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Die Gesundheit – ­Mindestens haltbar bis 2011?

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In diesem Abschnitt wenden wir uns den unmittelbaren Gesundheitsgefahren zu – wohl wissend, dass auch ein Meteoritentreffer ein gewisses Gesundheitsrisiko in sich birgt (dieser wird aber erst in einem der folgenden Kapitel behandelt werden).

Das Rudel der Gesundheitswölfe ist sehr fruchtbar. Ständig spalten sich kleinere Rudel ab, wachsen oder schließen sich anderen Gruppen – z. B. den Techno-Wölfen – an. Bemühen wir uns, ein wenig den Überblick über die wirre Vielfalt zu gewinnen, so sehen wir zunächst zwei Hauptgruppen:

 Was ich tun (bzw. lassen) muss, um nicht krank zu werden; und (im Nichterfolgsfall):

 Wie werde ich wieder gesund?

Das Wissen um die eigene Sterblichkeit begleitet die Menschen seit Beginn ihrer Geschichte. Abgesehen von durchaus erwünschten Todesfällen1 ist es meist schwer, dieses Wissen aus vollem Herzen freudig zu akzeptieren.

Die verschiedenen religiösen Systeme bieten dafür nur scheinbar Hilfe – tot ist tot – und ewige Seligkeit, Walküren in Odins Halle, Houris im Paradies, eine neue, viel bessere Inkarnation usw. bleiben vage, unüberprüfbare Versprechungen. Darum versuchen ja auch die meisten Menschen, sogar wenn sie tiefreligiös sind, den eigenen Tod so gut als möglich2 zu vermeiden.

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt! Die Theorie lautet (implizit): Wenn man nur wirklich alles vermeidet, was die ­Gesundheit gefährdet oder dem Körper schadet, so wird man »ewiges« Leben erlangen. Besonders Zeitgenossen, die in ihrem Leben ohnedies nichts Bedeutendes geleistet haben, wünschen sich die Unsterblichkeit oft am dringendlichsten. Der Gedanke ist von verführerischer Einfalt – allerdings gibt’s (mindestens) zwei Probleme:

Sogar vollkommene Askese bei allen bekannten Lastern kann nicht davor schützen, dass schon morgen eine neue, bis jetzt leider sträflich ignorierte Krankheit entdeckt wird. Deren (monokausale) Ursache wird eben erst dann den allerneuesten Messgeräten zugänglich. Mangels echter Erfahrung entstehen ringsum zahlreiche »Experten« (durch spontane Selbstdeklaration). Knapp alle Todesfälle (abgesehen von offensichtlichen Ausnahmen) können jetzt dieser jeweiligen neuen Gefahr zugeschrieben werden – es hatte sich schließlich bis jetzt leider niemand davor schützen können. Sogar wenn man also allen bekannten Gesundheitsrisiken ausweichen könnte, wird morgen ein neues entdeckt werden. Seinem Schicksal entkommt keiner, sogar bei bestem Willen nicht!

Das zweite Problem ist, dass fremde Laster ein gesundes Leben ebenfalls bedrohen. Offensichtlichstes Beispiel sind die Knochenberge von unschuldigen Passivrauchern, die sich aus vergangenen, barbarischen Zeiten in öffentlichen Gebäuden, Transportmitteln und Lokalen angehäuft haben. Nur rigorose Beschränkung der Aktivitäten sämtlicher Mitbürger könnte etwas Hoffnung auf Schutz vor möglichen fremderzeugten Risiken bieten. Was aber, wenn viele Menschen dies nicht wollen? Letztlich muss dann doch wieder der Gesetzgeber eingreifen, um die Menschen vor sich selbst zu schützen – wie an den englischen Schulen, an denen die Eltern heimlich Junk Food für ihre Kinder einschmuggelten, weil denen das gesunde, wertvolle Schul-Essen (immerhin von Starkoch Jamie Oliver designt) nicht schmeckte. Dann doch besser fettes Essen einfach höher3 besteuern.

Selbstverständlich ist strikte Enthaltsamkeit bei Genussgiften wie Nikotin, Alkohol, bald auch fettem Essen, Kaffee usw., kombiniert mit Absicherung sämtlicher Lebensbereiche – Tempo 30 im Verkehr, Helmpflicht4 beim Spaziergang, Schwimmweste beim Warmduschen – und was auch sonst noch immer zu unserer Wohlfahrt angeordnet werden kann, unbedingt notwendig. Diese Verbote sind zumindest für eines gut: Du wünschst dir lieber tot zu sein, oder – je nach Temperament – den unverzüglichen Tod aller anderen.

Bitteres und ironisches Schicksal, wenn dann z. B. ein Autist durch eine panische Menschenmenge zertrampelt oder ein Zeuge Jehovas von einer eiligen Blutkonserven-Lieferung überfahren wird. Das einzig Sichere bleibt: Langfristig sind wir alle sowieso tot.

Der Ausdruck des »Sich-krank-Jammerns« hat sich auch im Alltagsgebrauch durchgesetzt. Das (psychische) Krankheitsbild der Hypochondrie ist der medizinischen Wissenschaft wohlbekannt. Relativ neu ist die Methode von pharmazeutischen Betrieben, den Umsatz dadurch anzukurbeln, dass sie vorgeben, Symptome, die jeder gelegentlich hat, wie z. B. Müdigkeit, geringe Appetenz, kurzfristige Verdauungsstörungen, Missstimmungen etc., als Krankheiten zu deklarieren und (angeblich) zu therapieren. Wehwehchen, die früher leicht als »überarbeitet, zu wenig Sex, überfressen oder altersbedingt« diagnostiziert worden wären, können nun endlich weniger diskriminierend benannt und auch medikamentös behandelt werden. Es wäre doch erstaunlich, würden nach intensiver Fernsehwerbungsbestrahlung5 die beschworenen Leiden nicht tatsächlich gefühlt werden – außerdem kann viel Fernsehen tatsächlich Verstopfung, Fettleibigkeit, ­Augenbrennen, Hämorrhoiden, usw., usw. begünstigen. Immerhin ist medikamentöse Behandlung der mehr oder weniger eingebildeten (oder seitens der Industrie suggerierten) Wehwehchen immer noch wesentlich bequemer als die von manchen Ärzten geforderten Verhaltensänderungen (die trotzdem vielfach, meist zu Jahresbeginn, als »gute Vorsätze« beschworen werden).

Trotz der beruhigenden Versicherung der Pharmakologie, gegen (oder für?) jegliche Beschwerde ein Medikament anzubieten, sind viele Menschen nicht so recht gewillt, sich ständig mit überteuerten Pillen vollzustopfen, geschweige denn, sich mühsamen Therapien zu unterwerfen. Vernünftigerweise versuchen sie deshalb zu vermeiden, was sie krank macht.

Wie oben bereits angedeutet, ist dies allerdings praktisch unmöglich, denn man kann dann beispielsweise …

… nichts6 mehr essen

Nahrung besteht im Prinzip aus Fetten, Eiweiß und Kohlehydraten (Vitamine und Minerale kommen später, bzw. aus dem Fachhandel).

Und Fette sind bekanntlich besonders schrecklich. Die Gruppe der gesättigten- und der trans-Fette ist seit langem als Massenmörder identifiziert. Fett essen > fett werden > Arteriosklerose > Herzinfarkt > aus die Maus! Koronare Herzerkrankungen und andere Kreislaufstörungen, z. B. Schlaganfall, sind als Todesursache der (westlich-industriellen) Bevölkerung tatsächlich auf Platz eins, noch vor Krebs und Atemwegserkrankungen. Cholesterin ist um jeden Preis zu vermeiden (gemeint ist natürlich das manichäisch »böse« LDL-Cholesterin, es gibt ja auch das angeblich »gute« HDL). Bedauerlicherweise versteckt es sich bevorzugt in wohlschmeckenden Speisen. Eier mit Speck zu essen (oder seinem Baby Muttermilch zu geben) ist also praktisch Giftmord.

Nicht ganz unerwähnt sollte hier natürlich bleiben, dass zahlreiche Studien den Ernährungsgewohnheiten einen eher geringfügigen Einfluss7 auf das HDL/LDL-Cholesterinverhältnis im Körper zuerkennen, und damit eine Diät auch nichts verbessert, besonders nicht die Laune. Letztere fällt mit dem Cholesterinpegel rapide in Richtung Depression [15] oder Aggressivität [16].

Der wissenschaftliche Stand der Dinge in der Cholesterinfrage – so wie auch in sehr vielen anderen wissenschaftlichen Fragen – ist derzeit das Stadium konkurrierender Hypothesen: Die Vertreter der einen oder anderen Meinung versuchen durch umfangreiche Untersuchungen, ihre jeweilige Annahme zu beweisen oder zu widerlegen. Irgendwann, nach vielen, vielen durchgeführten Studien, Monographien, Diskussionen, Kongressen und Pressekonferenzen etabliert sich dann die eine oder andere Theorie. Es ist dies dann das sogenannte »konventionelle Wissen«, also das, was jeder glaubt, weil’s jeder glaubt. [17]

Die Wahrheit ist vielleicht eine Tochter der Zeit, aber sicher kein demokratisches Resultat, auch wenn dies oft so dargestellt wird.

Allerdings – Fett macht fett8 – wer zu viele Schweine isst, beleidigt zwar nicht notwendigerweise Gott (kommt jedenfalls drauf an, welches seiner Bücher man liest), kann jedoch leicht zu einer ästhetischen Beleidigung des Betrachters werden (besonders unbekleidet).

Die Lösung? Rigoroses Fettverbot in Restaurants und Gastronomiebetrieben (zunächst während einer ­Übergangsfrist – getrennte Räume für Pommes und Salat), empfindliche Fettsteuern (wie in Dänemark bereits eingeführt), Fettverbot an allen Arbeitsplätzen, Werbeverbot für fetthaltige Produkte, empfindliche Strafen gegen Fettsünder und fette Sozialversicherungsbeiträge für Fette. Ein fettes Maßnahmenpaket für fetten Medienrummel, fette Gagen für Fettberater, Fettexperten und Fettspezialisten!

Also gut, isst du halt fettarme, eiweißreiche Kost, um gesund zu bleiben! Protein kommt überwiegend aus Tieren. Soja u. Ä. sind »Ersatz«, schmecken in der Regel auch so9 und sind überdies überwiegend genetisch manipuliert. Konventionell werden nur eine erstaunlich geringe Anzahl an Tierarten gegessen, diese dafür massenhaft. Hergestellt werden sie üblicherweise in »Tierfabriken«, haben also mit »Umwelt« nur via Futterin- und Fäkalienoutput zu tun. Dieser ganze Komplex wird für gewöhnlich verdrängt. Fleisch wird auf Styropor®-Tassen, in Polyethylenfolien verpackt, angeboten, ohne dass durch peinliche Blutstropfen der Konnex zu einem »geschlachteten« Lebewesen allzu auffällig würde. Der stinkende, blutige, laute Teil der Produktion bleibt (appetitlicherweise) im off. Militante Tierfreunde versuchen zwar »Bewusstsein zu erzeugen« und »die Öffentlichkeit aufzurütteln«, Letztere bevorzugt aber (zumindest derzeit) tierische Nahrungsmittel unter weitgehender Ignoranz von deren Herstellung.

Wie bei jeder anderen industriellen Produktion können gelegentlich Fehler auftreten. Diese – bei entsprechender medialer Vermarktung – erreichen dann durchaus die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Der Rinderwahnsinn (BSE) hat von ca. 1985 bis 1995 besonders in England eine Popularität erreicht, welche die nahe verwandte Scrapie-Erkrankung der Schafe nie hatte. Der Autor selbst war zu dieser Zeit gequälter Gast der Economy (extrem) Class der British Airways® und wurde dort mit der Flugbegleitpersonalstandardfrage »chicken or beef« konfrontiert. Wie jeder andere auch, sagte ich mit voller Überzeugung »chicken« – schließlich waren gerade alle Medien voll mit der Erkenntnis, dass die allgemeine Blödheit (selbst beobachtet) von englischem Roastbeef verursacht (!) wird. Logischerweise gab es nach dem halben Flugzeug kein chicken mehr, sodass die mittig sitzenden Passagiere nur mehr (protestierend) vor der Alternative standen zu hungern10, oder die Gefahr der Infektion mit Creuzfeld-Jakob’s Hirnverwüstung (vCJD) in Kauf zu nehmen.

Der Unmut der Passagiere entlud sich begreiflicherweise an den mutmaßlich unschuldigen FlugbegleiterInnen (wem sonst). Nun, BSE/CJD schreckt inzwischen praktisch niemanden mehr. Vermutlich ist ein großer Teil der Europäer gegen diese Prione ohnehin genetisch resistent, und die seucheneindämmenden Maßnahmen scheinen gegriffen zu haben. Bei einer durchschnittlichen Inkubationszeit von über zwölf Jahren kann natürlich noch etwas nachkommen, aber insgesamt knapp 200 Kranke in Europa sind mittlerweile kein Grund mehr für Hysterie. – Und das obwohl das »Separatorenmaterial11« im Junk Food (Burger, Nuggets, Kebab, Konserven, Wurst, …) auch in dieser Hinsicht noch immer ernste Bedenken erzeugt – nicht nur in Form von »Gammelfleisch«. Für die zahlreichen frühdementen Mitbürger muss es jedoch auch noch andere Erklärungen geben.

Lass dir dein Steak (alpiner Herkunft, oder z. B. aus Argentinien) nicht vermiesen und gut schmecken, englische Nahrungsmittel sollte man schließlich ohnehin vermeiden (ausgenommen Flüssignahrung aus Schottland). Allerdings sollte das Steak (oder was immer) aus Gesundheitsrücksichten natürlich nie gegrillt werden. Aus dem Barbecue(rauch) stammt bekanntlich 1,2-Benzpyren (ehemals 3,4-Benzopyren), wodurch flugs Krebs verursacht wird. Das Steak sollte aus Gesundheitsgründen deshalb gekocht oder mild gedünstet sein (Würg!).

Ähnlich bedrohlich wie BSE war SARS. Erinnert sich eigentlich noch jemand daran? Nach einer Phase intensiver Panik (Winter 2002 bis Frühling 2003) ist wieder kollektive Ruhe eingekehrt. Die wirksamste Vorsichtsmaßnahme, möglichst wenige Larvenroller (Paguma larvata – eine marderähnliche, asiatische Schleichkatzenart) oder vielleicht auch Hufeisennasen (Rhinopholus sinicus – eine Fledermaus) zu essen, hat sicher viel für sich und wahrscheinlich zur Rettung der Menschheit vor einer nicht abschätzbaren Bedrohung beigetragen. Der biologische Hintergrund ist natürlich sehr ernst – die zunehmende (nicht nur nahrungsmäßige) Berührung der Menschen mit exotischen, früher geographisch isolierten Erregern und deren rasche Verbreitung durch Massenverkehrsmittel (vergl. HIV/AIDS).

Kaum waren die Seuchenteppiche nämlich wieder zusammengerollt, als sich aus derselben geographischen Richtung ein neues (eigentlich altes) Virus auf den Weg um die Welt machte – die Vogelgrippe (alias Geflügelpest) Influenza A (H5N1). Tote chinesische Gänse sind an sich nicht headline-würdig, zumindest waren sie’s nicht vor 2005. Dann ging’s aber los! Erschwert wurde die Krisenbewältigung durch die wenig überraschende Tatsache, dass viele Vögel flugfähig und dadurch in der Lage sind, wohlgemeinte behördliche Maßnahmen »wie im Flug« zu unterlaufen (äääh, … zu überfliegen). Wohlgemerkt, das Virus ist tatsächlich auf Mensch12 und verschiedene Tiere übertragbar, wenn auch nur mit ­großer Mühe, also bei intensivem Kontakt mit ungekochten/ungebratenen Tieren oder deren Produkten. Spätestens im Frühjahr/Sommer 2006 war’s dann schon langweilig, und keiner wollte mehr ständig über Vogelgrippe »informiert« werden. In Stallhaft genommene Freilandhühner durften wieder glücklich sein, totes Wassergeflügel war ekelig, aber kein Grund zur Panik. Die Krankheit existiert nach wie vor, und es gibt auch in Mitteleuropa öfter Ausbrüche, allerdings derzeit ohne öffentliches Interesse.

Im Jahr 2009 waren die Grippeträger dann mexikanische Schweine – außer in Israel (und vermutlich auch Saudi-Arabien). Den Bewohnern solcher Länder wäre es nicht zumutbar, an einer Krankheit zu leiden, in der das Wort »Schwein« vorkommt – das H1N1 Virus verursachte dort daher die »neue« Grippe. Ansonsten verlief alles wie gewohnt: Alarm, Mediensturm, WHO-Epidemie-Alarmstufe 1, genauere Analyse, Beruhigung, medizinische Maßnahmen und schließlich öffentliches Desinteresse und Widerruf der Pandemie-Warnung.

Immer wieder einmal – oft im Zuge eines solchen »Skandals« – wird man erinnert, dass unsere lieben Nahrungslieferanten nicht ganz genau so leben, wie es im Werbefernsehen dargestellt wird. Übertriebenes Mitleid ist deswegen unangemessen, denn leider lebt schließlich niemand (na ja, fast niemand) so wie im Werbefernsehen. Der idyllische Bauernhof mit kerngesunden, glücklichen Tieren und lächelnden Subventionsempfängern (früher Agronomen oder sogar Bauern genannt) existiert nur für Tourismuszwecke. Da nur wenige Tiere so robust wie Menschen13 sind – ein Schwein braucht z. B. mehr Transportfläche als ein Flugpassagier – werden die Produktionsmittel optimiert.

Dies bedeutet in der Praxis oft, dass ein Ausbruch von Massenerkrankungen bei den zusammengedrängten Tieren mit dauernder Medikamentengabe verhindert wird. Ähnlich wie bei ehrgeizigen Bodybuildern, wird mit Hormonen zusätzlich Muskelmasse (Fleisch) aufgebaut. Dazu kommen noch verschiedene, oft sehr unappetitliche Nahrungszusätze – irgendwo muss das Gewicht ja herkommen, und Fett (siehe oben) will keiner haben. Über Wirkungen und Nebenwirkungen erfahren Sie Näheres bei Ihrem Bauernfunktionär, Pharmaberater, Personal-Trainer oder im Fitnessstudio.

Iss Fisch, und du bleibst gesund! Ein griffiger Werbeslogan, und nicht ganz falsch. Aber woher Fisch nehmen, wenn er doch schon fast ausgerottet ist. Hier verharrt die Menschheit überwiegend noch auf dem kulturellen Niveau des Jägers und Sammlers, auch wenn der Anteil an Aquakulturen steigt. Der Kampf um schwindende Ressourcen ist voll im Gang – die isländische Drei-Meilen-Zone reicht inzwischen wahrscheinlich schon bis Mailand, und kanadische Kanonenboote versuchen (vergeblich) die spanische Fischereiarmada aus den Neufundlandbänken zu verscheuchen (oder wenigstens für die Einhaltung der langwierig ausgehandelten Mindestmaschenweite der Netze zu sorgen).

Vielleicht wird die Fischerei mangels Stoff bald unrentabel, sodass die Fischer – hierin Bauern ungemein ähnlich – dann ausschließlich von Subventionen leben müssen und solche traditionell und vehement einfordern. Vorher wird, wie bei jeder verknappenden Ware, noch ein gewisser Preisanstieg festzustellen sein. Eines Tages werden sich dann nicht einmal mehr Japaner ihre Thunfischpreise leisten können.

Gezüchtete Fische sind auch nicht ganz unproblematisch. Genau wie bei den landlebenden Eiweißlieferanten wird zuweilen so viel wie möglich an Medikamenten und »Kraftfutter« hineingestopft. Vom Schwermetallgehalt, Fischkrankheiten oder gar ökologischen Konsequenzen der Fischzucht schweigen wir besser.

Ernähren wir uns also lieber von Kohlehydraten – die Seele14 der Tiere wird’s uns vielleicht danken, wenn wir humanerweise nichts anderes essen als das, was aus dem Dreck herausgewachsen ist. Kohlehydrate sind allerdings auch vielfach ins Gerede gekommen. Da lauert zunächst in seinen mannigfaltigen Verstecken der Zucker. Von Karies über Diabetes bis zu Adipositas15 ist Zucker an einer Menge von Krankheiten maßgeblich beteiligt. In vielen Fällen suchterzeugend, ist er sozusagen eine überaus gefährliche Droge, besonders schon bei Kindern, die dadurch schlechte Verhaltens(Ernährungs)muster einlernen.

Zuckerersatzprodukte, wie Saccharin, Aspartam, Cyclamat, etc., konnten den Ruf, Krebs (und/oder die Fresslust) zu fördern, nie ganz loswerden. Dies ist übrigens ein Wolf für sich – die Studien, die Krebs (häufig Blasenkrebs) bei Versuchstieren fanden, verabreichten oft unrealistisch hohe Dosierungen oder kamen zu uneinheitlichen Ergebnissen, die genauerer Nachprüfung nicht standhielten.

Dann schon lieber den »natürlichen« Zucker – je natürlicher, umso besser. Da Dreck ja bekanntlich natürlich ist, ist brauner Zucker auch »besser« als weißer. Details sind in jedem alternativen Teehaus zu erfahren. Hergestellt wird brauner Zucker meist, indem man weißen (gereinigten) Zucker mit braunem Sirup färbt. Der Sirup wird durch Karamellisieren (Erhitzen) braun. Frisch gepresster Zuckerrohrsaft ist farblos, die »natürliche« Bräune wird erst auf Konsumentenwunsch erzeugt. Vollrohrzucker (Jaggery) ist etwas anderes. Hier bleibt mit Ausnahme von Melasse der »Dreck« drin. Die braune bis graue Farbe und ein etwas höherer Anteil an Vitaminen und Mineralstoffen bleiben also im Produkt zurück. Dass man von diesem Zucker keine Karies bekommt, kann man glauben – oder auch nicht.

Apropos, weil dieser Naturbiovollökorohrzucker bei der Erzeugung meistens stärker erhitzt wird, enthält er auch mehr Acrylamid. Acrylamid? Acrylamid! … Moment – da war doch was? Tatsächlich gab es im Frühling 2002 einen solchen Alarm. Acrylamid in Nahrungsmitteln wurde zwar schon 2000 gefunden, war allerdings bis zum April 2002 weitgehend ignoriert worden. Medienauffällig wurde es aber weniger im Zusammenhang mit Bio-Zucker, als vielmehr im Bereich Chips und Pommes. In allen Fällen entstammt es derselben chemischen Ursache, dem Erhitzen von Kohlehydraten. Klar, Chips und Pommes sind sowieso gesundheitsbewusstseinsmäßig Teufelszeug – aber Lebkuchen und Kaffee? Das verzierte Herz vom Oktoberfest ein Massenvernichtungsmittel? Tante Elsas Kaffeekränzchen ein Giftmordkomplott? Acrylamid greift die DNS (in Krimiserien oft DNA genannt) direkt an und ist daher krebserzeugend und mutagen. Beruhigenderweise wurden die gesetzlichen Richtwerte kontrolliert, das Risiko – bei durchschnittlichen Ernährungsgewohnheiten – wurde irgendwann als unerheblich eingestuft und die ganze Geschichte bald langweilig.

Angeblich ist es aber sowieso besser, nur Gemüse zu essen, womöglich roh. Davon kann man natürlich kaum leben (das, was Veganer16 tun, ist ja eigentlich kein Leben, sondern »Vegetieren«). Salat ist erwiesenermaßen genauso gesund wie Papier essen, Sellerie verbraucht mehr Energie beim Kauen und Verdauen, als es dem Körper zuführt, die Cornflakes-Verpackung enthält mehr Nährstoffe als die Cornflakes selbst. Dazu kommen noch Dünger- (z. B. Nitrat) und Pestizidreste, Schwermetalle, verschiedene mögliche Allergene, schwerverträgliche (oder giftige) Inhaltsstoffe und möglicherweise sogar Gene!17

Bioprodukte bieten dabei kaum einen Ausweg. Es darf hier nicht verheimlicht werden, dass Naturkost auch biologisch aktive Keime enthält – schließlich ist dies Teil der Philosophie. Manche davon können die Verdauung beeinflussen, im Extremfall, wie etwa 2011 bei entero-hämorrhagischer Escherichia coli (EHEC), auch fatal. Egal ob Gurke, Tomate oder Bohnensprosse, »Natur« bedeutet keineswegs auch immer »gut verträglich«. Die Gefahr, wegen Biokost im Dunkeln zu leuchten, ist wissenschaftlich (na ja, zumindest staatlich) festgestellt worden. [19] »Bio« hat sich allerdings, wenn schon als nichts sonst, doch als hervorragendes Verkaufsargument für meist gleichwertige, häufig überteuerte Produkte erwiesen. Es kann aber auch als Sedativum für beunruhigte Konsumenten verabreicht werden. [20]

Eine Gefahr blieb allerdings bislang praktisch unberücksichtigt! Die Öffentlichkeit wurde viel zu lange vor einer ungeheuerlichen Gefahr des Gemüseessens nur unzureichend (bzw. sporadisch) gewarnt. Um diese eigentlich unverzeihliche Lücke mit unverzichtbarem Wissen unverzüglich zu füllen, wird hiermit erstmals einem staunenden Publikum präsentiert: Der Gemüse-Wolf (derzeit nur ein süßer, kleiner Welpe – aber vielleicht wächst er noch und macht mich reich und berühmt).

Jahrelange wissenschaftliche Untersuchungen18 an einer großen Anzahl freiwilliger Testpersonen haben ergeben, dass die ballaststoffreiche Vollwertkost – namentlich in Verbindung mit Zucker – zu Verdauungsstörungen, insbesondere zu starken Blähungen, führen kann. Bis jetzt wurden diese katastrophalen globalen Konsequenzen geradezu leichtfertig unterschätzt. Abgesehen von den direkten Auswirkungen der freigesetzten Treibhausgase (Explosionsgefahr, Erstickungstod, lokale & globale Erwärmung, …), ist es indirekt zum Beispiel offensichtlich, dass weniger Leute öffentliche Verkehrsmittel benutzen, weil es dort stinkt.

Eine breite Diskussionsplattform aller Betroffenen und die Entwicklung eines Sofortmaßnahmepakets sind jedenfalls zwingend erforderlich. Zunächst wären Warnhinweise für Chili, Sauerkraut und ähnliche Produkte notwendig. Eine Bohnenabgabe muss konsequenterweise folgen. Weitere Maßnahmen können dann – nach gründlicher Evaluierung durch ein Expertenforum – gemäß den erhobenen wissenschaftlichen Grundlagen der aktuellen Lage entsprechend getroffen werden. Knoblauchzubereitungen und Schweißfüße sollten jedenfalls genauestens überwacht werden.

Vorausgesetzt, es wird sofort und großzügig gehandelt (d. h. der Autor des vorliegenden Buches wird reichlich finanziert), kann vielleicht die Vernichtung der gesamten Menschheit gerade noch verhindert werden (huiii – das war wieder einmal knapp). Möglicherweise könnte sogar in ca. 4219 Jahren ein ganzer Gletscher eingespart werden, wenn das Furzproblem rechtzeitig im Bewusstsein der Menschen verankert wird.

Am schlimmsten betroffen sind natürlich die bedauernswerten Rohköstler – sie sind häufig untergewichtig (57%) und leiden außer an Blähungen noch unter Anämie, Amenorrhoe, Hyper- und Hypovitaminosen [21] und erstaunlich oft an Humorlosigkeit und Starrsinn.

In der Fernsehwerbung einer bekannten Fast-Food-Kette wurde endlich die lange fällige Frage gestellt: »Glaubt ihr, dass es Kartoffeln gibt, die ein Bewusstsein haben können wie ein Mensch?« Zum Glück erfolgte die Antwort durch die Freunde des philosophierenden Fragestellers unmittelbar darauf: »Nein, aber es gibt Menschen mit einem Bewusstsein wie eine Kartoffel!« – eine Beobachtung, die sich vielfach bestätigen lässt.

Wie kann man sich denn nun gesund ernähren, wenn überall die Gefahren lauern?

Man könnte sich von naturnaher, gemischter, ballaststoffreicher Diät ernähren (und low fat, low cholesterol, low salt, …). Könnte man – wenn man will (bzw. wenn’s einem schmeckt).

Man könnte sogar auch die kleingedruckten Listen über Inhaltsstoffe irgendeiner industriell hergestellten Fertignahrung lesen. Diese sind dank der umsichtigen Konsumenten-Schaf-Schützer in vielen Staaten gesetzlich verpflichtend. Gelegentlich wird von »Experten« auch gefordert, derartige Listen für den (scheinbar) mündigen Konsumenten auch auf Speisekarten zu drucken, zusammen mit den Warnhinweisen, dass Fett fett macht, Kaffee heiß sein kann (siehe dazu auch Stella Liebeck vs. McDonald’s, New Mexico, 1992) und man von zu viel Alkohol besoffen wird. Man könnte dann auch noch die Menge eines aufzunehmenden Inhaltsstoffes, mit den bisher gegessen Produkten addieren und so eine voraussichtlich noch harmlose »erlaubte Tagesdosis« (ETD – engl.: acceptable daily intake, ADI) – pro Schadstoff – bestimmen. Dieser Wert errechnet sich aus der Dosis (pro Kilo), bei der eine Ratte oder Maus noch keine sichtbaren (!) Schäden zeigt (no observable adverse effect level, NOAEL). Ein Prozent davon ist – per definitionem – harmlos und daher jedermann /-frau zuzumuten. Individuelle Unverträglichkeiten oder Wechselwirkungen bleiben natürlich unberücksichtigt. Hoffen wir deshalb, dass z. B. E 231 (Orthophenylphenol) und E 321 (Butylhydroxytoluol) im Magen (gemeinsam mit der Salzsäure) nicht ausgerechnet einen neuen Sprengstoff ergeben.

Einschränkend muss jedoch angemerkt werden: Keiner liest den Unsinn, die Mehrheit versteht ihn nicht (besonders die dzt. über 300 E-Nummern, hier scheint Absicht dahinterzustehen). Bei Frischprodukten ist ein Überblick über die Inhaltsstoffe ohnehin nicht möglich, die Werte der verschiedenen Substanzen schwanken stark, und wer hat schon immer ein voll ausgestattetes Lebensmittellabor bei sich. Der Vitamingehalt – sagen wir z. B. von einem Radieschen – ändert sich um ein Mehrfaches, u. a. je nach Herkunft, Lagerung und Rasse (des Radieschens natürlich).

Noch dazu sind, wie erwähnt, noch längst nicht alle Gefahren entdeckt. Unerkannte Bedrohungen lauern listig: Sogar wenn dich persönlich der gesunde Menschenverstand davon abhält, dich fast ausschließlich von Buttergeschmack-Mikrowellenpopkorn zu ernähren – einen Idioten gibt’s immer, [22] und der ist ohne wissenschaftliche Studien, Medienberichte, Grenzwerte und Warnhinweise, Ge- und Verbote natürlich ganz arm dran.

Als wäre das alles noch nicht genug, diffundieren auch noch Chemikalien aus den Verpackungen in die Lebensmittel. Wer also glaubt, dass sein Baby bei Fütterung mit geprüften, schadstofffreien (?) Bio-Karotten vor Gesundheitsgefahren sicher ist, sollte doch konsequenterweise auch die Deckel des Gläschens kontrollieren, ob nicht womöglich Phthalate – die üblichen Weichmacher im Kunststoff – in der Dichtung stecken. Letztere sind nämlich hochverdächtig, das männliche Geschlecht als solches zu schwächen.

Vor einer weiteren Gefahr muss noch gewarnt werden – wer sich in diesem Sinn bewusst ernährt, die Kalorien (eigentl. Joule), Fett, Kohlehydrate, Inhaltsstoffe, Herkunft und Qualität der Lebensmittel genau kontrolliert und berechnet, Extrapreise für Biofutter bezahlt und für das Glück der Hühner(besitzer) noch einen Bonus drauflegt, dessen Verhalten wird anderen Menschen wahrscheinlich auffallen. Diese holen dann Fachleute herbei, die möglicherweise zwanghaftes Verhalten und psychische Störungen20 diagnostizieren. Kurz darauf findet der Betreffende oder Betroffene sich vielleicht in einer Umgebung, in der Klinikkost verabreicht wird – und auf deren Zusammensetzung, wiewohl kontrolliert, hat man selbst gar keinen Einfluss.

Nachdem nun geklärt ist, dass man in jedem Fall das Leben riskiert, was immer man auch isst, muss noch eine weitere Warnung ausgesprochen werden: Übermäßiges Essen kann, wie bereits angedeutet wurde, zu Gewichtszunahme führen. In diesem Punkt sind sich praktisch alle Ernährungsexperten einig: Egal, was man isst, es ist auf jeden Fall zu viel (gibt es eigentlich mehr Käsesorten oder Diätpläne?).

Man muss nicht extra ins Schwimmbad gehen, schon halbwegs warme Sommer (eine erwünschte Auswirkung des Klimawandels?) zeigen uns Schreckliches. Radlerhosen, Leggins, zu kurze T-Shirts, … das ganze belebte Stadtbild zeigt beträchtliche Abweichungen von der medial definierten Idealfigur (betr. Männer, Frauen, Hunde, … sogar Tauben sind fett).

Wie bei jeder Art von basalem menschlichem Verhalten findet sich auch beim Essen eine erstaunlich hohe Zahl von Aberrationen. Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brechsucht) und Binge-Eating (Fressattacken) sind die häufigsten Essstörungen. Schlichtes »Zu-viel-Fressen« ist als eigenes Krankheitsbild umstritten, nicht aber seine Auswirkungen. Die Auswirkungen der Fettleibigkeit – Diabetes Typ 2, Koronarerkrankungen, diverse Krebsarten usw. – sind längst als Bedrohung globalen Ausmaßes erkannt worden (natürlich nur in dem Teil des Globus, der genug zu essen hat). Wieder mal ist Handlungsbedarf gegeben!

Werden Übergewichtige die nächsten Raucher sein? Mal sind’s schon Grundschüler, mal die Wehrdienstleister, mal die Jugend überhaupt21 oder gar die »Bevölkerung« – jedenfalls sind alle viel zu dick! Einschlägigen Büchern und Filmen zufolge [23, 24] – nein, begreiflicherweise diesmal nicht von Michael Moore – wundert man sich, dass sich in den USA überhaupt noch genügend Jugendliche finden, die mit ihren Ärschen in einen Panzer oder Kampfjet passen, um fremden Ländern demokratische Freiheit einzubomben.

Europa ist kaum besser dran. Ein großer Teil der Jugendlichen strebt nicht nach körperlicher Ertüchtigung, sondern frisst fettes Zeug und Süßigkeiten in sich hinein, während sie fast regungslos viele Stunden vor Monitoren verbringen – zum großen Entsetzen von Eltern und Älteren, die ihnen dieses Fehlverhalten durch ihr Vorbild und Werbebotschaften von klein auf ständig vermitteln. Man kann nur hoffen, dass diese Generation von verweichlichten Fettsäcken hart genug sein wird, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein (auch wenn sie dies ständig mit Ballerspielen und Gewaltvideos trainieren).

Der Volksmund hat – auch diesmal wieder – den Kern der Sache klar erkannt: Alles was Spaß macht, ist entweder unmoralisch, illegal, oder es macht dick! Das Bestreben der Wolfbekämpfungsfraktion ist darauf gerichtet, immer mehr Spaßfaktoren von »unmoralisch« (und dick machend) nach »illegal« zu verschieben. Außer den schon früher genannten Gründen, wie Prestige und Geld scheint es – besonders beim »einfachen, besorgten« Aktivisten – auch um ein tief sitzendes Unbehagen gegenüber dem Spaß, den ein anderer hat, zu gehen. Solche Genussskeptiker sind gewiss ein lohnendes Gebiet für psychologische Forschung. Letztendlich entscheidet jeder (noch und zum Teil!) selbst, wie viel Gesundheitsrisiko und gegebenenfalls Illegalität ihm der jeweilige Spaß wert ist.

Die Endlösung: Letztlich bleibt dir nur Soylent Green – die Nahrung der Zukunft, das beste Soylent [25] aller Zeiten.

Auf den Schreck brauchst du jetzt …

… was zu trinken?

Vorsicht, hier lauert einer der ältesten Wölfe überhaupt, schon fast ein Zombiewolf – die Prohibition (USA, 1919–1932). Na gut, das ist lange her und wäre ja jetzt überstanden! – Nicht ganz, denn im ständigen Streben nach Bevormundung von jedem und jeder sind die selbsternannten Gouvernanten lediglich etwas subtiler geworden.

Carrie Nation (1846–1911) verrichtete ihr segensreiches Werk noch mit Steinen und Äxten. Als Tochter einer Geisteskranken und Gattin eines Alkoholikers, den sie nach wenigen Monaten verließ, erlebte sie eine religiöse Erweckung und begann – natürlich von Gott direkt geleitet – Dutzende Saloons22 zu verwüsten. Konsequenterweise wurde sie zu einer der wichtigsten Vorkämpferinnen der Prohibition (und der Frauenbewegung).

Inzwischen werden vorwiegend publizistische Mittel verwendet. Nicht, weil die Gegner etwaiger alkoholischer Freuden plötzlich etwas gegen Äxte oder ähnliche Zwangsmaßnahmen hätten, aber die Zeiten haben sich doch ein wenig geändert. Der Gedanke, dass irgendjemand vergnügt ist – und sei es auch nur unter Einfluss berauschender Mittel – ist für Abstinenzler, Temperenzler, Puritaner und andere selbsternannte Hüter der öffentlichen Moral nach wie vor unerträglich. Schließlich ist es »Verschwendung« von Zeit, Geld, Produktivität, Hirn- und Leberzellen, ja sogar von Menschenleben23. Besonders abzulehnen ist eine evtl. enthemmende Wirkung (bei Alkohol und einigen anderen24 Substanzen), weil viele dieser Hemmungen dem Nachwuchs ja vorher erst mühsam andressiert werden müssen – es wäre also schade um die Mühe.

Was liegt also näher als ein Wolf! In wechselnden Abständen – vermehrt aber Anfang 2007 – wurde er in den Schlagzeilen gesichtet: Jugendliche, von Woche zu Woche jünger, wurden sturzbetrunken aufgefunden (mit von Woche zu Woche höherem Promillegehalt). Das sogenannte »Komatrinken« war erfunden worden. Minister, Pädagogen, Ärzte, … und wer sich sonst noch aller dazu berufen ­fühlte, gaben ihre Meinung ab. Ein Problem war geboren: Wie kann man die Kinder davor bewahren, sich buchstäblich zu Tode zu saufen? Mit den Eltern hatte das alles natürlich kaum mehr etwas zu tun, Eigenverantwortung ist denen ja bekanntlich kaum zumutbar (wie auch bei Filmen, Videogames, etc.).

In einigen europäischen Randlagen (Schweden, England, …) ist eine sehr restriktive Einstellung zu Alkohol ohnehin Tradition. Erstaunlich, wie unglaublich besoffen die Bürger dieser Länder dann im Ausland oft sind, wenn die gewohnten Einschränkungen fehlen. Ja, der Begriff des »binge drinking« wurde sogar in einem dieser den Alkoholkonsum tendenziell eher einschränkenden – und sehr teuren – Ländern geprägt. Als Universalmittel zur Eindämmung des offensichtlichen Bedürfnisses dieser Bürger, sich bis zur Bewusstlosigkeit zu betrinken, wurden natürlich hohe Steuern – in Verbindung mit starkem moralischem Druck – verordnet. [17]

Um also die Gesundheit, besonders der Jugend, zu schützen, wurden Steuern erhöht (Alkopops), Verbote verschärft und Kontrollen verstärkt. Bald war der Wolf besiegt. Niemand, aber auch schon wirklich niemand war mehr stockbesoffen?

Vielleicht waren die dann folgenden Berichte im Sommer 2007 nur etwas unauffälliger. Nicht auf der Titelseite, sondern tief in den »Wissenschaftsseiten« versteckt, fanden sich kurze Notizen darüber, dass es ein vermehrtes (klinisch relevantes) Auftreten alkoholisierter Jugendlicher oder gar Kinder, nie gegeben hatte. Die Zahlen waren langjährig konstant und insgesamt eher niedrig. Nichts war anders gewesen als zuvor, bevor der »Komasaufen«-Wolf geschaffen worden war. Lediglich einige spektakuläre Einzelfälle wurden medial aufgebauscht. Irgendwann haben eben die meisten Jugendlichen ihren ersten und oft auch einzigen Vollrausch. Jugendliche wollen eigene Fehler begehen, diese kann (und soll) man ihnen nicht ersparen, man kann höchstens versuchen, sie vor den Auswirkungen zu beschützen.

Übermäßiger Konsum von Alkohol – wie jeder andere übermäßige Konsum – ist schädlich (dies ist schon dem Wort »übermäßig« zu entnehmen). Psychischer, physischer und sozialer Ruin, Sucht, Leberzirrhose, mindestens ein Dutzend Krebsvarianten, ja sogar Ausschreitungen bei Fußballspielen, evidente Selbstüberschätzung, ungeplante Schwangerschaften, Verirrungen, Verwirrungen und befleckte Kleider können die Folge sein. Gewiss ein Anlass zur Sorge. Diese Bedrohung ist aber vielleicht nicht ganz so neu, denn schon vor ca. 3 300 Jahren warnt ein ägyptisches Papyrus [26]:

Sei nicht unmäßig beim Biertrinken!

Nicht angenehm ist die lallende Sprache,

die aus deinem Munde kommt,

du selbst aber weißt nicht, was du redest.

Fällst du hin und bist du verletzt,

niemand ist da und reicht dir die Hand.

Deine Saufkumpane stehen herum

und sagen: Weg von diesem Betrunkenen!

Kommt aber eilig jemand,

um von dir einen Rat zu holen,

dann wird er dich am Boden finden,

daliegend wie ein Kleinkind.

Letztendlich ist die überwiegende Mehrheit der Menschen mit den Gefahren des Alkohols bis jetzt so halbwegs fertig geworden. Trotzdem müssen scheinbar künftige Generationen unbedingt vor dieser Bedrohung beschützt werden. Ausweiskontrollen, Überwachungskameras25 und stetiges Erhöhen von Verkaufspreis und Mindestalter sind durchzusetzen, denn … 1.) hat es Tradition (siehe vorhin bei Frau Nation und Co.), 2.) gibt es tatsächlich viele tragische Fälle von Alkoholismus und dessen Auswirkungen und 3.) werden die Raucher ja irgendwann ausgerottet sein (s. u.), es wird also Bevormundungspotential frei, das ansonsten ungenutzt, ja womöglich gar »verschwendet« wäre.

Manchmal sind es allerdings nur triviale Geschäftsinteressen, die zu Verboten führen. Der relativ billige und deshalb unter anderem in Proletarier- und Künstlerkreisen um die Jahrhundertwende recht beliebte Absinth – ein Schweizer (!) Kräuterlikör – wurde, da er zu Ausschweifung, Wahnsinn und Mord führte, in fast allen europäischen Ländern verboten (bis 1998). Wichtige Unterstützter des Verbots waren allerdings – zufälligerweise – die französischen Weinproduzenten, die sich die unliebsame Konkurrenz vom Hals schaffen wollten. Der Alkoholismus von Teilen des Proletariats, »unabhängige« medizinische Gutachten und ein dramatisch aufgebauschter Mordfall führten schließlich zum Verbot von Absinth für beinahe ein Jahrhundert

Trotzdem wird andererseits gelegentlich veröffentlicht, dass mäßiger Genuss von Bier oder Wein (je nach Sponsor der Studie) eine wunderbar verjüngende, gesundheitsfördernde Wirkung hätte. Meist wird das auf die Vernichtung von freien Radikalen26 durch z. B. ein Gläschen Rotwein zurückgeführt. Dieser Antioxydantien-Mythos hilft auch beim Absatz von grünem Tee, Karottensaft, Vitamin-C- und -E-Präparaten und einem Dutzend anderer Kräuter, allerdings ohne dass die Wirkung wissenschaftlich beweisbar wäre. [27]

Vermutlich ist es am klügsten, einfach zu trinken, was schmeckt. Wein hat es immerhin im Christentum (und vielen antiken Religionen) sogar zu sakraler Bedeutung gebracht. Auch viele kritisch-kreative wissenschaftliche Diskussionen wären z. B. ohne Bier kaum denkbar – schon Wilhelm Busch schreibt über die angehenden Studenten: »Die erste Pflicht der Musensöhne ist, dass man sie an Bier gewöhne.« [28]

Lokalpolitiker beklagen gelegentlich (im kleinen Kreis, unter Ausschluss der Öffentlichkeit), dass kein öffentlicher Auftritt stattfinden kann, ohne das angebotene Glas zu trinken. Der prallen Marketenderin zu sagen, man hätte statt dem angebotenen Schnaps lieber ein Glas Multivitaminsaft würde die meist in unmittelbarer Nähe befindliche Blasmusikkapelle unverzüglich dazu bringen, ein Requiem auf die Chancen bei der Wiederwahl des/der betreffenden Politikers/-in zu intonieren. – Berufsrisiko!

Milch soll angeblich besonders gesundheitsfördernd sein – dies ist kein Wolf, sondern nur eine Ente. Tatsächlich vertragen 66–80% (!) der erwachsenen Weltbevölkerung (Südländer, Asien zu 80–90%) Milch wegen Laktose­intoleranz nicht. Andererseits kennen nur 10–15% der Mittel- u. Nordeuropäer (bzw. deren Abkömmlinge) dieses Problem. Der Rest hat vor gerade mal ca. 7000 Jahren anlässlich der Einführung der Rinderzucht eine genetische Mutation durchgemacht.

Deren Ergebnis ermöglicht es dem erwachsenen Nordeuropäer – wie einem Kind – Milch ohne Blähungen und Durchfall zu genießen, eine Art neotener27 Entwicklung. Die Empfehlung, zur Gesundheitsförderung Milch zu trinken, ist also ein typischer Fall von ethno-chauvinistischer, ernährungsmedizinischer Sichtweise …

Die restlichen Getränke sind schnell abgehandelt. Für Obstsäfte gilt vieles, das zuvor über Gemüse geschrieben wurde. Eine lange, meist ungemein klein gedruckte Liste von Zusatzstoffen, Geschmack und Färbemitteln und – wie auch bei den Softdrinks – eine Riesenmenge Zucker erfreuen den Gaumen. Vitamine usw. werden schon ein paar drin sein, und umbringen wird’s wohl kaum einen.

Dass Cola als Kontrazeptivum (spermizide Vaginalspülung), mühesparende Silberpolitur oder – zusammen mit Aspirin – als Droge wirkt, sind sämtlich urbane Mythen. Wahr ist hingegen, dass Cola rostlösend funktioniert, zusammen mit ein paar Menthos® ganz erstaunlich abgeht28 und eine Unmenge Zucker (oder alternativ Aspartam) enthält. Diese hohe Dosis an Süßmitteln enthalten auch fast alle anderen Getränke, die hauptsächlich an Kinder, aber auch an Erwachsene, die aus irgendwelchen Gründen keinen Alkohol trinken, verabreicht werden.

Kaffee – fast schon eine Droge? Tee – enthält ähnliche Wirkstoffe! Vielleicht schon bald wird die Wolfjägergesellschaft diese Gefährdung der Gesellschaft – ja, der ganzen Zivilisation überhaupt – nicht länger ignorieren können. Schon ein einziges kleines Mädchen, das sich in einer Talkshow als Espresso-Süchtige outet, kann eine Kampagne auslösen. Es ist nur eine Frage der Zeit!

Was bleibt also? Entweder man ignoriert die mehr oder weniger gut gemeinten Warnungen und tut, wonach einem ist, oder …

… trinkt reines, klares Wasser (wirklich)!

Bleibt noch das angeblich größte und gefährlichste der zeitgenössischen Laster …

… das Rauchen!

In der aktiven Variante ist es relativ einfach: Lauren Bacall, Simone de Beauvoir, Humphrey Bogart, Winston Churchill, Jacques-Yves Cousteau, James Dean, Albert Einstein, Sigmund Freud, Jimmy Hendrix, Margaret Mead, Jim Morrison, Jean-Paul Sartre, John Wayne, Frank Zappa (usw. usw.) und viele, viele Millionen anderer Raucher sind mause­tot. Adolf Hitler – ein fanatischer Nichtraucher – ist es zwar auch, aber das ist eine andere Geschichte. Der Rest29 (Fidel Castro, Bill Clinton, Arnold Schwarzenegger, Keith Richards usw. usw. …) stirbt ganz bestimmt auch noch! Immerhin ist Rauchen tödlich. So steht’s zur Beunruhigung der Allgemeinheit auch auf den Packungen (genormte Texte, auf genormten Feldern in genormten Größen – da haben sich viele viel Mühe gegeben). Es hat bis jetzt noch nicht ganz dazu gereicht, die Glimmstängel, so wie z. B. Hanfprodukte, überhaupt zu verbieten. Immerhin stecken kleine Bauern und milliardenschwere Industrie dahinter, aber es wird fleißig daran gearbeitet. Inzwischen wird man halt eine Lösung finden müssen – man darf’s zwar herstellen, handeln und erwerben, aber nicht benutzen (anzünden). Bei manchen anderen Produkten (z. B. Abhörwanzen) ist das ja schließlich auch so.

Laut vielen Experten ist Passivrauchen allerdings fast noch gefährlicher, auch wenn dies nicht ohne weiteres einsichtig ist. Im »Nebenstromrauch« – wo immer der auch hinzieht – stecken hunderte Substanzen, deren Wirkung vielfach noch völlig unbekannt (und offenbar darum gefährlich) ist. Andere Inhaltsstoffe sind zwar bekannt, bleiben aber trotzdem gefährlich (z. B. Polonium 210). Andererseits könnten Passivraucher, je nach Interpretation der Daten, vielleicht sogar ein relativ geringeres Lungenkrebs-Risiko als Nichtraucher in rauchfreier Umgebung haben. Dies natürlich nicht deshalb, weil Passivrauchen wirklich gesund wäre, sondern weil die epidemiologischen Statistiken keine eindeutigen Ergebnisse lieferten.

Ähnlich geht es mit dem Risiko für alle möglichen Erkrankungen der Nichtraucher – es gibt keine sicheren Daten. Typischerweise wird die Beweislage durch Wiederholung von Behauptungen und unbezweifelbarem »common knowledge« erzeugt. Publiziert werden gigantische »­Dunkelziffern« – Ziffern also, die ihre wissenschaftliche Grundlage darin finden, von »Experten« geschätzt30 worden zu sein.

Die Alltagserfahrung zeigt hingegen, dass man keineswegs ständig über Berge von Leichen plötzlich verröchelter Nichtraucher klettern muss. Eher ist es für Raucher nötig aufzupassen, nicht von einem spontan empörten Nichtrauchermob gelyncht zu werden, falls man einmal ein Schild übersehen oder darauf vergessen hat »ständig Rücksicht zu nehmen«. Flugzeuge, Restaurants, Bahnhöfe, Hotel, Strand, (demnächst auch eigenes) Auto oder Wohnung … – und wahrscheinlich bald auch der Rest dieses Planeten, sind für Raucher Tabu.

Die am stärksten durch Passivrauch belastete Nichtrauchergruppe – Barpersonal (als Rauchen in Bars noch erlaubt war) – hatte immerhin ungefähr 0,4% des Wertes typischer Rauchinhaltsstoffe (Cotinin) im Blut wie aktive Raucher [29] – ja, ganze 0,4%! Mit komplizierten Wahrscheinlichkeitsrechnungen und großzügigem Schätzen kann man daraus viele tausende Tote31 machen. Die tatsächliche Gefährdung bleibt aber sehr theoretisch, wahrscheinlich sogar noch unter dem Herz- und Schlaganfallsrisiko, das durch die erzeugte Hysterie entsteht.

Natürlich soll hier den seriösen Epidemiologen und Statistikern die Problematik ihrer Arbeit nicht vorgeworfen werden. Genauso wenig übrigens, wie den panischen Bürgern, für welche die Angst, die ihnen gemacht wurde, ja sehr real ist. Woran Laborratten im Tierversuch32 bei Exposition mit irgendwelchen Chemikalien akut erkranken, ist relativ bedeutungslos. Um eine langfristige Gesundheitsgefährdung wirklich wissenschaftlich seriös abschätzen zu können, müsste mit sogenannten »matched pairs« gearbeitet werden – also mit Personen, die sich in nichts, außer der einen zu beurteilenden Eigenschaft unterscheiden.

Als Beispiel müssten also zwei völlig idente 38-jährige Frauen mit (jeweils) 8 Kilo Übergewicht, zwei Kindern, Büroarbeit von 9:00–16:00, die keinen Sport betreiben, mit gleicher Lebensgeschichte, Ernährung, Gewohnheiten usw. usw. untersucht werden. Der einzige Unterscheid zwischen den beiden: Die eine wird z. B. im Büro von 10 Zigaretten (werk-)täglich passivberaucht, die andere nicht. Verfolgen wir nun die Gesundheitsgeschichte dieser beiden Damen für die nächsten (mindestens) 40 Jahre und schauen wir, woran sie erkranken bzw. sterben.

Für eine halbwegs seriöse wissenschaftliche Aussage brauchen wir natürlich nicht nur diese beiden, sondern ein paar hundert solcher Paare, deren Daten dann noch mit den allgemeinen Risiko- bzw. Mortalitätsstatistiken abgeglichen33 werden müssen. Wie oft und für wie viele »Risiken« werden solche Studien wohl durchgeführt? Diese Untersuchungen sind mühevoll, zeitaufwändig und teuer, da ist eine »Schätzung« schon viel einfacher, und man kann noch dazu ziemlich sicher sein, dass das jeweils erwünschte Ergebnis herauskommt.

Realistisch besehen, geht es eigentlich nicht darum, irgendjemanden vor Passivrauch zu schützen. Die (meisten) Experten wissen genau, dass Passivrauch zwar eine übelriechende Belästigung, aber ein höchstens hypothetisches Gesundheitsrisiko darstellt. Eigentliches Ziel ist es, das Rauchen selbst zu verbieten. Darum kommt auch ständig das Argument mit der negativen Vorbildwirkung für Jugendliche, obwohl die in Madame Olga’s Bar ja sowieso nichts verloren haben sollten.

Zusätzlich wird »prohibitiv« kräftig abkassiert – ein Näschen voll Kokain oder ein Joint zwischendurch sind mittlerweile nicht nur in England billiger als ein Päckchen Zigaretten. Und konsequenterweise wird den entmündigten Konsumenten mit allen Mitteln eingebläut, was gut für sie ist, bis hin zum – auch rückwirkenden – Verbot34 bestimmter Worte und Bilder.

Das kleine, sonst eher weniger fortschrittliche Land Bhutan hat überraschend zeitgeistkonform das Rauchen am 17. Dezember 2004 gänzlich35 verboten. Ein Vorbild für alle Regierungen dieser Welt – zumindest für jene, die sich eine winzige autoritäre Dritte-Welt-Monarchie als Leitbild auswählen. Kritik bzw. Zweifel an der offiziellen Wahrheit ist aber auch in etwas liberaleren Ländern unstatthaft. In Deutschland wurde im Gesetz [30] zum Tabakrahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation vom 21. Mai 2003 zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (welch elegante Formulierung!) im November 2004 beschlossen: »Die Vertragsparteien erkennen an, dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Passivrauchen Tod, Krankheit und Invalidität verursacht.«

Echte wissenschaftliche Ergebnisse benötigen allerdings üblicherweise keine Abkommen, die sie vor Zweifel oder Kritik schützen.36 Die Gesetze der Schwerkraft oder Thermodynamik funktionieren beispielsweise auch ohne Strafrahmen ganz gut, sie wurden allerdings auch nicht von Politikern beschlossen.

Eines ist unbestreitbar – Passivrauchen kann Hysterie erzeugen! Das ist wohl das Gefährlichste daran!

Na gut – lustvolles Essen und Trinken ist also nichts, auf die Zigarette danach musst du auch verzichten! Bliebe also noch …

… SEX!

Oh, Pech gehabt, den Publikationen vieler religiöser (keineswegs nur christlicher) Gemeinschaften zufolge, gibt es praktisch nichts37 Schlimmeres! Halbwegs akzeptabel wäre Sex gerade noch: ehelich (daher implizit automatisch hetero-), ausschließlich in traditioneller Position, nicht zu oft (aber auch nicht zu selten, die Grenzen sind hier etwas unscharf) und mit dem Ziel der Vermehrung vor Augen. Größerer Genuss ist zu vermeiden, denn dieser kann zu Ablenkungen vom eigentlichen Sinn des Lebens führen – wobei Letzterer religionsspezifisch recht verschieden sein kann. Je nach gesellschaftspolitischer Untergrundströmung wird Jugendlichen – um deren Wohlfahrt es solchen Leuten ja stets ganz besonders geht –, aber auch den Erwachsenen, Aufklärung und Verhütung zugänglich gemacht oder verweigert, die Abtreibung kriminalisiert oder gestattet und einschlägige Reize, z. B. leichte Bekleidung, bestimmte Filme oder Druckwerke, erlaubt oder verboten.

Zum Stichwort »abstinence« findet google® über 13 Millionen Webseiten. Eine ganze Menge – besonders wenn man bedenkt, dass viele Artikel ja nicht Englisch, sondern, um die lokale Wirkung zu steigern, in anderen Sprachen, wie Spanisch, Arabisch, Hebräisch, Urdu, Suaheli, Xhosa oder was auch immer, sein werden und deshalb nicht mitgezählt worden sind. Keinen oder nur sehr stark eingeschränkten Geschlechtsverkehr zu propagieren ist folglich sehr vielen Menschen ein wichtiges Anliegen, für das sie Zeit, Geld und Mühe aufzuwenden bereit sind – sei es in Gottes Auftrag, aus Trotz gegen die 60er und 70er Jahre oder aus reinem Neid und Missgunst.

Die dahinterstehende Theorie, dass die Einwirkung sekundärer oder gar primärer Geschlechtsmerkmale, in welcher Darstellungsform auch immer, einen verderblichen, gesellschaftszersetzenden Einfluss ausübt, ist weit verbreitet. Nicht nur das Haar der Muslimas vermag diese Wirkungen auszulösen, schon ein entblößter Nippel (z. B. in der Pause des Superbowls 2004) kann eine Weltmacht erschüttern. Ein schneller Blick in die Zoll- und Reisevorschriften auf diesem Planeten zeigt, dass abgesehen von Waffen, Drogen und unliebsamer politischer Propaganda, die Regierungen sehr vieler Länder sich emsig bemühen, ihre Bevölkerung vor dem Zustrom von pornographischem Material zu beschützen. Wobei z. B. die Einfuhr des »Cosmopolitan« in Singapur angeblich erlaubt werden soll, während hingegen Saudi-Arabien den Import jeglicher Darstellung »körperlicher Freizügigkeit« untersagt.

Ohne bei diesem Thema ins Detail gehen zu wollen, empfiehlt sich der einfache, pragmatische Ansatz: Wer’s nicht will, der soll’s eben bleiben lassen. Leider ist diese Blickweise den Missionaren, Zensoren, Mullahs, Jugend- und Sittenwächtern völlig fremd.

»Freie Sexualität« – ein ohnedies nie erreichtes Ziel der 60er Jahre – bietet tatsächlich Risiken: Sie kann zu unerwünschten Schwangerschaften führen, mit vielen negativen sozialen Konsequenzen wie Armut und Kriminalität, besonders dort, wo Konservative Verhütung und Abtreibung erschweren. [17] Das Risiko von Filzläusen, Chlamydien, und Trichomonaden, Genitalherpes (HSV-2) und Genitalwarzen, Gonorrhoe, Syphilis, Hepatitis B (HBV) und natürlich HIV/AIDS ist unbestreitbar. Die Möglichkeit, sich vor allen diesen Gefahren zu schützen und trotzdem Geschlechtsverkehr zu genießen, ist einem großen Teil der Menschheit durch Armut und/oder Religion verwehrt.

Abgesehen vom »ob« und »wann« (ab 16, 18, Eheschließung, …) ist auch das »wie« für »interessierte Kreise« von großer Bedeutung. Andere als herkömmliche Genitalkontakte sind – zumindest de jure – in vielen Ländern untersagt. So war eine orale Betätigung, die laut Ex-Präsident Bill Clinton in Washington DC nicht einmal »SEX« ist, in einigen anderen US-Bundesstaaten gesetzlich verboten.38

Die (Hetero-)Kehrseite der Medaille ist z. B. in Guyana, Indonesien und (überraschenderweise) Saudi-Arabien mit schweren Strafen bedroht – man sieht, die Fürsorge des Staates erstreckt sich buchstäblich bis in den A**** der Bürger.

Da gesetzliche Verbote im stillen Kämmerlein ohne ausreichende Überwachungstechnik39 nur schwer durchgesetzt werden können, bleibt den meisten Ländern nur, den gefährdeten Schäfchen mit Gesundheitsrisiken Angst einzujagen.

Das bei oralem Verkehr übertragene Humane Papillomavirus (HPV) ist neuerdings »bewiesenermaßen einer der führenden Gründe für Rachenkrebs«. – »Spuck, spuck, …!« Ja, schlimmer noch, das Virus übertrifft in seiner Gefährlichkeit angeblich sogar Alkohol und Tabak als Auslöser dieser Krebsarten. [31] Nur – obwohl mehr als die Hälfte der Bevölkerung irgendwann einmal im Leben mit diesem Virus infiziert40 war, sind diese Krebsarten sehr selten. Und – nur um dem Schlimmsten vorzubeugen – es gibt einen Impfstoff gegen dieses Virus.

Als Anfang der 80er Jahre der AIDS/HIV-Wolf auf die Menschheit losgelassen wurde, glaubte ich – nicht als Einziger – an eine Entwicklung aus einem gentechnischen Labor, versteckt tief in einem Keller des Vatikans. Sogar wenn man Verschwörungstheorien sonst skeptisch betrachtet, erschien diese Krankheit wie dafür geschaffen. Ein langsamer, schrecklicher Tod für Homosexuelle, Prostituierte und Rauschgiftkonsumenten – unmittelbar ausgelöst durch ihr sündhaftes Tun. Jesuiten, Opus Dei, Piusbrüder, ­Opus ­sanctorum ­angelorum und andere dunkle Fundamentalistengruppen waren die üblichen Verdächtigen. Die tatsächliche Geschichte war zwar etwas weniger abenteuerlich, aber trotzdem sehr aufschlussreich.

Die komplizierte Entwicklung einer Affeninfektion zur Pandemie ist dabei weniger erstaunlich als die – offenbar von »ererbten« Pesterfahrungen beeinflusste – Panik, die auf die mediale Verarbeitung der ersten Opfer folgte. Reflexartig wurden »Maßnahmen« bis hin zur Internierung der Angehörigen von Erkrankten gefordert. Der Geruch nach Pogromen lag in der Luft!

Die Schutzmaßnahme mit dem breitesten Konsens – von klerikalen und konservativen »pressure groups« verbreitet und gefördert – ist (natürlich) sexuelle Enthaltsamkeit. Die gerade noch zulässige Alternative – ehelich, einfach, zur Fortpflanzung … – braucht nicht extra propagiert werden, zumindest nicht, wenn sonst nur Totalverzicht zur Auswahl steht. Trotzdem ist, aus verschiedensten Gründen, der herkömmliche eheliche Verkehr (plus Vermehrung) nicht immer für jedermann/-frau erreichbar oder auch nur wünschenswert. Zum Glück haben medizinische Experten (aus den USA) eine religiös halbwegs tolerable Lösung gefunden:

Sie weisen darauf hin, dass Masturbation, anders als die meisten anderen sexuellen Betätigungen, kein Risiko für Schwangerschaften oder sexuell übertragbare Krankheiten bietet. [32, 33]

Wohl wahr! Äääähh – aber andererseits …

Zusammenfassend kann gesagt werden, wie41 man’s macht, macht man’s falsch. Die Gesundheit durch »richtige« Lebensweise erhalten zu wollen ist – wenn man den Experten glauben darf – eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen. Beklagenswerte Opfer aller Mühe bleiben eigentlich nur Lebensfreude und eine gewisse Unbekümmertheit des ­Genusses. Vielleicht stirbt – einem Aphorismus folgend – die Hoffnung zuletzt, der Spaß stirbt aber sicherlich zuerst. Ein eher pragmatischer Ansatz, eine entspannte, unaufgeregte Haltung gegenüber »aufgebauschten Gesundheitsgefahren« könnte vielleicht an sich gesundheitsfördernd sein. Schließlich machen Sorgen und Stress ja bekanntlich auch krank.

Wem es nicht anders gelingt, den vielen, vielen Gesundheitsgefahren tapfer zu begegnen, dem bleibt immer noch die schwedische42 Orgie. Auf die »Zigarette danach« muss natürlich verzichtet werden!

Fehlalarm!

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