Читать книгу Karamba la Lune - Die Drohung - Leonie Stober - Страница 8
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Die Gewitternacht
An diesem Abend konnte Karla schlecht einschlafen. Es war heiß in ihrem Zimmer, da es nachts nicht viel abkühlte. Außer es gab eines der heftigen Sommergewitter, die für etwas kühlere Luft sorgten. Wolken waren am Himmel aufgezogen und hatten den klaren Vollmond verdeckt. Karla stand auf und ging zu ihrem offenen Fenster. Draußen brauten sich mehr und mehr dicke Regenwolken zusammen und vereinzelt zuckten Blitze in der Ferne.
An solch heißen Tagen, wie dieser es gewesen war, blieben die Pferde oft über Nacht auf der Koppel und wurden während der heißen Mittagsstunden in den Stall gelassen. So auch heute. Doch das Gewitter, das aufzog, kam überraschend. Die Pferde mussten möglichst schnell in den Stall gebracht werden, bevor sie durch Blitz und Donner erschraken und schlimmstenfalls sogar in Panik über den Holzzaun der Koppel sprangen. Denn Pferde waren bekanntlich Fluchttiere.
Karla zog sich eine Hose und ein T-Shirt über. Sie wollte auf alles vorbereitet sein. Es war schon einmal vorgekommen, dass Shakyday aus lauter Angst vor dem Donnern über den Koppelzaun gesprungen war, was alle ziemlich erstaunt hatte, denn Shakyday war viel, aber ganz gewiss kein Springpferd. Mit einem Tritt hatte Blounaya Rock Cloulynboy damals einen Teil des Zaunes zersplittert und sich so ebenfalls einen Weg in die Freiheit gebahnt, um ihrem Freund Shakyday zu folgen. Es war zu höchster Eile angetrieben worden, denn für die beiden Pferde hätte es aufgrund des Gewitters gefährlich enden können. Karla hatte Angst, dass auch Karamba in solch eine Gefahr geriet, und wollte für den Notfall gerüstet sein. In diesem Moment klingelte ihr Handy. Es war Julia.
„Karla! Sorry, dass ich dich mitten in der Nacht aus dem Bett hole, aber die Pferde spielen mal wieder verrückt. Es ist unmöglich, sie ruhig in den Stall zu treiben. Das Gewitter ist so plötzlich und unerwartet aufgezogen, dass wir nicht rechtzeitig etwas unternehmen konnten. Und noch was, aber da bin ich mir nicht ganz sicher ...“
„Ich bin gleich da!“, rief Karla in heller Aufregung, nahm, während sie sich knapp von Julia verabschiedete, ihre Jacke vom Haken, steckte das Handy in die Tasche und öffnete die Tür zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Diese waren ebenfalls wegen des Gewitters wach geworden. „Es gibt einen Notfall“, flüsterte Karla, während sie sich hastig ihre Jacke anzog. „Die Pferde drüben bei Julia drehen durch, ich muss zu Karamba!“
„Aber nicht mit dem Fahrrad, das ist bei einem Gewitter viel zu gefährlich. Komm, ich fahr dich geschwind“, meinte ihr Vater noch etwas verschlafen, war jedoch rasch auf den Beinen. Ohne sich die Zeit zu nehmen, seinen Schlafanzug gegen Jeans und T-Shirt zu tauschen, zog er seine Schuhe und eine Jacke an und griff nach dem Autoschlüssel. Karlas Mutter konnte nur den Kopf schütteln.
Wenig später war Karla auf dem Hof angekommen. Blitze zuckten über den Himmel und langsam begann es zu regnen. Samara stand im Hof und blickte besorgt in den Himmel. Neben ihr kauerten die beiden Australian-Shepherd-Hunde Bob und Shelly. Samara ‒ genannt Sama ‒ war Julias ältere Schwester. Diese kam soeben von der Koppel.
„Ich habe noch mal versucht, sie einzufangen, aber es hat keinen Zweck. Die spinnen völlig rum. Wenn wirʼs nicht bald schaffen, wird es ernsthaft gefährlich.“
Julias Vater stand immer noch am Gatter und versuchte, die Pferde zu beruhigen. Karamba, dem man sein Arabertemperament eindeutig anmerkte, raste auf der Koppel herum wie blöde. Morgan war ebenfalls kaum zu halten und auch der sonst so gemütliche Shakyday galoppierte panisch über die Koppel.
Plötzlich wurde es für einen Augenblick so hell, dass sich alle geblendet die Augen zuhielten. Aber es war kein Blitz gewesen, sondern ein Auto, das oberhalb der Koppel auf den Feldweg abbog und in rasantem Tempo davonfuhr.
„Wer war das denn? Durch das Auto sind die Pferde jetzt noch verrückter. Oh Mann, das hat uns gerade noch gefehlt“, stöhnte Julia. Keiner von ihnen hatte das Auto genau erkennen können, es war viel zu schnell gewesen und hatte sie geblendet.
Da kam Emma zur Koppel gestürzt. Auch sie war informiert worden und daraufhin sofort angerückt. „Na, gibtʼs was Neues?“, fragte das Mädchen völlig außer Atem.
„Nein, nur dass so ein bescheuerter Autofahrer natürlich genau an der Koppel vorbeirasen musste und die Pferde jetzt noch nervöser sind“, meinte Karla.
„Was macht ein Auto um diese Uhrzeit auf dem Feldweg, noch dazu bei Gewitter?“, fragte Emma irritiert.
„Vielleicht war derjenige gerade wegen des Gewitters unterwegs. Es gibt Leute, die fahren Gewittern und so hinterher, um sie sich anzusehen oder Fotos zu schießen“, tippte Julia, doch sie wusste, dass diese Theorie nicht mit ihrer Beobachtung zusammenpasste. An diese dachte sie allerdings in der Aufregung nicht. Da nun auch Karla und Emma mithalfen, schaffte die Truppe es sogar, die Pferde in den Stall zu treiben. Als alle Tiere in Sicherheit waren, zeigte die Uhr bereits vier Uhr morgens an. Karla beschloss, noch einmal schlafen zu gehen und gleich nach dem Frühstück wieder zum Reiterhof zurückzukommen. Müde und geschafft sank Karla kurz darauf in ihr Bett. Das Gewitter war abgezogen und nur noch ab und zu war ein dumpfes Grollen in der Ferne zu hören.
Ein paar Stunden später wachte das Mädchen noch ziemlich erschöpft, aber gut gelaunt auf. Ihr erster Blick galt dem Wetter draußen. Die Sonne schien und außer ein paar kläglichen Pfützen, in denen die Spatzen badeten, erinnerte nichts mehr an das Gewitter in der Nacht.
Traktoren brummten auf dem Hof und vom anderen Ende der Wohnung her drang Ballettmusik an Karlas Ohren. Das konnte nur eines bedeuten: Karlas kleine Schwester probte mal wieder. Cindy, ein fröhliches und verrücktes Mädchen von zehn Jahren, liebte das Balletttanzen und hatte auch schon an zahlreichen Tanzwettbewerben teilgenommen.
„Guten Morgen, Schwesterherz, hab gehört, du hattest Nachtschicht. Hahaha, ich hab durchgeschlafen und nix mitgekriegt“, begrüßte Cindy sie.
„Ja, du Primaballerina, du kannst froh sein, dass du schlafen konntest“, lächelte Karla.
„Tja, du Spitzenreiterin, stell dir vor, ich wäre froh gewesen, hätte ich mit dir zusammen die Pferde beruhigen können“, grinste Cindy schelmisch zurück. Dann drückte sie auf die Play-Taste ihres CD-Spielers und widmete sich wieder dem Tanzen. Da kam Karlas Mutter aus der Küche und brachte einen Korb mit frischen Aufbackbrötchen zum Frühstückstisch. „Guten Morgen, Karla, na, konntest du noch ein bisschen schlafen?“, fragte ihre Mutter. Karla nickte nur. Mit ihren Gedanken war sie bereits wieder auf dem Reiterhof, das hieß, eigentlich mehr bei Julia. Hatte die junge Reitlehrerin nicht gesagt, es sei noch etwas, bei dem sie sich aber nicht ganz sicher sei? Irgendetwas in der Art hatte sie nachts am Telefon gesagt. Das Mädchen beschloss sich mit dem Sonntagsfrühstück zu beeilen, um sofort anschließend zum Nachbarhof zu radeln und Julia zu fragen, was sie gemeint hatte. Gesagt, getan. Nach einem leckeren Frühstück ging Karla in den Stall. Julia war sehr müde. Sie hatte in dieser Nacht kaum noch Schlaf gefunden.
Karla machte sich auf den Weg in den Stall, um Karamba zu begrüßen. Der Hengst stand dösend in seiner Box, blinzelte Karla jedoch freudig entgegen, als sie den kühlen Stall betrat. Das Mädchen ließ seine Hand durch Karambas seidige Mähne fahren und strich sanft über seine Nüstern. Dann ging sie zu Julia, die auf einer Bank vor dem Haupthaus saß und die beiden Hunde streichelte.
Karla setzte sich zu ihr. „Hey, diese Nacht, als du mich angerufen hast, hast du gesagt, dass noch etwas ist, worüber du dir allerdings nicht ganz sicher warst“, schnitt sie nach einer Weile das Thema an, das sie brennend interessierte.
„Ach ja, genau“, antwortete die Reitlehrerin, „gestern, als wir verzweifelt versucht haben, die Pferde in den Stall zu treiben, ist mir eine Gestalt am oberen Koppelzaun aufgefallen. Genau an der Stelle, wo das Auto später hergekommen ist. Die Person hatte etwas in der Hand. Es könnte ein Fotoapparat gewesen sein. Normalerweise würde das zu meiner Theorie passen, aber was komisch war: Die Gestalt ist richtig erschrocken, als wir zur Koppel gekommen sind. Sie ist blitzschnell abgehauen. Das macht die ganze Sache für mich sehr verdächtig.“ Julia war nun hellwach.
Karla dachte eine Weile nach, dann entschied sie: „Lass uns oben an der Koppel nachsehen, ob wir irgendetwas finden, das uns weiterhilft.“
„Super Idee, aber dann muss ich erst Lupe und Notizblock holen, oder meinst du, Sherlock Holmes verlässt ohne diese Gegenstände das Haus?“
„Lass gut sein, Miss Meisterdetektiv, das brauchen wir vorerst nicht.“