Читать книгу Workaholism - Leonie Lewandowski - Страница 5
Was ist ein Workaholic?
ОглавлениеEs fängt mit einem übertriebenen Arbeitseinsatz an. Übereifrig, pflichtbewusst,
strebsam, mehr tun als andere – bis hin zu einem krankhaften Suchtverhalten im
Sinne von arbeitswütig, so entwickelt sich die Arbeitssucht schleichend (siehe dazu
die verschiedenen Stadien der Workaholics später). Wir wissen zwar, dass es alle im
Arbeitsleben Stehenden treffen kann. Doch verstärkt kommt Workaholism in
Führungspositionen und bei Selbständigen vor. Wer führt, muss Leistung bringen,
der will herrschen und beherrschen. Dessen Gehalt richtet sich auch vielfach nach
Leistung. Boni werden gezahlt, wenn der Anführer eine großartige Bilanz hinlegt und
dem Unternehmen einen satten Gewinn einfährt. Deshalb muss der Workaholic
rackern und mehr bringen als seine Kollegen. Im anderen Fall ist der Selbständige
allein für den Erfolg seines Unternehmens verantwortlich. Um es ans Laufen zu
bringen, setzt er zu Beginn 15 bis 20 Stunden täglich ein. Er misstraut auch
Mitarbeitern, deshalb will er vieles selbst erledigen und alles allein erledigen. Doch
dafür braucht er Zeit – viel Zeit. Er findet kaum Zeit zum Schlafen und zur
Regeneration, ganz zu schweigen vom fehlenden Privatleben und einer erfüllenden
Beziehung. Ein Workaholic lebt für seinen Beruf.
Der Orgasmus ist seine Arbeit. Dafür gibt er alles. Es gibt ja unterschiedliche
Fetische, mit denen Menschen glücklich werden. Man wird der Arbeitssucht aber
nicht gerecht, wenn man sie harmlos als einen Fetisch abtut. Dafür hat sie einfach zu
viele negative Auswirkungen auf den Körper und das Wohlbefinden eines Menschen,
eben weil sie eine richtig starke Sucht ist. Als solche findet sie eben auch Eingang in
die internationale medizinische Klassifikation (ICD-Schlüssel). Damit ist sie eine
Krankheit, nach der jeder Arzt und Psychologe sie auch mit den Krankenkassen
abrechnet wie Grippe, Rückenschmerzen oder Magengeschwüre.
Die vier Stadien der Arbeitssucht
Die Arbeitssucht entwickelt sich in vier Stadien bis hin zur echten Krankheit, die
unbedingt behandelt werden muss.
In der ersten Phase nimmt die Arbeit den Workaholic immer mehr ein. Der merkt das
selbst, realisiert das auch und versucht es sogar vor den Kollegen und Kolleginnen
zu verheimlichen, indem er im Stillen unbeobachtet weiterarbeitet. Er fängt an, sogar
in seiner Freizeit an den Job zu denken. Dabei vernachlässigt er seine privaten
Interessen wie Beziehung oder sonst angenehme Dinge (Kino, Essen, Genuss).
Auch seine privaten Pflichten wie etwa der Familie und den Kindern gegenüber oder
Freundschaften zu pflegen kommen zu kurz.
Es folgt die kritische zweite Phase, indem der oder die Arbeitssüchtige nach
Ausflüchten für seinen übertriebenen Arbeitseinsatz sucht („Ich muss die
Präsentation bis morgen fertig haben“ – „Ein Kollege ist mit Grippe ausgefallen“).
Man stellt alle privaten Bereiche hinten an und ordnet sie nur der Arbeit unter. Arbeit
wird regelrecht gehortet, bis sich sogar schon erste Erschöpfungszustände
einstellen.
Dann kommt die chronische dritte Phase, in der ein Arbeitssüchtiger immer mehr
Aufgaben übernimmt. Dabei belastet er sich mit allem, was es nur zu tun gibt. Der
Arbeitssüchtige ist Perfektionist und hält sich für die beste Lösung in der Firma, ja
sogar für unersetzlich. Er sieht sich als die ideale Person, die alle gestellten
Aufgaben bearbeiten kann. Privatleben? – Keine Bedeutung mehr! In dieser Phase
stellen sich häufig auch schwere Depressionen, Angstzustände und Herz-Kreislauf-
Störungen ein.
Die vierte Phase bezeichnet man als Endphase des Workaholism oder auch als den
Zusammenbruch – vergleichbar mit dem Junkie in der Gosse. Hier treten bereits
krankhafte Folgeerscheinungen auf. Und dann passiert das eigentlich Schreckliche
für den Arbeitssüchtigen: Seine Leistungsfähigkeit knickt massiv ein, er kann plötzlich
nicht mehr – arbeiten und seine Sucht ausleben. Das ist das Schrecklichste, das
einem Süchtigen passieren kann. Deshalb gehen auch viele Workaholics schon mit
etwa 50 Jahren in Rente. Man bezeichnet das oft auch als Burnout, Arbeitssüchtige
sind einfach ausgebrannt. Es geht nicht mehr. Nicht selten sterben sie auch früher,
bekommen plötzlich einen Herzinfarkt oder Schlaganfall – und zwar gerade dann,
wenn sie aus dem intensiven Arbeitsprozess plötzlich von heute auf morgen
rausgenommen werden. Ja, man kann auch an Überarbeitung sterben.
Viele Manager erleiden auch in einem langen Urlaub einen Infarkt.
Muster bei der Arbeitssucht
So erstaunlich es jetzt klingen mag, aber der Workaholismus ist zunächst einmal von
zwei gegensätzlichen Mustern geprägt, die sich scheinbar widersprechen. Dem
zwanghaften Arbeiten steht eine Aufschieberitis gegenüber, ein Aufschieben und
Vermeiden von Arbeit. Fragt man Betroffene in der Therapie, so rechnen sie sich
häufig einem der beiden Typen zu, die aber dennoch in enger Verbindung
zueinander stehen. Zwangsläufig müssen Prioritäten verloren gehen, wenn man
pausenlos arbeitet. Ursache dabei ist häufig, dass der Arbeitssüchtige
perfektionistisch an seine Arbeit rangeht. Er will seine ihm gestellten Aufgaben
möglichst perfekt erledigen und dafür geht eben viel mehr Zeit verloren als üblich. Mit
ihrem Perfektionismus verlieren Workaholics den Blick für die wesentlichen Dinge
des Lebens und auch für die wirklich wichtigen Aufgaben, denen sie sich eigentlich
stellen sollten. Sie verlieren den Überblick und kümmern sich selbst intensiv um
Aufgaben, die gar nicht so wichtig sind. So wird der Berg an unerledigten Aufgaben
immer größer, die zwangsläufig aufgeschoben werden müssen. Klar: Dadurch steigt
der Druck, weil Arbeitssüchtige vieles auch vor sich her schieben. Das wiederum
verhindert Entspannung und Ruhe, Workaholics fühlen sich ständig gehetzt. Man
stellt bei ihnen auch typischerweise immer starke Hochs und Tiefs in den Gefühlen
fest – immer dann, wenn ein Projekt beendet ist bis zum Start eines neuen.