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1. The Time before

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Sitzend, auf einem langen Steg an einem See, in der linken Hand ein Eis. So heiss ist es, dass es die Caramelstückchen von dem Vanilleeis beinahe zu Fall bringt. So stark ist die Sonne, dass sie mich zu durchleuchten droht und mir meine Haut langsam braun verfärbt. Denke ich zumindest. So angenehm frisch ist das kühle Wasser, in das ich meine Füsse abwechselnd hineintupfe und mit dieser Erfrischung verwöhne. Gut gelaunt sitze ich da, schaue den schwimmenden Menschen im Wasser zu, den Pärchen die händchenhaltend ins Wasser laufen, den Kindern, die am Ufer mit Schaufel und Topf spielen. Nichts bringt mich aus der Ruhe oder ändert irgendetwas an meiner guten Laune und meinem Zufriedensein.

Das war ich. Geniessend, zufrieden, schätzend, dankbar und klarsehend. Ganz anders als meine beste Freundin Bibä, die neben mir sitzt und sich immer wieder Witze von mir anhören muss zum Thema «klarsehend». Sie hat mittlerweile das Brillentragen aufgegeben und ihre stahlblauen, wunderschönen Augen, mit denen sie dank der Linsen besser sehen konnte, waren so herausstechend, dass ich ihr, gefolgt auf eine Stichelei, immer wieder ein Kompliment machen musste. Genau dieser Mensch mit den wunderschönen Augen, war einfach da. So wie immer. So wie für immer. Nicht von der Seite weichend.

Familie, Freunde und Menschen waren für mich stets interessant, wichtig und wertvoll. Keinen Tag hatte ich es ausgehalten, ohne meine engsten Freunde gesehen zu haben oder die Liebe der Familie zu spüren. Keinen Tag habe ich verbracht, ohne gelacht zu haben. Auch während trauriger Zeiten, wie etwa dem Verlieren eines Familienmitglieds oder einem Umzug aus einem Zuhause, etwas, das für ein Kind ziemlich schrecklich sein kann. Doch selbst dann war ich ein glücklicher, dankbarer und emotionaler Mensch. Was ich tat, schien wichtig zu sein und ich wollte es mit Herzblut tun. Ich liebte meine Brüder, die mich seit anhin begleitet haben und mir heute noch Wichtiges weitergeben: wie man sich durchs Leben schlägt, wie man Konflikte löst, (Fäuste aller Achtung), wie man das Leben geniessen kann, kocht, Fahrrad fährt und als Schwester gerngehabt wird. Sie alle hatten stets den höchsten Stellenwert für mich. Beziehungen waren wichtig, sie waren offen, mit vollem Herzen und purer Akzeptanz. So war es keine Seltenheit, dass ich beispielsweise während meiner Jugendzeit Wein mit meiner Gotte trank, Ausflüge machte, viele Partys schmiss, jede Menge Abenteuer mit meinen Freunden erlebte, immer über alles mit jedem reden konnte, Erfahrungen geteilt wurden und ich die Möglichkeit hatte, meinen Interessen stets nachzugehen. Welche auch immer das waren. Ich schätzte das Leben jede einzelne Minute. Das Leben war schön, ich war glücklich und begleitet von der Einstellung, dass so vieles ein Geschenk sei auf der Welt. Unaufhaltsam, mit einem grossen Herzen, Energie und Lebensfreude. Stets das Beste aus allem machen wollend und frei.

Die Welt hatte meine Neugierde geweckt, selbst als ich älter wurde. Alles musste erforscht werden, ausprobiert und niemals vergaß ich, dankbar zu sein dafür, was mir das Leben geschenkt hatte. Wenn ich etwas wissen oder lernen wollte, setzte ich alles daran, mir dieses Wissen einzuholen und anzueignen. Egal wie viel es kosten würde, wie viel Zeit ich dafür aufwenden musste oder wie viel Energie und Kraft ich hineinstecken würde. Das spielte alles keine Rolle. Nicht nur ein bisschen über ein Thema nachlesen, das mich gerade interessierte, nein, es musste ausprobiert, gelebt und erfahren werden mit ganzem Körper und ganzem Geist. Sich Wochen oder gar Monate mit einem Thema zu beschäftigen, das liebte ich. Das Zimmer wurde umgestellt, Bilder wurden aufgehängt, Ausrüstung zugelegt, Bücher gekauft, Menschen mit gleichen Interessen oder Wissen gefunden und ausgetauscht. Das alles am besten genau jetzt und sofort. Mit voller Hingabe und Genauigkeit. So lange, bis ich beinahe eine Überdosis des Themas innehatte. Ich hatte es bis zum letzten Tropfen ausgekostet und bis zum erschöpften Einschlafen durchgelebt. Vollkommen. Das war ich.

Lachend, auch in den Situationen, in denen es nicht angebracht war. Besonders in der Schulzeit, als mein damaliger Klassenlehrer meine beste Freundin und mich vor die Tür schickte und meinte, es grenze an «spastische Anfälle.» Natürlich hatten wir keine, doch wir konnten in dieser Zeit nicht anders, denn genau so wie heute teilen meine beste Freundin und ich einfach den genau gleichen Humor.

Älter werden gehört zum Programm «Leben» und so ging es schleunigst in die Oberstufe. Obwohl mir das Leben nun in einigen Situationen strenger entgegentrat, kleinere Jugendprobleme auftraten und ich erste Erfahrungen damit machte, meine Gefühle nicht ganz deuten und verstehen zu können, sass ich nun in der Pubertätszeit fest.

Ich wollte hauptsächlich Spass haben. Eine Challenge brachten mir nur die Montage und Donnerstage, die ich überleben musste. Im Verlaufe der Montagmorgende wurde ich immer nervöser und unruhiger, je näher der Französischunterricht rückte. Zwei ganze Stunden, gleich nach der Zehn-Uhr-Pause, seuchte ich mich durch. Ironischerweise gefiel mir die Sprache, denn sie klang so wunderschön, doch schreiben oder sprechen konnte ich sie trotzdem nicht. Obwohl ich mir stets in vielem enorm sicher war, schnell lernte und mich selbstbewusst fühlte, bei all dem, was ich leisten konnte, verunsicherte mich diese Sprache enorm. Ich erinnere mich, als mein Klassenlehrer die Landschulwoche ankündigte. Mit einem riesigen Grinsen im Gesicht, beugte ich mich zu meiner besten Kollegin/ Pultnachbarin hinüber und sagte voller Freude «wenigstens sehen wir Frau X nicht, und das die ganze Woche.» Die Aussage «zu früh gefreut», bekam mit knapp 14 Jahren eine neue Bedeutung für mich. «Frau X wird uns dabei begleiten!»

Frau X war meine Französisch-Lehrerin, enorm streng und sie mochte mich überhaupt nicht. Regelmäßig stellte Sie mich vor der Klasse bloss.

Ich erinnere mich an meine enorme Verdutztheit, den Blick meiner besten Freundin, gefolgt von einem Ausbruch lauten Gelächters.

Als Überlebende kehrte ich zurück.

Die Schulzeit verging und ich wurde noch älter. Vieles wollte ich immer korrekt und gut machen. Während meiner Jugendzeit schätzte ich die Zeit des Ausgehens enorm, um all dem Druck, den ich manchmal verspürt hatte, etwas zu entkommen. Ich ging tanzen, oftmals die ganze Nacht. Ab und zu trank ich ein Glas zu viel. Ich lernte Menschen kennen und mich selbst auf eine neue Art und Weise. Ich arbeitete mich durch meine Ausbildung, in der ich es nicht immer einfach hatte. Ich war selbst noch ein Kind und oftmals nicht sehr selbstbewusst bei der Arbeit. Ich war schnell verunsichert, wollte jedoch immer das Beste geben. Ich erinnere mich daran, ein unglaubliches Team gehabt zu haben, denn ich weiss noch heute nicht, ob ich es ohne diese Frauen, die mich drei Jahre lang begleiteten, jemals geschafft hätte. Damals hatte ich das erste Mal das Gefühl, mein Team zu enttäuschen, das ich so sehr mochte. Das Gefühl, es «nicht auf die Reihe zu bekommen», machte mir den Alltag ab und zu sehr schwer. Ich schämte mich dafür, keine Hilfe zu sein oder Anforderungen nicht zu erfüllen. Ich erkannte schnell, dass ich den Beruf nicht weiterführen werde. Fest entschlossen, meinen Betrieb als gute Lehrtochter zu verlassen und damit ein stolzes Team zurückzulassen, schöpfte ich neue Kraft.

Während meiner Abschlusszeit verbrachte ich mehr Zeit mit Ausgehen, da es mich in belastenden Situationen erleichterte. So folgten erste Bekanntschaften und Erfahrungen mit Jungs. Mein erster richtiger Freund, den ich nicht mehr zu den Kinderbeziehungen gezählt hatte, war unglaublich. Ich wollte ihn zuerst nicht, da ich wusste, dass ich die Schweiz nach meinem Abschluss verlassen werde. Doch mein Herz entschied anders.

Trotz der Beziehung, die erst gerade richtig begonnen hatte, stand ich eines Tages am Flughafen in Zürich. Ich hatte Gewicht auf den Hüften, das war ich meiner Meinung nach gewohnt. Doch so viel Gewicht nun auch wieder nicht. Mein Reiserucksack, den ich von meinem Vater zum Geburtstag bekommen hatte, drückte. Die Bänder, welche ich zur Rückenentlastung befestigt hatte, umschlugen meinen Körper. Der Rucksack sass beinahe perfekt und war von diesem Moment an mein Ein und Alles. Mein Begleiter, mein Leben.

Mit Stöpseln in den Ohren und glänzenden Augen vor Freude und Trauer zugleich, sass ich allein in einer Flugzeugreihe und genoss die ersten Flugzeugstunden mit ausgestreckten Beinen, beinahe liegend. So sah die Schweiz also von oben aus. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass ich im Flugzeug sass, nicht das letzte Mal, doch ein magisches Mal. Ich war allein und nur wenige Stunden danach erreichte ich es: Das andere Ende der Welt.

Als ich mich das erste Mal auf eine Reise begab, fühlte ich mich unaufhaltbar. Es war der Englischunterricht in Byron Bay, Australien, der mich täglich aufs Neue motiviert hatte. Es waren meine Kommilitoninnen, meine Mitbewohnerinnen, die mich immer wieder zum Lachen brachten und es war die Tatsache, dass mir ein Traum erfüllt, wurde: das Surfen.

Noch nie zuvor war ich dem Surfen, dem Meer, der Sonne, dem Abenteuer so nah gewesen. Jeden Tag surfte ich frühmorgens vor dem Unterricht erstmals eine Runde, duschte dann in der Schule und entdeckte den Zauber des Kaffeetrinkens. So sass ich jeweils mit einem Kaffee und tropfend nassen Haaren im Unterricht.

All die Menschen, all ihre Geschichten und der Gedanke daran, dass uns alle etwas hierhin geführt hat zur selben Zeit, waren kein Zufall, sondern sollte wohl genauso bestimmt sein. Das leichte «Don`t worry, it could be worse» – Das Motto des Lebens von Byron Bay, brachte alles auf den Punkt.

Eine Weile reiste ich damals spontan mit einer Studienkollegin. Sie war unglaublich und bereicherte meine Reise in dem Monat, den wir an der Westküste Australiens unterwegs waren, jeden Tag aufs Neue.

Ich bin ihr noch heute für ihren genialen Humor, ihr Interesse, ihre positive Ausstrahlung und die Art und Weise, wie sie war und ist, sehr dankbar. Wir trennten uns nach diesem Monat und ich vermisste sie zu Beginn sehr stark. Ich war damals noch eine Weile an der Ostküste Australiens, bis ich meinen letzten Monat in Neuseeland verbrachte. Ich hatte mich zu dieser Zeit stark verändert, neue Richtungen entdeckt, mich selbst gefunden, mich neu definiert. Einfach wohl gefühlt. Mein Backpacker hatte sich mit Geschichten und Erfahrungen gefüllt und mein Leben schien einen Sinn zu haben.

Gerade die letzten Tage bildeten den Abschluss einer unglaublichen Zeit, unglaublicheren Reise und unglaublichster Erfahrung, die ich bis dahin gemacht hatte.

Nur mit schwerem Herzen trennte ich mich damals von dem mir einst so fremden Kontinent und flog zurück in die Schweiz.

Auch als ich nach Hause kam und mein Leben umgekrempelt hatte, machte es mir überhaupt nichts aus, etwas mehr auf den Rippen zu haben. Damals empfand ich mich als sehr, sehr dick, konnte aber innerlich gut damit umgehen und mir selbst versprechen, wieder abzunehmen. Meine Figur war der Beweis dafür gewesen, dass ich einfach gelebt hatte. Ich war surfen, ich ass mit Freude ein Dessert auf, stiess mit noch einem Glas Wein mehr an und verzichtete auf keinen Cupcake, der nun mal zum Kaffee gehörte. Essen mit Freunden, Cookies probieren und brunchen, mochte ich am meisten. Es liess sich sehen, doch ich wollte mit Ruhe und positiver Motivation wieder zu meinem Wohlfühlgewicht zurückkommen. So begann ich jeden Tag eine Runde zu joggen und stellte mir ein kleines Training zusammen. Dazu ging ich wieder boxen, um überschüssiges Gewicht loszuwerden, verzichtete abends auf Kohlenhydrate und ass stattdessen Gemüse und Salat.

Nur wenn ich mit meinem damaligen Freund zusammen war, fühlte ich mich manchmal nicht mehr sehr wohl. Ich erinnere mich daran, dass er mir immer sagte, ich sei hübsch, ich mich jedoch neben ihm schrecklich fühlte. Er war trainiert und schlank, ich fühlte mich jedoch wie ein Elefant. So begann ich, mehr zu trainieren. Training, gesunde Ernährung und genug zu trinken. Innert zwei Monate konnte ich etwas mehr als 10 Kilogramm abnehmen und war somit wieder auf meinem Wohlfühlgewicht, auf dem ich vor der Reise gewesen war. Nun war alles wieder in Ordnung und ich war stolz auf den Weg, den ich geschafft hatte.

Es folgte eine Zeit, in der nicht viel passierte. Ich jobbte hier und da, ich trieb Sport und ich war in Gedanken viel in Australien. Ich vermisste es und wusste manchmal nicht, wie es weitergehen sollte. Wo sollte ich als nächstes hin und wohin führte mein Weg nun? Es war eine Zeit der Neuorientierung. Ich arbeitete den Sommer über in einem Café am Bieler See. Obwohl die Arbeit sehr intensiv war, schätzte ich das Team. Wir waren eingespielt, in einem ähnlichen Alter und verstanden uns auch privat sehr gut. So traf man sich ab und zu ausserhalb der Arbeit, unternahm etwas und tauschte sich regelmässig aus. Humor und dennoch Disziplin gab es bei der Arbeit. Wir hielten das gesamte Restaurant beinahe selbstständig am Laufen, organisierten und gaben jeden Tag volle 100%. Ich fühlte mich bei der Arbeit sehr sicher, wusste genau, was ich zu tun hatte, und dass ich darin gut war.

Von meinem Freund hatte ich mich wenig später getrennt. Vieles hatte sich für mich in dieser Zeit verändert, nicht mehr richtig angefühlt und die Tatsache, ihm vielleicht nicht mehr auszureichen oder zu gefallen, schmerzte mich mehr als alles andere. Ich fühlte mich in dieser Zeit ihm gegenüber einfach nicht gut genug. Das war das erste Mal, dass ich mit dem Gefühl des «nicht Hinreichens» oder des «nicht Wert seins» in Berührung kam. Zum ersten Mal schien es mir eine Rolle zu spielen, ihm eine schöne Freundin sein zu wollen, da er für mich schliesslich der schönste Freund war.

Wenn ich von heute darauf zurückschaue, weiss ich, dieser Gedanke liess schon damals einen Tropfen mehr in ein Fass fallen, das sich ca. eineinhalb Jahre später bis zum kompletten Überlaufen gefüllt hatte. Ich litt einen Monat enorm unter dieser Entscheidung, meinen Freund kurzfristig verlassen zu haben und konnte mir selbst nicht verzeihen, was ich diesem Menschen angetan hatte. Er hatte es selbst nicht leicht im Leben gehabt. Der Gedanke daran und die Tatsache, dass er so lange während meiner Reise auf mich gewartet hatte, dass ich ihn aber ohne Chance und ohne richtige Antwort verlassen hatte, zerriss mir mein Herz. Ich akzeptierte jede Handlung und Reaktion von ihm, denn ich konnte mir gut vorstellen, wie verletzt ich selbst gewesen wäre, damals. Ich erinnere mich, ihm jeden Abend ein schönes Leben und eine wunderbare Partnerin gewünscht zu haben, das, was er verdient hatte und bekommen sollte. Eine, die ihn schätzen und für immer lieben würde, den er hatte das reinste und schönste Herz, das ich bei einem Mann je gesehen hatte.

Noch lange nach der Trennung hing das Bild meiner Abschiedsparty über meinem Bett. Auf dem Bild waren wir beide abgebildet in einem Hippiekostüm. Es war meine Abschiedsparty vor Australien gewesen und was ich am meisten liebte, waren nun einmal Hippies, Blumen, positiv zu sein, frei zu sein, Musik und das Leben selbst.

Wie üblich heilte die Zeit Wunden und liess mich auf meinem Weg weiterlaufen. Es verlief ganz anders, als ich mir hätte denken können. Damit änderte sich mein ganzes Leben. Er führte mich zu einem Ort, an dem sich das Glück neu definieren liess und mir etwas geschenkt wurde, was man sich mit allem Geld der Welt niemals hätte kaufen können. Er führte mich hinauf in die Berge, direkt in ein kleines Dorf, das mich mehr als alles andere zuvor vollkommen erfüllte. Nebst Japanern und Chinesen im Zug, erreichte ich das Bergdorf. Wengen!

Seit zwei Monaten schlief ich nun in dem Chalet in Wengen, das meinem Vater und meiner Tante gehörte. Ich hatte innerhalb von zwei Wochen einen Instruktorenkurs gemacht, ein Arbeitsangebot erhalten, welches ich einfach so angenommen hatte und startete ganz unerwartet als Ski- und Snowboardlehrerin. Plötzlich stand ich auf mich gestellt da. Im «Snowgarden» von Wengen, umgeben von Kindern, die das allererste Mal auf den Skiern standen. Es war der Beginn einer Zeit, die mein Leben erneut für immer verändern würde. Ein magischer Ort entstand, magische Menschen wurden ein Teil von mir und eine absolut magische Zeit, die sich in meinem Herzen und meinem Kopf festgesetzt hatte und mir niemand jemals nehmen konnte, entstand.

Da war ich nun. Stark, sicher und fühlte mich einfach nur wunderbar. Ich hatte mir damals nicht viele Gedanken zu meinem Körper gemacht, sondern fühlte mich wohl. Die Bewegung schien mir gut zu tun, die frische Luft, die Berge und die Sonne sorgten für das restliche Wohlbefinden. Das Leben in den Bergen, die neuen Freundschaften und der tolle Beruf waren aufregend genug und nahmen meine Energie und Neugierde voll in Anspruch. Mein Arbeitsplatz im Schnee, mit Menschen vieler Nationen und viel, viel Freude liessen mein Herz jeden Tag höherschlagen. Partys, tolle Ausflüge und immer neue Ideen kamen uns jeden Tag in den Sinn und so war jeder einzelne Tag ein Abenteuer. Wenig Schlaf war Alltag und dennoch stand man pflichtbewusst am nächsten Tag wieder auf den Ski und nahm seine Aufgabe sehr ernst und verantwortungsbewusst an. Ich wollte eine gute Snowboard- und Skilehrerin sein und den Kindern möglichst viel beibringen. Auch wenn es Tage gab, an denen ich ab und zu zweifelte und an denen ich nicht wusste, wie ich mit gewissen Herausforderungen umgehen sollte, verlor ich niemals meine Freude. Wir alle waren damals neu, hatten unsere erste Saison und daher noch unglaublich viel zu lernen. Jede Erfahrung brachte uns weiter und schloss uns mehr und mehr zusammen. Mein ganz persönlicher Kraftort wurde damals geschaffen und das ist noch heute der Fall.

Irgendeinmal ging die Saison in Wengen zu Ende. Ich hätte mir damals nicht erträumen können, dass der Ort, an dem ich jedes Jahr war, einmal so sehr zu meinem Zuhause wurde, wie kein anderer Ort. Es war einfach unglaublich gewesen! Ich strahlte und wollte diesen Ort niemals verlassen und doch ging es mit viel Mühe zurück in die Stadt. Weg von den Bergen, weg von den magischen Menschen an diesem magischen Ort. Die Familie half beim leichten Umzug und der Abschied am Bahnhof fiel mir (verdammt) schwer. Doch mit guten Gedanken, Mut und vieler positiver Energie verbrachte ich die Heimfahrt. Engste Freunde wieder regelmässiger zu sehen, mein Doppelbett, mein Zimmer, meine Bücher, meine Familie und wieder andere Hobbys zu genießen.

Eine Saison hatte geendet, eine neue Saison hatte gestartet. Jeden Morgen ging es mit dem Fahrrad an den See. Zurück im Café, haderte ich doch anfangs. Die Bergluft fehlte mir und dennoch genoss ich dank der Lage des Cafes mit Seeblick das Gefühl, der Natur unglaublich nahe zu sein. Trotz der Arbeit hatte ich die Möglichkeit, oft an der Sonne und frischen Luft zu sein. Dazu wusste ich, dass die Zeit überschaubar war, bevor es auf die nächste Reise gehen würde.

Diese Zeit verging noch schneller, als ich dachte und schon ging es wieder ans Packen und auf ein neues Abenteuer. Ich schien unaufhaltsam. Von einem Abenteuer ins Nächste. Von der Ausbildung auf die erste Reise, danach ins Café, dann nach Wengen, zurück ins Café und nun auf meine zweite Reise. Mein Leben schien unaufhaltsam. Unaufhaltsam und voller Überraschungen. So auch das Packen des Rucksacks. Was nimmt man auf eine Reise mit, die noch offensteht? Nur kurze Hosen? Nur lange Hosen? Was werden wir alles brauchen? Ich packte nach Bauchgefühl ein und stand eine Weile neben meinem Rucksack. Da lag er wieder. Mein Begleiter. Bereit, um loszugehen. Mit Familie und Freunden verbrachte ich den letzten Abend und fiel gedankenversunken ins Bett. Die Reise konnte kommen. Es konnte losgehen.

Das Wort Reise erscheint mir jetzt in einer noch grösseren Dimension. Es war tatsächlich der Beginn einer Reise, die Welten versetzte, ein Leben änderte und mich selbst an den Punkt getragen hatte, an dem ich heute stehe. Dass die Reise mehr mit mir anstellen würde, als ich dachte und mein Leben sich so sehr verändern würde, damit hatte ich niemals gerechnet. Die Reise war der Beginn zu einer noch unglaublicheren Reise zu mir selbst. Es begann, wie es begann und endete schliesslich, wie es nun endete. Es ist, wie es ist, es geschah, was geschah und ändern werde ich es niemals können. Was mir bleibt, ist diese Geschichte, diese Erfahrung und die Tatsache, dass ich nun der Mensch bin, der ich bin. Diese Reise war der Anfang für mein Buch, für meine heutige Welt und der Startschuss einer Erfahrung, die ich heute nicht teilen könnte, hätte sie nicht zu genau diesem Zeitpunkt in der Vergangenheit stattgefunden. Sie war der Anfang eines Kampfs, einer Selbstentdeckung, Selbstauseinandersetzung und Selbstkennenlernens. Einer unglaublichen Selbstarbeit und sie war schaffend. Leben schaffend. Ohne sie würde ich nicht in diesem Moment vor meinem Computer sitzen und diese Worte schreiben. Egal, welche Folgen sie mit sich brachte, ändern würde ich sie nicht. Niemals.

Life starts with us

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