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3. Das Kriegsende, Modalitäten und Folgen

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Waffenstillstände und Friedensschlüsse

Ab dem Sommer 1918 verschlechterte sich die Situation für die Mittelmächte und ihre Verbündeten zunehmend: Einer nach dem anderen war dazu gezwungen, Waffenstillstandsabkommen zu erbitten, die dann zwischen dem 30. September und dem 11. November 1918 unterzeichnet wurden. Obgleich die militärische Situation entscheidend für das Zustandekommen der Waffenstillstandsabkommen war, prägten auch soziale Bewegungen, politische Forderungen und revolutionäre Unruhen diese Phase. Im November 1918 wurden in Deutschland, in der Tschechoslowakei, in Österreich und in Ungarn Republiken verkündet. In ihrer Niederlage lösten sich das Deutsche und das Österreichisch-Ungarische Reich auf, bevor dann 1923 auch das Osmanische Reich zerfiel.

Neben den Waffenstillständen stehen die Friedensverträge im Zentrum der Debatten um den Ersten Weltkrieg, allen voran der Versailler Friedensvertrag. Die Organisation der Friedenskonferenzen, die Auswahl der Teilnehmer, ihre gegensätzlichen Interessen und die Art und Weise, diese geltend zu machen, riefen kritische Kommentare bereits der Zeitgenossen hervor. Der Inhalt der verhandelten Klauseln, ihre Anwendungsmittel und ihre Auswirkungen sind daraufhin Bestandteil langfristiger Analysen geworden. Die Sieger machten Deutschland als alleinigen Verantwortlichen für den Konflikt aus und erlegten ihm beträchtliche militärische, territoriale und wirtschaftliche Bürden auf; dabei nahmen sie das Risiko in Kauf, das Land zu demütigen und einen revanchistischen Revisionismus zu nähren. Die Kontroverse um den Versailler Vertrag betrifft daher die Einschätzung der Qualität des hergestellten Friedens, die zwischen einem „karthagischen Frieden“ mit dramatischen Konsequenzen und dem unter den damaligen Bedingungen bestmöglichen Kompromiss schwankt (Forschungsproblem 5).

Bedeutung der Toten

Die Umsetzung des Friedens verursachte tiefgreifende Schwierigkeiten, denn schließlich hatte sich der Krieg über vier Jahre erstreckt, die Gesellschaften auf beispiellose Weise einbezogen und mehr als zehn Millionen Menschen das Leben gekostet: Diese Toten sollten nicht umsonst gestorben sein. Das Ende des Krieges sollte den Erfolg ihres Kampfes darstellen und die Prinzipien hochhalten, für die sie gekämpft hatten. Die Antagonismen bezüglich des entstehenden Friedens wurden also zum Kriegsende vom Sieg der einen Seite und von der Niederlage der anderen Seite verstärkt.

Darüber hinaus waren die Toten bei den Siegern sowie bei den Besiegten ein Politikum. Die Trauer durchdrang die Gesellschaften. Um dem destabilisierenden Effekt der Trauer vorzubeugen, war die Schaffung eines politischen Totenkults unabdingbar; dieser stattete die Aufopferung der Gefallenen mit einem Sinn aus und versöhnte so die Lebenden. Die Erinnerung an die Toten trieb die Lebenden dazu an, ihrem Beispiel zu folgen und ihre eigenen Tätigkeiten fortzuführen. Die Referenz an die Toten drückte sich jedoch in verschiedenen Formen aus und beruhte auf einer unterschiedlichen Sinngebung für ihren Kampf. Sie trug außerdem dazu bei, dass nach dem Krieg widersprüchliche Forderungen erhoben wurden, von der Bildung eines nachhaltigen Friedens bis hin zur Verteidigung nationaler Interessen. Die geschichtswissenschaftliche Kontroverse kreist daher um die Frage, wem das Totengedenken zusteht: Gehören die Leichname ihren Familien oder der Nation? Wie können die Toten für solch unterschiedliche politische Gesinnungen (von der pazifistischen Botschaft bis zum Aufruf zur Vergeltung) beansprucht werden? (Forschungsproblem 6)

Folgen des Krieges für das Jahrhundert

Schließlich stellte der Weltkrieg einen Umbruch für die individuelle Lebensplanung der Zeitgenossen und für ihr kollektives Verständnis der Geschichte dar. Dennoch wurde der Krieg im Laufe des übrigen Jahrhunderts im Lichte neuer Entwicklungen neu bewertet. Einerseits reihen Historiker ihn in eine Entwicklung ein, die letztlich die Kontinuität der historischen Ereignisse betont; andererseits erinnern sie an die tiefgreifenden Veränderungen, die der Krieg nach sich zog. Der Weltkrieg wird folglich immer mehr als ein einschneidendes Ereignis verstanden, trotzdem divergieren die Konzepte der Historiker. Einige fassen den Konflikt als den Beginn eines dreißigjährigen Krieges auf, der erst 1945 endete; dabei stellen sie die beiden Weltkriege als Konfrontation der Nationen dem Kalten Krieg gegenüber, der eine ideologische Konfrontation sei. Andere sehen in der russischen Revolution von 1917 den eigentlichen Beginn der ideologischen Auseinandersetzung. Der Erste Weltkrieg stellt in dieser Perspektive den Anfangspunkt eines „europäischen Bürgerkrieges“ (Ernst Nolte) dar, der bis 1945 vom Kampf zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus geprägt war. Darüber hinaus wird er auch als Anfang eines „Zeitalters der Extreme“ (Eric Hobsbawm) aufgefasst, das erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 endete. Im Allgemeinen wird der Erste Weltkrieg als die „Urkatastrophe“ (George Kennan) eines gewaltsamen Jahrhunderts verstanden. Folglich wird die Frage nach dem Grund für die Radikalisierung der Gewalt im Laufe des 20. Jahrhunderts gestellt, über den sich die Historiker uneinig sind. Müssen die Grauen dieses Jahrhunderts mit dem Übertreten einer Gewaltschwelle während des Ersten Weltkriegs ins Verhältnis gesetzt werden? Beruht diese Gewalt auf den Praktiken der Frontkämpfer auf dem Schlachtfeld oder ist sie auf genauso bestimmende Vorstellungen in den Köpfen der Menschen zurückzuführen? Die Feststellung, dass der Krieg einen tiefgreifenden Einfluss auf die folgenden Jahrzehnte hatte, und die Bestimmung seiner Rolle als Untersuchungslabor für die Dynamiken des 20. Jahrhunderts führt damit zu unterschiedlichen Einschätzungen (Forschungsproblem 7).

Der Erste Weltkrieg

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