Читать книгу Das Tagebuch von Larissa S. – Gefangen im eigenen Kopf und Körper - Larissa S. - Страница 6

Die bösen Gedanken, der Teufel in mir und Sex

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Mein Tag heute

6 Uhr Wecker klingelt, müde, schlapp, kalte Füße. Habe geträumt, weiß nicht mehr was, irgendwas mit Schulfreunden, 6.05, 6.10, 6.15 klingelt Wecker wieder.

Um 6.15 will ich aufstehen, aber ich mache auch diesen aus ohne es zu merken, schlafe weiter. Gestern Abend habe ich mir überlegt, wie ich den Morgen verbringe werde. Mein Gott! Schon ein Tag davor sich Gedanken machen, was man am nächsten Tag macht.

6.44 Wach. Will nicht. Kalt. Um 7 stehe ich auf. Endlich. Böse Gedanken fangen an sofort zu rasen. Gefühl unruhig, ich bin in einem Chaos, einem Sog. Herz schlägt laut und schnell. Dann geht's wieder.

7.17 Uhr ich stehe auf.

Wieder Zigarette, Klo. Habe Durchfall. Meine Nase ist zu. Schaue in Spiegel, finde mich nicht schön. Böser Blick. Teewasser aufstellen. Ich bin schon so früh in meinen Elementen. Ich finde alles schlecht.

Ich zerbreche die fünf letzten Zigaretten in kleine Stücke.

Habe das Gefühl, gestern zu wenig gegessen zu haben, was nicht stimmt. Ich will schon wieder essen.

7.28 Uhr ich lese im Coaching Buch, was ich zu tun habe. Mir ist ein bisschen übel. Hunger?

Tee schmeckt nach nichts. Das kommt von den Zigaretten.

Bin unkonzentriert, bohre in der Nase, mache meine Nase sauber, kratze Pickel weg.

8.00 Uhr ich lese, dass ich Kodex machen muss, was wenn Termin in DA, was wenn in anderer Stadt. Thema Sicherheit. Ich sehe, dass es noch so viel gibt, was in Kodex rein muss, was ich einfach nicht weiß, ich denke nie daran. Vieles, was wichtig ist, ist nicht auf meinem Schirm. Ablehnung, Druck kommt. Ich denke, dass mein Kodex nicht gut wird. Er wird mir nicht helfen.

Ich akzeptiere, dass ich nicht alles sofort in meinem Kodex haben werde. Es wird neue Situationen geben, die neue Handlung brauchen.

Ich mache Übung „erste Maßnahmen im Notfall“.

Danach will ich Zigarette. Habe keine mehr.

Ich akzeptiere nicht, dass ich keine Zigaretten mehr habe. Ich werde mir Zigaretten holen gehen. Aber es ist noch so früh. Dann esse ich halt.

Ich mache meine Sachen weiter. Freizeitaktivitäten, konkrete Zeiten. Alles ok.

Weiter Coaching, Wochenplan, bin gelassen, der Plan wird gut. Jedes Mal, wenn ich mein Coaching mache, geht es mir gut. Aber ich stemme mich immer so dagegen.

9.35 Uhr wieder bisschen Hunger. Ich ignoriere das. Um 12 gibt's Essen.

Jetzt scheint es mir gut zu gehen. Das Coaching wirkt Wunder.

10 Uhr Kuchen backen. Ich freue mich. Schaue in Spiegel: Sieht gut aus, auch ungeduscht.

10.29 Die Butter riecht so gut. Ich akzeptiere, dass ich keine Butter essen darf. Ich habe 100g Butter übrig. Ich werfe sie weg.

Ich dachte Zitronenkuchen geht schnell und ich gewinne viel Zeit. Aber doch nicht der Fall. Ist auch egal, es darf 2 Stunden dauern.

11.00 Uhr Mann im Altenheim ist krank, Besuch fällt aus. Zuerst: Mein Tagesplan ist durcheinander. Dann: geht es mir wieder schlecht. Ich hasse alles. Ich fühle mich nicht wertvoll, nun gehe ich doch Zigaretten holen.

Vielleicht sollte ich mehr Coaching machen? Nein, Spaziergang und Zigaretten holen. Rauchen, bis ich nicht mehr atmen kann.

12.19 Uhr Ich denke so sehr darüber nach, was ich als Nächstes hier schreiben werde, dass ich unkonzentriert bei meiner Arbeit bin. Kuchen Stress.

Kurz vor 13 Uhr. Der Kuchen ist im Ofen, ich spüle Geschirr. Mist, noch nicht ausgecheckt aus dem Hotel. Was tun? Weiß heute nicht wie lange dieser dumme Kuchen im Ofen brauchen wird. Respekt. Duschen. Nein, nicht duschen. Ich mache den Ofen aus, ziehe was drüber und checke aus. Danach tanken. Wieder heim. Der neue Mieter schaut mich immer ein bisschen unfreundlich an. Ich beschließe: Egal, wie er schaut, wichtig ist, wie ich reagiere. Ich bleibe freundlich. Vielleicht hat er einfach Angst vor mir, weil ich so groß bin? Seine Frau ist klein, ein Mäuschen. Alles cool.

Kuchen braucht noch lange.

13.34 Uhr ich mache mir etwas zu essen.

14 Uhr. der Kuchen ist immer noch nicht fertig, aber der Salat. Mit 1 Dose Mais, Eisbergsalat, 1 Karotte, 1 Apfel, danach paar Trauben. Ich esse.

Ich bin schon die ganze Zeit froh, dass ich noch keine Zeit hatte, wichtige Arbeiten zu erledigen.

Das nächste Mal werde ich, wenn ich ein Kuchenrezept aussuche, die Arbeitsschritte genau lesen und nicht nur die Zutatenliste.

14.37 Uhr fertig gegessen, Küche sauber. Ich geh jetzt schlafen. Müde. Rücken tut weh. Eines Tages werde ich eine Spülmaschine haben.

Was habe ich eigentlich bis jetzt gemacht? Nur einen Kuchen und ich fühle mich so fertig?

Ich hab keinen Krümel des Kuchens probiert.

Ich liege im Bett. Will was Süßes. Gibt nix. Ich denke stattdessen an was Süßes. An meinen Therapeuten. Warum will er nicht mit mir? Der Mann ist so heiß. Er weiß es, bin ich mir sicher. Dreier mit ihm. Humm. Ich bin erregt. Wir sind uns ganz nahe als wir zu dritt sind. „Ich liebe Dich so sehr, mein Schatz“. Ich will das von ihm hören. Ich denke daran, wie er manchmal beim Coaching fast unsichtbar die Lippen zum Kuss bewegt. Das macht mich an und nervös. Ich bin mir sicher, dass er genau weiß, was er bewirkt. Ich hoffe, dass er es tun wird, leider vielleicht vergeblich.

15.18 Uhr ich geh jetzt duschen.

16.32 Uhr. Ich habe den Kuchen nach Wandsbek gebracht. Auf dem Weg dorthin beschließe ich, heute noch 2 Stunden zu arbeiten. Und danach nix mehr. Danach nur Malen und Coaching und Putzen.

Die Jugendlichen haben sich auf den Kuchen gestürzt. Danach habe ich ein komisches Gefühl. Es gibt zwei Einheiten dort. Die minderjährigen Migranten im Obergeschoss und die Deutschen im Erdgeschoss. Ich habe anfangs Kontakt zu den Ausländern gehabt, dann aber den Kuchen immer unten abgegeben. Bekommen die oben nun auch davon etwas?

Der Leiter war da. Er ist etwas unsicher, sagt, dass er den Kindern schon gesagt hätte, dass sie sich mal was überlegen sollen, wie man danke sagt. Ich sage „Oh wirklich, das ist kein Problem, nicht nötig, alles gut“. Sie sagen immer danke. Das reicht mir vollkommen. Und ich weiß, dass der Kuchen gerne gegessen wird. Seit ich immer selbstbewusst und strahlend hingehe, habe ich Gespräche und weiß das jetzt.

Ich habe latent Hunger.

Auf dem Heimweg rief mein Vater an, ich ging nicht dran, da am Steuer. Ich überlege mir, was ich sage, wenn ich gleich zurückrufe. „Hallo Papa, danke für deinen Anruf, ich konnte gerade gar nicht dran gehen, ich saß am Steuer. Euch wollte ich heute Mittag auch noch anrufen, aber dann fiel mir ein, dass ihr Mittagsschlaf macht, dann habe ich gewartet. Und jetzt hast du angerufen. Wie geht‘s dir so?“ Und dann ganz naiv, Smalltalk, ich habe heute Kuchen gebacken, putzen, arbeiten, lesen, normaler Sonntag. Dann werde ich die Mutter verlangen. Freundlich, gelassen. Frage: „Wann kommst du mal wieder?“ AW: „Ich würde euch gerne mal wieder besuchen, aber im Moment habe ich viel zu tun, aber das wird bald auch wieder anders sein.“ Ich bin fast 30 und habe noch so Angst vor meinen Eltern?

16.58 Uhr mit Papa und Mama telefoniert. Gespräch war gut, locker, übers Wetter, Topflappen und die Entsorgung von Christbäumen geredet. Easy. Stolz.

Jetzt werde ich arbeiten.

17.48 Uhr ich arbeite immer noch. Mein bester Freund, der Hunger, ist weiter unterschwellig da.

18.09 Uhr Hunger ist wieder bissl weg. Arbeit läuft.

18.49 Uhr ich hatte keine Lust mehr. Habe mir medizinische Einweghandschuhe bestellt. Safety first.

18.53 Uhr nochmals drei Mails beantwortet.

19.10 Uhr Wäsche abgehängt und eingeräumt. Dabei Musik hören. Habe vor kurzem bei Brice eine französische Musik gehört, so alte Lieder von Frauen a la Edith Piaf, wusste gar nicht mehr, dass mir das so gut gefällt. Das fiel mir gerade wieder ein. Aber das genau finde ich nicht. Aber habe auch nicht lange gesucht. Egal, ich höre einfach, ist schön.

19.11 Uhr ich geh jetzt kochen. Kochen zubereiten ging so schnell, habe die Zeit genutzt, weil ich ein Fuchs bin und Gemüse für morgen vorbereitet habe.

20.07 Uhr fertig mit Essen (4 Bratwürste 400g, 8 Kartoffeln, Bohnen, 1 Birne, 5 Trauben). Schon beim Essen werde ich müde. Ich bin genervt. Jeden Abend das Gleiche. Allein kochen, allein essen, abspülen. Langweilig. Wer bin ich? Warum bin ich so, wie ich bin?

20.20 Uhr Küche heute zum 3. Mal sauber gemacht. Verkehrte Welt. Meine Schwägerin, die weder richtig kochen kann und schon gar niemals Kuchen backt, hat eine riesige Küche mit tollen Geräten. Meine Mutter, die Kuchen nur zu Geburtstagen oder anderen Festen macht, hat ungefähr 20 Kuchenformen und Bleche und 5 Kuchenboxen. Ich habe eine Kuchenform, keine Box und meine Küche ist alles andere als groß.

Aber so war das schon immer bei mir. Als ich anfing mit Sport, hatte ich jahrelang keine richtige Sportkleidung. Ich war top fit und die anderen hatten Adidas Shirts und teure Turnschuhe. Ich male gerne und habe ein Pinsel-Set von Aldi. Auf der anderen Seite: Lieber so herum als umgekehrt. Ich komme mit dem, was ich habe zurecht. Im Karton kann man auch Kuchen transportieren und irgendwann werde ich mich auch mit solchem Luxusdingen eindecken.

20.45 Uhr ich schaue weiter Couch. Gibt nichts Neues. Immer noch nicht entschieden. Bettsofa? Oder nicht? Ich esse die restlichen Trauben und Hunger kommt wieder. Klar, wenn man immer zu Hause ist.

Um 21 Uhr werde ich nochmals Mails beantworten.

Morgen schaue ich mir vielleicht nochmals ein Sofa an. So, keine Lust mehr auf Schwankungen. Ich will ein Gästebett. Punkt. Und wenn mich der Bezug nervt, mache ich einen Überwurf drüber. Habe zwei im Schrank, wie neu, die ich nie benutze. GÄSTEBETT. Larissa ist nämlich ein soziales Wesen. Zu viel Zeit für Sofa. Ich kaufe mir das, was ich mir angesehen habe. Sonst ist es weg und ich ärgere mich.

21.03 Uhr heute noch putzen. Keine Lust. Mein Popo tut weh, den ganzen Tag sitze ich auf diesen Küchenstühlen.

Ich suche einen schönen Delphin im Internet. Brauche Motiv zum Malen.

21.08 Uhr Heizung im Bad auf 5, wozu denn? Ich habe einen großen Pickel über der Lippe. Ich mache ihn weg. Tut höllisch weh, blöde Stelle. Warum nur bei mir? Warum hasst mich alles?

Ich putze um 22 Uhr. Das ist kein Problem. Ich brauche nicht lange zum Putzen.

22.27 Uhr Schreibtisch abgewischt, Bett frisch bezogen.

Ich geh jetzt duschen. Ich stinke und ich habe Lust auf Sex. Ich rufe ihn an, ob er kann. Er kennt mich als Sophie. Diese Männer, die ich aus dem Internet zum Bumsen suche, wissen nicht wer ich bin. Sie schlafen nicht mit Larissa. Nein, sie schlafen mit Sophie, der Sexfrau in mir.

22.50 Uhr Larissa wollte maximal 45 Minuten bei ihm bleiben. Es ist der Arzt in Altona. Larissa hatte sich vorgenommen auf die Uhr zu schauen, die Zeit einzuhalten, sonst wird Sophie wieder übertreiben. Es war wieder wie immer. Er erzählt und erzählt. Es ist immer lustig mit ihm. Er macht viele Späße, Sophie lacht. Dann muss er nochmals Pipi. Larissa nutzt die Zeit, schaut auf die Uhr, 23.23 Uhr. Sie zieht Sophie aus, damit mal endlich was geht. Er kommt zurück und findet das klasse. Der Sex geht schnell. Er fingert sie am Po. Es ist ein bisschen unangenehm, Larissa war heute dreimal auf dem Klo, ihr Po ist etwas gereizt. Sophie holt Gleitgel und lässt es jedoch zu, denn er steht drauf. Und wenn er drauf steht, dann kommt er meist schnell. So ist es auch. Sophie will eigentlich nur ein bisschen Spaß, damit es Larissa gut geht. Larissa liebt es zu sehen, wie Sophie Männer verwöhnt und als Sextoy benutzt. Er kommt durch ihre Hand. Kein Sex. Nach ca. 15 min. Das Problem ist jetzt nicht Sophie, sondern ich. Seine Augen sind nett, ich könnte noch ewig bei diesem Mann bleiben. Nicht wegen dem Sex. Ne, das mag ich nicht so mit ihm. Seinen Penisgeruch finde ich unangenehm. Und er ist sehr behaart. Dreitagebart, das kratzt immer, ich bekomme manchmal kleine Pickel davon. Und sein Oberkörper. Voller Haare. Sophie geht heute nicht mit dem Mund hin, sie hat heute keine Lust auf Haare im Mund. Danach erzählen sie wieder. Sie tut naiv, er erklärt ihr dies und das. Was sie mag ist einfach weitererzählen und dann einschlafen. Zwiespalt. Sophie will gehen, Larissa will bleiben. Irgendwann will auch ich gehen, ich merke, dass ich absolut keine Kontrolle habe.

Ich gehe aus dem Haus, ohne nachzudenken steuere ich direkt auf den Kiosk gegenüber zu. Ich frage, ob er einzelne Zigaretten verkauft. Ne, macht er nicht, nur Schachteln. Einzelne Zigaretten. Sowas gibt‘s halt auch nur in Argentinien. Ich kaufe eine Schachtel.

Zu Hause duschen und rauchen. Putzen habe ich jetzt keine Lust mehr.

Der Zigarettengeschmack ist widerlich, ich esse eine Birne. Hunger.

Ich bin nicht selbstbestimmt bei diesem Mann. Er ist in mich verliebt und ich muss aufpassen, dass ich, Larissa, keine Gefühle für ihn habe. Ich habe doch Brice.

Jetzt denke ich, was für ein Vergleich. Ich sollte mich schämen.

23.15 Uhr ich esse einen Apfel.

23.30 Uhr habe Musikvideos geschaut. Die Bohnen leer gegessen. Wieder ein Tag vorbei, an dem nichts passiert ist. Wenn es mich nicht gäbe, wäre auch egal. Es würde nichts ändern an der Welt.

23.53 Uhr habe Talentshows geschaut. Die singen alle so schön, die jungen Frauen und Mädchen.

Zigarette.

Ich esse mehr Grünzeug als eine Kuh. Kein Wunder, dass ich so eine Verdauung habe.

Doch, es würde etwas ändern. Das Jugendheim hätte heute keinen Kuchen gehabt. Der Mann keine Sophie. Ich tue doch auch etwas Gutes.

Ich gehe jetzt schlafen, morgen früh Sport. Ich geh jetzt sogar Zähne putzen.

Ich verbinde meinen Zeige- und Mittelfinger. Wie jeden Abend im Moment. Die Haut ist so trocken gewesen, dass sie aufgerissen ist. Tut weh. Ich mache Zinksalbe drauf und Pflaster bzw. Verband.

Irgendwie macht es kaum einen Unterschied, ob meine Heizung an oder aus ist.

Kalte Füße.

Ich liege im Bett und will Sex. Larissa will Sex. Ich nehme zwei Dildos für den Arsch und für die Vagina. Ich denke an meinen Therapeuten und an Brice. Die Männer dringen in mich ein. Mit dieser Vorstellung besorge ich es mir eine halbe Stunde lang bis ich wie ein Orkan explodiere.

Der Tag war doch gut. Ich habe viel getan. Ich will meinen Coach. Sex mit ihm wäre ganz sicher wunderbar.

Das Tagebuch von Larissa S. – Gefangen im eigenen Kopf und Körper

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