Читать книгу Das Geheimnis der 5 Arme - Lewis Cowley - Страница 6

KAPITEL 3: DER EISKALTE BRUDER

Оглавление

In der Zwischenzeit spielte sich im Stadtteil Treptow eine Szene ab, die im Grunde ein Alltagserlebnis war. Es war gerade 18.00 Uhr geworden. In der Hauptstraße stand ein kleiner Laden. Es war eine Straße, bei der kein anderer Markt war. Dort hatte Jörg Bauer vor 10 Jahren zusammen mit seiner Frau Monika seinen kleinen Laden eröffnet. Es war ein Gemischtwarenladen, kleiner als ein Supermarkt, aber größer als ein Kiosk. Dort wurden unzählige Lebensmittel und auch andere Waren wie Zeitschriften verkauft. An der Theke stand eine bildhübsche, dunkelhaarige Frau. Drei Kunden waren im Laden. Die Frau bediente noch die letzte Kundin, als ein jungwirkender und unscheinbarer Mann durch die Hintertür eintrat. Es war Katrins Bruder Jörg.

„Wie läuft´s denn, Bernstein?“ fragte er.

Er war tatsächlich keine Schönheit und er wich auch, was sein Äußeres anging, völlig von der Norm ab. So ein Gesicht hatte sicher noch keiner gesehen. Es war kantig, die Nase war recht groß und die Augenbrauen sehr buschig. Doch in den Augen war viel Wärme zu sehen.

„Alles paletti.“ gab die Frau zur Auskunft. Es war seine Frau Monika, die er einst in der Schule kennen gelernt hatte. „Ich mach gleich die Kasse zu. Dann komm ich nach oben.“

Jörg kannte seine Frau. Sie war äußerst zuverlässig und kümmerte sich neben dem Geschäft auch noch um die gemeinsame Tochter Jasmin. Die Kleine war erst fünf Monate alt und ein pflegeleichtes Baby. Monika hatte das Problem, den Laden zu schmeißen und gleichzeitig das Kind zu versorgen, genial gelöst. Mit Hilfe einer alten Brotmischmaschine, die im Laden nicht mehr gebraucht werden konnte, wurde das Kind geschaukelt, so dass es bald einschlummerte. Nur, wenn die Kleine Hunger hatte, schrie sie und das war nicht gerade selten, denn ihren gesunden Appetit hatte sie von ihrem Papa.

„Kommst du auch mit nach oben?“ fragte Monika.

„Ich mach noch die Abrechnung.“ erklärte er. „Kümmere du dich um Jasmin.“

Etwa eine Stunde später war auch Jörg in der Wohnung oben angekommen. Für den selbständigen Gemischwarenhändler war es selbstverständlich, seine Frau zu entlasten. Kaum war er durch die Tür gekommen, stürmte ein kleiner Junge auf ihn zu. Er mochte 5 Jahre alt sein, hatte kurze dunkle Haare und eine normale Figur, die für Kinder üblich war. Aus seinen blauen Augen blitzte es frech. Es war der Sohn von Jörg´s Schwager Hans und hieß Viktor.

„Hallo, Onkel Jörg.“ rief er.

„Mann, wen haben wir denn da?“ fragte Jörg überrascht, als der Kleine in seine Arme lief und sich an ihn schmiegte. „Grüß dich, Viktor.“

Jörg hatte seinen kleinen Neffen sehr gern. Trotz seines Temperaments und seiner Frechheit hatte der Junge etwas Liebenswertes, das Jörg so an ihm mochte. Einmal hatte er seiner Frau ein Geheimnis anvertraut.

„Schade, dass er nicht unser Kind ist.“

Schon tauchte Monika´s jüngerer Bruder Hans auf. Etwa 14 Monate Alter lagen zwischen den Geschwistern. Monika liebte ihren Bruder sehr, was Jörg schon lange wusste. Und jetzt erinnerte er sich an eine Szene aus der Schule, bei der er Hans zuerst begegnete.

Jörg saß wieder auf dem Stein im Pausenhof, als Monika mit einem Jungen herauskam, der genauso groß war als sie. Die beiden wirkten sehr vertraut, als ob sie sich schon lange kennen würden.

Jörg hatte den Jungen schon zweimal bei Monika gesehen. Doch wer war er? Er wirkte nicht wie ein eifersüchtiger Liebhaber, außerdem gingen die Verhaltensweisen der beiden in eine ganz andere Richtung. Jörg konnte beobachten, wie Monika mit dem Jungen sprach. Etwas Vertrautes und dennoch Distanziertes war zwischen ihnen, aber was?

Erst als sie näher kamen, bemerkte Jörg, dass der andere Junge die gleichen bernsteinfarbenen Augen hatte, wie Monika. Und jetzt begriff er: Das konnte nur ihr jüngerer Bruder sein, von dem sie neulich erzählt hatte.

Kaum waren die beiden bei ihm angekommen, sagte Monika:

„Keine Angst, Jörg. Das ist nur mein Bruder Hans.“

„Hallo.“ grüßte Jörg freundlich, dann wandte er sich sofort Monika zu.

„Was soll denn das heißen, nur?“ fragte er. „Du hast mir doch letzte Woche gesagt, dass du ihn liebst.“

„Aber nicht als Jungen in dem Sinne.“ erklärte Monika. „Nicht, dass du eifersüchtig wirst.“

„Katrin ist auf dich eifersüchtig.“ sagte Jörg lachend. „Ich versteh´ nicht, warum.“

„Du hast mir doch letzte Woche gesagt, dass du ihr einziger Spielgefährte warst.“ erinnerte Monika ihn.

„Weil andere mit ihr nicht klargekommen sind.“ erklärte Jörg. „Aber daran ist sie selber schuld. Die benimmt sich wie eine Zimtzicke, weil sie eine ist.“

Monika und ihr Bruder lachten.

„Also, ehrlich gesagt,“ begann Hans. „wenn ich mir das so recht überlege, gibt es wohl nichts zu überlegen.“

„Da muss ich dir recht geben.“ lachte Jörg. „Katrin ist halt ein typisches Mädchen, deine Schwester aber nicht.“

„Wie kommst du denn darauf?“ fragte Hans verwundert. „Du kennst sie doch kaum.“

„Dann läuft es meistens am besten, sagt Pa.“ erklärte Jörg.

Jetzt schreckte Jörg auf. Er war in seiner Wohnung. Sein Schwager stand vor ihm.

„Servus, Hans.“ grüßte Jörg.

Viktor wartete nicht ab, sondern krähte:

„Du, Onkel Jörg. Ich möchte, dass Jasmin bei uns ist. Ich sorge auch für sie, gebe ihr die Flasche und werde sie auch wickeln. Und baden werde ich sie auch noch.“

Monika lachte, als sie das hörte.

„Ach bitte.“ flehte der Junge. „Darf Jasmin bei mir bleiben?“

Jörg schaute seine Frau etwas verwirrt an. Er wusste zwar, dass Viktor Jasmin liebte. Offenbar wusste der Junge, dass seine Mama Gertraud wegen einer schweren Stoffwechselkrankheit bewusstlos in einem Krankenhaus lag und auch keine Kinder mehr bekommen konnte. Doch war der Kleine dieser Aufgabe gewachsen? Das wollte Jörg herausfinden. Aber zuerst war ihm eine andere Frage wichtig.

„Wie geht es Gertraud?“ fragte er.

„Nicht gut.“ gestand Hans „Sie braucht immer noch Infusionen. Die Ärzte sagen, wenn sich ihr Zustand nicht in den nächsten Tagen bessert, wird sie vielleicht für immer bettlägerig bleiben. Sollte es so sein, werde ich meine Entscheidung treffen.“

„Mach bloß nichts Unüberlegtes.“ mahnte Jörg ihn. Er schaute zunächst Viktor, dann seinen Schwager an und fragte:

„Weiß er es?“

„Er weiß, dass seine Mama sehr krank ist.“ erklärte Hans. „Und ich bin sicher, dass er auch ahnt, dass er niemals ein Geschwisterchen haben wird. Vielleicht ist das der Grund, warum er so an Jasmin hängt. Er betrachtet sie als seine kleine Schwester, die er nie bekommen wird.“

„Er ahnt mehr, als wir wissen.“ stellte Jörg fest. „Oder er weiß mehr, als wir ahnen. Vielleicht sollten wir doch alle kurz ins Krankenhaus fahren.“

Jörg betrachtete seinen kleinen Neffen, der mit Jasmin knuddelte. Die Kleine schaute ihn mit großen Augen an. Ob Jasmin spürte, wie es um Viktor´s Mama stand? Tatsache war nur eins: Sie strahlte immer, wenn Viktor in ihrer Nähe war, obwohl sie sonst Fremde abstieß. Alle konnten sehen, wie Jasmin lachte, als Viktor sie kitzelte, obwohl ihm der Umstände seiner schwerkranken Mutter wegen gar nicht zum Lachen zumute war, doch das wollte er nach außen nicht zeigen.

„Dein Sohn ist wirklich sehr tapfer.“ stellte Jörg fest. „Die eigene Mama liegt schwerkrank im Hospital und er spielt mit Jasmin.“

Er hatte recht. Viktor zeigte nicht, dass er in Wahrheit todtraurig war. Außerdem war Jasmin für ihn ein wichtiger Trost. Doch auch seine kleine Cousine zeigte sich fröhlich. Sie schien ihn ebenfalls zu lieben, als wäre er ihr Bruder. Jörg, Monika und Hans verfolgten diese Szene, ohne etwas zu sagen. Bis Jörg das Schweigen brach.

„Okay.“ sagte er in einem bestimmten Ton. „Fahren wir.“

Eine halbe Stunde später war Jörg´s Wagen mit seinen Insassen angekommen. Sie stiegen aus und Monika packte den Kinderwagen aus dem Kofferraum.

„Gib mir Jasmin.“ forderte sie Viktor auf. „Sie wird dir sonst zu schwer.“

„Jasmin wird mir niemals zu schwer.“ verwahrte sich der Junge.

„Na schön,“ erkannte seine Tante. „Gib sie mir trotzdem. Sie muss jetzt in den Kinderwagen.“

„Aber nur, wenn ich ihn schieben darf.“ bestand der Kleine.

„Wie du willst.“ lachte Hans.

Langsam gingen sie in Richtung Krankenhaus. Niemand sagte etwas. Jasmin lag im Kinderwagen, den Viktor schob. Immer wieder schaute er seine kleine Cousine an und vergaß fast, auf die Umgebung zu achten, so dass er manchmal fast an Wände und Gegenstände zu stoßen schien.

Jörg meldete sich an der Pforte, in der eine Frau saß.

„Wir wollen zu Gertraud Welker.“ sagte er. „Ist das möglich? Sie liegt angeblich auf der Intensivstation.“

„Wer sind Sie denn überhaupt?“ fragte die Frau.

Noch bevor Jörg antworten konnte, erklärte Hans:

„Ich bin ihr Ehemann Hans Welker und die hier sind meine Verwandten.“ erklärte Hans.

Schon mischte sich ein Arzt ein. Hans kannte ihn. Es war Dr. Brandt.

„Schon gut, ich mach´ das schon.“ sagte er zur Frau. An Hans gewandt erklärte er:

„Sie liegt immer noch auf der Intensivstation. Kommen Sie.“

Dr. Brandt führte sie durch das große Krankenhaus. Immer noch schob Viktor den Kinderwagen, doch sein Blick hatte sich etwas verfinstert, denn er wusste: Es ging in Richtung Mama.

Jetzt krähte seine kleine Cousine. Viktor stoppte den Kinderwagen und ging zu ihr.

„Ist ja gut, Jasmin.“ beruhigte er sie. „Ich bin doch da.“

Hätten Jörg und Monika die nun folgende Szene nicht erlebt, sie hätten es nicht geglaubt. Sofort hörte Jasmin auf zu weinen und strahlte ihren Cousin an. Jörg stand vor einem Rätsel. Wie konnte ein 5-Monate-altes Baby so genau spüren, dass ein Mensch bei ihm war, der sich so sehr um sie kümmerte? Seine Frau schien seine Gedanken zu erraten.

„Babys sind nun einmal instinktiv und klüger als Erwachsene.“ erklärte sie. „Aus diesem Grund weiß Jasmin, dass sie bei Viktor in guten Händen ist.“

Eine Minute später gingen alle zur Intensivstation. Zwei Minuten später waren sie dort angekommen. Durch eine Glasscheibe konnten die Gefährten die Patientin betrachten, die bewusstlos in einem Bett lag.

Es war ein mitleidserregender Anblick. Gertraud war mit Schläuchen an Geräten verschiedener Arten angeschlossen. Als Viktor das sah, weinte er. Jörg bemerkte es und nahm den Jungen in seine Arme.

„Ob Mama wieder gesund wird?“ fragte Viktor leise.

„Ich weiß es nicht.“ gestand sein Onkel. „Nur die Ärzte können darauf eine Antwort geben.“

„Es ist eine seltene Stoffwechselkrankheit.“ sagte Dr. Brandt. „Eins ist fast sicher. Sie wird wohl nie wieder Kinder bekommen. Aber auch das kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden. Vielleicht wird sie wieder gesund.“

„Was ist denn passiert?“ fragte Jörg.

„Das können wir nicht sagen.“ erklärte der Arzt. „Fest steht nur, dass es sich um einen Gendefekt handelt, der offenbar angeboren, also vererbt ist. Aber warum er so viele Jahre nicht ausgebrochen ist, keine Ahnung. Haben Sie nicht damals gesagt, dass ihre Mutter auch daran litt?“

„Ja.“ gestand Hans. „Vor drei Jahren ist sie daran gestorben. Ob das auch meine Frau trifft?“

„Das ist unmöglich zu sagen.“ antwortete Dr. Brandt. „Fest steht nur, dass sie an dieser Krankheit leidet. Aber ob sie überlebt oder auch ganz gesund wird, wissen wir nicht. Auch will ich Ihnen weder Angst noch Hoffnungen machen.“

„Wie meinen Sie das?“ erkundigte sich Jörg.

„Angeblich soll eine Chemikerin an Versuchen arbeiten, die Krebserkrankungen und ähnliches abbauen soll.“ erklärte Dr. Brandt. „Es könnte vielleicht sein, dass dieses Medikament helfen könnte. Festlegen möchte ich mich allerdings nicht.“

„Aber Gertraud war doch immer gesund.“ verwahrte sich Hans. „In all den Jahren ist nie etwas gewesen. Und übrigens: Kann es sein, dass Viktor auch diese Krankheit hat?“

Als Jörg das hörte, umarmte er seinen Neffen innig.

„Das darf nicht passieren.“ sagte er leise.

„Es ist möglich, dass es nie bei ihm ausbricht.“ erklärte Dr. Brandt. „Es könnte aber auch morgen bei ihm ausbrechen. Oder er hat es nicht geerbt. Niemand weiß es. Selbst eine genaue Untersuchung könnte es nicht genau zeigen. Das ist wesentlich ungewisser und schlimmer als bei Krebs. Es ist etwa so ähnlich, wie bei Leukämie, nur mit dem Unterschied, dass hier keine Knochenmarktransplantation hilft. Da geht man regelmäßig zur Untersuchung, doch der Arzt findet nichts. Und plötzlich ist der Krebs da. Wenn Sie mich fragen, auch in diesem Fall könnte ich nichts finden.“

Jörg war mit den Tatsachen vertraut. Er schaute seinen Neffen an und sagte beschwichtigend:

„Keine Angst, Viktor. Deine Mama wird wieder gesund.“

Der Junge hob leicht den Kopf und meinte:

„Ich glaube nicht daran.“

Etwa eine halbe Stunde später fuhren sie wieder zurück. Viktor hatte die ganze Zeit seine kleine Cousine im Arm. Normalerweise hätte sie im Babysafe liegen müssen, doch der Junge sah in seiner kleinen Cousine eine kleine Schwester. Deshalb hatte er felsenfest darauf bestanden, dass Jasmin bei ihm bleiben sollte.

Schon waren sie vor dem Haus angekommen, in dem Jörg mit seiner Frau wohnte.

„Okay, wir sind da.“ bestätigte Jörg.

„Ich will nur noch heim.“ gestand Hans. „Komm Junge.“

Doch Viktor fing an zu weinen, weil er von Jasmin getrennt werden sollte. Monika schaute ihren Mann vielsagend an. Der verstand sofort, was sie meinte.

„Wir packen ein paar Sachen von Jasmin zusammen.“ erklärte Jörg und schaute seinen Neffen an. „Dann darf sie das Wochenende bei dir bleiben.“

Sofort hörte der Junge auf zu weinen und drückte seine Cousine an sich. Monika beobachtete ihn genau.

„Ich pass auf dich auf.“ versprach der Junge leise.

In der Wohnung angekommen, suchten sie alles zusammen, was Jasmin brauchte. Jörg packte die Kleidung und Windeln ein, während Monika die Nahrungsmittel zusammenstellte. Als sie fertig war, wandte sie sich zu Viktor und sagte:

„Diesen Brei musst du bis zur Skala 20 einfüllen, dann kommt warmes Wasser drauf. Das muss dann bei 100 stehen. Und von diesem Tee nimmst du einen Teelöffel voll und lässt ihn im warmen Wasser ziehen. Das dauert zwei Minuten. Jasmin liebt diesen Tee und könnte ihn bis zur Bewusstlosigkeit saufen. Sie braucht einen Liter täglich. Deshalb die große Flasche, die Jörg angefertigt hat.“

„Onkel Jörg ist ein kluger Mann.“ stellte Viktor fest. „Und er hat Jasmin auch ganz lieb.“

„Sie ist auch seine Tochter.“ erklärte Monika. An ihren Mann gewandt sagte sie:

„Alles fertig.“

„Na schön,“ stellte Jörg fest. „Bringen wir alles runter.“

Schon war der Kofferraum von Hans´ Wagen voll. Viktor setzte sich mit Jasmin auf den Hintersitz. Innig umarmte er sie.

„Erdrück´ sie nicht.“ meinte Jörg.

„Nein, ich hab sie doch lieb.“ rief Viktor. „Tschüss, Onkel Jörg. Tschüss Tante Moni.“

Schon fuhr der Wagen an und brauste davon.

Monika schaute ihren Mann an und fragte:

„Glaubst du, das wir richtig gehandelt haben?“ fragte sie.

„Auf jeden Fall glaubt Viktor daran.“ erklärte ihr Mann. „Und mach´ dir keine Gedanken. Er liebt seine kleine Cousine, und wie du weißt, liebt sie ihn auch. Das ist alles, was zählt. Glaube mir, er wird alles richtig machen.“

„Aber glaubst du nicht auch, dass er dieser Aufgabe nicht gewachsen ist?“ fragte Monika.

„Er schafft das schon.“ beruhigte Jörg seine Frau. „Er zeigt Verantwortung seiner kleinen Cousine gegenüber. Und abgesehen davon: Jetzt haben wir Ruhe. Ist doch schön, dass er sie liebt und versorgt.“

„Vielleicht hast du recht.“ gestand seine Frau. „Endlich haben wir ein Wochenende für uns.“

„Ich kann es gar nicht erwarten.“ gestand Jörg.

Schon gingen beide nach oben. In der Wohnung angekommen, sagte Jörg bestimmt:

„Jetzt soll uns keiner stören.“

Kaum hatte er das gesagt, läutete sein Telefon.

„Geh nicht hin, Schatz.“ bat Monika. „Wir brauchen Ruhe.“

Doch Jörg dachte nicht daran. Langsam ging er zum Telefon. Nachdem es siebenmal geläutet hatte, hob er den Hörer ab.

„Bauer.“ meldete er sich.

An der anderen Leitung war Katrin. Als sie die Stimme ihres Bruders hörte, schloss sie erleichtert ihre Augen.

Da sie sich nicht gleich meldete, fragte er:

„Hallo, wer ist da?“

Katrin öffnete ihre Augen wieder und antwortete:

„Hallo, Jörg!“

Der erkannte die Stimme seiner Schwester zunächst nicht.

„Hallo, wer ist denn dran?“ wiederholte er.

„Ich bin´s, Katrin.“ kam es durch den Hörer zurück.

„Auch das noch!“ gab er verächtlich von sich.

„Du brauchst gar nicht so enttäuscht zu sein, Jörg.“ schnauzte Katrin ihn an. „Schließlich bin ich vom selben Fleisch und Blut wie du.“

„Bedauerlicherweise.“ kam es zurück.

„Lass die blöden Witze.“ rief Katrin erregt. „Ich brauche Hilfe.“

„Ach, ist der schwarze Mann wieder zurückgekommen?“ fragte ihr Bruder spöttisch. „Würde mich nicht wundern.“

„Hör damit auf, Jörg.“ rief Katrin. „Ich werde verfolgt. Du musst mir helfen!“

„Da kann ich doch nur glockenhell kichern.“ meinte Jörg. „Jahrelang hast du es geleugnet, mich zu kennen und jetzt fällt es dir auf einmal wieder ein!“

„Komm schnell!“ brüllte Katrin.

„Und wohin?“

„Ich wohn´ immer noch da!“ schon legte sie auf.

Jörg Bauer handelte gleich. Obwohl er seine Schwester seit 10 Jahren nicht mehr gesehen hatte, war sein Hass ihr gegenüber nicht gewichen. Dennoch glaubte er, ihr beistehen zu müssen, denn er kannte sie und wusste, dass sie ihn nie zum Spaß anrufen würde.

Was ist denn Schatz?“ fragte Monika.

„Ich muss sofort weg.“ erklärte Jörg ohne Umschweife. „Tu mir und dir einen Gefallen und fahr sofort zu Hans. Ich erkläre dir alles, wenn ich Näheres weiß. Mach´s gut und beeil dich.“

„Wieder nichts mit einem freien Wochenende.“ stöhnte seine Frau.

„Ist nicht zu ändern, Bernstein.“ gab ihr Mann zurück.

„Warum musstest du auch unbedingt ans Telefon gehen?“ schimpfte Monika.

„Jetzt ist keine Zeit für Diskussionen.“ herrschte Jörg sie an. „Beeil dich und ruf Hans an.“

Jörg packte seinen Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Er ging aus dem Haus und lief zur Straße hinunter.

Inzwischen fuhr seine Frau zu ihrem jüngeren Bruder Hans, um auf die Kinder aufzupassen. Jörg lief zu seinem Wagen und stieg ein. Er startete den Motor und fuhr los. Schließlich wusste er, wo seine Schwester wohnte, obwohl so viele Jahre vergangen waren.

Das Geheimnis der 5 Arme

Подняться наверх