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3. Kapitel

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– Junos Sicht –

Wir kamen in die große Halle, wo die Gepäckrückgabebänder liefen. Orientierungslos suchten wir das Band vom Flieger aus Berlin. Wir liefen ohne weitere Anhaltspunkte los, bis zwei nette, gut aussehende Männer uns ansprachen. Vorher bekamen wir die uns farblich bekannten F.I.L. Records-Ausweise der Herren zu sehen. Ein „Aaahh!“ entrann Tess vor Erleichterung. Einer der Jungs, der mit dem blonden Haaren, ergriff das Wort: „Herzlich willkommen in London. Mein Name ist Jim und das ist mein Kollege Bill.“ Er zeigte auf seinen Kumpel, der zustimmend nickte. „Wir arbeiten für die F.I.L. Records und wurden beauftragt, Sie abzuholen und zum Hotel zu begleiten. Wer von den Damen ist denn die eigentliche Gewinnerin?“, wollte der smarte junge Mann wissen. Ich hob meine Hand und gab sie ihm zur Begrüßung. „Freut mich, Sie kennen zu lernen, mein Name ist Juno und das ist meine Freundin Tess.“ Zwar hatte ich Englisch als Leistungsfach, doch wenn man tatsächlich mit einem Engländer sprach, musste man genauer hinhören. Trotzdem klappte es mit der Verständigung gut. „Euer Gepäck wird direkt ins Hotel gebracht. Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, das hat bisher immer geklappt“, beruhigte uns Jim, während er ein breites Grinsen aufgesetzt hatte und man seine weiß gebleachten Zähne sah. „Man darf gespannt sein“, meinte ich fast zweifelnd zu Tess und sie reagierte mit einem kurzen Schulterzucken. Wir setzten uns in Bewegung. Unauffällig folgten wir den beiden Männern zu einem Seitenausgang des Flughafens. Ein dezenter schwarzer Wagen, ein VW Phaeton, wartete auf uns. Die Fenster des Wagens waren komplett getönt. Von vorne konnte man einen Blick auf den Fahrer und auf eventuelle Beifahrer erhaschen. Bill ging direkt zur Fahrerseite und stieg ein. Jim hielt Tess und mir freundlich die hintere Tür auf. Während der Fahrt durch die Stadt zeigte uns Jim das ein oder andere interessante Gebäude und erzählte die dazugehörige Geschichte. Tessy und ich staunten und schwiegen. Die Stadt hatte uns durch ihre Ausmaße und ihre besondere Architektur bereits in ihren Bann gezogen. „Wir werden bald am Hotel angekommen. Bitte seid so nett und befestigt die V.I.P.-Pässe sichtbar an den Klamotten. Sie werden für euch von hoher Wichtigkeit sein, denn sie eröffnen euch den Weg zu allem, was das Hotel bietet.“ Nebenher nannte er ein paar Beispiele wie die Nutzung des Pool- und Wellnessbereiches sowie des Fitnesscenters. Der Verzehr in Restaurants und Bars, die zum Hotel gehörten, war inbegriffen. Um es kurz zu machen, wir brauchten keinen Cent zu zahlen! Das einzige, was wir vor Erstaunen herausbrachten, war ein: „Wow! Vielen Dank!“

Ich hatte den Eindruck, dass die Männer Verständnis für unseren Zustand hatten. Sie gaben uns Zeit, um uns mit der neuen Situation vertraut zu machen. Nachdem einige Minuten verstrichen waren, sprach Jim weiter: „Selbst wenn ihr draußen unterwegs seid, ist es ratsam, die Pässe immer bei euch zu tragen. Sie ermöglichen euch freien Eintritt und kostenlosen Verzehr von Essen und Getränken in angesagten Bars und Pubs hier in London. So könnt ihr die Stadt in vollen Zügen genießen!“ Wir nickten beide synchron wie artige Kinder. „Ist das ein wahr gewordener Traum?“, säuselte meine Freundin, mit einer gewissen Skepsis.

Jim erklärte, dass wir morgen Abend um 19 Uhr in der Hotelbar zum Konzert abgeholt würden. Eine Überraschung hatte er jedoch noch in petto. „Ihr habt die Möglichkeit, das Auto, in dem wir gerade sitzen, samt Fahrer jederzeit für Ausflüge zu nutzen. Eine feine Sache, so braucht ihr nicht mit dem Taxi oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.“

„Und ob, das ist grandios!“, pflichtete ich begeistert bei. Ich hatte das Gefühl, dass jemand versuchte, mir den Boden unter den Füßen wegzureißen. Tess war mittlerweile gefasster. Sie stellte Fragen über Clubs und Discotheken hier in der City.

„Ihr könnt George, euren Fahrer, immer erreichen. Egal, um was für eine Zeit. Er wird immer und überall zur Stelle sein, wenn ihr ihn braucht“, klärte uns Jim auf, bevor er uns eine Karte mit dessen Handynummer nach hinten reichte. Dankend nahmen wir sie an uns. Nach einer Fahrzeit von einer halben Stunde erreichten wir das HeaveNly-Hotel am Hyde Park. Von außen wirkte das Hotel unscheinbar und schlicht. Die Bauweise war in einem modernen Stil gehalten, alles gerade und dezent. Die beiden netten Herren begleiteten uns hinein, um an der Rezeption mit dem Portier alles Nötige zu regeln. Wie zwei dumme Hühner, die noch nie in einem Hotel eingecheckt hatten, standen wir im Eingangsbereich. Der Stil dieses Hotels entsprach völlig meinem Geschmack! Es war modern, großzügig und dennoch nicht überladen. Vor lauter Staunen und Bewunderung bemerkten wir nicht, dass die Herren und ein großer, schlanker Page auf uns warteten. „Wir wünschen euch ganz viel Spaß und eine schöne Zeit. Wir sehen uns morgen Abend wieder. Ihr wisst ja, pünktlich um 19 Uhr“, meinte Jim und schüttelte uns die Hände. „War nett, euch kennen gelernt zu haben.“ Jetzt sollte der Page übernehmen. Wir folgten dem Mann, der eine dunkelgraue Uniform und ein lustiges Hütchen auf dem Kopf trug. Wir gingen zu dem linken der drei Fahrstühle. Von dort aus fuhren wir in die 5. Etage, das oberste Stockwerk des Hotels. Es musste sich hier um eine besondere Ebene handeln, denn dorthin konnte man ausschließlich mit Hilfe unseres V.I.P.-Tickets gelangen. Unser Page ging auf die rechte Tür neben dem Fahrstuhl zu und öffnete sie mithilfe einer Generalkarte. Die Tür sprang auf und ein großzügiger Raum in Grau- und Petroltönen war für uns reserviert. An einer Wand standen unsere Koffer. „Wow, die haben es wirklich geschafft, sie noch vor unserer Ankunft hoch zu schaffen.“ Erstaunt klopfte ich gegen die Außenhülle. Der Page räusperte sich und wir sahen kurz zu ihm rüber. Diesen Moment nahm er zum Anlass, uns etwas mitzuteilen. „Meine Damen, das war noch nicht alles. Wenn Sie bereit sind, können wir mit der Begehung fortfahren.“ Er drehte sich zum Ausgang und ging hinaus, um die Tür zum angrenzenden Zimmer zu öffnen. Ratlos, was damit gemeint war, trotteten wir ihm hinter her. „Das wäre dann ihr zweites Zimmer“, bemerkte unser Page. Das schlichtere Bett, ohne Himmel, mit hohem Kopfteil gefiel mir persönlich noch besser als das Himmelbett von drüben. Auch hier waren die grauen und petrolfarbenen Töne vorherrschend. Inzwischen glaubte ich zu verstehen, wie das Konzept des Hotels angelegt war. Alle Zimmer waren unterschiedlich und doch sah man, dass sie in dieses Hotel gehörten. „Das ist ja unglaublich, wir haben jeder ein Zimmer!“ Irritiert sah mich meine Freundin an, während ich genauso verwirrt ausgesehen haben muss. „Das wären dann Ihre Zimmer, ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit.“

„Es ist toll und ganz zu unserer Zufriedenheit, vielen Dank“, entgegnete Tess. Der Page erklärte, wie unsere V.I.P.-Pässe funktionierten und wir begriffen, dass sie der Schlüssel für nahezu alles waren!

Uns war klar, dass ich dieses Zimmer beziehen würde und Tess das andere. Schnell brachte mir der nette Page mein Gepäck in die Suite.

„Du, ich geh rüber, alles auspacken und mich für das Abendessen frisch machen“, meinte Tess, die es kaum aushalten konnte, allein in ihrem Luxuszimmer zu sein. Ich nickte ihr wortlos zu und genoss die Atmosphäre des Raumes. Der Ausblick von der großen Loggia in den Park, mit dem vielen Grün, war wunderschön. Sogar ein Teich mit weißen Seerosen war angelegt. Fantastisch. Die vielen Passanten, die mit ihren Kindern oder Hunden spazieren gingen, wirkten lustiger als ein Kinobesuch. Ich ging ins Zimmer und legte mich auf das riesige, schneeweiß bezogene Bett. Auf dem Sideboard stand eine schwere, große, matt-silberne Blumenvase mit langen trockenen Ästen darin. Sie waren mit kleinen Glitzersteinen in Silber und Petrol überzogen. Wie Diamanten funkelten sie, als die Sonnenstrahlen direkt auf die Steinchen fielen und sich an den Wänden des großen Raumes widerspiegelten. Als ich auf meine Uhr schaute, erschrak ich. In einer Stunde sollte ich geduscht und gestylt für das Abendessen fertig sein. Meine Klamotten hatte ich schnell in den Schrank einsortiert. Anschließend schnappte ich mir meine Wasch- und Schminkutensilien und verschwand im Badezimmer. Es waren Kleinigkeiten, die mein Bad von Tessys unterschieden. Sie hatte eine auf Beinchen stehende, leicht runde Badewanne, die romantisch wirkte. Meine hingegen war gerade und hatte keinerlei Rundungen. Sie wirkte sehr modern, aber trotzdem einladend. Ich entschied mich für die Dusche, deren großer Kopf in der Wand unter der Decke eingelassen war. Als das Wasser auf mich perlte, bemerkte ich, dass die vielen kleinen Tröpfchen in unterschiedlichen Farben leuchteten. „Mmmhhh, ist das herrlich!“ Unter dem warmen Wasser hätte ich noch Stunden verbringen können, doch die Zeit rannte. Im Schnelldurchgang zog ich mich an und schminkte mich. Mit meinem Ausweis und noch ein paar anderen Utensilien in der Hand ging ich rüber zu meiner Freundin und klopfte an. Wie vermutet, war sie noch nicht fertig. So trat ich auf ihre Loggia, die ebenfalls zum Park hinausging. Die Sonne stand tief und ließ den See orange glänzen. Ich knipste einige Bilder von der herrlichen Aussicht und unterhielt mich nebenher mit Tess. „Juno, das ist einfach nur der Wahnsinn hier! Das kann man doch eigentlich gar nicht glauben.“ Ich schüttelte meinen Kopf. „Du hast Recht. Das ist eine unglaubliche Sache! Hast du dich eigentlich schon bei Barbara gemeldet?“

„Ja, alles erledigt! Am liebsten wäre sie auch hier, wo sie doch so ein Luxusfan ist.“ Den V.I.P.-Pass knipste ich mir leicht sichtbar an meine Hosentasche, Tess an die Tasche ihres kurzen, roten Rockes.

Wir fuhren nach unten, um uns beim Portier über die einzelnen Restaurants beraten zu lassen. Er empfahl uns das Restaurant „A la carte“. Von ihm bekamen wir zusätzlich mehrere Heftchen, in denen das ganze Angebot des Hotels und viele Sehenswürdigkeiten in London beschrieben waren. Als wir in den Eingang des Restaurants kamen, erwartete uns ein Angestellter. „Schönen guten Abend, die Damen, bitte folgen Sie mir.“ Er wies uns einen netten Platz mit Sicht auf die belebte Straße zu. Der Ober brachte uns die Karte und beschrieb uns das ein oder andere Gericht. „Hört sich alles verdammt lecker an, am liebsten würde ich von allem ein bisschen probieren.“

„Ich nehme die Scampi-Pfanne mit Knoblauch und Kirschtomaten und dem „Green Smoothies“-Salat“, hatte Tess entschieden.

Zwischen diesem Gericht und einem anderen haderte ich. „Na gut, dann nehme ich die Spaghetti.“ Ich zeigte auf ein Gericht auf der Karte. Wie der Kellner mir erklärte, werden die Nudeln in einem Käselaib geschwenkt und dann mit einer Weißweinsoße serviert. Anschließend werden Trüffeln darauf gerieben. Schon der bloße Gedanke daran ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. „Dann möchte ich bitte noch einen Champagner und ein Glas Weißweinschorle für meine Tischnachbarin“, sagte Tess. Der Kellner nickte und eilte davon, um die Bestellung weiterzugeben. Wir warteten gespannt auf unsere Gerichte und überlegten, was wir am heutigen Abend in der Londoner Innenstadt unternehmen könnten. Dazu nahmen wir uns die Broschüren zu Hilfe. Tess blätterte. „Schau mal, da wollte ich schon immer hin. Ist bestimmt total spannend, mal das Original zu sehen.“ Sie wies mit ihrem Finger auf Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. „Du hast Recht, dafür wäre ich auch zu haben, vielleicht können wir auf dem Weg dorthin noch einen kleinen Zwischenstopp an der Tower Bridge machen. Wir sollten das Panorama der Stadt von oben im Dunklen auf uns wirken lassen.“ Mittlerweile waren unsere Gerichte fertig und der Ober brachte sie uns auf großen, weißen Tellern an den Tisch. „Darf ich den Damen noch etwas bringen oder haben Sie alles, was Sie benötigen?“

„Vielen Dank, wir sind wunschlos glücklich!“ „Guten Appetit!“, wünschte er, bevor er sich den neu eingetroffenen Gästen widmete. Die Gerichte sahen aus wie gemalt, perfekt hatte der Koch die Garnelen und die Spaghetti inklusive der Dekoration drapiert. Ich beugte mich über meinen Teller, um den Duft zu inhalieren. Tess hielt ihren prickelnden Champagner hoch. „Prost, meine Süße, auf den heutigen Abend und auf eine schöne Zeit hier in England.“ Unsere Gläser stießen leicht gegeneinander und das Kristall klirrte, bevor wir beide einen großen Schluck nahmen. Ein guter Tropfen Wein, halbtrocken mit wenig Säure, der kühl meine Kehle hinunterlief. Das Gemisch aus Wasser und Wein hatte ich mir ausgewählt, um nicht gleich die Folgen des Alkohols zu spüren. Es sollte schließlich noch ein langer #Abend werden. „Mmmmhhh, das ist wirklich hervorragend! Vor allem diese Pilze, ein Gedicht!“ Tess war ebenfalls voll des Lobes. Bevor wir austranken, beschlossen wir bei unserem Fahrer George anzurufen. Während der Ober den Rest des Tisches abräumte, sah er uns fragend an. „Zahlen Sie bar oder mit Karte?“

Schnell reichte ich ihm meinen V.I.P.-Pass. Er zog ihn durch das dafür gedachte Lesegerät. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und besuchen Sie uns bald wieder.“

„Das werden wir ganz bestimmt, vielen Dank!“ Tess und ich gingen hinunter in den Eingangsbereich des Hotels. Dort wurden wir von einem Pagen erwartet, er begleitete uns hinaus zu dem uns bekannten Wagen. Der Fahrer ergriff das Wort, während er sich nach hinten drehte und uns ansah. „Schönen guten Abend, Ladies, mein Name ist George. Ich werde Sie die kommenden Tage hier in London chauffieren. Falls Sie irgendeinen Wunsch haben, egal, um was es sich handelt, wenden Sie sich bitte an mich.“ Zur Sicherheit zeigte er noch einen Ausweis der Plattenfirma F.I.L. vor. „Angenehm und vielen Dank, mein Name ist Juno, ich bin die Gewinnerin des Preisausschreibens. Das ist Tess, die ich mir zur Verstärkung mitgebracht habe.“ Ich zeigte auf meine Freundin und sie lächelte George freundlich an. Wir plauderten kurz über den Flug und das Hotel, während wir an unseren gewünschten Zielort fuhren. Es dauerte rund zehn Minuten, bis wir an der Tower Bridge angelangt waren. Gemeinsam liefen meine Freundin und ich bis zur Mitte der Brücke. Was für ein gigantisches Bauwerk! Jeder einzelne Turm der 1894 fertiggestellten Brücke misst rund 65 Meter. Unglaublich, dass die gewaltige Klappbrücke standhielt, wenn sie für große Schiffe hochgezogen wurde. Wir hatten einen geeigneten Platz gefunden, der uns eine gute Sicht bot. Viele einzelne Lichter leuchteten in der Ferne und gaben die Umrisse der Gebäude wieder. Durch den Schein des Mondes funkelte das Wasser der Themse wie die Spitzen eines Eisberges. Der Mond war fast voll und wirkte dadurch sogar ein bisschen geheimnisvoll. Tausende von Sternen blinkten vom klaren Himmel.

„Gut, dass du an die Kamera gedacht hast! Wäre echt schlimm, wenn wir uns das zu Hause nicht noch einmal anschauen könnten“, meinte meine Freundin, bevor sie vor Kälte anfing zu frösteln. „Ah ja, du weißt doch, wie ich bin, manchmal vielleicht zu organisiert“, antwortete ich. Wir knipsten etliche Bilder aus den verschiedensten Winkeln und gingen zufrieden zurück zum Auto. Als wir Platz genommen hatten, teilten wir George mit, wo wir als nächstes hinwollten. Ich betrachtete George, der das Steuer lässig in seiner Hand hielt. Er war ein groß gewachsener, waschechter Engländer, ein wenig altmodisch und steif, aber unheimlich zuvorkommend. Wahrscheinlich bemerkte er, dass ich ein Auge auf ihn geworfen hatte und meinte: „Sie haben sich einen guten Zeitpunkt für Madame Tussauds ausgesucht. Sie werden sicherlich einen Menge Spaß haben.“ Er chauffierte uns direkt vor den Eingangsbereich, ging um das Auto und zog die Tür auf. Dabei vergaß er nicht, uns daran zu erinnern, ihn kurz vor Ende der Besichtigung anzurufen.

An der Kasse waren wir froh, nicht anstehen zu müssen. Die Dame hinter der Glasabtrennung schaute uns fragend an. „Zwei Karten, bitte“, forderte Tess höflich, aber bestimmt ein. Die Frau hinter der Kasse war etwas nervös. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, als ich meinen Pass vorlegte. Daraufhin fragte sie: „Möchten Sie vielleicht noch eine Führung durch das Kabinett haben?“

Ich checkte den Blick meiner Freundin. „Nö, das ist nicht nötig. Danke.“ Die junge Frau mit dem langen dunklen Pferdeschwanz lächelte. Wir bedankten uns und gingen zügig rein.

„Ach, das gibt es doch gar nicht!“, staunte Tess. „Der sieht ja wie echt aus. Ob er sich auch so anfühlt?“ „Probier doch mal! Streich Edward doch mal sanft über seine Haut, aber pass auf, dass er dich nicht beißt!“ Die Rede war von Robert Pattinson, dem Vampir aus Twilight. Ich zückte die Kamera, um Tess mit dem Schauspieler zu verewigen. Als ich hinter eine Ecke lugte, entdeckte ich die Mitglieder meiner Lieblingsband Luminous. Kurz hatte ich den Eindruck, einen Herzaussetzer zu haben. „Mein Gott, das kann nur ein Traum sein!“

Tess staunte ebenfalls und rannte sofort zu ihrem Liebling, dem Gitarristen Gary. „Juno, mach unbedingt Bilder von uns beiden, los, los, los! Aber anständige und davon ganz viele!“, rief sie, während sie sich an den leblosen Körper schmiegte. „Ich gebe mein Bestes!“, versicherte ich und schoss viele Fotos. Während Tess weiter zwischen den Bandmitgliedern rumtanzte, widmete ich mich dem Frontsänger Charly William.

„Siehst du gut aus, dem Echten zum Verwechseln ähnlich“, stellte ich staunend fest, während ich ihn intensiv begutachtete. Er stand da, genau wie ich ihn aus einigen Fernseh- und Live-Auftritten in Erinnerung behalten hatte. Das blonde Haar identisch frisiert und die Klamotten, die man von ihm gewohnt war. Selbst die markante bunte Uhr hatten sie nicht vergessen. Ich hielt meine petrolfarbene Uhr daneben. „Fast gleich, nur dass du heute eine gelbe trägst!“ Gut, dass ich nicht alleine hier war. Wer weiß, was ich sonst mit dem hilflosen Kerl angestellt hätte! Ich stand ihm unmittelbar gegenüber und hatte plötzlich den Eindruck, er würde auf mich zukommen. Ein leiser, angenehmer Schreckensschrei entrann mir. Ich hatte Herzrasen und bemerkte, dass mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. – Wie peinlich!

Schnell machte ich einen Schritt zurück, zum Glück hatte meine Freundin nichts mitbekommen. Eine Erklärung hätte mich wahrscheinlich in Verlegenheit gebracht.

Tess nahm mir die Kamera aus der Hand. „Na los, umarm ihn doch mal!“, forderte sie mich energisch auf. „Wer weiß, ob sich die Gelegenheit jemals wieder bietet.“

Ich tat, als sei ich völlig gelassen und witzelte mit ihr herum, während ich eine Hand über seine Schulter legte. Bei den Luminous hielten wir uns am längsten auf und bemerkten nicht, wie die Zeit vergangen war. Langsam begaben wir uns zurück zum Ausgang. Währenddessen riefen wir George an, wie er es uns aufgetragen hatte. Er versprach, in wenigen Minuten dazusein. Es war kurz vor Mitternacht, als wir vor der Tafel mit den Öffnungszeiten standen. Mir fiel auf, dass dieses Kabinett eigentlich geschlossen war. „Öffnungszeiten Montag bis Freitag von 09.30 bis 17.30 Uhr und Samstag und Sonntag von 9 bis 18 Uhr. Hast du mal auf die Uhr geschaut??? Es ist kurz vor Mitternacht!“, meinte ich erstaunt, während ich Tess mein Zifferblatt unter die Nase rieb.

„Jaja, schon gut, du hast recht! Keine Ahnung, warum wir noch Zutritt hatten. Wir können George fragen, vielleicht hat er ja eine Erklärung dafür.“ Zustimmend nickte ich, als die schwarze Limousine vorfuhr. Schnellen Schrittes ging George um das Auto, um uns die Tür zum Einsteigen zu öffnen. Unser Fahrer hatte noch nicht richtig Platz genommen, da fingen wir an, ihn zu löchern. „George, warum haben wir die Möglichkeit, zu dieser Uhrzeit das Kabinett zu besuchen?“ Laut George gab es eine ganz plausible Antwort: „Sie haben doch nicht umsonst den Ausweis von F.I.L. Records bekommen. Alle Sänger, die für F.I.L. arbeiten und das Nachtleben Englands kennen lernen wollen, reisen mit diesen Pässen. Dafür wird selbstverständlich auch mal eine Sehenswürdigkeit wie Madame Tussauds oder eine andere Location geöffnet.“ Wir waren überrascht und Tess meinte: „Wie jetzt? Aber wir sind doch gar keine Promis!“

George lachte über so viel Naivität. „Natürlich seid ihr keine Promis, aber ihr sollt euch wie welche fühlen. Und wie fühlt es sich an?“ Jetzt musste sogar ich lachen „Ich fühl mich wie immer, aber der Service ist grandios!“ „Also ich fühl mich besonders und es fühlt sich megageil an!“ Tess klatschte vor Übermut in ihre Hände. George erklärte uns, dass es den Promis erleichtert werden sollte, mehr Privatsphäre zu haben. Einfach ganz normal Sightseeing zu betreiben, ohne von Reportern oder Fans belagert zu werden. „Oh George, Sie haben Recht! Es war ja keine Menschenseele in dem Kabinett zu sehen. Dass uns das nicht eher aufgefallen ist!?“

Tess fand das cool und freute sich über die Aufmerksamkeit, die sie durch den Pass erhielt. Auf jeden Fall hatten wir jetzt eine Antwort darauf, warum die Kassiererin im Wachsfigurenkabinett so nervös geworden war. Wahrscheinlich dachte sie, dass wir berühmte Musikerinnen seien. Total verrückt! Sie konnte mit uns beiden eigentlich nichts anfangen und trotzdem reagierte sie so nervös. Auf die erste Erfahrung als „Promi“ beschlossen wir beide, den Abend in einem Pub ausklingen zu lassen. Wir beschrieben George unsere Vorstellung und er suchte etwas Passendes für uns heraus. Nach einigen Minuten Fahrt bogen wir die Winsley Street ein. Wir merkten, dass George die Geschwindigkeit drosselte und sahen aus dem Fenster. Dort erblickten wir vor dem Pub Chinawhite eine Menschenschlange von einer beachtlichen Länge. George hatte uns erklärt, dass sich hier oft Promis aufhielten, wenn sie ausgingen. Allein schon, damit sie unter ihresgleichen sein konnten. Angeblich waren hier schon Madonna, 50 Cent, Liam Gallagher, der Leadsänger von Oasis, sowie Schauspieler wie Jude Law, Lindsay Lohan und andere zu Gast. Sogar die jungen Mitglieder des britischen Königshauses sollten hier hin und wieder verkehren.

Ehrlich gesagt hatte ich keine große Lust, mich in die Schlange zu stellen. Noch während ich darüber nachgrübelte, wie ich es am besten meiner Freundin verkaufen sollte, ging unsere Tür auf. Ein großer Mann, dessen Namensschild ihn als Security-Mitarbeiter auswies, hatte sie geöffnet und begrüßte uns mit einem: „Hallo Ladys, ihr kommt genau zur rechten Zeit! Es fängt gerade an, amüsant zu werden.“ Er reichte seinen Arm ins Auto. „Hallo George, wie geht es?“

„Alles bestens, danke! Bring mir die Damen heile wieder.“

Wir stiegen aus und der überdurchschnittlich große Mann bahnte uns einen Weg vorbei an allen wartenden Menschen.

Der Pub war in zwei Bereiche aufgeteilt. Neugierig schaute ich mich um. Die Räume wirkten großzügig ausgestattet im asiatischen Stil mit den verschiedensten Sitzmöglichkeiten. Bunte Kissen lagen auf den Couchen und luden zum Rumlümmeln ein. Das wenige Licht, der chinesischen Lampen, das nur leicht schimmernd die Räume erhellte, machte dem Namen der Location alle Ehre. Die Musik war laut und der künstliche Nebel hatte den Sauerstoffgehalt drastisch reduziert. Ein Angestellter eilte zu uns, um die Bestellung aufzunehmen. „Bitte seien Sie so nett und bringen Sie mir irgendetwas Frisches zu trinken. Ich konnte mich anhand der Karte noch nicht orientieren“, orderte Tess, die noch immer wie Falschgeld rumlief. Der Kellner tat mir schon ein wenig leid, denn die Auswahl der frischen Getränke war sehr groß. Darum bestellte ich mir einen Gin Fizz. Und das Ganze doppelt, damit meine Freundin ihre Erfrischung bekam. Die Musik war super! Tess hielt nichts mehr auf der Couch, sie fing an zu tanzen und schäkerte, was das Zeug hielt, mit einigen Männern. Tess war ein Vamp! Sie sah selbst jetzt, zu fortgeschrittener Stunde noch traumhaft schön aus. Fast jedes Mal, wenn ich mich nach ihr umsah, flirtete sie mit einem anderen Kerl. Die Zeit ging dahin. Vom vielen Tanzen und Trinken waren wir müde geworden und dachten an den Heimweg. Tess holte ihr Handy heraus, um George Bescheid zu geben. Wieder wollte er in fünf Minuten vor der Tür sein. Wir bemühten uns in Richtung Ausgang. Von dort aus begleitete uns der Security-Mann zurück zum Auto, wie er es George versprochen hatte. Er öffnete uns die Tür. „Kommt gut nach Hause, Ladys, eine gute Nacht und bis bald.“ Fragend schaute George uns an. „Na, wie hat es Ihnen gefallen?“ Wir lachten und erzählten, dass wir einen wunderbaren Abend verlebt hatten. „Das ist schön, wo darf ich Sie jetzt hinbringen?“ „George, seien Sie so gut und bringen uns bitte zurück ins Hotel. Der Abend war lang und wir wollen morgen fit für das Konzert sein.“ Er ließ den Motor des Phaetons an und fuhr los. Nach nur zehn Minuten Fahrt fuhren wir in die Bayswater Road ein. Direkt vor dem Hotel stoppte er den luxuriösen Wagen und ließ uns aussteigen.

Mit dem Fahrstuhl fuhren wir in den fünften Stock. Vor der Tür nahm Tess mich in den Arm. „Schlaf gut, meine Süße, bis morgen.“

„Dito, wer zuerst wach ist, meldet sich.“

Glamorous Love - vollkommenes Glück

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