Читать книгу Please stay with me - Lora Flynn - Страница 6

Kapitel 1

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Ich hatte das Arbeitszimmer meines Dads immer gemocht, das gedämpfte Licht, die weinroten Wände mit der dunklen Holzvertäfelung… Es hatte stets eine gemütliche Atmosphäre versprüht und nahezu etwas Beruhigendes an sich gehabt. Doch leider blieb die gewünschte Wirkung dieses Mal aus. Denn ich hatte mich noch nie so unwohl in meiner Haut gefühlt, wie in diesem Moment.

Wie ich hier gelandet war? Eine gute Frage.

Seit dem verhängnisvollen Vorfall im Krankenhaus waren nunmehr zwei Tage vergangen. Zwei Tage, in denen ich kein einziges Wort mit meinem Dad gewechselt hatte. Zwei Tage, in denen ich nicht den blassesten Schimmer hatte, wie es künftig weiter gehen würde.

Lukas' Offenbarung hatte eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Wie ein Tsunami waren seine Worte über meinem sicheren Hafen eingebrochen und ließen meine Welt in absolutem Chaos zurück.

Er hatte vor meiner ganzen Familie meine größte Angst und mein dunkelstes Geheimnis preisgegeben. Mein Dad, Tante Carolyn, selbst Poppy, alle wussten nun Bescheid über den Missbrauch, den ich durch meinen Cousin Adam erfahren musste. Und als wäre das nicht schon genug, war meine Beziehung zu meinem Englischlehrer Logan Black ebenfalls aufgeflogen. Die Katze war aus dem Sack.

Das schlimmste an der ganzen Sache war, dass ich auf glühenden Kohlen saß. Die ganze Zeit über hatte ich darauf gewartet, dass Dad das Gespräch zu mir suchte, dass er mich auf das ansprach, was passiert war.

Aber er hüllte sich in Schweigen - eine Eigenschaft, die wir wohl gemeinsam hatten.

Selbst auf der Autofahrt vom Krankenhaus nach Hause, hatten wir kein einziges Wort miteinander gesprochen. Als wir schließlich angekommen waren, hielt ich es nicht mehr aus, ein Gespräch war mir unausweichlich erschienen. Also fasste ich mir ein Herz und hatte mit vor Aufregung schwitzigen Händen an seine Bürotür geklopft.

Nachdem ich keine Antwort erhalten hatte, betrat ich einfach den Raum.

Und so war ich hier gelandet.

Dad stand vor dem Fenster und schaute nachdenklich nach draußen, die eine Hand in der Hosentasche versteckt, während er in der anderen ein Glas mit einer goldbraunen Flüssigkeit hielt.

Es war nicht ungewöhnlich, dass Dad sich hin und wieder einmal ein Glas Whiskey genehmigte, doch wusste ich genau, dass es in diesem Moment ein trauriger Versuch war, den Kummer, den ich ihm bereitete, mit Alkohol zu betäuben.

Die Dämmerung draußen hatte bereits eingesetzt und dicke, weiße Schneeflocken rieselten hinter der Fensterscheibe leise vom Himmel herab.

Bei meinem Eintreten rührte Dad sich nicht von der Stelle, als ahnte er auch ohne hinzusehen, dass ich es war. Selbst als ich ihn ansprach, strafte er mich weiterhin mit seinem Schweigen und so war ich gezwungen, eine gefühlte Ewigkeit einsam und verlassen im Raum zu stehen. Ich fühlte mich unwohl.

Als Dad sich schließlich zu mir umdrehte und mich mit tieftraurigen Augen ansah, brach es mir fast das Herz. Ich konnte die Schuld sehen, die sich wie ein unsichtbarer Schleier über sein Gesicht legte. Er fühlte sich verantwortlich, schuldig für das, was mir angetan worden war. Er machte sich Vorwürfe. Ich wusste genau, was in diesem Moment in ihm vorging; nämlich als Vater versagt zu haben.

Ich konnte gar nicht anders, als wortlos den Raum zu durchqueren und Dad in die Arme zu schließen, während ich mein Gesicht tief in dem weichen Baumwollstoff seines Hemdes vergrub. Offenbar hatte er mit einer Umarmung nicht gerechnet, denn er schien überrascht. Doch einen Augenblick später spürte ich auch schon seine Hand, die beruhigend meinen Rücken auf und ab strich. Einige Sekunden verharrten wir in dieser Position.

»Du konntest es nicht wissen, Dad«, flüsterte ich ihm leise zu, was ein kläglicher Versuch war, ihm den Schmerz zu nehmen, der von nun an sein täglicher Begleiter sein sollte.

Nachdem Dad sich ein wenig gesammelt hatte, bedeutete er mir, mich zu setzen. Mir war klar, dass nun der unangenehme Part folgen würde. Zu meiner Erleichterung zwang er mich jedoch nicht, ihm die ganze Geschichte in allen Einzelheiten zu erzählen. Womöglich hatte mein Bruder das bereits getan, aber trotz allem war ich einfach nur dankbar dafür gewesen, all die schrecklichen Momente nicht noch einmal durchleben zu müssen.

Dennoch stellte Dad mir eine Bedingung - er verlangte, dass ich eine Therapie machte, womit ich sogar einverstanden war. Denn an dem Tag im Krankenhaus, als mein Bruder die Bombe hatte platzen lassen, war mir schmerzlichst bewusst geworden, dass ich mich meiner Vergangenheit stellen musste. Adam hatte Spuren auf meiner Seele hinterlassen. Narben, die niemals richtig verheilen würden, wenn ich sie nicht zusammenflickte. Also waren wir übereingekommen, einen geeigneten Psychologen aufzusuchen.

Auf meine Frage hin, wie es Tante Carolyn ging und was denn nun mit Adam geschah, schüttelte Dad nur den Kopf und wieder trat dieser gequälte Ausdruck in seine Augen.

»Carolyn hat mich gestern angerufen. Sie hofft, dass wir von einer Anzeige absehen und möchte ihn in eine Jugendpsychiatrie schicken«, dies war Dads knappe Antwort, ehe er wieder nach dem Whiskeyglas griff. Krampfhaft überlegte ich, welchen Weg ich wohl einschlagen sollte. Ich musste jedoch nicht groß darüber nachdenken, denn ich wusste jetzt schon, dass ich keine Anzeige erstatten wollte. Natürlich stand es außer Frage, dass das was Adam mir angetan hatte, unverzeihlich war. Aber ich dachte dabei nicht nur an Adam oder an mich, nein, ich dachte auch an Tante Carolyn. Sie hatte bereits so vieles durchgemacht, ich wollte ihr nicht noch mehr Schmerzen zufügen, indem ich gegen ihren Sohn Anzeige erstatten würde. Denn egal, was er mir angetan hatte, er war trotz allem immer noch ihr Sohn. Ihr Kind.

Adam hatte ein gewaltiges, psychisches Problem und brauchte dringend Hilfe. Die sollte er auch bekommen. Also signalisierte ich meinem Dad mit einem Kopfschütteln, dass ich von einer Anzeige absah. Kurz beschlich mich das Gefühl, dass er sich das Gegenteil erhofft hatte. Oder aber er war selbst unschlüssig, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Dad saß im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Stühlen. Immerhin ging es hier auch um seine Schwester, die er über alles liebte. Es war für alle Beteiligten eine furchtbar schlimme und ausweglose Situation.

Ich war mir jedoch sicher, dass Dad zu mir stehen würde, selbst wenn ich mich dazu entschieden hätte, auf eine Anzeige zu bestehen, was sein Verhältnis zu Tante Carolyn womöglich zerstört hätte. Dads Liebe zu seinen Kindern war bedingungslos, auch wenn er sie nicht immer offen zeigte. Allein der Gedanke daran, gab mir Kraft.

Ich beschloss, Dad erst einmal alleine zu lassen und erhob mich von dem Stuhl. Doch Dad schien noch etwas auf dem Herzen zu haben, denn gerade als ich Anstalten machte zur Tür zu gehen, hielt er mich zurück.

»Drea, da ist noch etwas worüber wir uns unterhalten müssen.«

Ich hielt mitten in der Bewegung inne. Mein Herzschlag beschleunigte sich und in meinem Magen begann sich ein ungutes Gefühl auszubreiten. Ich ahnte bereits, worüber Dad mit mir sprechen wollte. Die ganze Zeit hatte ich den Gedanken daran verdrängt, versucht ihn zu ignorieren, so zu tun, als wäre all das nicht passiert. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis Dad mich auf dieses eine Thema angesprochen hätte.

Ich nahm einen tiefen Atemzug, um mich dem, was nun auf mich zukam, zu stellen und drehte ich mich zu Dad um. Diesmal hatte sein Gesicht einen anderen Ausdruck angenommen. Von der Traurigkeit, die ihm zuvor noch anzusehen war, fehlte jegliche Spur.

Stattdessen strahlte Dad nun eine so heftige Ernsthaftigkeit aus, dass es mir die Kehle zuschnürte. Und dann sprach er das Thema an, vor dem ich mich am meisten gefürchtet hatte.

»Ich muss dich das jetzt fragen, Drea«, er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, ehe er weitersprach.

»Hattest du Sex mit deinem Lehrer?«

Geschockt starrte ich ihn an.

Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht, wenngleich diese Frage mehr als berechtigt war. Kurz darauf spürte ich auch schon, wie mir allmählich das Blut ins Gesicht schoss und ich bis zu den Haarwurzeln errötete.

»Dad! Ich...«, peinlich berührt schüttelte ich hastig den Kopf. »Wie kannst du nur so etwas fragen?«

»Das war kein Nein«, der Blick aus Dads braunen Augen war kalt, beinahe schon gefühllos. Doch wenn es um die eigenen Töchter ging, kannten Väter wohl keine Gnade. Besonders meiner nicht. Schon bei Danny hatte es Ewigkeiten gedauert, bis er es überhaupt einmal für nötig hielt ihn zu begrüßen, wenn er zu Besuch kam.

Ja, es war nicht selten, dass sobald die Töchter zum ersten Mal einen Freund mit nach Hause brachten, die Väter sich nur zu gut an ihre eigene Sturm-und-Drang-Zeit erinnerten. Eine wilde Jugend, die ersten aufkeimenden Gefühle für das andere Geschlecht... Die Angst davor, dass die Tochter mit einem Jungen zusammen war, der gerade in derselben Entdeckungsphase steckte, bescherte jedem Vater wohl die ersten grauen Haare.

»Ich erwarte eine Antwort, Drea.«

»Dad!«, meine Wangen glühten. »Natürlich nicht!«

Nun ja, was nicht bedeutete, dass ich es nicht versucht hätte… fügte ich gedanklich an, aber das musste ich meinem Dad ja nicht auf die Nase binden. Es war ohnehin schon ungemein peinlich, mit ihm darüber zu sprechen. Es war mir sogar so unangenehm, dass ich ihm nicht einmal in die Augen schauen konnte. Dennoch spürte ich unentwegt seinen bohrenden Blick, als könnte er auf diese Weise herausfinden, ob ich die Wahrheit sagte oder ob ich log.

Unwillkürlich überkam mich ein schlechtes Gewissen. Obwohl ich, wenn man es genau nahm, ja ehrlich zu ihm war, denn ich hatte nicht mit Logan geschlafen. Allerdings verschwieg ich Dad die Tatsache, dass wir mehr als einmal die Gelegenheit dazu gehabt hätten. Wenngleich ich mir sicher war, dass Dad sich seinen Teil bereits denken konnte. Immerhin hatte er ja bereits mit Logan gesprochen. Ein Gespräch, von dem ich nach wie vor nicht wusste, welchen Ausgang es wohl genommen hatte.

Dad seufzte.

»Drea«, begann er nun in einem gefährlich ruhigen Tonfall. »Ich habe in den letzten zwei Tagen sehr lange überlegt, ob ich mich mit der Schulleitung in Verbindung setzen soll oder nicht...«, noch ehe Dad weitersprechen konnte, sprang ich aufgebracht vom Stuhl.

»Dad! Das kannst du nicht tun! Logan hat nichts Verbotenes getan! Er ist ein guter Mensch und ich schwöre dir, dass nichts Körperliches zwischen uns vorgefallen ist!«

Dad musterte mich aufmerksam, bevor er wieder zu sprechen begann.

»Weshalb hat er mir dann in dem Gespräch vor zwei Tagen gestanden, dass er sich in meine Tochter verliebt hat?«, Dad sah mich ungerührt aus ernsten Augen an. Mir dagegen verschlugen seine Worte unwillkürlich die Sprache. Wie erstarrt stand ich vor ihm und erwiderte seinen Blick aus großen Augen.

Logan hatte meinem Dad gesagt, dass er sich in mich verliebt hatte?

Dads Aussage traf mich mitten ins Herz und ließ mich für einige Sekunden lang einfach nur wortlos dastehen. Und während ich noch versuchte, Dads Worte zu verarbeiten, begann er schon wieder weiter zu sprechen.

»Nun ja, dein Lehrer hat mir ebenfalls bestätigt, dass bisher noch nichts Sexuelles zwischen euch vorgefallen ist und ich hoffe sehr, dass ihr beide ehrlich seid, Drea. Die Konsequenzen eines solchen Handelns wären fatal.«

»Es ist die Wahrheit. Ich verspreche es dir«, erwiderte ich, als ich allmählich meine Stimme wiederfand. Doch der Schock über Dads Worte hatte ich noch immer nicht verkraftet. Benommen ließ ich mich wieder zurück auf den Stuhl sinken. Allerdings war später noch genügend Zeit, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Es gab nun Wichtigeres. Ich musste nämlich einen Weg finden, meinen Dad davon abzubringen, sich mit der Schulleitung in Verbindung zu setzen. Fieberhaft überlegte ich nach einem schlagkräftigen Argument.

»Dad, Logan ist anständig und einer der besten Menschen, die ich kenne. In den letzten Monaten ging es mir wirklich schlecht. Moms Tod, die Trennung von Danny und dann die Sache mit ... Adam«, ich schüttelte gequält den Kopf. »Logan war für mich da und es ist ... es ist einfach passiert. Wir hatten das nicht geplant! Bitte, Dad, bitte rufe die Schule nicht an. Er hat das nicht verdient. Ich flehe dich an!«

Für ein paar Sekunden herrschte Stille zwischen uns. Voller Hoffnung bohrte sich mein Blick in Dads Gesicht, der nachdenklich das Whiskeyglas in seiner Hand hin und her schwenkte. Zu gern hätte ich in diesem Moment einen Blick in seinen Kopf geworfen, um herauszufinden was er dachte.

Mein Dad war kein Unmensch, so viel stand fest. Im Innern seines Kerns besaß er einen sehr sanftmütigen und liebevollen Charakter. Aber er besaß auch noch eine andere Seite. Eine Seite, die konsequent und knallhart sein konnte, die ohne jeglichen Skrupel alles tun würde, um die Familie zu beschützen.

Ungeduldig wartete ich darauf, dass er endlich wieder zu sprechen begann.

»Ich weiß, dass du eine schwierige Zeit hinter dir hast und es war auch sehr nobel von deinem Lehrer, dir in dieser schwierigen Zeit beizustehen. Daher habe ich mich dazu entschieden, es der Schulaufsicht nicht zu melden«, setzte er schließlich an und sogleich fiel mir ein Stein vom Herzen. Hoffnung keimte in meinem Innern auf. Hoffnung, dass diese komplizierte Situation womöglich doch noch ein gutes Ende nahm.

»Aber nur unter einer Bedingung«, fügte Dad abschließend noch hinzu, während er langsam von seinem Glas aufblickte und mich direkt ansah. Die Anspannung in meinem Innern kehrte sofort wieder zurück.

»Alles was du willst, Dad«, entgegnete ich übereilt. Egal was es sein mochte, ich würde alles daransetzen, dass Logan seinen Job nicht verlor und wir eine echte Chance bekamen, zusammen sein zu können.

»Hier geht es nicht nur um seine Zukunft, Drea, sondern auch um deine. Und ich werde nicht zulassen, dass du sie dir zerstörst. Ich habe die letzten zwei Tage lange darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass du von dieser Sekunde an keinerlei außerschulischen Kontakt mehr zu Logan Black haben wirst. Sollte es nichts mit der Schule zu tun haben, so werdet ihr nicht ein einziges Wort mehr miteinander wechseln und ich untersage dir jegliche Versuche, erneut Kontakt zu ihm aufzunehmen. Ist das klar?«

Ruckartig schoss mein Kopf nach oben.

»Bitte was?«, kam es entsetzt über meine Lippen, während sich meine Augen vor Schreck weit öffneten. Dads Worte erreichten meinen Verstand, jedoch fühlte es sich an, als würde mein Hirn sie nicht richtig verarbeiten können.

»Aber ...«, setzte ich bereits an, allerdings wollte einfach kein vollständiger Satz über meine Lippen kommen.

»Drea, ich weiß, dass du das jetzt vielleicht noch nicht einsiehst, aber Logan Black ist nicht der Richtige für dich. Du denkst, dass du verliebt bist, aber das bist du nicht. Eine solche Schwärmerei hat jeder schon einmal erlebt. Das hat doch keine Zukunft.«

»Wie kannst du so etwas sagen?«, empört sprang ich von meinem Stuhl auf, sodass er laut über dem Boden nach hinten schlitterte. Wut stieg in mir auf und mein Herz begann vor Aufregung immer heftiger zu schlagen.

»Drea«, mein Dad wirkte genervt. »Bitte setz dich wieder«, er deutete mit einem auffordernden Nicken in Richtung des Stuhls ihm gegenüber. Doch daran, seiner Bitte nachzukommen, war in diesem Moment gar nicht zu denken. Alles was ich empfand, war unbändiger Zorn, der mich innerlich beinahe zerriss. Wie konnte Dad sich anmaßen über meine Gefühle für Logan zu urteilen? Er hatte nicht die geringste Ahnung davon, was ich für Logan empfand, wie sehr er mich in den vergangenen Wochen unterstützt hatte, mir dabei half, mich selbst wiederzufinden.

Es mochte sein, dass ich mit meinen achtzehn Jahren noch nicht einmal halb so viel Lebenserfahrung wie mein Dad gesammelt hatte und viele Dinge erst noch lernen musste. Aber einer Sache war ich mir absolut sicher und da konnte auch niemand versuchen, mir etwas anderes einzureden. Noch bevor ich mich stoppen konnte, hatten die Worte meine Lippen bereits verlassen.

»Ich liebe ihn.«

Und in diesem Moment begriff ich, dass es die Wahrheit war. Ich liebte Logan. Aus tiefstem Herzen. Er war es, der mir in den dunkelsten Stunden der letzten Monate beigestanden hatte. Seine rettende Hand hatte mir geholfen, wieder das Licht zu finden. Und trotz der Tatsache, dass er so lange gegen die Gefühle zwischen uns angekämpft hatte, war es mir gelungen, einen Weg zu finden, auch seine Mauern niederzureißen, eine Seite von ihm kennenzulernen, die er bisher niemandem offenbart hatte. Zwei verletzte Seelen, die einander gefunden hatten und sich ineinander verliebt hatten. Zwei Seelen, die versuchten, einander zu heilen.

Aus diesem Grund machte es mich unglaublich wütend, dass Dad mich und meine Gefühle nicht ernst nahm, dass er über sie sprach, als könnten sie morgen schon wieder Geschichte sein.

Ein Räuspern riss mich zurück in die Gegenwart. Für ein paar Sekunden starrte Dad mich einfach nur stumm an, ehe er sich mit den Händen über das Gesicht rieb.

»Drea, du weißt nicht, wovon du da sprichst. Du bist doch noch…«

»Nein«, fiel ich ihm augenblicklich wieder ins Wort. »Ich weiß, was du sagen willst, Dad. Du willst mir sagen, dass ich noch gar keine Ahnung davon habe, was Liebe wirklich bedeutet, dass ich mir nur einbilde, in ihn verliebt zu sein. Aber weißt du was?«, fragte ich, wobei ich den spitzen Unterton meiner Stimme nicht unterdrücken konnte. »Rede dir das ruhig ein, damit du dich besser fühlst, aber ich weiß, was ich tief in meinem Herzen fühle und ich werde mit Logan zusammen sein, ob es dir passt oder nicht. Selbst wenn das heißt, dass wir bis zu meinem Abschluss warten müssen. Er ist es mir wert!«

Mit diesen Worten machte ich auf dem Absatz kehrt und wandte mich zum Gehen. Es hatte keinen Sinn weiterhin mit meinem Dad darüber zu diskutieren, wenn er keinerlei Verständnis für mich übrig hatte. Doch Dads Stimme in meinem Rücken hielt mich augenblicklich davon ab.

»Drea, ich habe dir versprochen, es nicht der Schulleitung zu melden und ich halte mein Versprechen. Aber sollte ich herausfinden, dass ihr in irgendeiner Weise weiterhin in Kontakt steht, dann werde ich meine Entscheidung überdenken. Das ist mein voller Ernst.«

»Du drohst mir also?«, ich drehte mich zu ihm und starrte ihn wutentbrannt an. Wie konnte mein eigener Dad mir so etwas antun?

»Wenn es sein muss, Drea«, der Blick aus seinen braunen Augen war eiskalt, gefühllos. In diesem Moment war er mir so unglaublich fremd und unwillkürlich begann ich mich zu fragen, ab welchem Punkt unser Gespräch wohl diese feindselige Richtung eingenommen hatte.

»Du kannst jetzt vielleicht noch nicht erkennen, dass ich nur das Beste für dich möchte. Aber du wirst es noch, Drea.«

Ein abfälliger Laut kam über meine Lippen, während ich Dad wieder den Rücken zukehrte und bereits nach dem Türknauf griff. Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, was ich als nächstes sagte, hatten die Worte bereits meine Lippen verlassen.

»Mom hätte niemals so mit mir gesprochen«, mit diesen Worten wandte ich mich eilig zum Gehen. Tränen brannten in meinen Augen und mein Puls raste. Ich riss die Tür des Arbeitszimmers auf und verließ fluchtartig den Raum, um seinen verletzten Gesichtsausdruck nicht ertragen zu müssen - denn ich wusste genau, dass meine letzten Worte ihn zutiefst trafen.

Er hielt mich nicht zurück, was mich nur noch mehr darin bestätigte, wie sehr ich mit meiner Aussage ins Schwarze getroffen hatte - und fast bereute ich es sogar.

Natürlich verstand ich Dads Beweggründe und es tat mir furchtbar leid, dass unser Gespräch in solch eine falsche Bahn geraten war. Ich konnte nachvollziehen, dass er sich große Sorgen um mich und meine Zukunft machte. Aber was ich nicht verstehen konnte, war die Tatsache, dass er mich nicht einmal angehört hatte, dass er nicht einmal versucht hatte, mich und meine Gefühle zu verstehen. Und das war es, was mich verletzte.

Dies war wieder einmal einer dieser Momente, in welchen ich meine Mom schmerzlichst vermisste. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie noch hier wäre. Sie hätte genau gewusst, was zu tun war. Vor allem aber hätte sie mir zugehört und versucht, einen Weg zu finden. Sie war noch nie die Art Mensch gewesen, die andere vorschnell verurteilten. Sie war der genaue Gegenpol zu meinem Dad gewesen.

Langsam aber sicher bahnten die Tränen sich nun einen Weg über meine Wangen und erschöpft ließ ich mich gegen die Wand neben Dads Arbeitszimmer sinken. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Leben wieder völlig aus den Fugen geraten. Gerade als ich geglaubt hatte, dass es endlich besser werden würde, stellte sich mir das Schicksal erneut auf üble Weise in den Weg, als wäre mir das Glück nicht vergönnt.

Meine Gedanken überschlugen sich, während ich aufgewühlt darüber nachdachte, wie es nun weitergehen sollte. Allerdings wusste ich auch ohne große Überlegungen, was als nächstes zu tun war. Denn egal, was mein Dad soeben gesagt oder womit er mir gedroht hatte, ich musste ganz dringend mit Logan reden...

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