Читать книгу Die merkwürdigen Erlebnisse des Astronauten Ribor Raskovnik bei seiner Rundreise durchs Weltall - Levi Krongold - Страница 11
Оглавление5. Kapitel
Apropos Küche... ich muss gestehen, dass ich langsam nicht nur Hunger bekomme sondern mir auch zunehmend heißer wird, weil das Zentralgestirn nun seitlich aufgegangen ist und das Plumpsklo durch das herzförmige Fenster zunehmend beleuchtet.
Wenn ich richtig sehe, ist dort neben der Tür ein Schriftzug eingraviert.
Warte mal, warte mal, ist sehr undeutlich, krakelig, wie mit einem Nagel eingeritzt. Wenn ich es recht lesen kann steht dort: «Ich will hier raus!«
Merkwürdig.- ich muss mich besinnen, besinnen. Eine Lösung muss gefunden werden, mir ist, als hätte ich diese sozusagen schon in mir, ich müsse sie nur wieder erinnern.
Also weiter, weiter. Ach ja, die Küche...
Kurz, die Fundsachen führten zur ersten warmen Mahlzeit. Nachdem die Reflektorschüssel umgekehrt auf dem Atomofen platziert war, konnte ich in Ruhe ein Stück, welches ich aus dem Bein der Mondkuh herausgeschnitten hatte, weich kochen und es hatte, vielleicht durch die lange Lagerzeit, vielleicht durch die Weltraumkälte oder wegen meines großen Appetits einen vorzüglichen Geschmack, machte nur etwas durstig.
Daher wagte ich einen etwas längeren Ausflug das Seil entlang, welches einige Kilometer hinausragte, und fand zu meiner großen Freude tatsächlich ein nicht unbeträchtliches Stück Kometenschweif, welches aus rein kristallinem Wasser war. Somit war vorerst mein Überleben gesichert und meine Stimmung stieg beträchtlich.
Ich verbrachte die nächsten Standartstunden damit, die Rakete auszubessern und auf einen ruhigeren Kurs zu bringen, der weniger Übelkeit erzeugen würde.
Das stellte sich als gar nicht so einfach heraus, denn das Seil am Ende der Rakete taumelte in einer Wellenbewegung hinter der Rakete her und zog deren Ende jeweils in einer Schwingung mit sich.
Mir blieb nichts anderes übrig, als nochmals hinaus zu klettern und nach geeigneten Gegenständen zu suchen, die mir behilflich sein könnten, fand allerdings nur einen Dosenöffner und einen Raum-Zeit-Kreisel, der jedoch leicht beschädigt war. Dennoch, irgend einem inneren Impuls gehorchend nahm ich beides mit in die Rakete und verstaute sie erst einmal unter dem Bett.
Kaum war die erste Hürde im Kampf ums Überleben genommen und die Aussicht zumindest mehrere Standarttage zu überleben gestiegen, so zeigte sich ein weiterer, größerer und weitaus schrecklicherer Feind, eine immaterielle Chimere, die Langeweile.
Nicht wenige Raumfahrer sind ihr erlegen. Man nennt sie auch kurz: DIE Krankheit, meint jedoch genauer die »Somnolentia stupentia monotona«, wie sie in Fachkreisen heißt, die 'bohrende Langeweile'.
Grund dafür ist, wie jeder ausreichend Belernte weiß, die Tatsache, dass der Weltraum vor allem leer ist.
Gerne schaut man beim Vorbeifliegen einmal auf eine Spiralgalaxie oder lässt sich von den fantastischen Leuchtbildern eines Sternennebels inspirieren, winkt einer vorbeifliegenden Rakete zu oder ergötzt sich an den wilden Farben einer Supernova. Dazwischen jedoch ist man vor allem Tage, Monate und jahrelangem ödem Nichts ausgesetzt.
Es ist schon vorgekommen, dass die Besatzung einer Rakete nach langem, ereignislosem Flug beim plötzlichen Anblick einer explodierenden Galaxie alle zusammen zum selben Fenster eilten, um sich dies Ereignis anzuschauen und die Rakete dadurch ein derartiges Übergewicht nach einer Seite bekommen hat, so dass sie aus der Bahn geriet und unkontrollierbar ins Trudeln geriet und das Ziel verfehlte.
Dieser Gedanke brachte mich auf eine Idee!
Wenn ich mich beim Schlingern der Rakete jeweils zur entgegengesetzten Seite abstieß, so musste ich langfristig dem Impuls einen Gegenimpuls entgegenbringen, wodurch sich die Schwingung vielleicht etwas verringern ließ.
Das erwies sich nun in dreifacher Hinsicht als ein löblicher Einfall. Erstens beseitigte er für längere Zeit meine Langeweile, weil ich nun damit beschäftigt war, mich im richtigen Moment von der Innenwand der Rakete zur Gegenseite abzudrücken, dort angekommen den Moment der Gegenbewegung abzuwarten und mich wiederum zurück zu stoßen, was in der Schwerelosigkeit kein sonderliches Problem darstellt, zumindest, wenn man acht gibt, sich nicht den Kopf zu stoßen wenn man ankommt. Und zweitens verringerte es tatsächlich mit der Zeit die Schlingerbewegung beträchtlich, ja schließlich kann ich sogar sagen, dass die Rakete einen gemächlichen, leicht wiegenden Kurs annahm, was ungefähr der ruhigen Schaukelbewegung einer Babywiege entsprach und mich auch gefühlsmäßig sehr beruhigte und letztlich, weil, wie ich mit großer Freude feststellte, Kreislauf und Muskulatur in Hochform gebracht wurden. Leider steigerte es den Appetit derart, dass er meine Vorräte an Mondkuhbein beträchtlich schrumpfen ließ.
Kurzum, nach wenigen Wochen war ich körperlich und geistig in Hochform.
Ich fuhr sogar mit dieser Übung fort, nachdem sie eigentlich gar nicht mehr nötig gewesen wäre, nur dass ich jetzt darauf achten musste, die Heckausschläge der Rakete gleichmäßig zu halten, um nicht zu einer neuerlichen Verschlechterung der Situation beizutragen.
Es stellte sich sogar so etwas wie eine Euphorie ein, die lediglich durch die jähe Erkenntnis gedämpft wurde, dass, auch durch meine erhöhte körperliche Aktivität, der Sauerstoffverbrauch in der Rakete drastisch zugenommen hatte und die Vorräte vorzeitig zu Ende zu gehen drohten.
Hier überkam mich wieder ein finsterer Groll und eine herbe Enttäuschung bei der Erkenntnis, dass die vorgehaltenen Sauerstoffvorräte ohnehin durch den Konzern so knapp gehalten worden waren, dass der Verdacht in mir aufkeimte, meine ganze gewonnene Reise sei nichts anderes als ein übler Scherz gewesen und in Wirklichkeit als ein Experiment ohne Wiederkehr geplant worden.
Immer wieder war ich auch gezwungen, lose gewordene Schrauben und Nieten in der Vertäfelung des Innenraumes der Rakete zu befestigen, die offenbar mehr als schlampig angebracht worden waren.
Dies brachte mich langsam in einen Zustand tiefer Depression und ich begann an Schlaflosigkeit und Grübelneigung zu leiden.
So spekulierte ich völlig sinnlos über das Wesen der Zeit.
Wir hatten ja das merkwürdige Verhalten der Zeit im Weltraum reichlich im Fach »Zeitgeschichte« unterrichtet bekommen.
Waren über den Irrtum aufgeklärt worden, den frühere Wissenschaftler aufgrund der Irrlehren eines Philosophen und Physikers namens Einstein aufgesessen waren, die Zeit und der Raum seien in sich verschränkte Dimensionen und noch absurder, das Licht bewege sich immer mit einer maximalen Geschwindigkeit von 300.000 km /sec. (Standardzeit), gleich in welcher Richtung und so weiter und so fort. Nun später wurden derart defätistische Gedanken als Volks - und Raumverdummung unter Strafe gestellt.
Einige ganz Unbelernbare wurden sogar einer strengen Desensibilisierungsbehandlung unterzogen, indem sie ganze Normalmonate in einem leeren Raum gesperrt wurden, in dem nichts weiter als ein Stein vorhanden war, den sie betrachten mussten.
Aber das waren Ausnahmen, die ausgeklügelte Cerebralarchitektur ließ derartige Aberrationen zum Glück meist nicht zu.
Dabei weiß doch nun jeder, dass nicht das Licht sich bewegt, sondern die Zeit.
Genaugenommen ist das Licht stets und überall zugleich, sofern es einmal leuchtet.
Anders ausgedrückt, wenn ich aus dem Fenster meiner Rakete mit der Taschenlampe leuchten würde, so ist dieses Licht im selben Moment am hintersten Punkt des Weltraumhorizonts existent und nur die Tatsache, dass die Zeit sich in einer torsionsschraubenartigen Bewegung (Torsions-hyperbolit) befindet lässt den Eindruck entstehen, dass das Licht Zeit benötige, um von einem Ort zum anderen zu gelangen.
Anders ausgedrückt, der Moment, in dem ich mit der Taschenlampe aus dem Fenster winke ist bereits die Vergangenheit für den nächsten Moment. Das Licht kommt also in der Zukunft an und dies umso später, je größer die Torsionsrotation der Zeit ist. Die wiederum ist um so größer, je weiter die Lichtquelle vom Empfänger entfernt ist und je näher sich dieser am Zeithorizont befindet.
Ich stelle mir die Zeit immer wie die Oberfläche eines Donuts vor. (Das ist die Form wie Gurken wachsen). Die krümmt sich in sich selbst, um an der Rückseite in umgekehrter Richtung wieder auf sich selbst zu treffen, worauf das Spiel aufs Neue beginnt, so dass sich mehrere umgekehrte Zeitebenen wie ein Sandwich überlagern, ohne dass die sich in der einen Ebene Befindlichen die der umgekehrten wahrnehmen können, weil diese ja in der vergangenen Zukunft sind und die ersteren in der zukünftigen Vergangenheit.
In der Mitte, also im Loch des Donuts, befindet sich der Zeitstrudel und das ist der Grund, warum große Flächen im All als leer erscheinen, was sie wohl auch sind, weil, wo keine Zeit fließt, da findet auch kein Ereignis statt und wo kein Ereignis stattfindet, da ist eben auch nichts und niemand.
So ähnlich waren wohl die Zusammenhänge, wenngleich ich immer wieder zugeben muss, dass ich manches nicht ganz durchschaut habe, aber dennoch ein Gefühl für die Zusammenhänge entwickelt habe, was mich noch nie betrogen hat.
Schließlich brachte mich diese ganze sinnlose Grübelei jedoch dazu, den Raum-Zeit-Kreisel unter meinem Bett hervor zu kramen und näher zu inspizieren.
Der Raum-Zeit-Kreisel ist meist bunt bemalt und wenn man ihn von oben durch einen Knopf, der an einer gedrehten Stange befestigt ist antreibt, so gibt er lustige Töne von sich.
Soweit ich mich erinnerte wurde er benutzt um die örtliche Zeit in erhöhte Rotation zu versetzen, was die Geschwindigkeit eines Raumschiffes beträchtlich steigern konnte, sofern man ihn mit dem Antrieb verband. Wenn sich nämlich bei gleichbleibender Geschwindigkeit, die Zeit beschleunigt, so erhöht sich für Außenstehende die Geschwindigkeit des Raumschiffes und es legt virtuell größere Strecken pro Zeiteinheit zurück. Das ist bei Langstreckenflügen sehr nützlich.
Hinderlich ist jedoch nur, dass der Knopf mit gleichbleibender Geschwindigkeit immer wieder in den Kreisel gesenkt werden muss, was bei zunehmender Zeitbeschleunigung ein ungeheures Fingerspitzengefühl erfordert und nur nach langjähriger Ausbildung gelingt. Daher werden Raum-Zeit-Kreisel nur von Spezialisten, den Rotoren bedient.
Dieser hier jedoch hatte eine deutliche Beschädigung an der Ummantlung und sogar einen kleinen Sprung im Fuß, auch war die Antriebswendel etwas verbogen und ließ sich nur schwer bewegen, wie ich leider feststellen musste.
Ich legte ihn also nach kurzer Inspektion enttäuscht zurück unter das Bett.
Im Folgenden schwankte ich zwischen immer kürzer werdenden Phasen der Euphorie und immer länger werdenden Phasen der Agonie.
Das wäre wahrscheinlich bis zum endgültigen Verbrauch meiner Sauerstoffvorräte so weiter gegangen, hätte mich nicht ganz offensichtlich eine Polizeipatrouille auf dem Radarschirm entdeckt, was bei der zunehmenden Größe meiner Sammlung, die ich hinter mir her zog zu immer deutlicheren Radarflecken geführt hatte, die schließlich selbst dem schläfrigsten Polizisten nicht mehr entgehen konnten.
Es dauerte nicht länger als 20 Normaltage bis ich einen eindeutigen und ebenso bestimmten Funkspruch auffing, ich solle mich innerhalb von 20 Normalsekunden zu erkennen geben, meinen Gencode, den Genehmigungsausweis zum Müllsammeln übermitteln oder ich würde unverzüglich festgesetzt oder sogar beschossen.
Aus dem kleinen Fenster meiner Rakete konnte ich das gewaltige Polizeipatrouillenschiff schräg vor mir einigermaßen erblicken, wenn ich die Gardine beiseite schob, die vor schädlichen Strahlen schützen sollte.
Es lag groß und gewaltig im Raum, oben blinkte ein Blaulicht und vorne die Leuchtanzeige mit der Polizeikelle, die in einer dreidimensionalen Projektion auf und abgeschwenkt wurde.Kein Zweifel, ein Patrouillenboot des Sternenkonsortiums, dem auch unser Konzern angehörte.
Nun war guter Rat teuer. Ich verstand erst gar nicht, was der Anlass war sondern hoffte einfach auf Rettung.
Den Gencode zu übermitteln war reine Routine, also meldete ich ihn ordnungsgemäß.
Allerdings war die unerwartete Antwort ein Schuss vor den Bug, was unglücklicherweise das Schleppseil zerriss, so dass es mit all meinen Schätzen davon segelte. Entsetzt schaute ich den davon trudelnden Kleinodien nach, die doch mein Überleben sichern sollten.
Das sollte nun also das Ende meiner einsamen Reise sein?
Ich funkte in meiner Not noch ein, »Hey, was soll das? Ich bin schiffbrüchig!«, doch als Antwort kam über den Lautsprecher zu meiner Überraschung ein hässliches, rauhes kehliges Gelächter.
Gleich darauf wurde zu meinem Entsetzen die Fahne des Sternenkonsortiums am vor mir schwebenden Polizeischiff eingeholt und statt dessen eine rote Flagge mit dem Gesicht des im gesamten Weltraum, von Alpha Beta bis Zentauri gefürchteten und verrufenen Freibeuters »Wilfried Wikinger« gehisst, der auf den Projektoren so grässlich mit den Augen rollte, dass es so manchem Gekaperten den Angstschweiß in derartigen Strömen in den Raumanzug trieb, dass er zu ertrinken drohte.
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