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VORWORT

Es ist weitgehend bekannt, dass sich Thomas Merton, der große zeitgenössische christliche Mystiker, in der letzten Dekade seines Lebens stark zum Buddhismus hingezogen fühlte. Weniger bekannt ist, dass er ebenso, wenn nicht in gewisser Weise sogar noch intensiver, vom Sufismus angezogen wurde. Irgendwann in diesem Zeitraum war er zufällig auf Louis Massignons französischen Kommentar zu einer Abhandlung über das Herz von al-Hallāj, einem Sufi-Heiligen aus dem 9. Jahrhundert, gestoßen. Offenbar elektrisiert von dem, was er da gefunden hatte, bezog er sich wieder und wieder auf diesen Text, sei es in seinen zur Veröffentlichung gedachten Schriften wie auch in seinen Tagebüchern. Besonders gab Massignons Ausführung über den point vierge, diesen mysteriösen göttlichen Grund im Innersten des Herzens (bei den Sufis als sirr oder Geheimnis bekannt), den Anstoß zu Mertons bewegenden letzten Abschnitt seines Essays „Ein Mitglied des Menschengeschlechts“.

„Dann war es, als sähe ich plötzlich die geheime Schönheit ihrer Herzen, die Tiefe ihrer Herzen, wo weder Sünde noch Wunsch noch Selbsterkenntnis hingelangen können, den Kern ihrer Wirklichkeit…

Wieder kommt hier der Begriff le point vierge hinein (ich vermag ihn nicht zu übersetzen). Im Zentrum unseres Seins ist ein Punkt des Nicht-seins, der unberührt von Sünde und Illusion ist, ein Punkt reiner Wahrheit, ein Punkt oder Funke, der nur Gott gehört, über den wir nie Verfügung haben, von dem aus Gott über unser Leben verfügt, der unzugänglich ist für die Phantasien unseres Geistes oder die Brutalitäten unseres Willens. Dieser kleine Punkt des Nichtseins und der absoluten Armut ist die reine Herrlichkeit Gottes, eingeschrieben in uns als unsere Armut, als unsere Bedürftigkeit, als unsere Sohnschaft. Er ist wie ein reiner, hell im unsichtbaren Licht des Himmels strahlender Diamant. Er ist in jedem von uns, und wenn wir ihn nur sehen könnten, würden wir diese Milliarden Lichtpunkte im Antlitz und Glanz einer Sonne zusammenkommen sehen, die alle Dunkelheit und Grausamkeit des Lebens vollständig verschwinden ließe.“

Im Spiegel des Sufismus erfuhr Merton sein christliches Herz zutiefst erleuchtet.

Im Herzen sind Sufismus und Christentum verbunden, darüber gibt es kaum Zweifel. Ich selber bin für mich im Laufe meiner zwanzigjährigen Suche, die authentische Weisheitstradition des Christentums wieder aufzudecken, zu diesem Schluss gekommen. Im Verlauf dieser Reise habe ich von vielen Sufi-Lehrern, besonders von Llewellyn Vaughan-Lee, Unterweisung erhalten. Diese wundervollen Mentoren haben mir geholfen, den großartigen Pfad der Liebe im Herzen meiner eigenen christlichen Tradition wiederzufinden, in der er unauslöschlich gegenwärtig, jedoch oft durch eine theologisch unverständliche Sprache verborgen ist, die sich das Christentum sehr bald für seine Darstellung angewöhnt hat. Vor meinem geistigen Auge stelle ich mir oft eine Art des Weiterreiches vor, das historisch und politisch falsch sein mag, sich bei mir tief innen aber immer wieder wahr anfühlt: Während das institutionalisierte Christentum in jenen Jahrhunderten, die auf die Erhebung zur offiziellen Religion des Römischen Reiches folgten, immer dogmatischer und verklausulierter in seinem Ausdruck wurde, entwickelte sich in der Wiege des Islam der Sufismus und empfing und nährte diese Lehren über das Herz, die zuerst direkt vom lebendigen Herzen Jesu in jene Länder des Nahen Ostens gesät worden waren.

Im Herzen sind Sufismus und Christentum verbunden – vielleicht im eigentlichen Sinne des Wortes, gewiss jedoch spirituell und symbolisch. Sie sind verwandte Pfade der Transfiguration, der Verklärung, durch die Liebe. Beide Traditionen veranschaulichen die spirituelle Reise mit derselben zentralen Metapher: als ein kosmisches Liebeslied, das im Exil beginnt und in der göttlichen Intimität endet. Von dem herzzerreißenden Klagen von Rūmīs Rohrflöte zu den tiefgründigen theologischen Bildern von Teresa von Avilas inneren Wohnungen und Juliana von Norwichs Vision der Haselnuss, von der Konferenz der Vögel zur Wolke des Nichtwissens. Beide Traditionen anerkennen die Seelenqual der Trennung, wobei sie zugleich die Zusicherung ekstatischer Wiedervereinigung ausstrahlen, wenn das, was irrtümlich als zwei wahrgenommen wurde, als erhabenes Eines erkannt wird. Mein Lehrer, Pater Thomas Keating, sagt: „Die Auffassung, dass Gott abwesend ist, ist die fundamentale Illusion des menschlichen Daseins.“

Beten ist der Weg, diese Illusion zu entlarven, und in sich selber ein direktes Tor in das, was ein weiterer meiner geschätzten Sufi-Mentoren, Kabir Helminski, „das große elektromagnetische Feld der Liebe“ nennt. Wir finden in den Lehren der Ostkirche über das Herzensgebet und in der grundlegenden Sufi-Praktik des Dhikr, der ekstatischen Hingabe, die aus der voll verkörperten Rezitation der Namen Gottes entsteht, einen gemeinsamen Pfad des Betens, der Selbstbezogenheit und Ego-Drama überwindet und uns schließlich in die blaue Flamme reiner Selbstvergessenheit katapultiert, wo wir wie durch ein Wunder nicht zerstört, sondern vielmehr in die wahre Persönlichkeit hineingeboren werden. Llewellyn Vaughan-Lee webt mit der zurückhaltenden Einfachheit eines wahren spirituellen Lehrers diese komplementären Traditionen nahtlos zu einer einzigen Tapisserie von beispielloser Kraft und Schönheit zusammen. Achten Sie besonders darauf, was er über den Atem sagt. Wenn Sie diese Dinge genauso erstaunlich finden wie ich, werden Sie wieder einmal erahnen, welche Gaben der Sufismus einem Christentum anbieten könnte, das darum ringt, das alte Verständnis von der zentralen Rolle der Verkörperung im Beten wieder zu beleben. Eine neue Würdigung der Verkörperung, speziell durch den Atem, die bisher fehlende Verbindung, könnte uns von diesen zähen Diskussionen erlösen, ob Beten (verstanden als mit Worten geäußerte Bitte) „hilft“, und uns stattdessen in den dynamischen Grund jenes „großen elektromagnetischen Feldes“ eintauchen lassen, wo unser Fehlen bemerkt und schmerzlich bedauert wird.

Ich habe diese einführenden Bemerkungen mit Mertons tief bewegender Vision begonnen: „Wir würden diese Milliarden Lichtpunkte im Antlitz und Glanz einer Sonne zusammenkommen sehen, die alle Dunkelheit und Grausamkeit des Lebens vollständig verschwinden ließe.“ Es erstaunt nicht, dass Llewellyn Vaughan-Lee ein fast identisches Bild in einem seiner frühen Bücher Der Liebesbund (1993) benutzt, wurden sie wohl beide vom selben Sufi-Strom gespeist. Der folgende Absatz auf den Seiten 37f., in meiner zerlesenen Ausgabe unterstrichen und angekreuzt, gab den ersten Funken für meine Verbindung mit dem Sufismus und belebte in mir eine fast vergessene innere Überzeugung, dass Beten absolut wirklich und absolut notwendig ist, und zwar nicht nur für die persönliche Heilung und die „Selbstverwirklichung“, sondern für das Leben an sich auf diesem Planeten.

„Wenn wir still an uns selbst arbeiten, wird die Energie unserer Hingabe zu einem Lichtpunkt in der Welt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird eine Landkarte entfaltet, die aus den Lichtpunkten der Liebenden Gottes gestaltet ist. Sie dient dazu, die innere Energiestruktur des Planeten zu verändern. In früheren Jahrhunderten wurde diese Energiestruktur durch heilige Orte, Steinkreise, Tempel und Kathedralen gehalten. Auf der nächsten Stufe unserer kollektiven Evolution sind es die Herzen der Individuen, welche die kosmische Note des Planeten halten. Diese Note lässt sich als Lied der Freude, die im Herzen der Suchenden geboren wird, wahrnehmen. Sie ist eine Qualität der Freude, die der Welt zugeführt wird. Sie klingt mit im Herzschlag der Welt und muss in unseren Städten und Dörfern gehört werden.“

Mit diesem neuesten Buch schenkt uns Llewellyn Vaughan-Lee einen weiteren grundlegenden Beitrag zur „kollektiven Evolution unserer Herzen“, und wie sehr freue ich mich, ihn empfangen zu dürfen.

Cynthia Bourgeault, Reverend

Eagle Island, Maine USA

September 2011

Das Herzensgebet

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