Читать книгу Avenae - Lisa W. Barbara - Страница 4
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ОглавлениеAn manchen Stellen war die Tinte von Tränen verschwommen.
Was um alles in der Welt sollte das denn? Wollte mir jemand einen Streich spielen? Der Typ von nebenan? Wenn ich den in die Finger bekam, dann konnte er sich ja mal auf was gefasst machen.
Verärgert nahm ich das Päckchen in die Hand. Es war eine kleine Schachtel darin. Langsam hob ich den Deckel und öffnete sie.
In einem von Samt überzogenem Polster lag ein… Ja was sollte das sein? Ein Zahn? Ich nahm das Ding hoch und merkte, dass es an einer Kette hing. Nein… es war ein Mond, genaugenommen ein Halbmond. Jedenfalls der unterste Anhänger, genaugenommen waren es drei Anhänger. Der in der Mitte war eine Blume. Eine Rose, die aussah, als wäre sie einmal echt gewesen und dann in einer Art Gelee eingegossen worden. Ganz oben hing ein Plättchen, auf dem irgendwelche Zeichen eingraviert waren. Ich verzog das Gesicht, fast schon enttäuscht. Sowas bekam man für wenige Euros in jedem Chinaladen.
Ich war mir echt nicht sicher, ob das ein Scherz war oder nicht.
Aber was wenn die Sachen tatsächlich von meiner Mutter waren, auch wenn sie einfach nur billig und ramschig aussahen?
Auch egal, dachte ich. Die Kette war auf jeden Fall wunderschön und sie passte mit ihrem Goldton perfekt zu meinem Look. Ich zog sie heraus und band sie mir um. Neben dem Tresen hatte ich einen Spiegel stehen. Wow, dachte ich. Perfekter als perfekt.
Die Anhänger lagen warm auf meiner Haut, erstaunlich warm. Seltsam, dachte ich, normalerweise waren Ketten wenn man sie anzog ziemlich kalt und nicht warm.
In Gedanken sah ich hoch, denn ich bemerkte, dass ich beobachtet wurde.
Da war er wieder.
"War das in dem Päckchen, Avenae?"
Sofort war meine Stimmung im Keller. Da stand er, Tom, mit einem blauen Hemd und einer Polizeijacke. Grrr, ich steh auf Männer in Uniform, dachte ich unwillkürlich und verwarf den Gedanken sofort wieder mit einem Kopfschütteln.
"Okay, was willst du?", fragte ich schroff und schubste das Paket von meinem Schoß.
"Ich dachte, hier kann man Kaffee kaufen", meinte er lächelnd, legte seine Kappe auf den Tresen und lehnte sich lässig darauf.
Oh, natürlich. Hatte ich ja ganz vergessen. Genervt nahm ich die hässlichste Tasse die ich hatte und stellte sie unter die Maschine.
Die ganze Zeit über lachte er mich an und versuchte mit mir zu flirten, doch ich ging nicht darauf ein, sondern warf ihm nur böse Blicke zu.
"Und hast du schon darüber nachgedacht?"
Anscheinend musste ich ihn ziemlich dumm ansehen, denn als ich keinen Schimmer hatte von was er redete meinte er: "Naja, wegen heute Abend?"
Gottseidank machte die Kaffeemaschine Pieps und der vertraute Geruch von frischem Kaffee stieg mir in die Nase.
Ich knallte ihm die Tasse hin.
"Oh, kann ich den auch zum Mitnehmen haben, meine Schicht fängt gleich an, ja, eigentlich bin ich schon viel zu spät", sagte er sanft, während er mir mit einer Hand die Tasse zurückschob und meine Finger streifte, als ich sie wütend in Empfang nahm, die braune Flüssigkeit in einen Becher schüttete und sie ihm wieder hinschob.
"Das macht dann…", doch weiter kam ich nicht, denn sein Handy klingelte und er packte seinen Kram und verschwand mit einer gemurmelten Entschuldigung in Richtung der Polizeistation.
"… 2.20 €", murmelte ich und dachte still, das Geld hol ich mir schon noch.
Der Rest des Tages war eher langweilig, ich hatte nicht außergewöhnlich viele Kunden, ein paar hellten meine Laune auf und ich fuhr abends sogar pfeifend nach Hause, nachdem ich mein Café gut verschlossen hatte.
Als ich vor meiner Wohnungstür stand, fühlte ich mich schon wieder extrem beobachtet. Schnell schaute ich zu Toms Wohnungstür und konnte fast hören, wie er hinter dem Türspion den Atem anhielt. Genervt ging ich zu der Tür und klingelte.
Ich verdrehte die Augen, als er so tat, als würde er nicht hinter der Tür stehen und ich konnte mir richtig vorstellen, wie er in Gedanken von 10 runter zählte, um mir nicht gleich die Tür zu öffnen und den Eindruck zu machen, dass er gerade aus dem Wohnzimmer oder so kam.
Als er öffnete, breitete sich ein strahlendes, aber auch ein bisschen schüchternes Lächeln auf seinem Gesicht aus, sodass ich einen Moment nicht wusste, warum ich eigentlich geklingelt hatte.
"Avenae, was für eine Überraschung. Hast du dir mein Angebot überlegt?“
"Ähm, ja, ähm… Also, ich bekomm noch Geld von dir und ich dachte, ich klingle einfach mal und naja…", druckste ich herum und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
"Ja klar, ich geb es dir später.
Also, was sagst du dazu, wenn ich was für dich koche und du rüber kommst? Oder willst du ausgehen? Oder eine DVD anschauen und einfach plaudern?", fragte er und lächelte mich so süß an, dass ich echt fast schwach wurde und zu sabbern anfing. Er war schon ziemlich gut aussehend, wie er so dastand, mit seinen zerwuschelten Haaren und seinem süßen Lächeln…
Doch nein, ich hatte vorhin beschlossen, dass es nicht gut war, jemanden in mein Leben zu lassen und so musste ich Prioritäten setzen.
"Tut mir echt leid, aber ich bin ziemlich fertig und…"
"Komm schon, das ist keine Ausrede. Ich erwarte dich in einer viertel Stunde, und wehe du kommst nicht, denk dran, ich bin Polizist. Ich werde dich holen kommen."
Mit den Worten schloss er die Tür und murmelte noch etwas von wegen Geld oder so, aber nicht bevor ich einen Blick in seine Miniwohnung werfen konnte.
Es war das reinste Chaos, noch schlimmer wie bei mir. Viel schlimmer.
Verwirrt und auch ein bisschen frustriert ging ich zu meiner Tür.
Wütend schloss ich auf, wobei das Schloss schon wieder nicht richtig funktionierte und ich knallte die Tür hinter mir zu, nachdem ich in meine Wohnung gestolpert war.
Ich schmiss einfach alles inklusive mich selbst aufs Bett. Sicher werde ich nicht gehen. Ganz sicher nicht, da kann er warten bis er schwarz wird.
Und dann kamen die Gedanken. Ich stellte mir widerwillig vor, wie seine Lippen schmeckten und wie er roch und dann sagte ich mir, warum nicht? Ja, warum eigentlich nicht? Immerhin hatte ich noch nie richtig gefühlt was Liebe war, weder zwischen zwei Menschen, noch innerhalb einer Familie.
Gut, aber nur zum DVD schauen. Vielleicht würde es ja ganz lustig werden.
Ich stand auf und ertappte mich dabei, wie ich ein schönes Shirt aus dem Schrank zog und meine Haare glatt strich. Wo war meine Bürste?
Okay, Memo an mich: Aufräumen und mir zum x-ten Mal einen Ordnungsplan für meine Wohnung überlegen. Aber erst morgen, denn jetzt, tja ich hatte jetzt sowas wie ein Date.
Ich schlüpfte in das roséfarbene Shirt und in eine schwarze Jeans und fragte mich, ob das Shirt zu viel Ausschnitt hatte, aber verwarf den Gedanken wieder.
In meiner Euphorie hüpfte ich aus meinem Zimmer und natürlich hatte ich meinen Schlüssel vergessen. Verdammt, das war sogar der Zweitschlüssel.
Vergebens rüttelte ich an der Tür. Die war zu. Ich fluchte wie wild und schimpfte mein ganzes Repertoire an Flüchen gegen die Tür, doch die öffnete sich nicht. Und schon ging eine andere Tür auf, die lieber verschlossen geblieben wäre.
"Was machst du da?", fragte Tom endlich, nachdem er fünf Minuten lächelnd im Rahmen gelehnt hatte und mir mit verschränkten Armen zugesehen hatte, wie ich versuchte die Tür zu öffnen.
Ich strich mein Oberteil glatt und schnaufte: "Nach was sieht's denn aus?"
Er lachte nur und bedeutete mir mit einer Handbewegung, dass ich in sein Zimmer kommen soll. Als ich mich nicht bewegte, kam er auf mich zu und hob mich einfach so aus dem Nichts hoch und trug mich in sein Zimmer. Ohne sich über meine Pfunde zu beschweren, die mir schon lange ein Dorn im Auge waren.
Ich strampelte so fest, dass er mich fast auf sein Bett/Couch schmiss und ich starrte ihn wütend an.
"Ganz ruhig. Hättest du auf mich gehört, dann hättest du auch selbst durch die Tür gehen können. Aber so… Jetzt komm, entspann dich. Was willst du anschauen?"
Ich versuchte, mich zu beruhigen und stand auf. Das Chaos von vorhin war verschwunden und ich fragte mich in welchen Schrank er den ganzen Kram gestopft hatte, so wie ich es immer machte, wenn ich spontan Besuch bekam, was leider nicht so häufig vorkam.
Man, hatte der komische DVDs. Lauter Action-Zeug. Meine waren da viel besser, aber ja leider in meiner verschlossenen Wohnung.
Mir sagten die Titel alle nichts und als er mich gelangweilt betrachtete und ich nicht alle Inhaltsangaben durchlesen wollte, nahm ich einfach eine mit der Aufschrift: Mission Impossible, The Phantom Protokoll.
Na gut, wenigstens nichts Grusliges, wo er auf den Gedanken kommen könnte, mich zu beschützen und mir einen Arm um die Schultern zu legen oder sowas kindisches.
Er stand seufzend auf, als ich mich in seinen Augen zu doof mit dem DVD-Player anstellte und legte sie selbst ein.
Und da saßen wir, zwischen uns viel zu viel Raum und ich konnte seinen Atem und sein leises Lachen hören, sein Rasierwasser und sein Shampoo riechen, und seine gelegentlichen Blicke, die er mir aus den Augenwinkeln zu warf, spüren.
Ich muss zugeben, der Film war richtig gut, was mich echt beeindruckte, denn am Anfang war er schon ziemlich brutal.
Das peinlichste war der Schluss. Denn das Problem war einfach der Schluss. Keiner sagte was, als Tom Cruise in den Nebel verschwand und der Abspann anfing. Ich spürte, wie rot ich wurde, weil er mich anstarrte.
Dann fühlte ich seine Hand und aus irgendeinem Grund zuckte ich nicht zurück. Auch nicht, als er mich küsste.
Die Frau fuhr fort und es war fast, als hätte sie das erlebt, was sie vorlas, was natürlich Schwachsinn war. Danielle schloss die Augen und stellte sich vor, wie die Hauptperson war. Wie sie ausgesehen haben mochte, wie sie mit ihrem Leben nicht zurecht kam. Stellte sich alles vor, was passierte und dass es Wirklichkeit sein könnte.
Währenddessen, an einem anderen, sehr fernen Ort passierte etwas, das ich mir nie hätte träumen lassen. Nie hätte ich gedacht, dass so was möglich wäre, bis zu dem Zeitpunkt, als ich selbst ein Teil des Ganzen wurde. Ein Teil von der Welt, die auf mich wartete.
Ein paar Jahre zuvor sollte ein Mädchen, das so schön wie die Sonne war, so ruhig und so fließend wie das Wasser, so gebildet wie die Götter und so gescheit wie alles Wissen war, seine Mutter nie wiedersehen. Auch um ihre Existenz gab es ein Geheimnis, mit dem niemand gerechnet hatte. Sie wurde von den Göttern verstoßen, zusammen mit einer Frau, die eine Dienerin des großen Gottes und eine Verwandte der Tochter des Gottes war.
In einem kleinen Haus an der Küste des Landes, das ihr später näher kennenlernen werdet, lebten sie und das Mädchen wuchs heran. Als sie 13 Jahre alt war, in dieser Welt ein Alter, mit dem man Verantwortung übernehmen musste, lernte ihre neue Mutter ihr alles über ihre Fähigkeiten. Was genau diese Fähigkeiten waren, das erzähle ich später, denn ihr würdet es sowieso nicht glauben. Sie bekam auch ein Geschenk. Ihre neue Mutter erzählte ihr, dass das ein Geschenk der Götter war. Ein Geschenk ihrer wahren Mutter und ihrer wahren Herkunft. Ein silberner Ring, mit einem Stein, der aussah, als würde er fließendes Wasser einschließen. Er war blau, ein schönes intensives Blau, fast dieselbe Farbe wie die Augen des Mädchens. Sie freute sich sehr und sie lernte noch schneller. Sie war sehr fleißig, sodass sie sehr viel Lob von ihrer neuen Mutter bekam. Ein Jahr lang lebten sie noch zusammen, in dem Jahr wurde sie genauso gut wie ihre neue Mutter und sie liebten sich sehr.
Eines Tages aber wurde alles anders. Schon vorher wütete ein Krieg in dem Land, von dem die beiden allerdings nichts mitbekamen. Doch an dem Tag sollte sich alles ändern. Soldaten kamen, töteten die Frau und als sie das Mädchen sahen, und das, was sie tat, waren sie wie verzaubert von ihr. Von ihrem langen, blonden, fließendem Haar und ihren blauen, kristallklaren Augen. Sie flehte sie an, sie nicht zu töten, also nahmen sie sie mit. Doch das, was sie mit ihr taten, verstieß gegen das Gesetz. Aber keiner war da, um ihr zu helfen. Denn der König war tot.