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Fahrt nach Rimini

„Mutti, wir müssen uns ein wenig beeilen“, rief Susanne jetzt aus dem Flur ins oberer Treppenhaus ihres Elternhauses. „Der Bus fährt in 45 Minuten vom Hammer Bahnhof aus los. Und ihr sollt alle mindestens eine Viertelstunde früher da sein.“

„Bin schon fertig“, rief Hella zurück. „Ich musste nur noch meine Laufschuhe suchen. Die habe ich schon so lange nicht mehr angehabt und wusste ich gar nicht, in welcher Ecke des Schuhschranks sie sich versteckt hatten.“

„Florian, geht mal zur Oma nach oben und hole den Koffer, sonst wird das heute nichts mehr“, wandte sich Susanne an ihren Sohn, der in dieser Herrgottsfrühe – es war gerade einmal 5.30 Uhr – die Großmutter ebenfalls zum Bahnhof begleiten wollte. In den letzten Wochen seit dem Tod des Großvaters waren seine Besuche bei ihr etwas seltener geworden, doch an diesem Tag wollte er dabei sein und ihr alles Gute wünschen, wenn sie, wie er hoffte, in ein neues Leben aufbrechen würde. Immerhin, so viel wusste er, war dies überhaupt die allererste Reise seiner Großmutter, die sie alleine antrat. Ohne Ehemann. Ohne Enkel oder Tochter.

Ein kleines Stück Selbstständigkeit hatte sich Hella seiner Meinung nach dem Tod des Großvaters allerdings bereits erobert. Denn schon wenige Tage nach der Beerdigung hatte sie darauf bestanden, ihre Erledigungen und Einkäufe wieder selbst zu tätigen. „Genieße du deine Jugend, mein Junge“, hatte sie Florian gesagt. „Ich freue mich darauf, wieder ein wenig mehr unter die Leute zu kommen. Und sei es auch nur beim Einkaufen.“

„Aber Oma“, hatte Florian erwidert, „ich helfe dir doch gerne.“

„Das weiß ich doch, Flori, und ich werde deine Hilfe sicherlich noch oft genug brauchen. Aber die kleinen Erledigungen des Alltags würde ich gerne wieder selbst übernehmen. Das hilft mir ein wenig über die Trauer hinweg.“

Dann hatte Hella ihren Enkel aufmunternd angeschaut. „Aber ich verspreche dir, dass ich dich immer anrufe, wenn ich deine Hilfe wirklich brauchen kann. Und glaube mir, das wird noch oft genug passieren.“

So waren Großmutter und Enkel verblieben – und dieses kleine Abkommen funktionierte sehr gut zwischen ihnen. Denn natürlich war Hella froh, wenn sie Florian immer wieder mal um seine Unterstützung bitten konnte.

Wenige Minuten nach der Aufforderung seiner Mutter stand Florian tatsächlich mit Großmutter und Koffer abfahrbereit im Flur. „Jetzt aber hopp hopp, sonst fährt der Bus noch ohne dich los“, trieb Susanne die kleine Gruppe an.

***

Knapp eine Stunde später hatte die Reisegruppe bereits die Stadtgrenze Hamms erreicht.

Hella hatte sich am Bahnhof unter Tränen von Tochter und Enkel verabschiedet, ein wenig mulmig war ihr nämlich schon in den letzten Minuten vor der Abfahrt geworden. So lange war sie noch nie alleine von zu Hause weg gewesen. Und ein bisschen Wehmut war natürlich auch aufgekommen – ohne Herbert eine Urlaubsreise nach Italien antreten zu müssen, bei dem Gedanken daran waren ihre Gefühle in den letzten Tagen tatsächlich Achterbahn gefahren. Aber immer dann, wenn sie drohte, in ein tiefes Loch zu fallen, hatte sie sich an die Worte ihres Mannes erinnert. Sie solle Freude in ihrem Leben haben und wieder glücklich werden.

Nun also saß Hella in einem komfortablen Reisebus und nahm sich vor, das Allerbeste aus dieser Reise zu machen. Immerhin waren diese Tage so etwas wie ein letztes Abschiedsgeschenk von Herbert – und diesem Geschenk wollte sie sich würdig erweisen.

***

Die Reiseleiterin, die sich als Yvonne Becker vorgestellt hatte, hatte Hella nach dem Einsteigen einen freien Platz am Fenster zugewiesen.

Jetzt riss sie Hella aus ihren Gedanken. „Frau Mertens, ich würde Sie gerne etwas fragen“, wandte sie sich an Hella. „In Soest steigt noch eine Dame zu. Wenn es Sie nicht stört und Ihnen die Nähe nicht zu viel ist, dann würde ich Frau Zams gerne auf den freien Platz neben Sie setzen.“

Hella lächelte. „Sehr gerne doch“, antwortete sie. „Ich freue mich auf ein wenig Unterhaltung.“

Außer Hella saßen noch etwa 20 andere Reisegäste in dem Bus. Wie Hella bereits beim Einsteigen gesehen hatte, waren es meist Frauen, die sich auf den Weg nach Rimini machten. Doch auch drei oder vier Männer weilten unter den Reisenden. Die meisten waren etwa in Hellas Alter, manche wohl auch noch einige Jahre älter. In der Sitzreihe neben Hella saßen jedoch zwei junge Mädchen, die Hella auf vielleicht gerade einmal 18 oder 19 Jahre schätzte, also nur wenig älter als ihr Enkelsohn Florian waren. Hella hatte schon überlegt, was zwei so junge Mädchen wohl für ein trauriges Schicksal teilen mussten, das sie dazu veranlasst hatte, eine solche Reise zu unternehmen. Denn obwohl es natürlich eine Italienreise war, war allen Reisenden – so auch Hella – sehr bewusst, dass es unter anderem darum ging, mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen und sich seiner Trauer zu stellen, sie vielleicht auch zu bewältigen.

In Soest angekommen, hielt der Bus vor dem Bahnhof an. Hella war schon seit Jahren nicht mehr in der Hansestadt gewesen, obwohl sie früher gerne einmal mit Herbert zum Weihnachtsmarkt am Fuße des St.-Patrokli-Doms oder im November zur Allerheiligenkirmes gefahren war. Meistens hatten sie und Herbert die Fahrt mit dem Zug gemacht, weil dann auch Herbert einmal ohne Sorge, seinen Führerschein nach einem Gläschen zu viel zu verlieren, einen Glühwein hatte trinken können. Deshalb kannte Hella die Umgebung rund um den Soester Bahnhof recht gut.

Nun aber war sie erstaunt darüber, wie sehr sich alles verändert hatte. Das neue Einkaufszentrum kannte Hella gar nicht und auch der Bahnhofsvorplatz hatte sich in den Jahren sehr verändert. Hella überlegte gerade, wie lange sie schon nicht mehr in dieser Stadt gewesen war, da sprach sie eine Frau etwa Mitte 50 an. Hella hatte gar nicht mitbekommen, dass sie zugestiegen war.

„Frau Becker hat mir gesagt, dass ich neben Ihnen Platz nehmen darf“, sagte sie. „Ich bin Andrea. Andrea Zams.“

Hella versuchte aufzustehen, doch das war in der engen Sitzreihe gar nicht so einfach möglich, zumal Frau Zams Hella gerade ein kleines Köfferchen direkt vors Gesicht hielt.

Als die neu Zugestiegene das bemerkte, sagte sie: „Ach herrje, was mache ich denn hier. Bitte entschuldigen Sie. Ich bin manchmal ein kleiner Tölpel.“

Hella lachte. „Kein Problem, Frau Zams. Ist ja nichts passiert. Ich begrüße Sie einfach im Sitzen.“ Daraufhin reicht sie Andrea Zams, die gerade ihr kleines Köfferchen im Gepäckaufbewahrungsfach über ihnen platziert hatte, mit Handschlag.

Dann nahm Andrea Zams Platz und sagte: „Dann sind wir ja für die nächsten Stunden Schicksalsgenossinnen in diesem Bus. Ich heiße Andrea. Wenn Sie, wenn du nichts dagegen hast, dann können wir gerne Du sagen.“ Dabei nickte sie Hella aufmunternd zu.

Hella freute sich, eine so aufgeschlossene Reisepartnerin zu haben, und antwortete: „Sehr gerne doch. Ich heiße Hella. Freut mich, dich kennenzulernen.“

„Was für ein schöner Name. Hella. Habe ich so noch nie gehört.“

Schnell war klar, dass die beiden Frauen auf gleicher Wellenlänge lagen. Und obwohl Andrea einige Jahre jünger als Hella war, hatten sich sie sich so viel zu erzählen, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Bald stellte sie fest, dass sie sogar eine gemeinsame Bekannte hatten. Eine der Pflegekräfte, die Herbert in seinen Wochen vor dem Tod umsorgt hatte, war eine Nachbarin von Andrea.

***

Reiseleiterin Yvonne Becker hatte, nachdem alle Reisenden zugestiegen waren, eine längere Ansprache gehalten. So hatte sie unter anderem ihre Kollegin Melanie Wolters vorgestellt, die als Trauerbegleiterin verschiedene Gesprächsangebote während des Aufenthalts in Rimini anbieten und natürlich auch für Einzelgespräche zur Verfügung stehen würde.

Dann hatte Yvonne Becker noch einmal kurz den Reiseverlauf der 14-tägigen Reise erläutert und die Ausflugsziele benannt. Außer Venedig stand auch ein Besuch in San Marino, dem kleinen Zwergstaat unweit von Rimini, auf dem Programm. Außerdem würde die Möglichkeit eines Ausflugs nach Bologna bestehen. Weiterhin hatte die Reiseleiterin berichtet, dass geplant sei, das Hotel in Rimini an diesem Tag gegen 22 Uhr zu beziehen. Getränke und Snacks gäbe es an Bord. Und für ein kleines Abendessen hätte man einen Tisch in einem gemütlichen Lokal nahe Bozen bestellt. Aufenthalt hätten sie dort etwa eine Stunde.

Die Fahrt verlief ohne große Zwischenfälle. Es gab weder Staus noch allzu lange Pausen auf den Rastplätzen, die der Busfahrer für das Vertreten der Beine und andere Bedürfnisse etwa alle zwei Stunden anbot.

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