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Das Weihnachts-Springturnier rückt näher

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„Heute können wir sie bestimmt nicht ausführen“, sagte ich traurig zu Eva Lena und blickte ärgerlich auf den Weg hinaus. „Dieser elende Schneematsch ist über Nacht gefroren! Wie die Wege jetzt aussehen, wäre es lebensgefährlich, unsere Pferde auszureiten.“

Eva Lena schaukelte auf ihrem Küchenstuhl.

„Ich weiß! Silber wird mir noch ganz verrückt – es war ja gestern und vorgestern genauso –, und wenn man nur zu ihm hinschaut, bäumt er sich schon auf. Aber gerade ihn können wir nicht hinauslassen, denn er ist ja noch nicht beschlagen. Vermutlich könnten wir ihn auch kaum halten, jetzt, nachdem er drei Tage lang im Stall gestanden hat. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn wir ihn auf das Glatteis hinausließen!“

„Und Lilleman? Er hat ja Hufeisen. Wenn wir ihm noch Eisnägel aufsetzten? Habt ihr Eisnägel im Stall?“

„Komm mit, wir fragen Großvater!“

Wir stürzten die Kellertreppe hinunter, stolperten über ein paar riesengroße Gummistiefel und fielen beinahe auf Eva Lenas Großvater, der mit einer Tischlerarbeit an seiner Arbeitsbank stand. Er lachte über uns, die wir wie die wilde Jagd daherkamen, und sagte: „Gut, daß ihr kommt, Mädchen, nun könnt ihr mir gleich helfen, den Schleifstein zu drehen!“

Wir halfen gern. Im Keller roch es gut, eine Mischung von Leder, Holz und Malerfarbe hing in der Luft. Eva Lena fragte, ob es Eisnägel im Stall gäbe.

„Es müßten wohl welche da sein“, sagte der Großvater nachdenklich mit seiner typischen Altmänner-Bedachtsamkeit. „So. Ich meine, nun taugt die Axt wieder.“ Dann zog er eine Schublade auf und suchte in den vielen, mit Nägel angefüllten Fächern herum. „Da haben wir sie schon! Wieviele braucht ihr? Vier an jedem Hufeisen, das ist richtig“, antwortete er sich selbst. Dann wandte er sich wieder an uns: „Am besten gehe ich mit euch in den Stall hinauf und zeige euch, wie man ein Pferd mit Eisnägeln beschlägt.“

„Wir nehmen ihn aus der Box, drin ist es so dunkel“, sagte Eva Lena, als wir in den Stall kamen. Also führten wir Lilleman aus seinem Verschlag heraus, bis an die Stalltür, wo das helle Tageslicht einfiel. Silber biß ungeduldig an seinem Halfterband und schlug gegen die Wände seiner Box, daß man meinen konnte, es wären fünf Pferde darin.

„Aber Silber!“ rief ich ihn leise an. „Silber, Kerlchen!“

Sogleich wurde er ruhig, stand mucksmäuschenstill da und horchte auf meine Stimme. Und wieder redete ich ganz leise und zärtlich mit ihm:

„Du Schlingel, hast du rechte Langeweile? Gibt es denn niemanden auf der ganzen Welt, der sich um dieses liebe kleine Pferd kümmert?“

Silber sah aus, als täte er sich selbst leid. Ich mußte lachen und ging zu ihm in die Box, um ein bißchen mit ihm zu schmusen. Sein langer grauer Haarschopf hing weich und gewellt beinahe bis zu den Nüstern hinunter.

„Du bist ein richtiger kleiner Wilder“, sagte ich und strich ihm weich über das Maul. Und wie immer, wenn man sich mit ihm beschäftigte, hielt Silber ganz still und war sehr friedlich gelaunt. Er mochte es gern, wenn man ihn hinter den Ohren kraulte, und er ließ sich auch gern striegeln. Als ich die Box wieder verließ, schlug er ärgerlich nach hinten aus und warf den Kopf zurück, daß das Weiße seiner Augäpfel unter dem dichten Haarschopf hervorblitzte.

Inzwischen hatte Eva Lenas Großvater Lillemans linken Vorderfuß angehoben und zeigte uns, wie man einen Eisnagel einschlagen muß, damit er gleich oberhalb des Hufeisenrandes hervorragt.

„Ganz wichtig ist, den Eisnagel im richtigen Winkel anzusetzen“, erklärte er, „denn sonst kann es vorkommen, daß er in den Huf des Pferdes eindringt und ihn verletzt.“

Dann durften Eva Lena und ich jeweils an einem Hinterfuß die Eisnägel einschlagen; das war gar nicht so leicht, denn Lilleman hing mit seinem ganzen Gewicht an uns, als verlagere er sein Gewicht just auf das Bein, an dem wir arbeiteten. Schließlich hatten wir es aber doch geschafft und begutachteten voller Bewunderung unser Werk. Lilleman aber wollte sofort die Schärfe seiner neuen Eisnägel erproben und wählte dafür – meine armen Fußspitzen!

„Au!“ schrie ich laut auf. „Lilleman, du kleiner Satan, wirst du von meinen Zehen heruntersteigen!“

Lilleman rührte sich nicht.

„Du Trampeltier, wie denkst du dir das eigentlich!“ schimpfte ich und versuchte ihn wegzudrücken. Oh weh, mein neuer Reitstiefel! Ich war wirklich wütend auf Lilleman; als er endlich von meinem mißhandelten Stiefel hinunterstieg, seufzte ich zwar erleichtert auf, mußte aber zugleich betrübt feststellen, daß die Kappe des Stiefels nach innen gedrückt war. Der hatte einmal besser ausgesehen!

Während Eva Lena das Pony anschirrte, hüpfte ich jammernd auf einem Bein herum. Dann aber half ich ihr doch, denn wir wollten diesmal mit dem Roadcart, dem zweirädrigen Sportwagen, fahren. Als wir fertig waren und losfuhren, wieherte Silber laut und klagend; ich wünschte mir für ihn, daß bald besseres Wetter käme, damit auch er wieder aus dem Stall durfte. Er würde ja nun in seiner Box herumtoben, ich konnte es mir lebhaft vorstellen!

„Ihr könntet übrigens an dem Sägewerk vorbeifahren und ein paar Säcke Sägespäne mitbringen“, sagte Eva Lenas Großvater, als wir losfuhren. Also bogen wir in den Weg zum See hinunter ein. Die Eisschicht der Wasserlachen zerbrach knirschend unter unseren Rädern, wir schaukelten auf dem zerfurchten Weg hin und her. Lilleman fiel zwischendurch immer wieder in Galoppsprünge, als fürchte er sich vor etwas, trabte dann aber wieder ruhig und sicher dahin. Eva Lena und ich wechselten uns ab, jede wollte eine Zeitlang die Zügel halten.

Plötzlich mußte ich an Hakan Bohlin, den früheren Besitzer von Lilleman, denken: was würde er wohl sagen, wenn er uns jetzt sehen könnte – er würde es nicht wahrhaben wollen! Lilleman war früher immer nur bockig und unmöglich, solange Hakan sein Herr war. Noch vorigen Sommer hatte er mich abgeworfen, als ich auf dem Bohlinschen Weideplatz versuchte, Lilleman zu reiten. Seit Eva Lena nun das Pony betreute, war es wie verwandelt, ein gänzlich neues Pferd geworden.

Als wir zurückkamen, lud Eva Lenas Mutter zu Kakao ein; es tat gut, sich aufzuwärmen, und es schmeckte köstlich. Dann saßen wir noch eine Weile in der Küche und putzten Lillemans Geschirr.

„Das ist doch verrückt“, klagte Eva Lena, „Lillemans Zaumzeug ist immer viel schmutziger als Silbers.“

„Vermutlich hast du es schon lange nicht ordentlich geputzt. Es kann auch damit zusammenhängen, daß du dein Pferd nicht gründlich striegelst“, antwortete ich mit belehrendem Ton.

„Puh!“ Eva Lena lachte mich aus. „Du weißt genausogut wie ich, daß an diesen alten Riemen und Zügeln der Schmutz viel leichter hängen bleibt, als an Silbers neuem Zaumzeug.“

„Wer recht hat, gibt meist auch nach“, resignierte ich lachend. Und dann plauderten wir über etwas anderes.

„Dieser Herbst ist wahnsinnig schnell vergangen, findest du nicht auch?“ sagte Eva Lena.

Ich stimmte zu: „Bald findet das Weihnachts-Springturnier im Tattersall statt.“

„Bombig! Wirst du mittun?“

„Klar! Nur eines ist scheußlich: die Pferde werden nämlich ausgelost. Also habe ich die Chance 1:8, meinen geliebten Rinaldo zu bekommen, und bei meinem sprichwörtlichen Pech …“

*

Als ich ein paar Tage später zum Reitstall kam, sagte Marita ungefähr genau das gleiche:

„Ich würde so gerne auf Menuette springen, aber bei meinem ewigen Pech ziehe ich bestimmt das Los für eines der neuen Pferde, für Pünktchen oder Bella Donna oder für irgendein Pferd, auf dem ich noch nie gesessen habe.“ „Willst du nicht auf Rex springen?“

Marita lachte nur: „Das wäre die sicherste Methode, drei Verweigerungen einzustecken!“

Am nächsten Tag hatte ich schulfrei und von Papa und Mama die Erlaubnis erhalten, eines der Pferde zum Backastall heimzureiten. Der lag etwa eine Stunde entfernt, am anderen Ende der Stadt. Diese Erlaubnis war ein seltener Glücksfall, denn es wurde dann immer recht spät, bis ich wieder zurück war und „… die Schularbeiten dürfen nicht vernachlässigt werden, nur, weil du mehr Lust zum Reiten has …“, pflegte Mama zu sagen.

Onkel Magnus hatte mir erlaubt, Rinaldo zu reiten; nun saß ich unter den Zuschauern und wartete, bis es endlich neun Uhr wurde und die letzte Reitstunde zu Ende war. In dieser letzten Stunde am Tag ritten meist nur Erwachsene; einige von ihnen kannte ich noch von der Hubertusjagd im vergangenen Herbst.

Endlich war es so weit; Reiter und Zuschauer verschwanden langsam im Dunkel. Bald waren nur noch wir da, die bestimmt waren, die Pferde heimzureiten. Onkel Magnus holte die Reflexlichter aus seiner großen Achseltasche und beaufsichtigte uns, während wir sie an den Beinen der Pferde befestigten; es mußte genau und ordentlich gemacht werden. Dann fuhr er in seinem schwarzen Auto nach Hause. Bald darauf bewegte sich unsere kleine Reitergruppe an dem kleinen Bach entlang; in dem dunklen Wasser spiegelten sich die Lichter der Stadt.

Beim großen Stall mitten in der Stadt machten wir halt: Wer Menuette, Pünktchen und Bella Donna geritten hatte, mußte hier absitzen. Aber auch Gunnel saß ab, denn Trixi, Hexe und Rex sollten auch hier übernachten und am nächsten Morgen frisch beschlagen werden.

„Habt ihr denn wirklich noch für drei Pferde Platz?“ fragte Lasse etwas zweifelnd.

„Doch, denn zwei Boxen stehen ja leer, zudem ist Deserteurs Box auch noch frei, er steht jetzt gleich neben der Tränke“, sagte Gunnel und öffnete die Stalltür.

„Na, dann wird’s ja klappen“, antwortete Lasse. „Hej! Bis morgen!“

Nun waren wir also nur noch zu dritt, und ganz plötzlich war es sehr still zwischen uns. Nur das Klappern der Hufe auf dem nassen Asphalt war zu vernehmen. Es war ein dunkler Abend, am schwarzen Himmel blitzten die Sterne. Als die Stadt hinter uns lag und wir die freie Landstraße erreicht hatten, versuchte Lasse im Sattel stehend zu reiten. Wir anderen blieben im Schritt, aber Bengt, der Junge aus Dänemark, wollte nun auch ein paar Akrobatik-Kunststücke auf dem Fuchs probieren. Um Bengt zu ärgern, trieb Lasse seinen Mister unerwartet zum Trab an, und Bengt fiel auch prompt mit einem Plumpser in seinen Sattel zurück. Der Fuchs mit seinem empfindlichen Rücken war sicher nicht sehr begeistert darüber! Dann ritten wir eine Weile wie vernünftige Leute weiter, bis uns die Stille rundum dazu verlockte, die Zügel locker zu lassen; wir legten uns zurück auf die Rücken unserer Pferde und schauten zu den Sternen empor.

„Das Glück der Erde liegt doch auf dem Rücken der Pferde“, träumte ich vor mich hin und merkte gar nicht, daß die beiden Jungen wieder in Trab übergegangen waren. Rinaldo aber schien es nicht zu gefallen, auf dem Heimweg so allein gelassen zu werden: Mit einem Satz wollte er die Kameraden einholen und fiel damit in einen recht unausbalancierten Galopp. Mich riß er damit in die Wirklichkeit zurück – zum Glück! Denn just in diesem Augenblick brummte ein Auto hinter uns, natürlich mit offenem Scheinwerfer, dessen Lichtstrahlen Rinaldo und mich in gespenstischen Schattenfiguren auf den Weg vor uns warfen. Rinaldo wollte schon scheuen, ich hatte alle Mühe, ihn zu beruhigen. Nun hatten wir aber auch unsere Kameraden eingeholt und retteten uns auf die Innenseite von Bengt und Lasse, während das Auto uns überholte. Das letzte Stück bis zum Backastall ritten wir alle drei im Schritt. Lasse führte Trixi in Misters Box, damit die drei Pferde nebeneinander stehen konnten. Wir versorgten sie noch für die Nacht. Als alle genug Futter hatten, war nur mehr zufriedenes Kauen zu hören, hie und da unterbrochen von gierigem Wassersaufen eines Pferdes. Gegen zehn Uhr abends waren wir mit allem fertig; während wir auf unseren Bus warteten, lieferten wir uns eine Schneeballschlacht und plauderten über das bevorstehende Weihnachtsspringen.

Britta und ihr Pony

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