Читать книгу Perry Rhodan 904: Murcons Burg - Kurt Mahr - Страница 5

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2.

Salsaparú hatte einen Trupp von zwölf Frauen aufgeboten, um den Quellmeister in Sicherheit zu bringen. Sie selbst machte die Anführerin. Auf dem Weg, der für Pankha-Skrin vor allem wegen der Geschwindigkeit, mit der sich seine Begleiterinnen bewegten, beschwerlich war, war von ferne mitunter das Geräusch des Kampfgetümmels zu hören. Salsaparú hatte also die Wahrheit gesprochen: Boronzots Krieger griffen den Turm der Frauen an.

Der Weg führte nach unten. Pankha-Skrin verstand nicht, was die Frauen miteinander sprachen. Salsaparú war die einzige, die ein Übersetzungsgerät trug, und das hatte sie abgeschaltet. Der Quellmeister hing, während er versuchte, mit den kurzen, plumpen Beinen, die die Natur den Loowern verliehen hatte, es den Frauen an Schnelligkeit gleich zu tun, seinen eigenen Gedanken nach. Es behagte ihm wenig, dass er zum Spielball der Interessengruppen in Murcons Burg geworden war. Die Burg barg ein Geheimnis, das für die Interessen der Loower lebenswichtig war. Irgendwo in diesen weitläufigen Gebäuden, Gängen und Gewölben war ein geheimnisvolles technisches Gerät verborgen, das in das AUGE eingebaut werden musste, mit dem Pankha-Skrin die Materiequelle zu passieren hoffte. Das AUGE, jenes unvergleichliche Spürgerät, wurde in einer fernen Galaxis für den Quellmeister aufbewahrt. Das AUGE allein aber war bei der Suche nach der Materiequelle von geringem Wert, wenn es nicht mit jenen Zusatzgeräten ausgestattet war, die allein in den Kosmischen Burgen gefunden werden konnten.

Pankha-Skrin war fest entschlossen, nach dem Zusatzgerät zu suchen, das sich irgendwo in Murcons Burg verborgen hielt. Er erkannte aber gleichzeitig, dass er die Möglichkeit dazu nicht erhalten würde, wenn er sich weiter zwischen den verschiedenen Interessengemeinschaften der Zaphooren hin und her schieben ließ.

Er musste sich selbständig machen. Er musste die Burg auf eigene Faust erforschen. Er musste sich von Salsaparú und ihren Frauen, von Boronzot und den Wahren Zaphooren – von ihnen allen musste er sich trennen. Dabei galt es eines zu bedenken. Er würde sich mit denen, denen er bei seiner Suche nach dem geheimen Gerät begegnete, nicht verständigen können. Er bedurfte eines Übersetzers, jenes kleinen Zylinders, den Salsaparú um den Hals trug.

Pankha-Skrin machte seinen Plan. Inzwischen hatte er mit seinen Begleiterinnen eine Gegend erreicht, in der die Wände, die Böden und Decken der Stollen, durch die sie sich bewegten, aus natürlich gewachsenem Fels bestanden. Sie befanden sich unterhalb des Fundaments der Gebäude, die sich aus der Oberfläche des Asteroiden erhoben. Der Quellmeister spürte, dass die Frauen sich in dieser Umgebung nicht wohl fühlten. Sie fürchteten sich vor etwas. Sie waren unsicher und leicht zu erschrecken.

Diese Parameter plante Pankha-Skrin in sein Vorhaben ein.

*

Die Gelegenheit, seinen Plan auszuführen, ergab sich rascher, als Pankha-Skrin erwartet hatte. Er gelangte mit seinen Begleiterinnen in eine weite, kümmerlich beleuchtete Felsenhalle. Sie war vollständig leer und wirkte mit ihren rauen Felswänden und dem unebenen Boden halbfertig, als sei das Bauvorhaben kurzerhand abgebrochen worden.

In der Mitte des Raumes gewahrte der Quellmeister eine dunkle Stelle im Boden. Bevor eine der Frauen ihn daran hindern konnte, trat er hinzu und entdeckte ein Loch von annähernd kreisförmigem Querschnitt. Es hatte einen Durchmesser von gut fünf Metern. Mit dem Fuß schob Pankha-Skrin ein kleines Felsstück über den Rand der Öffnung. Der Stein schwebte mitten in der Luft. Erst als der Quellmeister ihn ein Stück weit seitwärts bewegte, begann er, langsam in die Tiefe zu sinken. Da wusste Pankha-Skrin, woran er war, und es war ihm sofort klar, dass er an diesem Ort sein Vorhaben ausführen werde.

Inzwischen war Salsaparú hinter ihm her geeilt.

»Komm hier fort!«, bat sie. »Dieser Schacht ist gefährlich!«

»Warum?«, fragte der Quellmeister.

»In der Tiefe wohnen die ...«

Die Worte waren der Schiefäugigen einfach über die Lippen gesprudelt. Sie hatte den Satz schon halb zu Ende, als ihr einfiel, dass dies womöglich Dinge waren, die den Gastwirt nichts angingen.

»Wer wohnt in der Tiefe?«, beharrte Pankha-Skrin.

»Ich werde dir darüber erzählen, wenn du mit mir kommst«, versprach Salsaparú.

Pankha-Skrin tat so, als wolle er ihr folgen. Als er aber von dem Rand des Loches wegtrat, verlor er scheinbar das Gleichgewicht. Er gab ein ängstliches Geräusch von sich und griff mit den weitreichenden Hautlappen, die ihm die Arme ersetzten, nach der Schiefäugigen. Salsaparú sah ihn straucheln und wollte ihm zu Hilfe eilen. Das war eben, worauf Pankha-Skrin gewartet hatte.

Er packte Salsaparú und stürzte mit ihr in den Schacht – auf der Seite, auf der das abwärts führende Feld vorherrschte. Die Schiefäugige stieß einen schrillen Schrei aus, und die Frauen, die bis dahin im Hintergrund gewartet hatten, kamen herbeigeeilt.

Salsaparú war etliche Sekunden lang vor Schreck starr. Dann aber begann sie, mit Armen und Beinen um sich zu schlagen und zu stoßen. Sie schrie fortwährend. Der Übersetzer, der zwar die Worte, aber nicht die Emotionen der Schreienden zu übertragen vermochte, wiederholte in entnervender Eintönigkeit: »Nicht stürzen! Zurück nach oben! Zullmaust wird uns umbringen!«

Pankha-Skrin tat so, als habe auch ihn das Entsetzen in seinen Bann geschlagen. Er bewegte die Greifhäute, die die obere Hälfte seines Körpers bedeckten, in scheinbar zielloser Weise. In Wirklichkeit diente jede Bewegung dazu, die sich sträubende Vorsteherin besser in den Griff zu bekommen. Ein paar Mal gelang es Salsaparú zu Anfang des sanften Sturzes, sich in den aufwärts führenden Teil des künstlichen Schwerefeldes zu manövrieren. Aber der Quellmeister holte sie jedes Mal wieder zurück.

Schließlich merkte Salsaparú, dass es allein Pankha-Skrins Schuld war, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte.

»Klammere dich nicht so an mich!«, stieß sie hervor. »Wenn du nur ein wenig loslässt, sind wir im Nu wieder oben!«

Pankha-Skrin gab ein wimmerndes Geräusch von sich. Er bewegte seine Greifhäute ein wenig. Aber anstatt der Vorsteherin mehr Bewegungsspielraum zu geben, packte er sie um so fester.

»Nicht so!«, stieß die Schiefäugige hervor. »Lass mich ganz los! Zieh die Lappen einfach ein!«

Der Quellmeister fuhr fort zu wimmern. Salsaparú bemühte sich, seinem Griff zu entkommen.

»Wenn nur die verfluchte Finsternis nicht wäre!«, hörte Pankha-Skrin sie ächzen.

Das klärte ihn darüber auf, dass das Sehvermögen der Zaphooren längst nicht so kräftig ausgebildet war wie das seine. Für ihn war es in diesem Schacht keineswegs finster. Was er sah, wirkte flach und farblos – ein Hinweis, dass es in diesem Loch nur niederfrequentes Licht gab. Salsaparús Augen waren für solcherart Licht anscheinend unempfindlich. Daher erschien es ihr finster.

Pankha-Skrin blickte in die Tiefe. Er sah, dass sie sich dem Ende des Schachtes näherten. Inzwischen hatte Salsaparú ihr krampfhaftes Bemühen, seiner Umarmung zu entkommen, aufgegeben. Pankha-Skrin fühlte, wie sie zitterte. Das schien ein Zeichen der Furcht zu sein.

»Wer ist Zullmaust?«, fragte der Quellmeister.

»Zullmaust ist der König der Blinden, die in der Tiefe hausen!«, stieß die Schiefäugige hervor. »Die Blinden hassen alles, was sehen kann, und dulden keinen Fremden in ihrem Bereich.«

»Mich werden sie dulden müssen«, antwortete Pankha-Skrin ruhig.

»Sie sind Barbaren«, fuhr Salsaparú fort. »Ein Menschenleben bedeutet ihnen nichts. Sie töten ... was hast du gesagt?!«

»Ich sagte: Mich werden sie dulden müssen«, wiederholte der Quellmeister.

»Du willst dort unten ... du meinst ... du bist mit Absicht in diesen Schacht gestürzt?«

»Das ist richtig«, antwortete Pankha-Skrin. »Ich bin nicht der Gastwirt, den ihr in mir vermutet. Aber diese Burg ist für mich von großer Wichtigkeit.«

»Burg ...?«, wiederholte Salsaparú verständnislos.

»Murcons Burg«, erklärte der Loower. »Ihr nennt sie das Große Gasthaus. Das Schicksal meines Volkes hängt davon ab, dass ich hier etwas finde, wonach wir seit langem suchen. Ich brauche Zeit. Ich muss unabhängig sein. Ich kann mich nicht zwischen dir und Boronzot hin und her schieben lassen. Das Dasein meines Volkes steht auf dem Spiel. Ich hoffe, du verstehst das.«

Mit sanftem Ruck landeten die beiden auf der Sohle des Schachtes. Vor ihnen war eine breite und hohe, torbogenförmige Öffnung, die in einen breiten Gang führte. Pankha-Skrin trat durch den Torbogen. Aber sofort rief Salsaparú, die spürte, wie sich der Loower von ihr entfernte: »Geh nicht weiter! Lass mich nicht allein! Die Blinden werden uns fassen!«

Pankha-Skrin kehrte zurück.

»Du hast verstanden, was ich gesagt habe?«, fragte er.

»Ja.«

»Die Befreiung der Zaphooren aus diesem Gefängnis ist möglich«, erklärte der Quellmeister. »Aber nicht mit magischen Kräften, die irgendein Gastwirt besitzt, sondern mit Hilfe von Mitteln, die irgendwo in dieser Burg verborgen sein müssen. Ich will sie finden. Wenn mir das gelingt, erweise ich den Zaphooren ebenso wie meinem eigenen Volk einen großen Dienst.«

Salsaparú erwiderte nichts.

»Eines Tages werde ich wieder in die oberen Regionen zurückkehren und dir von dem Erfolg meiner Suche berichten«, sagte Pankha-Skrin. »Inzwischen leih mir das kleine Gerät, das du um den Hals trägst!«

Salsaparú griff unwillkürlich nach dem Übersetzer und wich einen Schritt zurück.

»Das ... das kann ich nicht!«, stieß sie hervor. »Es ist zu wertvoll!«

»Du hast vorläufig keine Verwendung mehr dafür«, erklärte der Loower. »Ich brauche es nicht für immer. Ich werde es dir zurückgeben, sobald ich aus dem Reich der Blinden zurückkehre.«

Zögernd löste die Schiefäugige das Band, an dem der Übersetzer befestigt war. Pankha-Skrin nahm das Gerät und barg es unter den Hautlappen des Oberkörpers.

»Du musst jetzt zu deinen Frauen zurückkehren«, sagte er, und es befriedigte ihn, zu hören, wie das Echo seiner Worte in der Sprache der Zaphooren aus dem Übersetzer hervordrang.

»Ja«, antwortete Salsaparú hilflos. »Wenn ich nur wüsste ...«

»Der Schacht enthält zwei in gegenläufiger Richtung gepolte Schwerefelder«, erklärte der Loower. »Ich zeige dir, wohin du dich stellen musst.«

Er führte die Vorsteherin zur rechten Hälfte des Schachtes hinüber. Dort geriet sie in den Einflussbereich des aufwärts gepolten Feldes und schwebte langsam in die Höhe. Pankha-Skrin hörte sie erleichtert aufatmen.

»Vergiss nicht – ich werde eines Tages zurückkehren!«, rief er ihr nach.

*

Der breite Gang bot keinen Anhaltspunkt, an dem sich hätte erkennen lassen, wohin Pankha-Skrin sich wenden sollte. Der Quellmeister entschied sich für rechts. Salsaparú war längst durch den Schacht emporgeschwebt und aus seinem Blickfeld entschwunden.

Pankha-Skrin empfand mit Erleichterung, aber auch mit gewisser Verwunderung, dass der pochende Schmerz, der seit seiner Landung in Murcons Burg von dem Skri-marton, dem Quellhäuschen in seinem Nacken, ausgegangen war, seit dem Abstieg durch den Schacht nachgelassen hatte. Er wusste nicht, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen bestand. Aber er war dankbar dafür, dass er nunmehr sein Denken wieder ganz und gar auf die vor ihm liegende Aufgabe konzentrieren konnte.

Der kahle, breite Gang war von beträchtlicher Länge. Es gab keine Verzweigungen, und die Wände bestanden aus nacktem Fels. Für Pankha-Skrin, dessen kurze, stämmige Beine noch nie einen längeren Marsch unternommen hatten, war der Weg beschwerlich. Er dachte mitunter an Salsaparú zurück und an die Angst, die sie bei der Vorstellung empfunden hatte, es müsse in der nächsten Sekunde ein Blinder aus dem Nichts auftauchen und ihr ans Leben wollen. Pankha-Skrin war inzwischen seit gut drei Stunden unterwegs und noch hatte er keinen einzigen der geheimnisvollen Bewohner der Unterwelt zu Gesicht bekommen.

Endlich aber begann die Umgebung sich zu wandeln. Der Gang mündete in einen fast endlos weiten und hohen Raum, dessen Boden leicht abwärts geneigt erschien. Im Hintergrund der Halle war es düster, stellenweise sogar finster, was bedeutete, dass die Temperaturen dort wesentlich niedriger liegen mussten als im Vordergrund, da Pankha-Skrins optisches Wahrnehmungsvermögen derzeit nur im längerwelligen, thermischen Bereich des Spektrums arbeitete.

Der düstere Hallenhintergrund zog den Quellmeister an. Es erschien ihm wichtig, zu erfahren, wohin der riesige Raum führte und ob er Geheimnisse barg, die die Finsternis verdeckte. Pankha-Skrin schritt die weite, sanft geneigte Rampe hinab. Aus der Nähe erwies sich die Dunkelheit als weniger undurchdringlich, als es von weitem den Anschein gehabt hatte. Der Quellmeister spähte in das trübe Halbdunkel. Es war ihm, als seien im Hintergrund die Umrisse großer, fremdartig geformter Gegenstände zu erkennen.

Er wollte sich ihnen nähern, da sprach plötzlich der kleine Übersetzer an, den die Schiefäugige Salsaparú ihm geliehen hatte. Verwundert blieb Pankha-Skrin stehen. Seine Hörorgane empfingen keinen Laut. Der Übersetzer aber gab ein helles, halblautes, fiependes Geräusch von sich, das er anscheinend für das loowerische Äquivalent eines Lautes hielt, den zwar er, nicht aber Pankha-Skrin hören konnte.

Der Quellmeister war fest entschlossen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. So rasch ihn die Beine trugen, strebte er auf die schattenhaften Umrisse zu, die er in etwa zwei- bis dreihundert Metern Entfernung erkannt zu haben glaubte.

Da begann plötzlich der Boden zu wanken und zu zittern. Risse bildeten sich im Fels. Ein unheimliches Dröhnen drang aus dem Innern des Asteroiden. Mächtige Felsbrocken lösten sich von den Wänden und der Decke der Halle und stürzten berstend zu Boden.

Pankha-Skrin warf sich nieder und barg den Oberteil des Körpers mit dem empfindlichen Organkranz unter den weiten und widerstandsfähigen Hautlappen. Er gab sich keiner Illusion über die Größe der Gefahr hin, in der er schwebte. Der Asteroid, auf dem Murcon seine Burg errichtet hatte, wurde von einem schweren Erdbeben bis in seine Grundfesten erschüttert. Ob der Quellmeister überlebte, hing davon ab, wie standfest Wände und Decken der Halle waren.

Mit der stoischen Ruhe des entelechischen Denkers, der erkannt hat, dass er an seiner Lage nichts ändern kann, ergab sich Pankha-Skrin in sein Schicksal und wartete. Doch selbst die Gelassenheit der Todeserwartung wurde ihm nicht gegönnt.

Durch das Geprassel und Gedonner der herabstürzenden Felsmassen hörte er einen schrillen, gellenden Schrei.

Da wusste er, dass er sich nicht alleine in Gefahr befand.

*

Das Getöse währte mit unverminderter Wucht etliche Minuten, dann begann es allmählich nachzulassen. Pankha-Skrin war von etwa einem Dutzend kleinerer Felsbrocken getroffen worden, hatte aber keinen ernstzunehmenden Schaden davongetragen.

Als das Geprassel des stürzenden Gesteins schließlich aufhörte, richtete er sich vorsichtig auf. Die mächtige Halle war von dichten, wirbelnden Staubmassen erfüllt, gegen die selbst der überempfindliche Gesichtssinn des Loowers hilflos war. Der Schrei war nach Pankha-Skrins Ansicht aus dem hinteren, düsteren Teil der Halle gekommen. Dorthin wandte er sich. Der Weg war beschwerlicher als je zuvor. Geröll und Steintrümmer bedeckten den Boden, und der Staub erschwerte das Atmen.

Plötzlich erwachte der kleine Übersetzer, den der Quellmeister unter den Hautfalten trug, von neuem zum Leben. Diesmal allerdings gab er verständliche Geräusche von sich – Worte, die irgendwo in der Nähe gesprochen wurden, wenn auch Pankha-Skrin sie selbst nicht hören konnte.

»Ich bin deinem Ruf gefolgt!«, drang es aus dem kleinen Gerät. »Ich habe es getan, obwohl es gegen den Willen des Herrschers verstößt. Ich flehe dich an: Quäle mich nicht!«

Pankha-Skrin war noch dabei, verwundert nach dem Ursprung der Laute zu suchen, da hörte er eine zweite Stimme – und diese hörte er wirklich, in der Ursprache! Sie hatte einen dröhnenden, mächtigen Klang, und das Gerät übersetzte ihre Worte wie folgt: »Ich quäle dich nicht! Ich erleichtere meine Einsamkeit! Und gleichzeitig stille ich meinen Hunger. Es gibt nur eine Nahrung für mich: die Emotionen anderer Lebewesen.«

Wieder ertönte die zweite Stimme – jene, die Pankha-Skrin selbst nicht hören konnte und deren Worte ihm von dem Übersetzer übermittelt wurden.

»Warum kannst du dir nicht ein anderes Opfer suchen? Ich war schon so oft hier! Ich bin ausgebrannt. Wenn du mich ein weiteres Mal quälst, muss ich sterben!«

Da hatte es der Quellmeister plötzlich eilig, weiter vorwärts zu kommen. Er glaubte zu wissen, was sich hier abspielte. Er war überzeugt, dass das Wesen, dessen Worte er mit den eigenen Ohren nicht hören konnte, sich in großer Gefahr befand. Er brachte den Übersetzer unter den Hautlappen hervor und hielt ihn so, dass seine akustische Ausstrahlung frei und ungehindert in die Weite der Halle dringen konnte.

»Hört her!«, rief er in seiner eigenen Sprache, die das Gerät sofort in das Idiom der Zaphooren übersetzte. »Ich bin hierher gekommen, um deine Einsamkeit zu erleichtern! Labe dich an mir! Meine Emotionen sind das Ergebnis eines fast unendlich langen Lebens! Ich biete mich dir an. Lass jenes unglückselige Geschöpf in Ruhe und wende dich mir zu!«

»Wer ist das?«, fragte da die zweite Stimme. »Ist dir jemand gefolgt?«

»Das kann nicht sein«, hörte Pankha-Skrin aus dem Übersetzer. »Dein Ruf gilt immer nur allein mir!«

»Ich will mir ihn ansehen!«, erklärte die zweite Stimme.

Pankha-Skrin war von neuem stehen geblieben. Er spürte, wie sich etwas an seinem Bewusstsein zu schaffen machte. Er verriegelte das Oberflächenbewusstsein und zog sich in die Tiefen der entelechischen Denkkreise zurück. Voller Spannung wartete er auf das Kommende. Er war im Lauf seines langen Lebens vielen Wesen begegnet, die ihre Kraft aus den Seelen anderer bezogen. Manche von diesen hatten sich auch an ihn herangemacht – aber keinem von ihnen war es gut bekommen.

»Das ist merkwürdig!«, hörte der Quellmeister die zweite Stimme sagen. »Bist du eine Maschine? Bist du ein Untoter ...?«

Pankha-Skrin spürte, wie die fremde Aktivität an den Grenzen seines Bewusstseins intensiver wurde. Ein Fühler hatte die dünne Schicht des Oberflächenbewusstseins durchdrungen und schob sich in Richtung der entelechischen Tiefen vor.

Da – plötzlich ein Schrei, grässlich in seiner ohrenbetäubenden Lautheit. Eine Bö fuhr in den dicken Gesteinsstaub und wirbelte ihn durcheinander. Ein fahler Blitz zuckte durch das Halbdunkel. Etwas Mattleuchtendes bewegte sich mit großer Geschwindigkeit durch die Staubmassen. Und eine Stimme, die rasch in der Ferne entschwand, schrie: »Verrat! Das tut ihr mir nicht ein zweites Mal an!«

Die wütend hervorgestoßenen Worte hallten mehrmals von den Felswänden wider. Endlich aber wurde es still. Nur hier und da rieselte noch ein wenig Gestein von den Wänden und der Decke der Halle.

Pankha-Skrin fragte: »Bist du noch da?«

Nur der Übersetzer antwortete: »Ich bin noch hier. Ich danke dir.«

»Warum können meine Ohren deine Worte nicht hören, sondern nur das Gerät, das mir deine Sprache übersetzt?«

Ein paar Sekunden vergingen. Dann hörte Pankha-Skrin eine silberhelle, überraschend hohe Stimme, die Zaphoorisch sprach. Das Gerät übersetzte ihre Worte: »Wahrscheinlich sind deine Ohren nicht dazu gemacht, die hohen Laute zu hören. Bist du einer von denen, die an der Oberfläche wohnen?«

»Nein, ich bin ein Fremder«, antwortete Pankha-Skrin. »Man hat mich gegen meinen Willen in das Große Gasthaus gebracht. Wenn du mich erblickst, erschrick nicht. Ich sehe nicht aus wie du und die Deinen.«

Ein helles Lachen antwortete aus der nebligen Wand des Staubes.

»Du sprichst wie einer der Oberen! Nennst unsere Welt das Große Gasthaus!«

»Wie würdest du sie nennen?«

»Bei dem Namen, den die Herrscher ihr gegeben haben: Murcons Burg.«

Die Antwort gab dem Quellmeister zu denken.

»Kannst du mich sehen?«, fragte er schließlich.

»Sehen? Nein. Aber ich weiß, wo du stehst.«

»Komm zu mir! Der Staub nimmt mir die Orientierung.«

Ein paar Steine rollten. Das Geräusch von leichten Schritten war zu hören. Und schließlich tauchte aus der Staubwand eine schlanke, zierliche Gestalt auf. Sie war von jener vertikal-symmetrischen, viergliedrigen Art, der die Vorfahren aller Zaphooren angehört hatten. Aus der Zierlichkeit des Umrisses glaubte Pankha-Skrin erkennen zu können, dass es sich um ein weibliches Mitglied des zaphoorischen Volkes handelte. Es war gekleidet in ein einfaches, fast bis auf den Boden reichendes Gewand, das in seiner sanften Farbgebung wohltuend auf die Augen eines Loowers wirkte – anstatt ihnen weh zu tun wie Vajlans und Boronzots Kleider.

Die großen Augen der Zaphoorin aber waren blicklos. Der Augapfel war von homogener, türkiser Farbe. Iris und Pupille hatte eine lange Reihe von Mutationen über Generationen in der Finsternis lebender Zaphooren hinweg beseitigt.

»Du siehst, ich erschrecke nicht«, lächelte die Zaphoorin.

»Verzeih!«, bat der Quellmeister. »Ich hatte vergessen, dass ihr hier in der Tiefe nicht mit den Augen seht.«

Ein nachdenklicher Ausdruck trat in die Miene der jungen Frau.

»Du wählst deine Worte freundlich«, sagte sie. »Einer von den Oberen hätte gesagt: Ich hatte vergessen, dass ihr blind seid!«

»Wie könnte ich das?«, entgegnete Pankha-Skrin. »Habe ich dich nicht gebeten, zu mir zu kommen, weil ich dich in diesem Dunst nicht finden kann?«

»Deine Worte sind weise und gütig«, sagte die Zaphoorin. »Wer bist du?«

»Mein Name ist Pankha-Skrin. Ich gehöre zum Volk der Loower, das seit ungezählten Jahren das Universum durchstreift. Die Roboter der Techno-Spürer haben mich von meinem Raumschiff geholt und hierhergeschleppt. Wer aber bist du?«

»Ich heiße Serena«, antwortete die junge Frau mit hell klingender Stimme. »Ich bin die Favoritin des Herrschers.«

Perry Rhodan 904: Murcons Burg

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