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Vorwort

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Es ist schwer zu sagen, weshalb die Menschen fliegen, und leicht, weshalb der Mensch fliegt. Die Bedingungen des Naturells und der Lebensführung schwanken mit dem einzelnen und bestimmen sein Verhältnis zu den Begleiterscheinungen des Fliegens: er ist Amateur oder Professional und reagiert mehr auf das Stichwort Geld oder Ruhm oder Gefahr.

Dies ist zu verschieden und zu persönlich, als dass es sich auf eine Formel bringen ließe, und rührt nicht an die Wurzel aller Gründe, in die wir unser Schicksal pflanzen: die eingeborene Entschließung, unser Lebensgefühl zu erhöhen. Der Mensch giert nach Bereicherung, nach einer Überwindung der Gebundenheit, die seine süße an die Erde kettet. Wir sind Erde — aber sind wir nicht auch Wasser und sind Luft?

Es ist der Sinn des Menschen, die ideelle Harmonie der Welt bewusst zu machen. Ein jeder deute sich auf seine Weise.

Alle Künste sind dazu erlaubt: die Kombinationen des Verstandes, die Ekstasen des Gebetes, der Rhythmus der Musik, die reflektierten Leidenschaften des Theaters, der Kampf mit der Gefahr, die stärker ist als wir.

Brunst und Inbrunst sind von gleicher Artung: das Ich will über sich hinaus ins Bleibende.

Was kämpferisch nach außen schlägt, ist noch als gröbster Knüttel Sinnbild jenes Dranges, für den wir den Begriff der Seele fanden. Geld, Ruhm, Gefahr sind nichts als der konkrete und subjektive Ausdruck, dass Werte auf dem Spiele stehen.

Wir werten nach dem Einsatz, und der höchste Einsatz ist das Leben: ihr meine Freunde, liebt ihr deshalb die Gefahr? Werft euer Leben von euch und springt nach, werft euer leichtes Leben in die Lüfte und lernt fliegen? Die wilde Freude nach dem Siege ist das gewonnene Bewusstsein eines Wertes, den ihr aufs Spiel setzt, um ihn zu erkennen: ist das bewusste Leben, das sich vom Tode aus belebt.

Dem Dichter aber ist der Flug: sinnfällige Formel für den eingeborenen Zwiespalt, dessen Überwindung nie vollendet ist, sichtbares Ziel für eine Tatkraft, die über handgreiflichen Nutzen auf ideelle Reiche weist.

Ob auch der Mangel an Distanz ihn nötigt, die endgültige Zusammenfassung einer späteren, historisch eingestellten Zeit zu überlassen, so hat er doch vor ihr die Unmittelbarkeit der Impression und vor der Abgenutztheit des Gewohnten die Eindringlichkeit des Wunders voraus.

Dies rechtfertigt, ja fordert den dichterischen Niederschlag von Aktualitäten, wie sie der Nachfahr nicht mehr erlebt, wie sie heute — nach wenig Jahren— schon nicht mehr erlebt werden können.

Denn die äußere Impression erneuert sich nicht — weder für das Individuum noch für die ganze Zeit. Sie wiederholt sich mit der Abschwächung aller Wiederholung und ist nichts als einmaliger Anlass für die geistige Impression, die sich niemals wiederholt, sondern stets erneuert und in der Erneuerung erweitert und vertieft.

Was mechanisch bezwungen ist, ist dichterisch zu sanktionieren — sei es durch Projektion an die Himmelswand phantastisch vorbegriffener Möglichkeiten, sei es durch Rückbeziehung auf die Seele, als den ausschlaggebenden Zeiger für die beiden Waagschalen neuer Freiheiten und neuer Gebundenheiten, die einander gegensätzlich bedingen. Wenn der Romantiker in uns die realisierte Sehnsucht scheut, die das Sinnbild in Tatsachen und das Ideal in Pferdekräfte umsetzt — dem Zeitgenossen in uns ist sie willkommen als der ewig wiederholte Angriff des Antäos, der uns bedrückt, bis er bewältigt ist.

Trennen wir das Ideal von einem Sinnbild, das ihm sonst zum Marterpfahl und Kreuze wird: der Flug wird, realisiert, aus einem Gleichnis der Befreiung zu einem Gleichnis neuer Gebundenheiten, neuer Bedingtheiten, aus denen uns eine neue Befreiung erlöse.

Gauting, Mai 1914.

Leonhard Adelt.

Der Herr der Luft

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