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1. Schwieriger Anfang

Ernst Walz ist beunruhigt. Sein Kind hätte gestern, am Sonntag, 31. August 1924, zur Welt kommen sollen und seine Freude, dass es ein Sonntagskind sei, war groß. Die Anrufe in die Frauenklinik sind unbeantwortet geblieben, und als er endlich, endlich die ihm bekannte Oberschwester Olga erwischt, sagt sie, es habe bei der Geburt leider Turbulenzen gegeben. Die Kleine sei am Montagabend um 19.20 geboren, Mutter und Kind gehe es den Umständen entsprechend gut.

Die Freude, dass es ein von ihm so sehr gewünschtes Mädchen ist, wird gedämpft von der Sorge, was denn geschehen ist. Turbulenzen? Und der Zusatz, er solle den ersten Besuch auf Mittwoch verlegen, verstärkt seine Angst! Der Laden bleibt geschlossen, ein Schild hängt dran: „Wegen Familienangelegenheiten zu".

Der Gang zum Standesamt, um Lotte anzumelden, wird ihn ablenken. Elisabeth und er hatten diesen Namen gewählt, weil mit ihm keine Veränderungen möglich sind, höchstens Lottele, oder Lottchen.

Der schwarze Zylinder passt zu der feierlichen Handlung. Würdig schreitet er dahin und als ihm auf dem Holzmarkt sein Schulfreund Gustav begegnet, ruft der: „Guta Morga, Ernstle, wo gosch au du na mit deim Zylinder?" und auf dessen Antwort, er wolle seine Tochter Lotte anmelden, kommt die Entgegnung: „Zu ama Mädle brauchts koin Zylinder, a Kapp tuats au!" Beide lachen, Ernst nimmt es Gustav nicht übel.


Elisabeth Kiedaisch und Ernst Walz, Verlobungsbild 1916

Dann trinkt er in der Konditorei bei seinem Bruder Rudolf einen Kaffee und isst dazu ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte, verschweigt jedoch die schlechten Nachrichten aus der Klinik. Gratulationen von allen Seiten, von Kunden im Laden, nur seine Mutter Emma fragt leise: „Ernst, ist wirklich alles in Ordnung?" und er beruhigt sie, aber so recht scheint sie es nicht zu glauben. Mütter ahnen vieles.

Die Anzeige bei der Tübinger Chronik wird aufgegeben: „Die Geburt ihrer Tochter Lotte beehren sich anzuzeigen Elisabeth und Ernst Walz usw."

Dann fällt ihm ein, er könnte nach Bebenhausen wandern, durch den Schönbuch. Den Schönbuchträppler nannte man ihn als jungen Burschen, denn diese hohen Bäume hörten geduldig zu, wenn er ihnen von frühen Lieben, Schulsorgen, Differenzen mit dem Bruder Rudolf und dem Vater berichtete. Ihr Rauschen gab ihm tröstliche Antwort …

Wie so oft läuft er über die Alb, statt daheim zu helfen. Seine Mutter nimmt ihn in Schutz, wenn der Vater verärgert ist. Wie gerne würde sie mit ihm wandern, aber Tag für Tag nur das Geschäft! Sie kommt aus Reutlingen, und die Achalm ist ihr Berg, auf den Sorgen und Nöte getragen wurden. Schon als Kind verschwindet sie dort hinauf, aber die Eltern wissen, wo ihre Tochter zu finden ist.

Und später: alles wird in der Höhe, im frischen Albwind leicht, der Blick geht beinahe ins Unendliche, die Wolken ziehen dahin und nehmen alle Kümmernisse mit fort. Das Bild der Achalm eines bekannten Stuttgarter Malers ist ein Geschenk ihrer Eltern zum 17. Geburtstag. Wenn sie im Geschäft später große Sehnsucht nach dem Berg hat, geht sie hinauf ins Wohnzimmer, setzt sich eine Weile vor das Bild und danach ist der Dienst in der Konditorei nicht mehr so schwer.

Nun wandert Ernst langsam durch die Wilhelmstraße, vorbei am Gutleuthaus und auf der rechten Seite der Straße den Waldweg entlang, bleibt oft stehen und genießt alles, den Tannenduft, den kräftigen Wind, welcher die Wärme des Tages erträglich macht.

Wie ist das Kloster Bebenhausen wundervoll! Schon das Eingangstor, in dem die Schreiber saßen. Er kennt jedes Wegstück und sieht es doch ganz neu, weil einige Jahre vorüber sind, seit er zum letzten Mal hier war.

Was ist das Leben, wiederholt sich alles oder sind Geschehnisse neu, zwar gleicher Art, aber verschieden zusammengesetzt? Wie rätselhaft und verborgen ist alles!

Ernst hat im Sinn, in Bebenhausen zu übernachten, aber es bietet sich keine Gelegenheit. Sehr spät wandert er heim in die Mühlstraße und schläft unruhig.

Am nächsten Tag fährt er nach Reutlingen, macht Verwandtenbesuche, sitzt lange in der Marienkirche, bittet den Himmel, es möge mit Mutter und Kind gut enden.

Die letzte Nacht vor Mittwoch verbringt er ruhig, kauft bei Frau Reibold gegenüber 25 rote Rosen und bekommt von ihr einen Strauß weiße Rosen geschenkt, weil sie sich so mit ihm freut. Dann der Weg in die Klinik, rasch, rasch, um endlich zu erfahren, welche Turbulenzen stattfanden!

Schwester Olga sagt, der Professor sei am Sonntag zu einer Konferenz nach Heidelberg gefahren, obwohl er versprochen habe, bei seiner langjährigen Patientin Elisabeth Walz während der Geburt anwesend zu sein. Olga sagt, ihr sei das völlig unverständlich. Vielleicht kommt der Professor doch noch, deshalb bekommt Elisabeth wehenhemmende Mittel. Aber am Montag hilft gar nichts mehr! Das Kind muss mit der Zange geholt werden, wie immer ein gewagtes Unternehmen, gefährlich für Kind und Mutter. Ziemlich verletzt gehen beide daraus hervor. Elisabeth musste operiert werden, aber nun geht es beiden ganz gut. Die Mutter hat viel Milch und kann auch noch ein anderes Kind damit versorgen, dessen Mutter verstorben ist.


Elisabeth Walz mit Tochter Lotte

Bald stellt sich heraus, dass Lotte ein sehr fröhliches Kind ist. Sie liegt im Bettchen, formt seltsame Laute und lacht glucksend über alles, seine eigenen Fingerchen, den winzigen Bären, der von oben herabhängt, und über alle, die mit ihr reden, am meisten über Uffbaff (Gustav) und über das Ladenfräulein Agnes (Lotte nennt sie Aisle) und hört besonders gerne Musik. Wie glücklich sind die Eltern, dass noch alles zu einem guten Ende gekommen ist.


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