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Vorwort

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Wo liegt der Schädel von Baron Taaffe? Welche Blumen lagen auf Kronprinz Rudolfs Sterbebett? 25 Jahre lang habe ich mich mit dem Tod des österreichischen Erzherzog Thronfolgers Rudolf von Habsburg und seiner minderjährigen Geliebten, der Baroness Marie Alexandrine Freiin von Vetsera, befasst. In diesem Sammelsurium berichte ich über Nachlässe, Nachkommen und Nachlässigkeiten sowie Neuheiten, Nettigkeiten und Naives rund um den Tod des Liebespaares am 30. Januar 1889 in Mayerling. Für dieses eBook habe ich das erstmals 2009 erschienene Manuskript aktualisiert.

Wie groß war Sisis Sohn? Wie lebten Rudolfs Freunde nach seinem Tod? Während die offizielle Mayerling-Literatur stets auf die Lösung des Rätsels und die Präsentation neuer Dokumente aus ist, lesen Sie in diesem Buch, was seit 1889 am Rande der Geschichte geschah und noch heute bewegt.

„Am 4. Jänner 1957 starb in Wien Frau Ella Graf, Witwe des Regierungsrates Rudolf Graf, einzige Tochter des Leibarztes Franz Josephs, Dr. Joseph Ritter von Kerzl, im Alter von 81 Jahren. In ihrem Testament vermachte sie dem Ehepaar Judtmann die sogenannte Hubertusuhr, die nach dem Zeugnis eines Leibkammerdieners im Arbeitszimmer des Kaisers im Schloß Schönbrunn gestanden ist.“

Mit diesen Zeilen beginnt Fritz Judtmann (1899-1968) sein 1968 erschienenes Buch über den Tod des Kronprinzen Rudolf von Österreich. Ich selbst habe diese Uhr Mitte der 80-er Jahre in der Wiener Wohnung von Hermann Swistun-Schwanzer (1914-1999) gesehen: dunkelbraunes Holz mit feinem, aber hier und dort abgebrochenem Zierrat. Einige Monate vor Swistuns Tod war die Uhr aus seiner Wohnung an der Schönbrunner Straße verschwunden – er hatte sie für 1.000 Schilling an einen Sammler verkauft, der die dringend notwendige Reparatur des Werkes und die Restaurierung des aufwendigen Gehäuses finanzieren konnte. Angehörige der Familien Vetsera, Baltazzi und Swistun hatte keine Verwendung für diese Memorabilie. Mit der „Hubertusuhr“ verschwand ein weiterer Anker, der die Jetztzeit mit den Tagen der österreich-ungarischen Monarchie verband …

Für Fritz Judtmann hatte die Uhr eine ganz besondere Bedeutung: „Es war für mich von historischem Interesse festzustellen, von wem und wann der Kaiser diese Uhr zum Geschenk erhalten hatte.“ Er recherchierte im Haus-, Hof- und Staatsarchiv und ließ sich „einen zweiten Karton mit der Bezeichnung `Briefe und Pakete von und an den Kronprinzen´ ausheben“. In jenem Behältnis, das nicht dem damals nur 22 Kartons umfassenden Bestand des Kronprinz-Rudolf-Selektes angeschlossen und somit lange Jahre unbeachtet geblieben war, fand Judtmann einen „dünnen Aktenumschlag mit der Bezeichnung `Varia´“. Das Kuvert enthielt die Abschrift eines Protokolls das aussagte, dass Papiere des ehemaligen Ministerpräsidenten Eduard Graf Taaffe (1833-1895) zur Mayerling-Tragödie „unter mysteriösen Umständen in Verlust geraten“ waren.

Das Auffinden dieses Kuverts war für Judtmann Anlass, „die Tragödie von Mayerling von Grund auf zu erforschen“. Mit seinem Buch legte er eine gewissenhafte Analyse zum Tod des Erzherzog Thronfolgers vor, die bis heute in vielen Aussagen nicht zu entkräften war. Ich habe 1989, einhundert Jahre nach den Ereignissen von Mayerling, erstmals Judtmanns Buch gelesen. Es folgten seither hunderte weitere Bücher und unzählige Artikel, die sich dem gleichen Thema widmeten. Ebenso wie seinerzeit Fritz Judtmann kam ich zu der Erkenntnis, dass „die meisten der Bücher und Artikel (...) mehr oder weniger Kopien früherer Arbeiten oder romanhafte Erfindungen (waren), worin immer wieder die gleichen Legenden oder falschen Behauptungen nacherzählt“ wurden. Nicht zuletzt die Aussage des damaligen Kämmerers des Stiftes Heiligenkreuz, Pater Markus Rauchegger OCist., dass „kein normal denkender Mensch (...) an der Aufklärung dieser Geschichte interessiert“ sei, hat mich für das Thema eingenommen – vielleicht bin ja auch ich kein „normal“ denkender Mensch? Auch die teilweise fehlende Bereitschaft der Familie Habsburg, sich mit neuen Erkenntnissen zum Tod des Thronfolgers zu befassen, machte mich neugierig: „Der Selbstmord des Kronprinzen ist die einzig und alleinig voll glaubhafte und den Tatsachen entsprechende Version seines Todes“. Ist das wirklich so, wie mir Ghislaine Windisch-Graetz (1912-1997), die Gattin von Rudolfs Enkel, schrieb?

Ich begab mich auf den Spuren Fritz Judtmanns in eine mir fremde Welt und lernte deren letzte lebenden Augenzeugen, oftmals aber nur noch deren Kinder oder Enkelkinder, kennen. Ich konnte Fühlung nehmen mit Ferdinande „Nancy“ Baronin von Vetsera (1905-1990), der Cousine jener jungen Frau, die tot an der Seite des Kronprinzen in Mayerling aufgefunden wurde. Ich lernte den Archivar der Familie Vetsera, Hermann Swistun-Schwanzer, wenige Jahre vor seinem Tod kennen und konnte mit zahlreichen österreichischen Erzherzogen der Salvatorischen Linie sprechen. Besonders freut es mich, auf Gut Persenbeug an der Donau IKH Rosemarie, Erzherzogin von Habsburg-Lothringen (1904-2001), Gattin von Marie Valeries Sohn Hubert (1894-1971), kennengelernt zu haben.

Ich sprach mit Eminenz András József Szennay OSB (1921-2012), dem Erzabt von Pannonhalma, dem resignierten Abt von Heiligenkreuz, Prälat Pater Gerhard Hradil OCist., konnte mich acht Tage vor seinem Tod mit dem Allander Gemeinderat Dr. Erich Dorffner (1932-2003) treffen und lernte bei mehreren Begegnungen jenen Mann näher kennen, der die Gebeine der Mary Vetsera aus ihrem Grab in Heiligenkreuz raubte: Helmut Flatzelsteiner. Wertvolle Hinweise erhielt ich von Hofrat Dr. Rudolf Neck (1921-1999), Dr. Maria von Kiss und Ingenieur Dr. Paul Tolnáy (Budapest) sowie Joseph van Lohn (Arendonk). Für ihre aufmerksame und Mut machende Fürsprache danke ich dem Bischof von Essen, Eminenz Dr. Franz Kardinal Hengsbach (1910-1991), dem Wiener Kardinal, Eminenz Erzbischof Dr. Hans Hermann Kardinal Groër OSB (1919-2003) und dem emeritierten Gründerprior des Zisterzienserklosters St. Marien in Bochum, Pater Beda Zilch OCist. Ein ganz spezieller Dank geht auch an Ingrid Fritz (Wien) für die kreative Auseinandersetzung mit dem Thema.

Dank und Anerkennung gilt Herrn Reimer J. Grothusen und meiner Frau Stephanie. Jene brachte mich dazu, 1989 erstmals Richtung Mayerling zu fahren und jener half uns an einem lauen Sommerabend in einem Purkersdorfer Wirtshaus ganz unbürokratisch, die letzten Kilometer bis an die Schwechat auch noch zu schaffen.

Und zuletzt: Auch dieses Buch ist nur eine Materialsammlung – auch in der zweiten, überarbeiteten Auflage. Letztlich ist es doch auch nicht wirklich wichtig zu wissen, was in Mayerling geschah. Wichtig ist nur, die letzten Quellen dazu der Nachwelt zu bewahren.

Lars Friedrich

Hattingen/Ruhr

Das neue Mayerling-Sammelsurium

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