Читать книгу Die Kinder Paxias - Laura Feder - Страница 4
Prolog
ОглавлениеPaxia, die Welt geheimnisvoller Sagen, mystischer Orte und einzigartiger Wesen.
Sie war überwältigend in ihrer pulsierenden Vollkommenheit. Ihre Aura lebender, purer Energie schien von unendlicher Kraft und Macht zu zeugen.
In ihrem Schatten – winzig klein, grau und unscheinbar – lag ihr Reich.
Oder besser ausgedrückt, der kümmerliche Rest ihres einstigen Reiches.
Sie waren nur eine Handvoll, ihr Lebensraum ein karger Planet unter einer Kristallkuppel, die vor verirrenden Meteoriten schützen sollte und ihnen ihre Aufgabe vor Augen hielt.
Nun blickten sie nur noch auf ihr Versagen.
Als Wächter und Hüter der Sterne hätten sie mit Leib und Leben um ihre Sicherheit, ihren Bestand kämpfen müssen. Diese Situation hätte nie eintreten dürfen.
Doch gegen wen hätten sie sie verteidigen sollen?
Es war eine erschreckende Tatsache, dass sie der gegenwärtigen Lage völlig hilflos, ja völlig machtlos gegenüberstanden. Denn als sie bemerkt hatten, welch verheerende Geschehnisse um sich griffen, war es schon zu spät gewesen.
Sie hatten von einer Sekunde zur anderen vor der endlosen Leere des Vakuums gestanden.
Schock und Ratlosigkeit waren eine schlechte Basis für Entscheidungen.
Dennoch trafen sie sich im großen Saal zu einer Versammlung, bei der jeder zu Wort kommen sollte, jeder seinen Gedanken freien Ausdruck geben sollte.
Es war keine große Versammlung, das Volk umfasste keine hundert. Alle fanden an dem langen Tisch Platz. Am Kopf saß der älteste Wächter und am Fuß der jüngste. So war es Tradition. Dazwischen staffelten sich die restlichen Mitglieder des Volkes ebenso chronologisch. Eine Geschlechterdifferenzierung oder eine andere Rangordnung existierten nicht.
Ihre farblosen, nur von wirren Glasreflexionen beschienenen Gesichter waren auf den Ältesten gerichtet, den Erstsprecher der Versammlung.
Im Gegensatz zu allen anderen saß er nicht, sondern stützte sich mit beiden Fäusten fest auf die Tischkante und versuchte mit seinem durchdringenden Blick die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf sich zu fokussieren.
Unnötig. Die Wächter wirkten noch wie unter einem Bann, gegen den man nichts auszurichten wusste als eben jenes Treffen.
Als er zu sprechen begann, dröhnte die Bassstimme des Hünen durch den Saal, dass das Glas leise zu klirren begann. Die anderen lauschten reglos den Worten des Erstsprechers.
„Ich grüße euch, Sternwächter, an diesem schreckensreichen Tag, der uns unserer Aufgabe – unseres Lebenssinnes beraubte, ja, der uns unsere Daseinsberechtigung nahm.
Denn wir haben versagt. Wir sind nicht in der Lage gewesen, unser anvertrautes Gut zu schützen vor den gewaltigen Mächten, die es gewagt haben, es uns vor unser aller Augen zu rauben.
Und unsere einzige Rechtfertigung ist die traurige Wahrheit, dass wir nicht wissen, womit wir es zu tun haben, geschweige denn, wie wir dagegen vorgehen können.
Ich bin 984 Jahre alt, doch auch ich stehe der Situation und den Geschehnissen fassungslos und ratlos gegenüber. Ich kann euch weder eine Erklärung noch eine Lösung vorstellen.
Diesmal müssen wir gegenseitig voneinander profitieren. Wir müssen uns untereinander austauschen und gemeinsam einen Plan entwickeln, der uns unsere wertvollen Schützlinge zurückbringt.
Und deshalb, Wächter, bitte ich euch, vergesst für kurze Zeit euer Entsetzen, verdrängt die lähmende Hilflosigkeit, wir dürfen diese Geschehnisse nicht akzeptieren. Kommt zu euch und sprecht über eure Gedanken.
Jedes Wort bedeutet den Mächten den Kampf ansagen, ihnen beweisen, wir lassen uns nicht niederdrücken, geben uns mit einer Niederlage niemals zufrieden.
Wir wollen Rache!“
Geisterhafte Stille füllte den Raum nach dieser leidenschaftlich hervorgestoßenen Rede des Ältesten, der nochmals eindringlich in die Runde sah, bevor er sich in seinen Stuhl sinken ließ. Die Erschöpfung malte sich deutlich in seinen runzeligen Zügen ab, und seine Hand zitterte, als er sich glättend über die weißen Haare strich.
Für diese kurze Ansprache hatte er seine gesamte Kraft mobilisieren müssen, die ihm sein Alter und der große Schock noch gelassen hatten. Nun fühlte er sich entsetzlich müde – zum Sterben müde.
Er wusste, ihm blieb nicht mehr viel Zeit, aber bei allen guten Mächten Paxias, er wollte die Sterne sehen, bevor er für alle Ewigkeit die Augen schloss.
Nun, wozu gab es denn sonst unter ihnen die gut ausgebildeten, tapferen Krieger – trainiert auf Wagemut und Kraft. Und mangelte es ihnen auch an geistigen Fähigkeiten, so handelten sie doch stets aus Überzeugung und mit Leidenschaft, genau auf die Art, die allen Wächtern zu eigen war, waren es Krieger oder Gelehrte.
Es war nahezu das personifizierte Bild eines solchen Kriegers, das nun von seinem Platz aufsprang und mit wildem Eifer brüllte.
„Wir werden kämpfen! Bis in den Tod!“
Ein zustimmendes Gemurmel war die Reaktion auf diesen unbeherrschten Ausruf. Dann brach ein Tumult los.
Andere junge Krieger warfen lautstark ihre Stühle um, zogen ihre gläsernen Schwerter – Symbole ihres Standes – und hielten sie in die Höhe. Jeder von ihnen dröhnte, so dass er die anderen übertönte, dass er losziehen wollte, um sich dem Feind im Kampf zu stellen, was es auch kosten mochte.
Der Lärm war ohrenbetäubend und die, die nicht mitzogen, sahen mit hilflosen Mienen dem Spektakel zu.
Die jungen Krieger hatten sich gegenseitig dermaßen angestachelt, dass sie kampfbereit mit grimmigen Mienen dem Ausgang des Saales zustrebten.
„Gegen wen willst du kämpfen, Golar?“
Er hatte seine Stimme nicht erheben müssen. Tief und vibrierend füllte sie den Saal und übertönte, verschluckte geradezu jedes andere Geräusch.
Plötzlich herrschte atemlose Stille unter ihnen, während die eifrigen jungen Krieger langsam zurück an den Tisch traten. Ihre nicht sehr leistungsfähigen Gehirne konnten sich der einfachen Logik, die in der Frage des wesentlich älteren Wächters Satys gelegen hatte, nicht entziehen.
Schweigend nahmen sie ihre Plätze wieder ein und starrten mit blöden Mienen – anders konnte man sie nicht beschreiben – auf den riesigen Muskelberg von Mann, als ob von diesem Respekt einflößenden Individuum die Antwort kommen müsste.
Die Antwort auf eine Frage, die zu lösen sie sich versammelt hatten. Nun, da es auch die Letzten verstanden hatten, konnten sie endlich beginnen vernünftig über die ganze Angelegenheit zu reden. Was immer das heißen mochte.
Satys, der entgegen aller körperlichen Merkmale zu den Gelehrten zählte, ergriff abermals das Wort, diesmal allerdings mit deutlich gesenkter Stimme.
„Wir wollen wissen, wer hinter all unserem Unglück steckt. Also sollten wir in der Geschichte nach Dämonen suchen, deren Macht groß genug ist, um so etwas zu vermögen. Ich habe bereits einige Nachforschungen betrieben und bin auf eine Kreatur des Namens Feluzio gestoßen …“
„Ich erinnere mich daran“, der Wächter Log unterbrach ihn. „Das war vor etwa 250 Jahren. Dieser Dämon war so mächtig, dass er ganz Paxia eingenommen und eine Ära der Schreckensherrschaft errichtet hatte. Zu seinem Gefolge zählten mehrere tausend Kreaturen der Unterwelt. Es hieß, er wäre das Fleisch gewordene Böse.“
„Aber er ist tot“, wandte ein junger Gelehrter, Filor, ein. „Er wurde in einem Kampf regelrecht hingerichtet. Es wird noch heute über die Gnadenlosigkeit seiner Gegner geredet.“
Auf diese Worte folgte ein tadelnder Blick Satys, der bewirkte, dass Filor verlegen auf den Boden sah und nicht wagte noch ein Wort hinzuzufügen.
„Er wurde getötet von seiner eigenen Frucht. Seine Tochter war es, die ihn besiegte.
Die Herrscherin der Dämonen!“
Es war als Belehrung Filors gedacht, doch der Name blieb wie ein Fluch im Raum stehen.
Zu viel hatte man schon von den erschreckenden, schier unendlichen Mächten dieser Kreatur gehört.
Von ihrer Unbarmherzigkeit, Unbesiegbarkeit. Alles Dunkle und Böse sollte in ihren Händen liegen, nach ihren Launen tanzen.
Ja, sie hätte genug Macht, ihnen diesen Fluch zu schicken – und auch genug Bösartigkeit.
Doch wie sollte man gegen ein Wesen solcher Macht vorgehen? Was hatte man gegen es in die Waagschale zu werfen?
Das war diesmal nicht nur den Gelehrten präsent, auch die Krieger sahen betreten in die Runde.
Ein aussichtsloser Kampf mit vielen Opfern tat sich vor ihnen auf.
Es war Log, der das Schweigen brach und abermals das Wort ergriff. Seine Augen flackerten unruhig, die Stimme war gezwungen ruhig, aber er sprach fest und voller Überzeugung.
„Also gut, wenn es uns bestimmt ist unterzugehen, dann werden wir es sicher nicht kampflos und feige tun.
Was wissen wir über die Dämonenherrscherin, außer dass sie ihren Vater ermordete?“
„Sie zog einen Elf in ihren Bann!“ Dieser Ausruf stammte von einem älteren Krieger, der, stolz ob seines Wissens, sich aufplusternd in Pose warf und Beifall heischend in die Runde nickte. Allerdings erntete er von den Gelehrten nur einen verächtlichen Blick, einige lachten sogar kurz auf. In seiner Eitelkeit gekränkt, lehnte sich der Krieger steif in seinen Stuhl zurück, etwas von „Buchfressern“ murmelnd.
Die Buchfresser ignorierten ihn, denn Satys erhob sich von seinem Platz. Er wollte zu allen sprechen.
„Wir reden hier nicht von irgendeinem Elf, den sie in ihren Bann gezogen hat, sondern von Gareth, dem ältesten Sohn Marianas, dem nachfolgenden Herrscher über das Elfenreich.
Nachdem sie ihren Vater vernichtet hatte, entführte sie ihn und verschwand spurlos mit ihm.
Man hat seitdem nichts mehr von ihnen gehört oder gesehen.
Es heißt, sie lebe irgendwo versteckt in einer geheimen Stadt, die wohl in Geschichtsbüchern erwähnt wird, jedoch existieren keine Angaben über ihren Standort. Einzig eine Person aus dem Hohen Rat Paxias soll Genaueres wissen. Wer, ist unbekannt.
Was aus Gareth geworden ist, bleibt unklar. Man vermutet, sie sei seiner überdrüssig geworden und hätte ihn in einen dunkelroten Edelstein gebannt, den sie um den Hals trägt.“
„Schrecklich!“, entfuhr es einer noch sehr jugendlichen Gelehrten, die sich sofort duckte, als sie bemerkte, dass ihr Ausruf an aller Ohren gedrungen war.
Diesmal waren es die Krieger, die über das offensichtliche Grauen des Mädchens ironisch grinsten. Die Gelehrten blieben ungerührt – bis auf den Ältesten.
„Das Schreckliche liegt nicht in Satys Erzählung, Calyssa“, belehrte er sie und wartete, bis er aller Aufmerksamkeit gewiss war.
„Das Schreckliche daran ist, dass das, was Satys uns berichtet hat, das Einzige ist, was wir über diese Geschichte wissen, obwohl sie in jüngerer Vergangenheit geschehen ist. Es liegt noch keine 250 Jahre zurück und dennoch schwebt ein Nebel über ihr, der keine Einzelheiten zuzulassen scheint.
Oder ist jemand anders informiert?
Kann jemand mehr Licht in unser Dunkel bringen?“
„Wozu das Gerede um die Geschichte? Wir sollten endlich zu den Taten kommen!“ Der Krieger Ragor schlug mit der Faust auf den Tisch, dass alle konsterniert zu ihm sahen.
„Wir sind bereit, der Feind ist bekannt. Wir sollten endlich losziehen und uns dem Kampf stellen. Wer kommt mit mir?“
Die Krieger waren nun bedachter. Obwohl sie beifällig murmelten, sprang doch keiner auf.
Niemand stimmte das Kampfgebrüll an. Sie waren verwirrt und unsicher. Doch diesmal nickte Satys bedächtig.
„Ragor hat Recht. Es hilft nicht, weiter über Vergangenes zu philosophieren. Mehr noch, es ist sinnlose Zeitvergeudung. Wir wissen nicht, was uns diese Dämonin noch antut. Wir müssen sie finden und versuchen zu vernichten, bevor sie es mit uns tut. Eine Gruppe Freiwilliger soll als Vorhut losziehen, ich selbst werde mitgehen, als Ratgeber auf der Suche nach unserem Feind.“
„Was, wenn Ihr Euch irrt?“ Die klare junge Stimme durchbrach das zustimmende Gemurmel, bevor es sich zu einem Tumult entwickeln konnte. Alle Gesichter wandten sich der Gelehrten zu, die viel zu jung wirkte, um so nahe am Kopf zu sitzen. Sie schien der Jugendzeit noch nicht lange entwachsen. Ihre Augen blitzten herausfordernd, während sie die Wächter einen nach dem anderen musterte.
„Was hast du zu sagen, Saya?“ Satys war sichtlich gereizt über ihren Einwurf.
Saya allerdings war außer sich vor Zorn, den sie nur mühsam zurückhielt. So ruhig es ihr möglich war, ging sie auf Satys Aufforderung ein.
„Eine ganze Menge habe ich zu sagen, denn du – ihr alle – habt das Wichtigste aus den Augen verloren.“
Sie ignorierte das verärgerte Getuschel, das ihrem Vorwurf folgte und erhob sich stattdessen, ihr Gesicht den Älteren zugewandt.
„Die Herrscherin der Dämonen kämpfte für die Paxianer, sie war auf der „guten Seite“ – wenn ihr es so nennen wollt. Sie hat nichts zerstört, sondern den ganzen Planeten gerettet und niemandem, bis auf dem Volk ihres Vaters und ihrem Vater selbst, ein Haar gekrümmt. Sie hat dafür gesorgt, dass alle Paxianer wieder ein freies Leben führen konnten.
Und das Elfenvolk war nicht ihr Feind. Im Gegenteil, es unterstützte sie. Sie waren Verbündete.
Nach ihrem Sieg verschwand sie zwar, aber es war nie die Rede davon, das fast gleichzeitige Verschwinden des Elfen Gareth mit ihr in Verbindung zu bringen. Das ist reine Interpretation von euch, weil es gerade in den Plan passt, aus ihr den Sündenbock zu machen. Sie ist nicht Feind, wenn sie etwas ist, dann sicher Freund.“
Bevor Satys sie unterbrechen konnte, ergriff der Älteste das Wort.
„Es ist gut, Saya, dass du die Geschichte versuchst so objektiv zu sehen, aber auch du übersiehst etwas.“
Sie sah ihn fragend, aber wenig überzeugt an. Allein das Wort „objektiv“ mit ihr in Verbindung zu bringen – gerade sie, die bekannt dafür war, sich nur von ihren Gefühlen leiten zu lassen – ließ in ihr den Eindruck entstehen, sie würde nicht ernst genommen.
Die Hände zu Fäusten geballt wartete sie darauf, dass er fortfuhr.
„Du hast übersehen, dass es die Mächte und Dämonen des Bösen sind, die sie beherrscht.
Mochte sie vor der Ermordung ihres Vaters ein reines Herz gehabt haben – danach hatte sie es sicher nicht mehr, denn es wurde mit schwarzem Blut bedeckt. Und wie sollte sie, unter diesen Voraussetzungen, ihrer eigenen Macht, die aus ihrem Inneren kam, widerstehen?
Was hatte sie sich selbst entgegenzustellen?“
Wenn Saya sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ sie nicht davon ab, bis das Gegenteil bewiesen war. Und diesmal war sie vom Guten in der Herrscherin der Dämonen überzeugt. Was zur Folge hatte, dass sie den unleugbar logischen Einwänden des Ältesten keine besondere Beachtung schenkte.
Doch sie wusste, mit ihren Argumenten kam sie im Augenblick nicht weiter. Die Krieger sammelten sich auch weiterhin um Satys. Also änderte sie ihre Taktik.
Verdammt, wie sie Diplomatie hasste!
„Mal angenommen, ihr alle habt Recht, dann braucht ihr erst recht nicht in den Kampf zu ziehen, denn es gibt auch eine Sache, die ihr übersehen habt …“
„Was sollen wir deiner Meinung nach übersehen haben, Saya?!“, rief Log aufgebracht über ihre arrogante Sprechweise, die sie alle dastehen ließ wie unwissende Eleven, denen der Verstand eingeschlafen war.
Sie bestätigte diesen Eindruck noch, indem sie sich nicht mal die Mühe machte, sich ihm zuzuwenden. Sie stand auch weiterhin mit dem Rücken zu ihm, nur zu den Älteren sprechend.
Zähneknirschend musste er sich diese Behandlung gefallen lassen, die ihn seines niederen Ranges gemahnte.
„Die Herrscherin der Dämonen ist unbesiegbar, denn sie ist, wie auch ich, unsterblich. Man kann nichts gegen sie ausrichten, als sie höchstens schwächen.“ Mit einem leisen, triumphierenden Lächeln musterte Saya die plötzlich stille Runde, während sie sich langsam wieder auf ihren Platz setzte.
Eine gewisse Hilflosigkeit lag auf den Mienen von Kriegern und Gelehrten.
Unsterblichkeit – diesen Faktor hatten sie in der Tat bisher noch nicht berücksichtigt.
Jene Eigenschaft, mit der nur ein einziges Wesen jedes Volkes geehrt wurde. Ein Wesen, welches ihr auch gerecht werden konnte, welches dafür sorgen musste, dass seine Art fortbestand, welches die innere Kraft besaß, mit ihr umgehen zu können, sie zu lieben und niemals zu verdammen.
Denn diese Eigenschaft führte dazu, dass man zu einem unbekannten Zeitpunkt nach dem Auswachsen aufhörte zu altern.
Warum dies so war, wusste keiner genau. Allerdings existierten viele Vermutungen, die sich auf die Fruchtbarkeit bezogen. Vermutungen, über die sich Saya keine Gedanken machen wollte – noch nicht. Es war nur ein weiteres Geheimnis, das um die Sagenwesen gesponnen worden war und noch nicht enträtselt worden war.
Für den Augenblick wollte sie die Verwirrung der anderen nutzen.
„Ich finde, wir sollten, bevor wir sie zu unserer Feindin erklären, besser darüber nachdenken, ob sie als Verbündete nicht nützlicher wäre. Denkt an ihre Macht.“
Sie blickte in teils zweifelnde, teils nachdenkliche, aber auch in erboste Gesichter. Ihr Hauptaugenmerk, der Älteste, kratzte sich sinnend den Bart und blickte ihr durchdringend in die Augen. In seinen eigenen blitzte es undefinierbar. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit, das sie aber schnell beiseite drängte. Für so etwas war nun keine Zeit.
Endlich, nach einer scheinbaren Ewigkeit, richtete er sich in seinem Stuhl auf.
„Die Herrscherin der Dämonen muss gefunden und von unseren Absichten überzeugt werden. Wer würde diese Aufgabe übernehmen?“
Sie hatte gewonnen, voll inneren Jubels sprang sie auf. „Ich kann sofort aufbrechen!“
Er sah sie nur kurz an, dann nickte er.
„Also gut, Saya, wir erwarten, dass du deine Mission so schnell als möglich erfüllst.
Wir anderen werden unsere Runde fortsetzen und nach dem Feind suchen. Ich hoffe, wir treffen uns im Schein unserer Schützlinge wieder. Viel Glück auf deinem Weg, Gelehrte Saya.“
„Aber …!“ Log und Satys waren gleichzeitig empört hochgefahren, als sie die Worte des Ältesten hörten. Sie konnten nicht glauben, dass Sayas Worte genug Gewicht hatten, dass der Älteste für sie alle diese Entscheidungen getroffen hatte, die doch von hoher Bedeutung für ein ganzes Volk waren.
Dieser hob mit mahnendem Blick die Hand und verbot ihnen damit das Wort. Es war totenstill, als er sich wieder Saya zuwandte.
„Geh jetzt, Mädchen, du weißt, wie du nach Paxia kommst. Ich werde den Transferturm aktivieren. Er wird dich an einen unbestimmbaren Ort auf Paxia bringen, an dem dich keiner beobachten kann, so dass deine Ankunft für alle unbekannt bleibt.
Und denke immer daran, für die Paxianer bist du nur ein Sagenwesen, etwas, von dem sie nicht wissen, dass es existiert. Also gib dich möglichst nicht zu erkennen.“
Sayas einzige Reaktion war ein Nicken, dann lief sie aus dem Saal. Sie wollte ihm keine Möglichkeit geben, seine Meinung zu ändern. Dies war nun ihre Mission.
Endlich würde sie die Welt, deren Sagen sie studiert hatte, kennenlernen. Endlich mit eigenen Augen sehen, was wahr und was erfunden war. Sie wollte den Nebelschleier von den Sagen nehmen, sie entmythologisieren, die Geheimnisse ergründen, die Orte erforschen, die sie nur aus Büchern kannte. Und diese Mission bot ihr die einmalige Möglichkeit dazu.
Sie würde mit der Herrscherin der Dämonen reden, würde Dinge erfahren, die nicht auf totem Papier verewigt worden waren.
Sie spürte ihr Herz schneller schlagen, fühlte das Adrenalin durch ihre Adern jagen. Alles war herrlich lebendig in ihr.
Und Paxia wartete auf sie.
Die anderen Wächter beobachteten ihren Abgang, die meisten mit fassungslosen Gesichtern.
Nur Satys konnte nicht ruhig bleiben.
„Also, wenn ich mir erlauben darf zu bemerken …“ Man merkte ihm deutlich an, dass er den Ältesten nicht mehr für zurechnungsfähig hielt.
Und er wurde abermals von diesem unterbrochen.
„Hat noch jemand von euch gehört oder gelesen, dass die Herrscherin der Dämonen unsterblich sein soll?“
Stille.
Blicke wurden ausgetauscht, Schultern wurden gezuckt, doch keiner meldete sich.
„Wie ich es mir dachte“, murmelte er, den fragenden Gesichtern der Wächter mit einem entschlossenen Blick begegnend. Er deutete auf Satys.
„Du wirst ihrer Aura auf der Spur bleiben und zu gegebener Zeit mit einer Armee folgen, aber sorge dafür, dass sie euch dann nicht bemerkt.
Sie ist sehr klug und trotz ihrer impulsiven Art die gelehrteste unter uns. Wenn einer diese Dämonin finden kann, dann ist es Saya.
Macht euch ihre Fähigkeiten zunutze, und wenn sie sie gefunden hat, dann vernichtet sie. Die Herrscherin der Dämonen muss der Vergangenheit angehören.
Saya wird einsehen, dass sie Unrecht hatte.“