Читать книгу Auflösungen - La Susannina - Страница 6

III

Оглавление

Die Angst ereilte Lara erst wieder im Treppenhaus, nachdem die Haustür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Einige Sekunden lang wagte sie es nicht, sich von der Tür wegzubewegen. Wieder gab es kein Geräusch, keinen Lufthauch. Lara sah auf die nach oben führende Treppe. Ihr Blick wanderte die Treppe mit dem dicken dunkelroten Teppich hinauf bis zum Absatz. Dort oben, vor der gegenüberliegenden hellgrauen Wand, war die Luft bei genauem Hinsehen mit grauen Schlieren durchzogen, die sich langsam bewegten. Lara wollte dort nicht durchgehen, aber sie musste. Sie richtete den Blick nach unten auf ihre Füße und begann zu laufen. So viel Energie sie auch aufwandte, der tiefe Teppich bremste jeden ihrer Schritte um ein Vielfaches ab. Unter größter Kraftanstrengung bewegte sie sich weiter und weiter vorwärts. Ihre Beine schmerzten. Ihr Atem wurde flacher. Sie setzte den nächsten und den nächsten Schritt, möglichst gleichmäßig, einen nach dem anderen. Nur nicht aufhören zu laufen. Immer weiter … weiter … weiter …

Nach einer langen Zeit der mühevollen Bewegung wagte es Lara endlich aufzublicken. Tatsächlich hatte sie nur noch einige wenige Stufen zu überwinden, bis sie an ihrer Wohnungstür war. Es kam ihr vor, als würde sich nun hinter ihr etwas auf sie zubewegen. Sie mobilisierte ihre letzten Kräfte, biss trotz der unerträglichen Schmerzen in den Beinen die Zähne zusammen, stolperte nach oben und schloss die Wohnungstür auf.

Mitten in der Nacht kam Lara in ihrem Sessel wieder zu sich. Sie muss darin geschlafen haben. Alle Knochen taten ihr weh. So saß sie erst einmal eine Weile im Dunkeln und wagte es nicht, sich zu rühren. Was war vorhin passiert? Hatte sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen? War am Ende jemand in ihrer Wohnung? Lara lauschte angestrengt, hörte aber kein Geräusch. Schließlich knipste sie die Stehlampe neben dem Sessel an. Alles schien in Ordnung zu sein. Sie stand auf und ging zur Wohnungstür. Diese war fest verschlossen, der Schlüssel steckte von innen. Ihre Jacke hing ordentlich an der Garderobe. Lediglich ihre Handtasche stand auf dem Boden neben den Schuhen, wo sie normalerweise nicht hingehörte.

War das, was sie im Treppenhaus erlebt hatte, also ein Alptraum? Wenn es kein Alptraum war, entschied Lara, war sie wohl kurz davor, hysterisch zu werden. Da es aber in ihrem Leben derzeit nicht den geringsten Grund für Hysterie gab, entschied sie weiter, konnte sie sich jetzt ebenso gut wieder zusammenreißen.

Das Licht löschen und zu Bett gehen wollte Lara dennoch nicht, also nahm sie sich das Papier des Professors vor. Sie schaltete ihren Laptop ein. Die Internetadressen, die der Professor unter die Namen geschrieben hatte, halfen ihr tatsächlich weiter. Leans drei Kommilitonen waren dort mit aktuellen Kontaktdaten zu finden. Der erste, Jörn Hauser, war allerdings ausgewandert. Lara notierte seine E-Mail-Adresse für den Fall, dass ihr die anderen beiden nicht weiterhelfen konnten. Der zweite, Guido Lercher, wohnte noch in der Stadt. Von ihm konnte Lara sogar eine Handynummer in Erfahrung bringen. Der dritte, Dr. Max Trames, hatte lediglich eine dienstliche Festnetznummer ins Internet gestellt, jedoch ohne Angabe, um welche Art von Berufstätigkeit es sich handelte.

Zufrieden klappte Lara den Laptop zu. Da es noch immer mitten in der Nacht war und sie unmöglich jemanden anrufen konnte, entschloss sie sich endlich schlafen zu gehen, wenn auch mit eingeschalteter Nachttischlampe.

Am nächsten Tag gönnte sie sich nach der Arbeit einen Besuch in einem kleinen Bistro in der Innenstadt. Angesichts der vergangenen viel zu kurzen Nächte wäre ihr normalerweise eher danach gewesen, nach Hause zu fahren und sich früh ins Bett zu legen, aber bei dem Gedanken an die unheimlichen Erlebnisse im Treppenhaus freute sie sich über jede Verzögerung, die sich bot, bevor sie ihr Wohnhaus wieder betreten musste. Während Lara auf das Essen wartete, holte sie ihr Smartphone und den Zettel mit den Telefonnummern von Leans ehemaligen Kommilitonen heraus. Sie hatte ein wenig Scheu die Nummer von Guido Lercher zu wählen, also atmete sie erst einmal tief durch, sammelte sich und legte sich zurecht, was sie sagen würde. Dann rief sie ihn an. Guido Lercher ging sofort ans Telefon: „Hallo?“

Lara gab sich einen Ruck, sagte ihren Namen und erklärte schnell: „Ich bin die Schwester von Lean, mit dem Sie zusammen Politikwissenschaft studiert haben. Mein Bruder ist verschwunden, ich suche ihn. Es wäre sehr nett, wenn Sie ein wenig über das Leben meines Bruders hier in der Stadt erzählen könnten, als Sie noch zusammen studiert haben. Ich habe kaum Anhaltspunkte und brauche wirklich Hilfe.“

„Hm“, äußerte Guido Lercher zögerlich, „sind Sie wirklich Leans Schwester? Woher haben Sie eigentlich meine Telefonnummer?“

„Ich habe Ihren Namen im Internet auf einer Archivseite der Uni gefunden. Er stand im Zusammenhang mit einer Projektgruppe zum Thema 'Praktische Auswirkungen der aktuellen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik im Hinblick auf strukturelle Veränderungen im Industriebetrieb', an der auch Lean beteiligt war. Ihre Handynummer konnte ich nach einigem Suchen ebenfalls im Internet finden“, antwortete Lara. Den Professor erwähnte sie nicht, weil sie nicht wollte, dass dieser wegen der Herausgabe der Namen Schwierigkeiten bekam. Hoffentlich fragte Guido Lercher nicht weiter, wie Lara auf ihn gekommen war! Doch die Auskunft schien ihm glücklicherweise zu genügen: „Ach ja, richtig, die Projektgruppe. Danach hat Lean sein Studium abgebrochen, daran erinnere ich mich noch genau. Zu Lean habe ich keinen Kontakt mehr. Seit wann haben Sie denn schon nichts mehr von ihm gehört?“

„Seit knapp acht Jahren. Ich war 15, als er von zu Hause auszog und 17, als er immer weniger von sich hören ließ und schließlich spurlos verschwunden ist. Nun bin ich selbst mit dem Studium fertig und habe eher zufällig hier in der Stadt meinen ersten Arbeitsplatz bekommen. Der Gedanke an meinen Bruder lässt mich nicht los. Ich möchte ihn unbedingt finden.“

„Ich kann Sie ja verstehen. Hören Sie, wenn es Ihnen weiterhilft, kann ich Ihnen ein wenig von damals erzählen. Am Telefon finde ich das aber ziemlich umständlich. Vielleicht können wir uns irgendwo treffen?“

„Da würde ich mich sehr freuen! Gerade bin ich im Petit Gourmet in der Innenstadt. Kennen Sie das?“

„Oh ja, das ist eines meiner Lieblingsbistros. Heute schaffe ich es allerdings leider nicht mehr. Morgen Nachmittag geht es. Sagen wir um 17.00 Uhr?“

„Ja, das passt mir sehr gut.“

„Noch eine Frage“, warf Guido Lercher nach einer kurzen Pause ein. „Arbeiten Sie zufällig bei Casopaco?“

„Nein, wieso?“, fragte Lara erstaunt.

„Nur so“, erwiderte Guido Lercher. „Dann bis morgen um fünf.“

„Bis morgen und vielen Dank schon einmal, dass Sie sich die Zeit für unser Treffen nehmen.“

„Keine Ursache. Auf Wiederhören.“

„Auf Wiederhören.“

Nachdem sie ganz genüsslich einen hervorragenden Salat Niçoise gegessen hatte, ließ sich der Heimweg nicht länger hinauszögern. Lara war extrem müde. Ihr war klar, dass sie sich endlich einmal wieder richtig ausschlafen musste. Kurz bevor sie die Haustür aufschloss, holte sie wiederum ihr Smartphone aus der Tasche und wählte die Nummer ihrer Eltern. Ihre Mutter ging ans Telefon. Während sich Lara auf den Weg nach oben machte, plauderte sie. Sie erzählte von ihren ersten Tagen im Büro, von den Kollegen und dem kleinen Bistro. So vertrieb sie die Stille im Treppenhaus und mit ihr auch die unheimliche Atmosphäre. In ihrer Wohnung achtete Lara genau darauf, ihre Tür gut abzuschließen. Die Panik des gestrigen Abends kehrte nicht zurück, auch nicht, nachdem Lara das Telefonat mit ihrer Mutter beendet hatte. Sie ging früh zu Bett. Es war ihre erste ruhige Nacht in dieser Stadt.

Am Morgen erwachte Lara mit dem Gedanken, heute endlich jemanden zu treffen, der ihr etwas mehr über Lean erzählen konnte. Sie war von der ersten Minute des Tages an aufgeregt. Kurz nach ihrer Ankunft im Büro konnte sie es bereits kaum erwarten wieder zu gehen, um mit Guido Lercher zu sprechen. Endlich war es so weit.

Lara nahm den gleichen Weg wie am Vortag zum Petit Gourmet. Als sie schließlich dort an einem Tisch saß, fiel ihr ein, dass sie gar nicht wusste, wie Guido Lercher aussah, ebenso wenig wie er sie kannte. Also schrieb sie ihm eine Nachricht: „Sitze am zweiten Tisch auf der linken Seite neben dem Fenster. Trage einen roten Pullover. Bis gleich, Lara N.“

Kurz nachdem sie die Nachricht abgeschickt hatte, erhob sich vom Nachbartisch ein sportlich-leger gekleideter Mann Anfang 30 und kam grinsend auf sie zu: „Hallo, ich bin Guido.“

„Lara, sehr erfreut!“, antwortete Lara.

Guido setzte sich. „Ist es in Ordnung, wenn wir uns duzen? Immerhin bist du die kleine Schwester eines alten Freundes.“

„Ja, natürlich. Schön, dass du Zeit hast. Ich hoffe wirklich, Lean wiederzufinden.“

„Leider kann ich dir nicht direkt helfen. Vor acht Jahren hatte ich Lean zwar noch ein paar Mal gesehen, nachdem er sein Studium unterbrochen hatte, aber irgendwann habe ich dann gar nichts mehr von ihm gehört. Ich muss sogar zugeben, dass ich mir Sorgen gemacht habe. Der Kontakt war eigentlich schon seit über einem Jahr eingeschlafen, als ich eine große Geburtstagsparty machen wollte. Du weißt ja, wie das bei so einer richtig ordentlichen Megaparty ist. Alle Leute, die ich nur irgendwie irgendwann einmal gekannt habe, sollten kommen.“

Nun war es Lara, die grinste: „Also mit mehreren hundert Gästen?“

„Nein“, lachte Guido, „so viele waren es auch wieder nicht. Aber so 50 bis 60 werden es gewesen sein. Auf jeden Fall war Lean tatsächlich der einzige, den ich gar nicht erreichen konnte. Seine alten Telefonnummern waren nicht mehr vergeben und auf meine Einladung per E-Mail hat er nie geantwortet. Ich habe es sogar auf die altmodische Art versucht und einen richtigen Brief geschrieben!“

Lara und Guido grinsten gemeinsam, in Laras Heiterkeit mischte sich nichtsdestotrotz Sorge angesichts dessen, was Guido über das Schicksal ihres Bruders noch erzählen würde.

„Lass mich raten“, sagte sie, „der Brief kam zurück.“

„Genau“, nickte Guido, „der Brief kam mit dem Vermerk zurück, dass der Empfänger unbekannt verzogen war. Ich habe es noch zweimal per E-Mail versucht und mich im Bekanntenkreis umgehört, beides erfolglos. Ja, was soll ich sagen? Ich war so sehr mit den Partyvorbereitungen beschäftigt, dass ich die Suche nach Lean zunächst nicht weiter fortgeführt habe. Ungefähr eine Woche nach der Party habe ich aber noch einmal ernsthaft versucht, Lean ausfindig zu machen. Immerhin waren wir an der Uni gut befreundet, gestritten hatten wir uns auch nicht. Einfach nur aus den Augen verloren, davon ging ich wenigstens aus. Irgendwie war ich auch neugierig, was aus ihm geworden ist. Also bin ich kurzerhand zu der Firma gefahren, bei der er meines Wissens nach zuletzt gearbeitet hat.“

„Casopaco?“, fragte Lara.

„Genau, Casopaco“, antwortete Guido, dann fuhr er fort. „Was mir dort begegnet ist, war so kurios, dass ich heute noch manchmal daran denken muss. Wie es sich gehört, habe ich mich zuerst unten in der Eingangshalle angemeldet und dort mein Anliegen hervorgebracht. Der Rezeptionist sah kurz im Computer nach, dann hat er mich gebeten einen Moment zu warten. Kurze Zeit später kam eine Dame die Treppe herunter, die ich begleiten sollte. Sie führte mich in ein Vorzimmer, ich nahm Platz und sollte auf einen Herrn Laua warten. Ich habe mitbekommen, wie jemand hinter der Tür zum Büro gesprochen hat, wahrscheinlich hat Herr Laua telefoniert. Danach war es eine ganze Weile still. Ich wartete und wartete. Irgendwann kam Herr Laua dann aus seinem Büro. Er begrüßte mich mit einer … wie soll ich sagen … einstudiert wirkenden Freundlichkeit und Verbindlichkeit. Du kennst das vielleicht. Von allem eine Spur zu viel. Zu künstlich. Ein aufgesetztes, etwas zu breites Lächeln und so weiter.“

Lara nickte. Unwillkürlich musste sie nun selbst lachen.

Guido erzählte weiter: „Wir sind in sein Büro gegangen. Mir kam der Aufwand zur Beantwortung einer im Grunde einfachen Frage spätestens in diesem Moment unangemessen groß vor. Man möchte meinen, dass es vollkommen ausgereicht hätte, wenn mir der Rezeptionist oder vielleicht ein Personalsachbearbeiter schnell gesagt hätte, ob Lean dort noch arbeitet oder nicht. Aber ich war ganz offensichtlich im Büro eines leitenden Angestellten gelandet. Kaum hatten wir uns hingesetzt, begann Herr Laua auch schon mit großen Gesten zu sprechen. Ich würde wohl eine 'Beratung' wollen, wie ich Lean am besten finden könnte. Dann wollte er wissen, wie ich überhaupt darauf gekommen sei, bei Casopaco nach ihm zu fragen. Ich erklärte mich kurz und erwähnte, genau wie du in unserem Telefongespräch, die Projektgruppe, um Herrn Laua die Bezüge zwischen Lean, mir und Casopaco aufzuzeigen, woraufhin Herr Laua erst einmal so richtig weit ausholte: Es sei ihm schon immer ein Anliegen gewesen, sich um das Wohlbefinden aller Mitarbeiter von Casopaco zu kümmern. Dies sei sogar ein wichtiger Aspekt der Firmenpolitik. Ich könne also davon ausgehen, dass jeder, wirklich jeder Mitarbeiter, wenn möglich auch über seine aktive Arbeitsphase in der Firma hinaus, tatkräftig und lückenlos betreut wird.“

Guido machte eine kurze Pause und sah Lara belustigt an: „Siehst du, so ein Gesicht wie du jetzt muss ich damals auch gemacht haben!“ Lara nahm scherzhaft beide Hände vor das Gesicht. Sie fragte: „Konntest du aus diesem Herrn Laua noch etwas Konkretes herausbekommen?“

„Nur mit Mühe“, gestand Guido. „Erst einmal musste ich ja seinen Redeschwall unterbrechen. Irgendwann konnte ich eine seiner seltenen Atempausen nutzen, um ihn mit einer unerhört konkreten Frage aus dem Konzept zu bringen: 'Arbeitet Lean noch hier?' Herr Laua wirkte daraufhin kurzzeitig etwas verwirrt. Er schnappte mehrmals nach Luft, ohne einen Laut herauszubringen. Dann endlich habe ich von ihm erfahren, dass Lean zum damaligen Zeitpunkt schon seit ein paar Wochen nicht mehr bei Casopaco tätig war, nachdem er ungefähr eineinhalb Jahre lang dort gearbeitet haben muss. Ich weiß noch, dass ich Herrn Laua gebeten habe, mir zu sagen, zu welcher anderen Firma Lean unter Umständen gewechselt hat und wo ich ihn erreichen könnte. Ich habe ja schon damit gerechnet, dass mir Herr Laua diese Informationen aus Gründen des Datenschutzes nicht unbedingt geben wird, was ich voll und ganz unterstützt hätte, aber seine Reaktion übertraf all meine Erwartungen. Stell dir einen leicht korpulenten, blassen Mann mittlerer Größe mit rechteckigem Kopf und silberfarbener Brille vor, der zu großen Gesten neigt und plötzlich mit einem Ausdruck äußerster Empörung im Gesicht aufspringt, die Arme mindestens so weit wie die Christusstatue in Rio de Janeiro auseinanderreißt und dir mit dröhnender Stimme mitteilt, dass er dir diese Auskünfte selbstverständlich nicht geben kann, will, darf usw. Wenn du mich fragst, hat jemand, der so losdonnert, in Wirklichkeit meistens Panik oder etwas zu verbergen. Wahrscheinlich beides. Ich konnte gar nicht so schnell schauen, wie ich aus dem Büro hinauskomplimentiert wurde. Herr Lauas Sekretärin begleitete mich sogar bis hinaus auf die Straße. Man wollte mich wohl loswerden.“

„Das ist doch nicht normal. Irgendetwas Schlimmes muss passiert sein“, sagte Lara ängstlich.

Guido seufzte: „Ich weiß es nicht. Damals war ich so besorgt, dass ich auf die Idee kam, Lean als vermisst zu melden. So richtig kannte ich mich damit nicht aus. Bei der Polizei erfuhr ich immerhin, dass Lean bereits als vermisst gemeldet war. Daraufhin machte ich mir natürlich noch größere Sorgen, hatte aber gleichzeitig den Eindruck, nicht mehr tun zu können. Irgendwie war ich ja auch mit dem eigenen Leben beschäftigt, verstehst du?“ „Das verstehe ich“, bestätigte Lara etwas benommen. „Die Vermisstenanzeige hatten unsere Eltern aufgegeben. Danach wurde zu Hause nicht mehr über Lean gesprochen. Vielleicht wäre das für Mama und Papa einfach zu schmerzhaft. Einmal habe ich gefragt, ob die Polizei schon etwas herausgefunden hat. Als Antwort bekam ich einfach nur ein schroffes 'Nein'. Ich habe mich nie wieder getraut, das Thema anzusprechen.“

„Oh je, das tut mir alles so Leid“, bemerkte Guido kopfschüttelnd. In seinem Gesicht und seiner Stimme lag ein Ausdruck aufrichtigen Bedauerns. Dann sah er auf die Uhr: „Nun haben wir die ganze Zeit über die Phase gesprochen, in der wir keinen Kontakt mehr zu Lean hatten. Dabei wollte ich dir eigentlich erzählen, wie er so war, als wir zusammen studiert haben und er dann angefangen hat, bei Casopaco zu arbeiten. Ich bin nicht sicher, ob dir das weiterhilft, aber nun, wo wir uns kennen, möchte ich es dir einfach gern noch schildern. Leider muss ich jetzt los. Handballtraining. Hm … also … wie wäre es … also ...“ Guido hüstelte und sprach weiter: „Wenn du am Wochenende Zeit hast, könnten wir uns noch einmal treffen. Natürlich nur, wenn du möchtest. Du bist ja ganz neu in der Stadt. Ich könnte dir die Altstadt zeigen und wir sprechen weiter über Lean. Sollte ich dir bei deiner Suche nach deinem Bruder irgendwie helfen können, dann möchte ich das gern tun. Ich würde mich auch freuen, Lean gesund und wohlbehalten wiederzufinden.“

„Ja, wir können uns gern am Wochenende treffen“, freute sich Lara. Sie verabredeten sich für den nächsten Samstag.

Auf dem Heimweg war Lara hin- und hergerissen zwischen der Freude über ihre Verabredung mit Guido und der Angst um Lean. Bisher hatte sie noch keine einzige Information erhalten, die im Hinblick auf ihren Bruder beruhigend hätte sein können. Immerhin gab es mit Guido und dem Professor zwei Menschen, die bereit waren, sie bei der Suche nach Lean zu unterstützen.

Auflösungen

Подняться наверх