Читать книгу Perry Rhodan 3098: Letzte Rast bei Mu Sargai - Leo Lukas - Страница 7

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1.

Ein durchtriebener Plan

»Die Frist läuft ab«, sagte Gucky.

»In weniger als einer Viertelstunde«, bestätigte Perry Rhodan.

»Willst du's wirklich bis zum letzten Augenblick ausreizen?«

»Es handelt sich ja nicht um ein Ultimatum«, sagte Rhodan seelenruhig. »Sondern um Bedenkzeit, die ich erbeten habe und die mir gewährt wurde.«

»Schon, aber wir sind längst einsatzbereit. Der Plan steht. Nicht, dass ich ihn für so wahnsinnig genial hielte ...«

»Er wurde zusammen mit ANANSI und den führenden Strategen der RAS TSCHUBAI entwickelt. Wir haben ihn bis ins Detail ausgearbeitet und nach allen Regeln der Kunst überprüft.«

»Ja, ja. Ich weiß schließlich keinen besseren. Deshalb habe ich zugestimmt. Aber da alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, könnten wir ebenso gut gleich losschlagen.«

»Warum so ungeduldig, Kleiner?«

»Im Golem haben sie ebenfalls«, Gucky krümmte die Finger zu Anführungszeichen, »›führende Strategen‹. Und nicht zuletzt den wahrscheinlich besten, weil erfahrensten von allen.«

»Du meinst den zweiten Atlan.«

»Wen sonst? Ich bin sicher, dass er nicht bloß Däumchen dreht und darauf wartet, was uns eingefallen ist.«

Der Mann war schließlich ein absolut originalgetreuer Nachbau des echten Atlan da Gonozal und verfügte über praktisch dieselben Fähigkeiten.

»Ein paar Minuten Auf oder Ab machen wohl kaum einen Unterschied«, sagte Zemina Paath.

»Da wäre ich mir nicht so sicher. Perry und ich haben unzählige Male Situationen erlebt, in denen es auf Bruchteile von Sekunden ankam.«

»Nicht nur ihr.« Die Thesan sprach perfekt Interkosmo, wenn auch mit einem fremdartigen Akzent. »Und du weißt so gut wie ich, dass Voreiligkeit manchmal – wie sagt ihr? – ›in Teufels Küche‹ führt.«

Dabei ahmte sie Guckys Geste nach. Die hochgewachsene, fast elfenhaft grazile und doch sehr feminin proportionierte Humanoide hatte an der rechten Hand fünf Finger; an der linken hingegen fehlten die beiden äußeren. Auf allen verbliebenen, außer den Daumen, saßen verschieden gestaltete Fingerhüte, die keineswegs nur als Schmuck dienten. Unter anderem vermochte sie damit die Sensorgruben cairanischer Raumschiffe zu betätigen.

Um den schlanken, langen Hals lag eine handbreite Krause, ebenfalls vollgestopft mit hochwertiger Mikrotechnik. Bei Bedarf konnte ein Helm ausgefahren werden, der den Kopf halbkugelförmig umgab. Zeminas auffallend helle Haut kontrastierte stark mit den schwarzen, bläulich schimmernden, kurz geschnittenen Haaren.

Sie blickte Gucky aus blitzblauen Augen an, die ein wenig schräg standen und von schmalen Brauen überwölbt waren wie von dunklen Mondsicheln.

»Hou«, sagte sie. »Bist du nervös?«

»Ich bin nie nervös.«

Sowohl die Thesan als auch Perry Rhodan enthielten sich eines Kommentars. Gucky wusste trotzdem, dass sie ihm nicht glaubten. Er glaubte sich ja selbst nicht.

Was genau ihm an der Planung des kommenden Einsatzes missfiel, hätte er nicht sagen können. Da war bloß ein mulmiges Gefühl in der Magengegend ...

Er zog eine Mohrrübe aus der Oberschenkeltasche, biss die Spitze ab und kaute darauf herum.

*

Kurz nachdem die RAS TSCHUBAI aus dem Sternenrad gekommen und den Hyperfunkhinweisen nachgegangen war, hatte Perry Rhodan vom Kommandanten des Golems die Auslieferung Atlans gefordert.

Dies stellte er als Bedingung, damit die Galaktiker gemeinsam mit den Cairanern die Verwirklichung des Trajekts in Angriff nehmen könnten. Entsprechende Vorgespräche waren geführt worden.

Opt-Atlan hatte kühl erwidert, dass er keine Hilfe benötige. Wieso sollte er Atlan herausgeben und sich somit in eine schwächere Verhandlungsposition bringen?

Im Gegenteil hatte er dafür, dass der Golem den Kugelsternhaufen M 13 verließ, einen Preis genannt. Für seinen endgültigen Rückzug aus der Milchstraße verlangte er niemand anderen als Perry Rhodan, quasi als Back-up für Atlan!

Die Frist war auf drei Stunden Normzeit bemessen. Sein Angebot, hatte Opt-Atlan klargestellt, galt nur, wenn während dieser Zeitspanne kein einziges Raumschiff den Golem attackierte.

Dann hatte er, ohne weitere Gegenargumente zuzulassen, brüsk die Funkverbindung unterbrochen.

Der echte Atlan, dachte Gucky, würde ganz genau so vorgehen.

*

Rhodan hatte sofort beschlossen, das Angebot anzunehmen; freilich auf seine Weise.

Er wollte diese vielleicht letzte Gelegenheit nutzen, in den Golem vorzudringen. Jedoch nicht, um sich dem Supramentum zu ergeben oder gar zur beliebigen Verfügung zu stellen – sondern um Atlan zu befreien.

Das war das Ziel der unmittelbar bevorstehenden Kommandoaktion. Gucky, der sich unverzüglich als Mitglied des Einsatzteams nominiert hatte, wusste nach wie vor nicht, was er von dem getroffenen Arrangement halten sollte.

Perry, Zemina und er saßen in der Steuerkanzel einer Space-Jet der ZALTERTEPE-Klasse, in Kontursesseln, Rhodan arbeitete dabei an den Kontrollen. Sie trugen maßgeschneiderte schwere SERUN-Kampfanzüge, auch die Thesan. Sonst trug sie fast immer eine hautenge, einteilige Kombination aus einem rötlich changierenden Stoff, auf dem sich blaue Bahnen und Linien abzeichneten, als könnte man ihre Organe sehen.

Das diskusförmige, 36 Meter durchmessende Beiboot war vollgepackt bis zum Rand. Sie hatten zwei Notfalltransmitter an Bord, deren Reichweite zehn Lichtstunden betrug.

Außerdem waren zehn Kampfroboter vom Typ TARA-IX-INSIDE über den Innenraum verteilt. Sie nutzten förmlich jede Nische.

Es handelte sich um Konstruktionen mit einem kegelstumpfförmigen Rumpf und vier Multifunktions- und Waffenarmen. Der Basisdurchmesser betrug 65 Zentimeter, die Gesamthöhe mitsamt dem halbkugeligen Ortungskopf 1,90 Meter.

In Ruhestellung schmiegten sich die Arme an den Grundkörper. Beine hatten die speziell für den Einsatz in geschlossenen Räumen entwickelten Maschinen nicht. Ihre Fortbewegung erfolgte auf Antigrav- oder Prallfeldern.

Die Zentral-Individual-Steuerung war biopositronisch ausgelegt. Die Offensivbewaffnung bestand aus je einem Impuls- und Intervallstrahler sowie zwei Kombistrahlern, wahlweise im Thermo-, Desintegrator- oder Paralysator-Modus einsetzbar. Zudem war ein Traktorstrahlemitter eingebaut. Als Defensivsystem diente ein Hyperenergie-Überladungsschirm. Alles in allem große Kaliber.

Gucky war kein großer Fan von Kampfrobotern. Wenn überhaupt, mochte er sie nur als passive Bestandteile eines von ihm selbst dirigierten, telekinetischen Balletts. Jedoch leuchtete auch ihm ein, dass in diesem Fall eine gewisse kybernetische Rückendeckung angeraten war.

Weiterhin hatten sie, als wäre es nicht schon eng genug, Zemina Paaths Paau an Bord genommen. Der 160 Zentimeter hohe und je einen Meter breite und tiefe Koffer war aus einem blauen, fein gemaserten Material gefertigt. Er glänzte metallisch. Die Oberfläche fühlte sich jedoch, wie Gucky mittlerweile wusste, wie warmes Leder oder Haut an.

Gelegentlich, hatte er gehört, musizierte die Thesan mit dem merkwürdigen Gerät, wobei sie es als paukenähnliches Schlaginstrument benutzte, das rhythmische, aber auch melodiöse Geräusche erzeugte. Manchmal erweckte Zemina den Eindruck, dass sie vermittels dieser Klänge mit jemandem kommunizierte; manchmal schlief sie sogar im Paau.

Ein Signal ertönte. Gucky musste nicht auf das Chronometer sehen, um sich zu vergewissern, dass die Dreistundenfrist abgelaufen war.

»Nun denn«, sagte Perry Rhodan.

*

Sie starteten.

Aber die RAS TSCHUBAI, das riesige Trägerraumschiff, katapultierte beileibe nicht nur diese eine Space-Jet ins Weltall hinaus. Die Beiboot-Hangars entluden Dutzende gleicher oder sehr ähnlicher Flugobjekte.

Das war ein wesentliches Element des Plans: Aus Sicherheitsgründen flogen Rhodan und seine Gefährten im Schutz einer ganzen Flottille von ZALTERTEPE- und anderen Space-Jets.

Man wollte ja nicht abgeschossen werden ... Sollte der Golem, entgegen des verabredeten Waffenstillstands, das Feuer eröffnen, war die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass er sofort die richtige Jet traf.

Perry Rhodan teilte sein Misstrauen auch offen dem Golem und dessen Besatzung mit. Der zuvor aufgezeichnete Hyperfunkspruch wurde zeitgleich über alle anfliegenden Schiffe ausgestrahlt.

»Rhodan an Opt-Atlan: Ich akzeptiere dein Angebot. Du wirst verstehen, dass ich die Distanz zwischen unseren Schiffen nicht ohne Deckung überbrücke. Ich komme, aber ich komme nicht allein.«

»Gewährt«, lautete die trockene Antwort.

Gucky vermeinte, einen leicht säuerlichen Tonfall herausgehört zu haben ...

Ihm, Perry und Zemina war klar, dass sie sich mitnichten in Sicherheit wiegen durften. Obwohl sich keine Originalquelle der Funknachricht identifizieren ließ, lieferte sich Rhodan gewissermaßen trotzdem aus. Spätestens in dem Moment, in dem er den Golem betrat, konnte er eindeutig identifiziert und angegriffen werden.

Aber vorrangig ging es darum, den Golem überhaupt zu erreichen.

Dann, an Bord, würde Perry zweifelsohne in Gefahr geraten. Allerdings hatte er Zemina samt ihres Paau dabei, und nicht zuletzt Gucky.

Hm. Als hätte Opt-Atlan nicht von vornherein mit mir gerechnet ...

*

Um sich von seinen unliebsamen Vorahnungen abzulenken, konzentrierte Gucky sich auf die holografischen Anzeigen des Diskusraumers und versuchte sich zu orientieren.

Da war die Bleisphäre. Sie durchmaß rund 35 Milliarden Kilometer, bei einer Dicke von etwa 137 Millionen Kilometern. Die nicht ganz scharfe Grenze präsentierte sich als abgrundtiefes, aber undurchdringliches, silbrig-bleigraues Wabern.

Die Bleisphäre umfasste alle Planeten des Arkonsystems, nicht aber die ein gutes Stück weiter außen liegende Oortsche Wolke aus Gesteinsbrocken und Eiskometen. Diese wurde durch die weiterhin vorhandene gravitative Wirkung des Systems im gleichen Zustand wie zuvor gehalten. Brocken, die als Kometen in Richtung des Systems wanderten, verschwanden auf Nimmerwiedersehen in der Sphäre.

Das Herz ihres Reiches zu verlieren hatte die Arkoniden schwer getroffen, insbesondere da der Anfang zeitgleich mit dem Abtritt des letzten reellen Imperators erfolgt war. Durch die nach der dys-chronen Scherung aus dem Atopischen Konduktor auf Arkon III entstandene Bleisphäre war für sie das Heimatsystem nun ebenso entrückt wie das Ewige Imperium.

Daher hatte es sich eingebürgert, nicht mehr über das Arkonsystem zu sprechen. Die Bleisphäre wurde gleichfalls nur erwähnt, wenn es unumgänglich war, und selbst dann widerwillig. Vermutlich handelte es sich jedoch nicht um einen dem Terranischen Odium vergleichbaren, extern induzierten Effekt, sondern um ein echtes psychisches Trauma.

Wie auch immer: Die Messdaten der Bleisphäre selbst zeigten entweder chaotische und widersprüchliche Werte oder gar nichts, als wäre das System nicht mehr vorhanden oder zumindest ortungstransparent. Es war, als wendete sich die Bleisphäre von der Realität ab.

Die Wissenschaftler vor Ort hatten dafür den Ausdruck Realitätsgezeiten geprägt: Realisation und De-Realisation oszillierten hin und her. Der Wechsel zwischen diesen beiden Phasen ließ sich nicht verlässlich vorhersagen.

*

Aktuell etwa zwei Lichttage von der Bleisphäre entfernt befand sich das Sternenrad der Cairaner: ein Doppelsystem aus zwei rot-orangefarbenen Sonnen, die um den gemeinsamen Schwerpunkt eines Weißen Loches kreisten.

Von diesem austretende Energie- und Materieströme bildeten Lichtfontänen, einen das ganze Gebilde umgebenden »Weißen Schirm«, der Betrachtern den optischen Eindruck eines sich drehenden Rades vermittelte. Tatsächlich bestand es aus zwei Teilen, einem oberen und einem unteren. Die beiden flachen Hemisphären rotierten langsam, kaum sichtbar gegenläufig.

Das Sternenrad bewegte sich per Hyperschub überlichtschnell durchs Universum. Die enorme Maschinerie, die das bewerkstelligte, beruhte nicht auf cairanischer Technologie, sondern auf Beutestücken der Vecuia, die diese eigentlich hätte entsorgen sollen. Jene Relikte stammten aus der Mächtigkeitsballung der Superintelligenz HATH'HATHANG.

Brisant an der regionalen Lage war, dass das Sternenrad auf die Bleisphäre zudriftete, ja eigentlich sogar darauf zustürzte. Interferenzen unbekannter Art traten zwischen den vom Hyperschub ausgelösten hyperphysikalischen Phänomenen und der Bleisphäre auf.

Die Wissenschaftler der RAS TSCHUBAI und ihre Kollegen auf den Schiffen anderer beteiligter Parteien befürchteten, dass das Sternenrad außer Kontrolle geriet. Wenn das nicht bereits geschehen war ...

Drohte die Bleisphäre das exotische Doppelsonnensystem mit vielen Milliarden Lebewesen in den Untergang zu reißen? Und falls das Sternenrad unkontrolliert in die Bleisphäre eintauchte – welche katastrophalen Folgen würde dies für den gesamten Kugelsternhaufen M 13 nach sich ziehen?

*

Auf einem Drittel der Strecke zwischen Bleisphäre und Sternenrad – also in einer Entfernung von etwa 17 Milliarden Kilometer, wo die Realitätsgezeiten nicht mehr schlagend wurden – hatte der Golem Position bezogen. Die RAS TSCHUBAI wiederum stand zwei Lichtstunden vom Golem Richtung Sternenrad.

Die Flottille der ausgeschleusten Space-Jets bewegte sich mit etwas über 50 Prozent der Lichtgeschwindigkeit auf den Raumriesen zu, der aus der Kopplung der Pseudo-THORA mit zwei ähnlich gigantischen cairanischen Augenraumern entstanden war. Das Gebilde wirkte wie ins Monströse entstellt: eine neue militärische Supermacht, die sich zwischen allen Stühlen befand und sich von allen verfolgt wusste oder glaubte.

Aufgerüstet mit Unmengen von Vitalenergie, mit Bioplikaten und zahlreichen Futuroskopen ...

Ein Teil des Schwarms aus Diskusbeibooten flog den Golem offen an, in weit gefächerter Formation. Etwa ein Drittel hatte die LAURIN-Antiortungssysteme aktiviert, einen hochklassigen Schutz vor Tastern und Ortern mittels Eigenemissionsdämpfern, Hypertaster-Deflektoren und Librationstarnern.

Die ZALTERTEPE-Jets, darunter jene, in der sich Gucky und seine Kameraden befanden, benutzten den Paros-Schattenschirm. Durch Teilentmaterialisierung oder »halbstoffliche Entrückung« hatten sie sich für den außenstehenden Beobachter in unscharfe, flimmernde, dreidimensionale Schatten verwandelt. Da sie in einen höhergeordneten Zwischenzustand verschoben waren, brachten sie anderen Körpern keinen Widerstand mehr entgegen.

Kombiniert mit einem Deflektor waren die derart getarnten Schiffe für Fremdortung so gut wie unsichtbar. Auch normaloptisch, weil nichts reflektiert wurde. Selbst vor dichtem Sternenhintergrund oder dahinter passierenden, beleuchteten Objekten sollte sich nicht einmal ein Schatten zeigen.

Nach menschlichem Ermessen, dachte Gucky.

Freilich wusste niemand, ob der Golem, aufgrund seiner ungeheuren Ansammlung von rigoros abgeernteter Vitalenergie, inzwischen nicht selbst darauf vorbereitet war.

Perry Rhodan 3098: Letzte Rast bei Mu Sargai

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