber Bischof legt aufgrund von Experimenten dar, wie Kinder, die sich selbst noch nicht im Spiegelbild zu erkennen vermögen, auch noch nicht der Empathie fähig sind. Auf das Missgeschick eines Spielgenossen reagieren Kinder in der Frühphase entweder mit Nichtbeteiligung, als ginge sie das Missgeschick überhaupt nichts an, oder sie sind – in einer Übergangsphase – verwirrt, konsterniert und handlungsunfähig. Manche Kinder laufen weinend zu ihrer Mama, weil sie das Missgeschick des Spielgenossen als ihr eigenes Unglück begreifen. Solche Kinder reagieren also entweder autistisch oder verschmelzend, nicht aber empathisch.
Nur diejenigen, die auch ihr Spiegelbild als ihr eigenes Selbstbild wahrnehmen, sind in der Lage, auf das Missgeschick eines Spielgenossen mitfühlend und empathisch zu reagieren. Sie vermögen sich von dem Gegenüber uneingeschränkt zu unterscheiden und schicken sich an, dem Spielgenossen aus seiner Not herauszuhelfen. Die Fähigkeit, zwischen sich und den anderen zu unterscheiden, erlaubt es ihnen nun, sich empathisch zu verhalten.
Mit der Herausbildung der Empathie geht übrigens auch die Trotzphase einher, weil beides, das Mitfühlen und die Bockigkeit, die Realisierung des individuellen Ichs voraussetzt. Mitgefühl kann ein Kind nur empfinden und zeigen, wenn es sich seiner selbst bewusst ist und als getrennt vom anderen wahrnimmt. Diese Selbstwahrnehmung führt aber auch dazu, dass das Kind seinen eigenen Willen ausprobiert und dies zuweilen auch dann tut, wenn es eigentlich nicht nötig wäre, weil die eigene Entscheidungskraft nunmehr als neue, willkommene Erfahrung der Selbstwirksamkeit erlebt und eingeübt wird. Eltern empfinden dieses Verhalten zuweilen als trotzig und ungehorsam, sollten es aber als wichtigen, positiven, ja unverzichtbaren Schritt in der frühkindlichen Entwicklung ihres Kindes werten.
Auch beim Malen zeigen sich diese Phasen. Kinder der frühen Phase zeichnen, wenn sie zum Malen ermuntert werden, meistens runde Figuren, etwa einen Kreis bzw. zwei oder mehrere konzentrische Kreise, die mit Linien verbunden sind. Oft befindet sich so etwas wie ein Auge im Zentrum. Bischof sieht in diesen runden Figuren die Reflexion des medialen Ichs, das sich selbst als Einheit mit seiner Umwelt empfindet. Es ist sozusagen die dumpfe Erinnerung an das primordiale kosmische Ei.
In einer Übergangszeit malen die Kinder oft ein rundes Gesicht – sich selbst – mit Augen, Nase und Mund, und an dieses runde Gesicht befestigen sie mehrere Striche, die nun aber eindeutig als Extremitäten erkennbar sind: zwei Striche zur Seite und zwei nach unten. Das eigene Ich wird ansatzweise erkennbar, hat aber noch keinen figürlichen Leib.
Erst etwa ab dem dritten Lebensjahr bekommt das gemalte Selbstbildnis auch einen Rumpf zugeordnet: Die eigene Figur ist komplett, das Ich wird figürlich als individuelles Selbst wahrgenommen, als Strichmännchen mit Kopf, Körper, Armen und Beinen.
Ab diesem Alter geschieht es auch, dass Kinder, wenn sie malen, eine Art Dreiteilung aufs Papier bringen: ein landschaftliches Oben und Unten, meistens mit einer Person oder einem anderen figürlichen Objekt in der Mitte. In vielen Fällen wird diese Dreiteilung horizontal nachempfunden: etwa links ein Berg und rechts ein Berg, dazwischen eine Person, eine Brücke oder ein Schiff auf einem Meer. Dieses Muster scheint so durchgängig zu sein, dass eine psychologische Deutung sich geradezu aufdrängt:
Das Kind hat offenbar gelernt, sich nicht mehr, wie noch in der Frühphase, mit seiner Umwelt zu identifizieren, sondern erkannt, dass es sich radikal von seiner Umwelt unterscheidet, was sich vor allem auf sein Verhältnis zu Mutter und Vater bezieht. Diese Erfahrung der familiären Dreiteilung ist offenbar so einschneidend und von so elementarer Bedeutung, dass die Dreiteilung ein immer wiederkehrendes Motiv der Zeichnungen von Kindern ist.
Norbert Bischof zieht nun den Schluss, dass sich diese primordialen Erfahrungen des frühkindlichen Menschen auch in den Weltentstehungsmythen niederschlagen und dass die zahlreichen sich frappierend ähnelnden Schöpfungsgeschichten vor allem als Ausdruck dieser frühkindlichen Entwicklungen verstanden werden müssen, in der das Kind sich seine Welt „selbst erschafft“.
Das frühe Ich, dass sich selbst noch mit seiner Umwelt identifiziert und sich noch nicht getrennt von seiner Mutter und seinem Vater erkennt, spiegelt sich, so Bischof, in dem amorphen Urchaos, der Urflut, dem kosmischen Ei wider, in dem Himmel und Erde noch eins sind und in dem es noch keinen Unterschied der Geschlechter gibt. Hier ruht der Geist Gottes noch wie ein Nebel über den Wassern. Hier verschwimmt alles in einem finsteren, lichtundurchlässigen Ganzen. Hier gibt es noch keinerlei Unterscheidung zwischen oben und unten, rechts und links, Himmel und Erde, Mann und Frau, ich und du. Hier gibt es nur das ozeanische Gefühl der symbiotischen Einheit mit dem noch unzertrennten Ganzen, dem primordialen Urzustand.
Die spätere Unterscheidung zwischen sich und der Welt, vor allem zwischen sich und dem Elternpaar, zeigt sich in den Weltentstehungsgeschichten dann mythologisch in der Trennung von Himmel und Erde, der Schöpfung von Mann und Frau, der Herausbildung von Baum, Blüte und Keimling (als Symbol des Ichs) oder auch im Weichen des Wassers vor dem Auftauchen einer Insel.
In einer ägyptischen Darstellung sieht man den liegenden Erdgott Geb und über ihm in einem großen Bogen die Himmelsgöttin Nut. Die Trennung erfolgt in diesem Bild durch den Phallus des Erdgottes, der hoch aufgerichtet zur Himmelsgöttin weist. Dies könnte nach Bischof darauf hindeuten, dass das aufkeimende Bewusstsein der eigenen Identität mit der Erkenntnis über die Doppelgeschlechtlichkeit des Menschen einhergeht. Das sich bewusst werdende Kind erkennt, dass Papa und Mama unterschiedlichen Geschlechts sind und dass es einem dieser beiden Geschlechter angehört.
Die Trennung von Himmel und Erde wird in den Schöpfungsmythen oft als dramatischer Vorgang beschrieben, der nicht ohne Anstrengung, ja Gewalt vonstatten geht. In einigen Mythen schießt der erste Mensch mit Pfeilen auf den Himmel, so dass dieser sich zurückzieht. Oft wird die Trennung von Naturkatastrophen, wie einem Erdbeben oder einer Sintflut, begleitet. Manchmal spielt auch das Feuer eine Rolle.
In manchen Mythen ist die Urszene von Drachen oder anderen Ungeheuern gekennzeichnet, welche die Erde und den Himmel zunächst noch zusammenzuhalten versuchen, so dass die Trennung erst durch die eingreifende Kraft der Götter erfolgt. Oft bricht erst mit der Trennung aus der ursprünglichen Finsternis auch das Licht hervor. Nach diesem Entstehungstypus wird die Trennung von Himmel und Erde offenbar als etwas Positives aufgefasst.
Daneben gibt es aber noch einen gegenteiligen Typus: Dabei wird die Auflehnung gegen den symbiotischen Urzustand als Sünde, Schuld und Scham empfunden, was man in der Sündenfallgeschichte von Adam und Eva erkennen kann, die nach dem Essen der verbotenen Frucht nicht nur sich selbst (und die eigene Identität) erkannten, sondern auch starke Schamgefühle empfanden und sich vor Gott verstecken mussten. Ich-Gefühl und Scham gehen einher. Es ist erst das erwachende Ich, das sich von dem durchdringenden Blick anderer beobachtet und sogar bedroht fühlt, während das frühere Ich, das sich noch als Einheit mit dem Ganzen wahrnahm, noch keine Scham empfand. Der Ursprungszustand wird insofern als „heile Welt“ empfunden. So kommt es, dass der vergangene symbiotische Zustand als ein verlorengegangenes Paradies, als Garten Eden, gewertet wird, dem nachzutrauern ist, während die Trennung als das Herausfallen aus der ursprünglichen Geborgenheit empfunden wird. Dieser Typus scheint der häufigere zu sein.
Es sind dies zwei Erlebnisweisen und Deutungsmuster, welche die innere Spannung des heranwachsenden Kindes widerspiegeln. Norbert Bischof bezeichnet diese beiden Deutungsmuster der Weltentstehung oder Mythen-Typen als „emanzipatorisch“ und „nostalgisch“. Der emanzipatorische Typus sieht im symbiotischen Ursprungszustand eine Eingrenzung und Gefangenschaft, aus welcher der Mensch sich zu befreien hat. Der nostalgische Typus wertet den Ursprungszustand hingegen als den paradiesischen Wonnegarten, der nunmehr für immer verlorengegangen ist.
Die Erkenntnis der eigenen Identität und der eigenen Geschlechtlichkeit geht beim Jungen übrigens meistens andere Wege als beim Mädchen. Erlebt das Kind in der Frühphase die Eltern noch nicht als gegensätzlich, so sieht Norbert Bischof in der späteren Phase für Jungen wie Mädchen eine Entfremdung des Kindes vor allem vom Vater, der als getrennt und fremd wahrgenommen wird und darum die heile Symbiose der Familie zu zerstören scheint. Doch die eigene Geschlechtsidentität des Knaben zwingt ihn schließlich dazu, die Geborgenheit mit der Mutter aufzugeben und sich zögerlich mit dem gleichgeschlechtlichen Vater zu identifizieren. Diese Identifizierung gelingt jedoch nur mühsam, weil der Vater immer noch als fremde Identität empfunden wird. Später gelingt diese Identifikation mit dem Vater dann schließlich doch, nimmt sogar freundschaftliche, partnerschaftliche Züge an und ermöglicht so auf Umwegen auch wieder eine neue Beziehung zur Mutter.
Beim Mädchen wird der Vater beim Erwachen des Ichbewusstseins wie beim Jungen ebenfalls als Fremder empfunden, was die Tochter in diesem Fall jedoch dazu veranlasst, sich noch enger an die Mutter zu klammern. Doch kann die Bindung an die Mutter den Verlust des Vaters nicht wettmachen, so dass die Tochter im Laufe der Zeit der Mutter überdrüssig werden kann. Die Beziehung ist also zu beiden Elternteilen unbefriedigend. Die Tochter, so Bischof, separiert sich sowohl vom Vater, dessen Geschlechtsverschiedenheit eine enge Identifikation verbietet, als auch von der Mutter, die zur Symbiose verführt und die Autonomieentwicklung behindert.
Diese schwierige „ödipale“ Phase des Kindes spiegelt sich nach Bischof auch in den Weltentstehungsmythen wider. Schauen wir uns eine der berühmtesten Schöpfungsmythen einmal genauer an: