Читать книгу Die Wölfin - Leo Tuor - Страница 6
ОглавлениеOria, die greise Stammmutter, liegt Nase zur Decke unter schweren Federbetten, schließt für lange Momente die Augen. Man sieht nur den Kopf im weißen Kissen. Und auf dem Kopf die weiße Spitzenhaube der Großmütter, die in den Märchen im Bett liegen.
Der Bub steht in der Tür, verdeckt ein Auge mit der Hand und kneift das andere zu, um besser fantasieren zu können. Er stellt sich vor, dort im Bett sei nur ein Kopf. Wenn er von dieser Vorstellung genug hat, stellt er sich eine vollständige Oria vor, aber mit dem Kopf einer Wölfin unter der Spitzenhaube. Dann wird Oria grün, ihre Nase wird lang und flach, bekommt etwas von einer riesigen Mundharmonika, und Zähnchen schauen seitlich heraus, als ob sie lachen würde.
Oria ist ein Krokodil mit Großmutterhaube.
Die Alte öffnet die Augen und fragt: Bub, was machst du?, und er erzählt, und sie zeigt sich vom Nachkommen beeindruckt.
Oria war keine Urgroßmutter, die von Rotkäppchen erzählte. Orias Wolf war die säugende Wölfin, die Wölfin von Rom.