Читать книгу Selma, Küsse, Kuddelmuddel - Laura Melina Berling - Страница 11
ОглавлениеAuf dem Rückweg hielt Papa an der Tankstelle. Er versuchte mit mir zu reden, aber ich sagte ihm, er solle die Klappe halten. Dann steckte ich mir wieder die Kopfhörer in die Ohren und drehte die Musik so laut es ging. Das Ganze war mir einfach zu viel und ich ignorierte die kleine Stimme in meinem Kopf, die mir sagte, ich solle mich entschuldigen. Die Sonne knallte auf das Autodach und ich pappte wie ein altes Kaugummi auf dem ausgesessenen Sitz, sodass ich mich mit jeder Minute elender fühlte. Für heute hatte ich echt genug von meinem Körper, doch jetzt begann er auch noch zu schwitzen. Besorgt roch ich an meinen Achseln. Ekelhaft. Ich nahm meinen Rucksack, suchte nach meinem Pfirsich-Erdbeerdeo und sprühte mich ordentlich ein. Durch die Scheibe bemerkte ich ein kleines Kind, das mich von der anderen Seite der Zapfanlage aus einem Auto beobachtete. Ich streckte ihm die Zunge heraus und zog eine Grimasse. Das Kind begann zu weinen. Na super, Selma. Jetzt war ich nicht nur gemein zu Papa, sondern auch zu fremden Kleinkindern. Ich rutschte so tief in den Sitz, dass ich es nicht mehr sehen konnte. In dem Moment schrie jemand neben mir: »SELMA! HALLO.« Ich fuhr erschrocken hoch und stieß mit dem Kopf gegen die Decke. Aua. Die Kopfhörer fielen mir aus den Ohren und Papa murmelte: »Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken, aber du hast einfach nichts gehört.« Wütend strich ich über meinen Kopf, auf dem sich schon eine Beule bildete, und funkelte Papa an. Er räusperte sich. »Puh, dieser Geruch.« Er wedelte mit der Hand vor seiner großen Nase herum. »Aber egal.« Er räusperte sich wieder. »Also Tankstellengeschenke sind nicht die besten Geschenke, ich weiß. Aber ich hab diese Postkarte gesehen und ich dachte, na ja, ich wollte, also du wirst ja jetzt irgendwie erwachsen und … ehm … ach also hier, das ist für dich.« Papa streckte mir einen alten Chipskarton entgegen, den er sich wohl aus einem der Regale in der Tankstelle genommen hatte. Er kaufte immer so ein. Suchte sich irgendwo alte, leere Kartons zusammen und legte alles hinein, damit er keine Tüte kaufen musste. Im Chipskarton befand sich eine Postkarte, auf der »KOPF HOCH!« stand. Daneben lagen ein Blumenstrauß, ein Schokoriegel, ein Päckchen Gummibärchen, eine Packung Tampons sowie Binden und ein Einwegrasierer. »Vielleicht brauchst du ja etwas davon. Oder auch nicht. Ich weiß nicht. Aber ich wollte dir etwas mitbringen. Deine Tage hast du ja noch nicht, aber vielleicht bald, und der Rasierer, mmh … ist vielleicht blöd. Ich finde nämlich nicht, dass Mädchen und Frauen sich rasieren müssen, aber ich dachte, vielleicht möchtest du es auch. Mama macht es manchmal und manchmal nicht. Wie sie Lust hat.« An dieser Stelle hätte ich mir fast die Ohren zu gehalten. »Es ist deine Entscheidung. Wirklich. Ganz allein deine. Lass dich da nicht unter Druck setzen von Jungs oder Freundinnen.«
Ich schob die Gummibärchen über die Tampons. Bäh. Hoffentlich brauchte ich die niemals. Dann umarmte ich Papa und flüsterte: »Tut mir leid. Danke.« Papa wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und strahlte mich an. »Oh Papa. Jetzt heul nicht. Voll peinlich.« Ich verdrehte die Augen und suchte im Fußraum nach meinen Kopfhörern. Papa verdrehte ebenfalls die Augen, schnallte sich an und startete das Auto. »Na dann mal los.«