Читать книгу Einführung in das Studium der Kirchengeschichte - Lenelotte Möller - Страница 11
ОглавлениеIII. Periodisierung
1. Prinzipien der Gliederung
Das Fach Kirchengeschichte gliedert sich chronologisch in vier Bereiche, die gewöhnlich nach den großen historischen Epochen oder Perioden bezeichnet werden: (1) Kirchengeschichte der christlichen Antike oder der Alten Kirche; (2) Kirchengeschichte des europäischen Mittelalters; (3) Kirchengeschichte der Reformation und der frühen Neuzeit; (4) Kirchengeschichte der Neuesten Zeit und kirchliche Zeitgeschichte. Die Teilbereiche des Fachs umfassen unterschiedlich lange Zeiträume. Jene haben in den letzten Jahrzehnten unterschiedliche Forschungsschwerpunkte hervorgebracht.
Periode und Epoche
Zwischen Periode und Epoche wird unterschieden: Unter Periode versteht man den Verlauf einer Zeitspanne, die einen Anfang und ein Ende besitzt; unter Epoche ist ein „Haltepunkt in der Zeit“ zu verstehen, beispielsweise ein Zeitabschnitt innerhalb eines Jahres. „Periode verhält sich also zu Epoche wie Zeitraum zu Zeitpunkt, bestenfalls Zeitabschnitt. Epochen eröffnen, strukturieren und beenden in der Regel eine Periode“ (20, 77).
Periodisierungen der Geschichte sind möglichst allgemein gehalten. Die chronologische Einteilung der Geschichte in die großen Zeiträume Altertum, Mittelalter und Neuzeit geht auf die Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts zurück. Im späten 17. Jahrhundert wurde diese chronologische Unterteilung von den Lehrbüchern der Weltgeschichte übernommen; in der Kirchengeschichte wurde sie erst seit dem frühen 19. Jahrhundert üblich.
Doch wurden seitens der kirchengeschichtlichen Forschung verschiedene Periodisierungsvorschläge unter problemorientierten Gesichtspunkten gemacht. Bei jedem Versuch der Periodisierung ergibt sich allerdings das Problem der exakten Abgrenzung der jeweiligen Perioden. Dabei ist bei diesem Schema zu fragen: Wann beginnt das Mittelalter, wann die Neuzeit? Auch bei Unterscheidungen in mehrteiligen Konzepten ergeben sich ähnliche Fragen: Wann hört die Spätantike auf, und wann beginnt das Frühmittelalter? Heute bestehen kaum mehr Unterschiede zwischen der allgemeinen Geschichtswissenschaft und der Kirchengeschichte bei Antworten auf diese schwierigen Fragen.
In ihrem Buch „Übersichten zur Kirchengeschichte“ schlagen die evangelischen Kirchenhistoriker Manfred Sitzmann und Christian Weber die folgende Periodisierung vor (250, [9]):
Anfangsjahr (etwa) | Abschnitt | Großabschnitt |
50 | Alte Kirche vor Konstantin | Alte Kirche |
300 | Alte Kirche seit Konstantin | |
450 | Frühmittelalter | Mittelalter |
900 | Hochmittelalter | |
1300 | Spätmittelalter | |
1500 | Reformation | Reformationszeit |
1550 | Konfessionelles Zeitalter | |
1650 | Pietismus und Aufklärung | Neuzeit |
1800 | 19. Jahrhundert | |
1900 | 20. Jahrhundert | Neueste Zeit |
2. Vorschläge zur Grenzziehung
Die Grenzen der drei Zeiträume sind fließend. So stellt sich die Frage, wie der Zeitraum von 1500 bis 2013, den wir heute als „Frühe Neuzeit“, „Neuzeit“, „Neueste Zeit“ bzw. „Zeitgeschichte“ beschreiben, in späterer Zeit bezeichnet wird. Obgleich vielfach diskutiert, wird die Gliederung in „Altertum“, „Mittelalter“, „Neuzeit“ und „Neueste Zeit“ bzw. „Zeitgeschichte“ auch in der Kirchengeschichtsschreibung zugrunde gelegt. Periodisierungen der Geschichte sollten möglichst allgemein gehalten sein.
Grenze zwischen Antike und Mittelalter | |
Zeit, Ereignis | Begründung der Wahl |
313 Toleranzedikt zu Mailand | Ende der Christenverfolgungen im Römischen Reich; Wandel der Gemeinde |
380 Christentum Staatsreligion | Grundlegend neue Rolle des Christentums im größten Reich der Antike |
476 Abdankung des Romulus Augustulus | Ende der weströmischen Reichshälfte, Kirche unter dem Einfluss germanischer Fürsten |
496 Taufe Chlodwigs durch Remigius | Beginn der Durchsetzung des Katholizismus bei den germanischen „Völkern“ |
529 Gründung des Klosters Monte Cassino und Schließung der Akademie in Athen (die von Platon, d.h. in vorchristlicher Zeit, gegründet worden war) | Ursprung des Kloster- und Ordenswesens in mittelalterlicher Ausprägung und symbolische Beendigung der heidnischen antiken Schultradition |
Grenze zwischen Antike und Mittelalter | |
Zeit, Ereignis | Begründung der Wahl |
590 Gregor d. Gr. wird Bischof von Rom | Entscheidende Schritte zur Vormachtstellung des Papsttums in der westlichen Kirche |
622 Hedschra Mohammeds; Beginn der islamischen Zeitrechnung | Entstehung des Islam als bedeutendste konkurrierende Missionsreligion zum Christentum |
641 Eroberung Ägyptens durch islamische Truppen | Ende der christlichen Einheit des Mittelmeerraums |
800 Erneuerung der weströmischen Kaiserwürde durch Karl d. Gr. | Manifestation des fränkischen Königtums als Schutzmacht der Päpste |
Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit | |
Zeit, Ereignis | Begründung der Wahl |
1453 Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen | Verlust des Zentrums der Ostkirche, Auswanderung griechischer Gelehrter nach Westen, Horizonterweiterung der westlichen Theologie |
1492 Entdeckung Amerikas | Beginn einer weltweiten Missionsoffensive der christlichen Kirchen |
1517 Veröffentlichung der Thesen Luthers | Ende der Einheit der westlichen Kirche |