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ОглавлениеI. Der Sklave, der den Süden befreite
Messt mich nicht an den Höhen, die ich erreicht habe, sondern an den Tiefen, aus denen ich gekommen bin.
Frederick Douglass
Manche sagen, er sei der bemerkenswerteste Amerikaner, der je gelebt hat. Niemand wusste mehr als er über den chemischen Zauber der Pflanzen, niemand konnte ihn besser für die Menschen nutzen. Er arbeitete in einem Labor, das aus Schrott zusammengebaut war. Er benutzte rostige Tiegel und behelfsmäßige Messbecher, aber damit zerlegte er die Materie in ihre geheimnisvollen Bestandteile und fügte sie zu neuen Nahrungsmitteln, Arzneien und Baustoffen zusammen.
Er zerrieb heimische Erde zu Farben und malte mit den Fingern so herrliche Bilder, dass Galerien und Museen darum bettelten, sie kaufen zu dürfen. Er lehnte ab und verschenkte die Bilder stattdessen an seine Freunde. Heute hängen sie in bescheidenen Wohnungen in Chicago, Detroit und Tuskegee, Alabama. Er machte Kuchen aus Erdnüssen und Salate aus Kräutern, und die großen Hotels verwendeten seine Rezepte. Ohne richtige Ausbildung wurde er Pianist und gab Konzerte im ganzen Land, um Geld für das unbekannte kleine College zu sammeln, an dem er unterrichtete. Ohne lange nachzudenken, lehnte er das Angebot ab, für ein Jahresgehalt von 100.000 Dollar bei Edison zu arbeiten. Immer wieder sagte er, zum Heiraten habe er keine Zeit, aber wenn man ihn um Pflanzensamen bat, fand er die Zeit, sie zu verschicken. Und wenn er an einem Vorgarten vorüberkam, in dem die Rosen kränkelten, blieb er stehen und erklärte dem Besitzer, was den Blumen fehlte.
Die Präsidenten John Calvin Coolidge und Franklin Roosevelt besuchten ihn. Ausländische Regierungen fragten ihn ebenso um Rat wie einfache Leute aus aller Welt. Henry Wallace, Henry Ford und Mahatma Gandhi waren seine Freunde.
Und trotzdem wurden ihm unzählige Türen vor der Nase zugeschlagen.
Kein Mensch hatte einen raueren Start im Leben als er. Er kannte weder seine Mutter noch seinen Vater und wusste nicht einmal, wann er geboren war. Er wurde als Schwarzer und als Sklave zu Beginn des blutigen Bürgerkrieges geboren, der die legale Sklaverei beendete. Er kam schon krank auf die Welt und es schien sicher, dass er noch in Windeln sterben würde. Nachdem er allen Naturgesetzen zum Trotz doch überlebte, hätte er eigentlich verkrüppelt und verbittert und mit versehrtem Geist heranwachsen müssen, denn Menschen wie ihm wurde Tag für Tag eingebläut, sie seien nicht mehr wert als die Arbeitsochsen; oft genug wurden sie noch schlechter behandelt. Aber sein ganzes Leben lang kämpfte er gegen diese Lüge. Er hegte auch keinen Groll gegen die Menschen, die so etwas sagten. Die Welt, die er sah, war nicht immer sonnig, aber sie war immer voller Hoffnung.
Er war schon über dreißig, als er seine Ausbildung endlich hinter sich gebracht hatte. Von Stadt zu Stadt war er durch den Mittleren Westen gezogen und hatte seine Arbeitskraft gegen Unterrichtsstunden eingetauscht, wo immer er eine Schule fand, die bereit war, einen schwarzen Jungen aufzunehmen. Seine ganze Jugend lang war die Landstraße sein Zuhause; Hunger und Kälte waren seine treuesten Gefährten. Aber er zog immer weiter und forschte und lernte, und dann flammte der Funke seiner unglaublichen Kreativität irgendwann auf und sollte nie mehr aufhören zu leuchten.
Seine Entdeckungen befreiten den amerikanischen Süden von der Tyrannei des Königs Baumwolle. Millionen von ausgemergelten und unfruchtbaren Äckern gab er die Lebenskraft zurück und fand dann neue, starke Anbauprodukte, die man darauf aussäen konnte. Menschen, die es nicht über sich brachten, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen oder ihn auch nur höflich anzureden, profitierten von seinem Genie und taten es gern. Er machte die Häuser verarmter Frauen und Männer in den Südstaaten heller und gab ihren Kindern etwas Hoffnung.
Obwohl er sich nie zu den Ungerechtigkeiten äußerte, die schwarze Menschen in einer weißen Welt erleiden müssen, wird irgendwann deutlich werden, dass er mehr als jede andere Einzelperson dafür getan hat, dass Schwarz und Weiß irgendwann friedlich und gleichberechtigt Seite an Seite leben können.
Dieser Mann hieß George Washington Carver. An jedem Tag seines Lebens arbeitete er unermüdlich und ganz praktisch daran, die Erde für alle Menschen ein bisschen reicher oder gesünder oder schöner zu machen – egal, welche Hautfarbe sie haben. Als er starb, waren alle, die lebten und noch leben würden, plötzlich ärmer geworden.