Читать книгу Liebe 2 - Ida und Marco - Line Kyed Knudsen - Страница 4
Kapitel 1
ОглавлениеIch hatte noch nie einen festen Freund. Ich war noch nicht einmal verliebt. Aber Sofie meint, es wäre langsam mal an der Zeit. Natürlich habe ich schon ausprobiert, wie man küsst und wenn man Sofie Glauben schenkt, gibt es da draußen viele Jungs, die mit mir küssen wollen. Da bin ich mir allerdings nicht so sicher. Sie sagt das wahrscheinlich nur, um süß zu sein. So ist Sofie nun mal – eine gute Freundin. Wir kennen uns seit der ersten Klasse. Jetzt sind wir gerade in der Siebten.
„Ich muss dir was sagen, Ida“, eröffnet sie mir eines Abends, als wir gerade vor dem großen Spiegel in meinem Zimmer stehen und uns für eine Party zurechtmachen. Draußen ist es warm und beide Fenster stehen auf. Aus dem Garten können wir die Stimmen meiner Mutter und meiner kleinen Schwester hören.
Sofie schaut mich lang und mit diesem ernsten Blick an, wie nur Sofie es kann.
„Gestern hab ich mit Alexander gesprochen“, fährt sie fort und holt tief Luft. „Er hat gefragt, ob du heute Abend auch zu der Party gehst.“ Mit einem Ruck öffnet sie mein Schminktäschchen.
Ich nicke. Natürlich gehe ich auf diese Party. Es ist die letzte Party vor den Sommerferien. Zu Hause bei Ella. Die letzte Stunde haben Sofie und ich damit verbracht, die passenden Klamotten für diesen Abend zu finden und uns zu schminken.
„Ich glaube, er ist verknallt in dich“, ergänzt Sofie.
„Wie kommst du darauf?“, frage ich sie.
„Ach, ich vermute das nur“, antwortet sie rasch und betrachtet sich im Spiegel. Das Kleid, das ich ihr geliehen habe, schmiegt sich perfekt um ihren schlanken Körper.
„Tja, dann wäre es wohl ganz günstig, wenn ich mich jetzt auch noch schnell in ihn verliebe“, entgegne ich sarkastisch und wende meinen Blick nun auch zu meinem Spiegelbild.
Ich hab schon mal versucht, mich zu verlieben. Viele der Jungs aus unserer Klasse sind tatsächlich auch echt süß und sehen gut aus, aber irgendwie löst es nichts bei mir aus, wenn ich sie aus dem Blickwinkel betrachte. Ich habe schon Sebastian und Daniel geküsst, aber nichts ist mit mir passiert. Kein Herzklopfen oder Schmetterlinge im Bauch. Ich hab sogar versucht, mit Jungs im Kino Händchen zu halten, aber das war nur eklig feucht und meine Hände wurden ganz warm und schwitzig.
„Du bist blond und groß“, meint Sofie, während sie sich sorgfältig Mascara aufträgt. „Deswegen passt du besonders gut zu Alexander. Er hat auch blonde Haare.“ Sie holt ein wenig tiefer Luft. „Er ist der tollste Junge der ganzen Klasse.“
Das finde ich ja nun nicht. Ich denke eher, Alexander ist ein bisschen langweilig. Jeden Dienstag und Donnerstag spielt er Fußball. Trotzdem merke ich ein leichtes Ziehen in der Magengegend. Immerhin kann es sein, dass er mit mir zusammen sein möchte. Ich fühle mich schon geschmeichelt. Mindestens zwei Mädels aus der Parallelklasse sind in ihn verliebt.
Sofie wirft mir einen ihrer strengen Lehrerinnenblicke zu.
„Aber du musst schon ehrlich zu ihm sein, versprochen?“
„Natürlich!“, entgegne ich und fuchtele genervt mit den Armen.
„Du solltest auch nicht immer so übertreiben“, fügt sie hinzu und zieht die Stirn in Falten. „Das ist nicht wirklich charmant.“
Ich muss laut aufstöhnen. Schließlich habe ich schon lange nicht mehr übertrieben, finde ich. In der Grundschule hatte ich diese schreckliche Angewohnheit, Geschichten zu erzählen, die ich mir zusammengesponnen hatte.
„Du lügst doch, Ida!“, rief Ella einmal, als ich erzählte, dass mein Vater als der persönliche Chefkoch für einen Prinzen in Dubai arbeitete und nun in einem Schloss aus purem Gold wohnte. Damals gingen wir noch in die sechste Klasse.
„Das ist der Grund, warum er nicht mehr bei mir und Mama im Drosselweg wohnt. Seine Kochkarriere fordert ihm einiges ab!“, versuchte ich Ella, Sofie und den anderen Mädchen aus unserer Klasse weiszumachen. „Aber er schickt uns Geld und viele schöne Geschenke!“
Ich wusste natürlich, dass das komplett übertrieben war. Aber gelogen war es auf keinen Fall. Jedenfalls nicht wirklich. Mein Vater hat nämlich wirklich als Koch im Ausland gearbeitet. Auf einer Fähre, die zwischen Dänemark und England fuhr. Und fast hätte er auch einen Job in Dubai bekommen, denn er war ein vorzüglicher Koch.
„Haben sich deine Eltern nicht einfach nur scheiden lassen?“, fragte Ella letzten Sommer.
Ich schüttelte energisch mit dem Kopf.
„Ich sagte doch – Papa ist in Dubai!“
In der Woche darauf stellte mir Mama dann meinen neuen Stiefvater und meine kleine Schwester vor, die da noch in ihrem Bauch wohnte. Danach habe ich nie wieder von meinem Papa gesprochen.
Sofie und ich schminken uns fertig und machen uns die Haare. Ich denke an Alexander. Er ist gut in der Schule und einer von denen, die sich immer melden und auf alles eine Antwort wissen. Vor einem Jahr noch war ich größer als er, aber nun ist er mir über den Kopf gewachsen.
Mein Stiefvater, Rasmus, fährt uns zur Party. Die Abendsonne scheint durch die Windschutzscheibe. Rasmus setzt seine verspiegelte Sonnenbrille auf und gleicht einem Elitesoldaten mit seinen grünen Trainingsklamotten.
„Schaut mal, die Aussicht, Mädels!“, ruft er, als wir den hügeligen Möwenweg hochtuckern. In der Ferne können wir den grünen Buchenwald erblicken, hinter dem sich die blaue See erstreckt. Das Wasser glitzert in den letzten Strahlen der Sonne. Dieser Anblick erinnert mich an Perser und an den Griechenlandurlaub, auf dem ich letzten Sommer mit Mama war. Bevor es Rasmus und meine kleine Schwester gab. Perser ist übrigens keine Katze, sondern mein Traummann, den ich mir in Griechenland in unserem Hotel ausgemalt habe. Keine Ahnung, warum ich ihm den Namen Perser gegeben habe. Er ist so ein typischer Prinz aus dem Morgenland, mit Sandalen, Säbel und Turban, den er abnimmt, wenn er mich besuchen kommt. Daraus löst sich sein langes schwarzes Haar, das er wie in Zeitlupe schüttelt, bis es ihm auf die Schultern fällt. Er ist natürlich größer als 1,70 Meter, damit er auch zu mir passt. Und er ist genauso alt wie ich – vielleicht ein bisschen älter, aber nicht älter als siebzehn. Eigentlich ist es total egal, wie alt er ist, es gibt ihn ja sowieso nicht. Und in meinem Traum bin ich selbst schon sechzehn und nicht dreizehn, damit ich auch schon an unanständige Sachen denken darf.
Mama hat die Reise nach Griechenland eines Abends im Internet gebucht, als ich mal wieder nicht aufhören konnte, von Papa zu reden. Da war ich noch in der Sechsten und er hatte keine Weihnachtsgeschenke geschickt. Deshalb holte meine Mutter ihren Laptop und hat mir eine Menge schöner Strände und Hotels in Griechenland gezeigt. Und dann einfach eine Reise gebucht.
„Wir nehmen all inclusive!“, rief sie fröhlich. All inclusive bedeutet, dass man alle möglichen Dinge gratis dazu bekommt: Jedes Eis, das ich essen wollte, bekam ich umsonst.
Und eines Tages begann ich, von Perser zu träumen. Der war nämlich Grieche und ich verwandelte mich plötzlich in eine griechische Prinzessin, die in einem Hotelschloss auf einer rauen Felsinsel wohnte, welche vom azurblauen Meer und sich darin tummelnden fröhlichen Delfinen umgeben war.
Ich habe meiner Mutter immer noch nicht vergeben, dass sie – holterdiepolter – von Rasmus schwanger geworden ist. Deswegen fahren wir dieses Jahr nicht nach Griechenland. Schon seit einer Weile träumte ich von unserem Hotel mit Pool und Ausblick aufs Meer, wo ich mir ausdenken kann, wie ich Perser treffe. Jeden Tag wollte ich aufs Meer hinausblicken und auf meinen griechischen Prinzen warten. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ein griechischer Prinz Perser heißen kann, aber das ist auch egal, solange er gut aussieht. Solch ein wunderschöner dunkelhaariger Prinz mit meerblauen Augen und einem Säbel, mit dem er in einem Schwung Drachen töten kann.
„Benehmt euch, Mädels“, grinst Rasmus, während er elegant aus dem Wagen springt, um uns die Tür aufzuhalten. Total peinlich, wie ich finde. Noch peinlicher ist nur das Auto, mit dem wir durch die Gegend gefahren werden: ein quietschgelber Wagen auf dessen Seite FF – Fantastische Fitness lackiert wurde. Meinem Stiefvater gehört nämlich das Fitnesscenter in der Stadt. Er selbst ist so breit wie ein Schrank.
„Danke fürs Fahren“, sagt Sofie höflich und knickt beinahe mit den hochhackigen Sandalen um, die sie sich auch von mir geliehen hat.
Ich hake mich bei Sofie unter und lege den Kopf in den Nacken. Wir stehen vorm höchsten Haus unserer Stadt. Acht Stockwerke. Aus Ellas Wohnung heraus kann man aufs Meer sehen, aber auch den Wald, die Schule, das Einkaufszentrum und all die kleinen Gassen mit den verwinkelten gelben Backsteinhäuschen erkennen. Ich seufze. Plötzlich bin ich gar nicht in Partystimmung, obwohl der tollste Junge der Klasse anscheinend in mich verliebt ist.
„Ich hole euch um 12 ab!“, ruft Rasmus uns nach und schlägt die gelben Autotüren zu. Ich will ihm nachwinken, aber es sieht eher danach aus, als würde ich eine Fliege verjagen. Ella ist die Gastgeberin der Party. Sie wohnt oben im achten Stock in einer riesigen Wohnung. Die anderen Schüler aus unserem Jahrgang sind auch eingeladen. Nach den Sommerferien werden wir in neue Klassen aufgeteilt. Das haben sich unsere Lehrer so ausgedacht, nachdem sie zu dem Schluss kamen, dass einige Klassengruppen nicht gut funktionieren. Ich habe mit Sofie noch nie darüber gesprochen, aber alle wissen, dass ihr Bruder Jonas einer der Schlimmsten ist, die an unserer Schule Stress machen. Nach der Schule hängt er im Stadtzentrum herum und trifft sich mit seiner Gang – einigen anderen Jungs von der Schule am anderen Ende der Stadt.
Ich freue mich darauf, in eine neue Klasse zu kommen. Natürlich ist Sofie meine beste Freundin, aber ich hoffe trotzdem, dass wir in unterschiedliche Klassen kommen. Da kann ich etwas Neues ausprobieren. Wir beide hängen ja sowieso die ganze Zeit zusammen und ab und zu brauch ich einfach etwas Luft und Freiraum.
„Alexander und Sebastian trinken Bier!“, flüstert Sofie mir ins Ohr, als wir mit Chips und Mineralwasser auf dem Sofa in Ellas Wohnzimmer sitzen. Laute Musik wabert durch den proppenvollen Raum.
Sofie zeigt auf die Gardinen. Ich kichere. Das ist nicht zu übersehen. Hinter den Vorhängen zur Balkontür stehen zwei Personen. Wenn die vorhatten, sich zu verstecken, ist es ihnen leider nicht gelungen.
Ich stehe auf und gehe in ihre Richtung. Schiebe die Gardine zur Seite und stelle mich zu ihnen.
„Hi Jungs!“, sage ich laut und kämpfe kurz mit dem Gardinenstoff, der an meinen nackten Armen klebt.
Alexander hat eine Bierdose in der Hand. „Wir trinken Alkohol“, flüstert er und nimmt einen Schluck.
„Ekelhaft!“, antworte ich ohne Umschweife. Bier schmeckt überhaupt nicht. Ich kann auch den Geruch nicht ab. Es riecht widerlich süßlich hinter den Vorhängen.
„Wir wollen uns richtig betrinken“, kichert Sebastian leise.
„Sicherlich – von einem Bier oder wie?“, ich winke schnaubend ab, als Alexander sich räuspert.
„Kommst du mit auf den Balkon?“, fragt er mich.
„Okay“, antworte ich.
Sebastian leert die Dose und verschwindet vor sich her singend. Ich bin neugierig und will herausfinden, ob Sofie Recht hatte. Ob Alexander wirklich darauf aus ist, heute Abend mein Freund zu werden. Und draußen auf dem Balkon ist ein perfekter Ort dafür. Die Sonne hängt rund und golden hinter den Bäumen und der Horizont ist in flammend rotes Licht getaucht. Wir sind alleine hier draußen und Alexander legt seinen Arm um meine Schultern.
„Ich finde, du bist verdammt süß, Ida“, sagt er sanft und räuspert sich. „Möchtest du mit mir zusammen sein?“