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2.

Die Dohle und der Kompass

Ich hatte einen Stein im Schuh.

Es waren alte, feste Schuhe, oft getragen, abgewetzt, aber noch ganz gut in Schuss. Schlichte Modelle ohne Schnickschnack. Die Verschlüsse öffneten sich nicht auf Zuruf, sondern mussten von Hand betätigt werden.

Nachdem ich das Steinchen zusammen mit einigen Grashalmen und Blättern hinausgeschüttelt, den Schuh wieder angezogen und mich aufgerichtet hatte, merkte ich erst, wie müde, hungrig und durstig ich war. Aber ich hatte keinen Proviant, keine Wasserflasche.

Ganz zu schweigen von einem Antigravgürtel, um das Gewicht des Rucksacks zu mildern. Das Schwerste daran war die Leere darin.

Ich stapfte weiter.

Der Weg schlängelte sich eine steile Bergflanke hinan. Dürre Dornbüsche stellten die einzige höhere Vegetation dar.

Auf bis zu fingerlangen Stacheln waren verschiedene Käfer, aber auch Mäuse und andere kleine Wirbeltiere aufgespießt. Manche Tiere, erinnerte ich mich, legten solche Vorratsplätze an, beispielsweise der terranische Neuntöter.

So groß war mein Hunger nun auch wieder nicht, dass ich ernsthaft erwogen hätte, mich an den Tierkadavern zu bedienen ...

*

Leichter Nieselregen fiel. Feuchter Bodennebel stieg auf und hüllte mich ein.

Das kümmerte mich nicht. Meine dünne Kleidung war sowieso schon vom eigenen Schweiß komplett durchnässt. Wenn mich Windböen trafen, schlotterte ich vor Kälte.

Trügerischer Untergrund hemmte mein Vorankommen. Manchmal versank ich knöcheltief im Schlamm. Dann wieder rutschte ich, da die Sohlen kaum noch Profil hatten, auf losem Geröll meterweit zurück.

Gelegentlich musste ich, um nicht zu straucheln und abzustürzen, die Arme zu Hilfe nehmen. An scharfkantigen Steinen scheuerte ich mir Fingerkuppen und Handflächen blutig.

Die Serpentinen endeten vor einem Felskamin. Den Rücken an die eine Seitenwand gepresst, die Beine gegen die andere gestemmt, kletterte ich hoch.

Meine Jacke verfing sich in einem hervorstehenden Eisenstift. Beim Versuch, sie freizubekommen, riss ich sie entzwei.

Oben verlor sich der Weg zwischen Krüppelkiefern. Die krummen Gewächse bildeten ein nahezu undurchdringliches Dickicht. Bis zu zehn Zentimeter lange Nadeln zerkratzten mir Arme und Gesicht.

Keuchend kämpfte ich mich durch den Latschenfilz. Der intensive Harzgeruch und die von den Legföhren gespeicherte Hitze drohten mir den Atem und die Besinnung zu rauben.

Unangenehme Fragen drängten sich auf. Seit wann war ich so empfindlich?

Meine Kondition ließ sehr zu wünschen übrig. Immer wieder musste ich anhalten, um meinen Pulsschlag einigermaßen zu normalisieren.

Und sollten die zahlreichen kleinen Wunden nicht eigentlich viel schneller verheilen?

*

Ich konzentrierte mich darauf, das Gleichgewicht zu bewahren, um nicht von den verbogenen, nassen Stämmen und Wurzeln, auf denen ich balancierte, abzugleiten. Das hätte gerade noch gefehlt, dass ich mir den Knöchel verknackste!

Im Gewirr der bis zu drei Meter hohen, strauchartigen Nadelbäume war es unmöglich, einen auch nur ungefähr geraden Kurs zu halten. Ständig zwangen mich unüberwindliche Hindernisse und Sackgassen zu Richtungsänderungen.

Nach einiger Zeit musste ich mir eingestehen, dass ich jegliche Orientierung verloren hatte. Ich hätte auch nicht mehr dorthin zurückgefunden, woher ich gekommen war.

Woher war ich überhaupt gekommen?

Es gab keinerlei markante Punkte in der Umgebung. Der Himmel war von eintönig grauen Wolken verhangen. Ohnehin reichte die Sicht nur 20, vielleicht 30 Meter weit.

Etwas traf mich am Kopf. Gleich noch einmal, während ich herumfuhr und nach dem Schützen Ausschau hielt. Ein drittes, eiförmiges Ding flog auf mich zu, braun und aus zahlreichen kleinen, spröden Prismen zusammengesetzt.

Ich duckte mich mühelos weg. Dennoch war ich verdutzt.

Jemand bewarf mich mit Samenzapfen!

Auf einem Menhir, der das Gestrüpp überragte, saß eine Dohle. Eben hob sie im Schnabel einen weiteren Zapfen hoch, holte aus und schleuderte mir das Wurfgeschoß entgegen.

Während ich es mit dem Unterarm abwehrte, rief ich unwillkürlich: »He! Was soll das?«

Zu meiner nicht geringen Überraschung antwortete der Vogel: »Wie sonst könnte man dich Schlafwandler dazu bringen, nicht bloß deine Treter anzuglotzen?«

Spätestens in diesem Moment war ich mir sicher, irgendwie in eine Art Traumwelt versetzt worden zu sein. Allerdings erlebte ich die Schmerzen und die Erschöpfung äußerst realistisch.

»Wo bin ich? Was ist das hier?«

»Keine Ahnung«, krächzte die Dohle. »Hast dich hoffnungslos verirrt, würde ich meinen.«

»Kannst du mir helfen? Mich aus diesem Labyrinth führen?«

»Mal sehen.« Der Vogel flatterte hoch und verschwand im Nebel.

Einige Atemzüge später kam er zurück. »Wohin willst du, hinauf oder hinunter?«

Ich horchte in mich hinein, ergebnislos. »Weiter hinauf, glaube ich.«

»Glaubst du, soso. Du weißt gar nichts. Kennst du wenigstens deinen Namen, Atlan da Gonozal?«

»So heiße ich, ja.«

»Na immerhin etwas. Dann will ich mich gleichfalls nicht lumpen lassen. Folge mir!«

*

Die Dohle flog voraus.

Ich quälte mich hinterher. Obwohl ich mich körperlich ausgepumpt und geistig keineswegs frisch fühlte, versuchte ich meine Lage zu analysieren.

Ganz offensichtlich war ich nicht im Vollbesitz meiner Kräfte. Mir fehlte mehr als bloß die geeignete Ausrüstung für eine Bergtour. Weit mehr, spürte ich – aber was genau, hätte ich nicht zu benennen vermocht.

Dieser Mangel, diese Mängel bedrückten und belasteten mich. Der Rucksack war leer, nicht wahr? Peinlich leer ... Ihn abzustreifen, kam jedoch nicht infrage. Das war keine Ahnung, sondern Gewissheit.

Warum? Weil es die Regeln verletzt hätte.

Also gab es, anders als in vielen Träumen, an diesem Ort dauerhaft gültige Regeln. Aber wer hatte sie aufgestellt? Und zu welchem Zweck, mit welchen Hintergedanken?

Endlich gelangten wir aus dem Irrgarten der Latschenkiefern und an eine Scharte zwischen zwei Gebirgsrücken, die sich links und rechts bis in die Wolken aufschwangen. Vor uns breitete sich eine weite, schneebedeckte Hochebene aus, zerklüftet von Gletscherspalten und Dolinen.

»Und jetzt?«, rief ich der Dohle zu.

Der Vogel landete auf meiner Schulter. »›Und jetzt?‹«, äffte er mich nach. »Woher soll ich das wissen?«

Ich deutete nach vorne. »Dort ist kein Weg erkennbar. Wenn ich auf gut Glück losmarschiere, besteht höchste Gefahr, dass der Boden unter mir nachgibt und ich abstürze. Oder dass ich eine Lawine auslöse und verschüttet werde.«

»Tja, da ist guter Rat teuer.«

»Willst du mich verhöhnen oder um eine Belohnung feilschen?«

»Haha«, krächzte die Dohle. »Als hättest du mir viel zu bieten, in deinem erbärmlichen Zustand!«

»Du weißt, wer ich bin. Folglich besteht zwischen uns eine Verbindung. Und du? Wer oder was bist du? Hast du einen Namen?«

»Erst, wenn du mir einen gibst. Denk nach, Atlan! Fällt dir denn gar nichts Originelles ein?«

Ärgerlich verneinte ich.

»Schwach, schwach.« Die Dohle zwickte mich ins Ohr.

»Au! Lass das!«

»Dummer Kristallprinz, du wirst noch froh sein, wenn ich dich hin und wieder pikse. Ohne mich wärst du verloren. Schlimmer sogar: unvollständig.«

Ich hatte nicht übel Lust, dem gefiederten Quälgeist einen Schlag zu versetzen. Aber das wäre ein Regelverstoß gewesen.

Außerdem wusste ich intuitiv, dass er recht hatte. Ich brauchte ihn. Er gehörte zu mir, seit Langem. »Hilfst du mir, oder willst du dich länger in Andeutungen ergehen?«

»Ach, ich würde dir gerne unter die Arme greifen«, krächzte der Vogel. »Aber ich bin selbst nur die Hälfte eines von drei Teilen, die du benötigst, um wieder ganz du zu werden.«

Er stieß sich ab, nicht ohne mir die Krallen in die Halsbeuge zu bohren, und flatterte einige Meter auf das Schneefeld hinaus.

»Wo finde ich deine andere Hälfte?«, rief ich.

»Unter dem Harsch, natürlich.«

»An welcher Stelle? Zeig sie mir!«

»Nur du kannst wieder ans Licht bringen, was verborgen liegt. Kapierst du denn immer noch nicht? Es sind deine eigenen Erinnerungen, in denen du gräbst, Narr!«

*

Kurz war ich wie vor den Kopf gestoßen. Dann verstand ich.

Nach wenigen vorsichtigen Schritten, bei denen ich tief einsank, hockte ich mich hin und wühlte mit bloßen Händen im kalten, an der Oberfläche zu körnigem Firn gefrorenen Schnee. Mit der Zeit wurden meine Finger taub.

Das hatte den Vorteil, dass ich auch nicht mehr spürte, wie mir die Haut in Fetzen abging. Freilich sah ich die Blutstropfen, die rings um die Grube den Schnee rot färbten.

Schließlich förderte ich ein Kästchen zutage, einen etwa zehn Zentimeter durchmessenden und ebenso hohen Zylinder, den eine transparente Halbkugel überwölbte. Darin zitterte, drehbar gelagert, eine Nadel.

»Ist das ein Kompass?«, fragte ich.

»Was sonst?«, erwiderte die Dohle, die sich abermals auf meiner Schulter niedergelassen hatte. »Hach, endlich wieder vereint! Hast du mich vermisst, Narr?«

»Sehr«, gab ich zu.

Vogel und Kompass, erkannte ich, repräsentierten in dieser Welt meinen Extrasinn und Logiksektor: Erweiterungen der Gehirnkapazität, die mir im Rahmen der ARK SUMMIA verliehen worden waren.

Das lag lange zurück ... oder auch nicht. Ich hatte ja ebenso wenig Anhaltspunkte, wo ich war, wie wann.

Gleichwohl fasste ich neue Zuversicht. Und vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ich hatte das Gefühl, dass auch mein Rucksack ein wenig leichter geworden war.

*

Vertrauensvoll gingen wir in die Richtung, die mir die Kompassnadel wies. Im Zickzack wichen wir den Spalten und Senken aus und wohl auch einer ganzen Reihe von anderen Gefahren, die ich mit bloßem Auge nicht als solche erkannt hätte.

Trotzdem war es eine Tortur. Mein Geist hatte sich geklärt. Meine Konstitution hingegen war nach wie vor angegriffen.

Die halb erfrorenen, wunden Finger pulsierten schmerzhaft. In meinen Beinmuskeln kündigten sich Krämpfe an. Den Durst hatte ich mit Schnee gestillt. Umso lauter knurrte mein Magen.

Ich lechzte nach Erholung. Allerdings gestattete mir die Dohle keine Pause.

»Es wird nichts besser, wenn wir trödeln«, belehrte mich der Extrasinnvogel.

Ich glaubte ihm. Schon ging er mir auf die Nerven. Wie seit einer halben Ewigkeit, verfluchte ich ihn für seine gnadenlos unverzichtbare Präsenz.

Das Ende der Gletscherzunge neigte sich leicht nach unten. Hart an der Grenze, dort, wo es auf die umrahmenden Felsbrocken stieß, stand ein Iglu.

Im Näherkommen sah ich, dass Rauch aus der Öffnung im Zenit der Eiskuppel aufstieg. »Ist das unser Ziel?«

»Nochmals: Woher soll ich das wissen?«, ätzte die Dohle. »Aller Wahrscheinlichkeit nach befinden wir uns in einer Ausformung deines Unterbewusstseins. Darauf hast du mehr Zugriff als ich.«

»Aber du konntest mir den Weg weisen. Und du hast zwei weitere Komponenten erwähnt, nach denen ich suchen soll.«

»Bei den Zwölf Heroen, wie begriffsstutzig kann jemand sein? Doch nur, weil ich ebenfalls Teil deiner Persönlichkeit und Erinnerungen bin!«

»Könntest du dich dann nicht wie gewohnt als reine Gedankenstimme manifestieren? Deine Krallen tun mir weh, und du hast mir schon zweimal den Kragen mit ... na ja, bekleckert.«

»Gute Idee.« Der Vogel legte den Kopf schief. »Aber nein. Tut mir leid, das bleibt bis auf Weiteres so.«

»Die Regeln.«

»Ja, die Regeln.«

*

Die Kompassnadel pendelte sich auf den Iglu ein. Also gingen wir hin.

Der Radius der Halbkugel betrug etwa fünf Meter. Ein grob bogenförmiger, nicht ganz mannshoher Vorhang aus dicken Fellen an der uns zugewandten Seite verschloss den Eingang.

Ich schob die mehrlagigen, tranig müffelnden Pelze zur Seite, bückte mich und zwängte mich hindurch. Drinnen war es düster, aber erfreulich warm.

Nachdem meine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, erkannte ich eine rötlich glosende Feuerstelle. Die Wände wiederum schillerten in matten Blau- und Grüntönen.

Jeder einzelne Eisziegel zeigte ein anderes, meist bewegtes Bild, als handelte es sich um zweidimensionale Monitore: Zeichentrickfiguren verschiedenster Gestalt, die einander auf vielfältigste Weise malträtierten, folterten und verstümmelten.

Auf einer runden, üppig gepolsterten Bank zwischen Herd und Wand lag, die Beine in geringelten Wollstrümpfen lang ausgestreckt und übereinandergeschlagen, eine junge Frau, fast noch ein Mädchen. Die rotblonden Haare waren zu zwei langen, lockeren Zöpfen geflochten. Silberne Piercings funkelten an den Nasenflügeln und der vollen Unterlippe, auffällig, aber ohne das hübsche Gesicht wesentlich zu entstellen.

Die Jugendliche schrak nicht im Mindesten auf. Sie hob bloß die Augenbrauen und sagte, ganz entspannt und leichthin, etwas in einer mir unbekannten Sprache.

»›Da bist du ja‹«, übersetzte mein Logikvogel.

»Wieso verstehst du sie«, raunte ich ihm zu, »und ich nicht?«

»Schon vergessen, dass ich dein Extrasinn bin?«, gab er mit tadelndem Unterton zurück.

»Nein, aber ...«

»Sei einfach leise!«

Mit einer einladenden Handbewegung wies die junge Frau auf einen Topf, der auf einem dreibeinigen metallischen Untersetzer inmitten der glühenden Kohlen stand. Gerüche strömten davon aus, so verlockend würzig, dass mir das Wasser im Mund zusammenlief.

»Ich sterbe vor Hunger«, sagte ich. Das war die reine Wahrheit. »Darf ich ...?«

Sie lächelte, griff hinter sich, reichte mir eine Schüssel, einen Löffel und eine Schöpfkelle. Gierig füllte ich das Gefäß. Ich musste mich sehr beherrschen, um die Speise, ein köstlich schmeckendes, sämiges Gericht, nicht hemmungslos hinunterzuschlingen.

»Seehundleber?«, zischelte mir die Dohle ins Ohr.

»Hä? Im Hochgebirge?«

»Im Iglu. Aber toll, wie du dich an rationalen Überlegungen festklammerst!«

Tatsächlich vermeinte ich überwiegend geschmortes Wurzelwerk und eine Vielzahl gesottener Kräuter identifizieren zu können. Bröckchen von herbem, mürbem Fleisch deuteten auf alpines Hufwild hin.

Mir war momentan sowieso alles egal. Ich schlemmte genüsslich, mit Mühe verhalten, langsam, den kleinen Finger abgespreizt wie bei einem arkonidischen Diplomatenempfang; aber unausgesetzt, Löffel für Löffel.

Die junge Frau lachte fröhlich. Ihre Kiefer mahlten. Sie produzierte eine Kaugummiblase, die sie groß und immer größer aufblies, bis sie fast das gesamte Innere des Iglus ausfüllte. Dann spannte sie zwischen Mund und Zeigefinger einen Faden und schnippte ihn weiter, durch den Rauchabzug hinaus, scheinbar bis in die Unendlichkeit.

Als ich satt war, bedankte ich mich. Meine Gastgeberin stieß einen perlenden Wortschwall aus.

Ich hörte nur unverständliche Silben, dazwischen fing ich jedoch zwei Namen auf: »Atlan« und »Mu Sargai«.

Plötzlich hatte ich eine Gänsehaut.

*

Von einer Mu Sargai hatte Zemina Paath berichtet. Sie war eine Kosmokratin, für die die Superintelligenz VECU diverse Aufträge übernommen hatte.

Zu den Völkern der Vecuia, ihrer Mächtigkeitsballung im rund 265 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernten Perseus-Haufen, zählten neben den Thesanit auch die Cairaner, Ladhonen und Shenpadri. Hauptsächlich spürten sie potenziell gefahrvolle Hinterlassenschaften sterbender Superintelligenzen auf, dokumentierten und taxierten die Relikte und beseitigten sie sodann.

Irgendwann war die Kosmokratin für die VECU nicht mehr erreichbar gewesen. Die Superintelligenz hatte erklärt, Mu Sargai befände sich wohl in einer »spezifischen Einkehr«. Möglicherweise hatte sie sich dorthin wegen des Konflikts mit einer anderen Angehörigen der Hohen Mächte zurückgezogen.

Und nun fiel ihr Name in diesem seltsamen Iglu. Die Jugendliche, die mich verköstigte, bezeichnete damit, wie ihrer Gestik zu entnehmen war, keinen anderen als sich selbst!

Aber passte dies denn nicht zu der surrealen Bergwelt, in der mein Logiksektor und Extrasinn als Kompass und sprechende Dohle erschienen?

Mir wurde endgültig klar, dass mein Gegenüber in Wahrheit kein Mensch war. Sondern eine immaterielle Präsenz, von der mich etwas wie Eishauch anwehte. Ein Spuk, eine Art Film oder Folie ...

Das Ungeheure, das sich hinter dieser Gestalt verbarg, wurde von ihr weniger repräsentiert als vielmehr verstellt. Die Figur war optischer Balsam, der mir den Blick auf die Wirklichkeit ersparte.

*

»Sie sagt, sie wäre bloß die Neunte«, übersetzte der Vogel.

»Die neunte was?«, gab ich ebenso leise zurück.

»Keine Ahnung. Was sie und der Gletscher dir spenden konnten, hast du erhalten. Nun musst du Mutter Sargai suchen. Aber davor die Zehnte, denn du brauchst noch die restlichen zwei von dreien, um dich ihr stellen zu können.«

Ich seufzte. »Höhere Wesenheiten und ihre kryptischen Aussagen! Gibt es Herzerfrischenderes?«

»Sei nicht undankbar! Zumindest hast du dir den Wanst vollgeschlagen.«

Die junge Frau setzte sich auf, beugte sich vor und blies in die Glut. Schwarze Flammen loderten empor und erloschen gleich wieder. Dann wischte sie mit einer Armbewegung die ganze Feuerstelle beiseite wie einen Gazeschleier.

Eine Falltür kam zum Vorschein, öffnete sich knarrend und legte eine senkrecht in die Tiefe führende Leiter frei. Meine jugendliche Gönnerin bedeutete mir unmissverständlich, dass ich hinabsteigen sollte.

Ich befolgte die Anweisung.

Perry Rhodan 3098: Letzte Rast bei Mu Sargai

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