Читать книгу Ich werde dich nie verlassen. Gott - Louie Giglio - Страница 6
ОглавлениеKapitel 1
„Guck mal, Papa!“
Erinnern Sie sich noch an die gemütlichen Sommernachmittage Ihrer Kindheit? Wenn Sie gemeinsam im Schwimmbad waren? Und wissen Sie noch, wie sich die Atmosphäre von einem Augenblick auf den anderen veränderte, wenn Ihr Papa auftauchte?
Mama war die Superheldin, die Sie und Ihre Geschwister von einem Termin zum nächsten kutschiert hat. Sie war immer da, wie ein Fluglotse, der dafür sorgte, dass alle wichtigen Verabredungen Ihres Lebens sich an den Zeitplan hielten. Dank ihr haben Sie keinen Zahnarzttermin und keinen Kindergeburtstag versäumt.
Deshalb war Mama natürlich auch im Schwimmbad mit von der Partie. Wer hätte denn sonst die Schwimmflügel, die Kühltasche, die Handtücher und die Verpflegung tragen sollen? (Mütter, wir lieben euch!) Ihre Mutter war die oft untergeschätzte Kraft in Ihrer kleinen Welt, die dafür sorgte, dass alles im Lot blieb – so wie die Schwerkraft oder Newtons physikalische Gesetze.
Aber dann tauchte Papa auf der Bildfläche auf, und schon ging es rund.
Das erinnert mich an meine eigene Kindheit und an unsere jährlichen Familienurlaube in Florida. Wir wohnten jedes Jahr in der gleichen Unterkunft, einem ziemlich einfachen Motel aus den 1960ern, das direkt am Strand lag. Es bestand aus zwei zweistöckigen Gebäuden mit winzigen Apartments, die einander gegenüberlagen und eine Rasenfläche umrahmten. Der Swimmingpool befand sich zwischen den beiden Gebäuden in der Nähe des Parkplatzes.
Wir Kinder (wir fuhren oft gemeinsam mit zwei oder drei anderen Familien in den Urlaub) verbrachten die Vormittage meistens am Pool und warteten darauf, dass unsere Väter vom Hochseeangeln oder Golfspielen zurückkamen. Wenn unsere Väter auftauchten, von der sengenden Hitze sicher erschöpft, ertönte das übliche „Papa ist da! Jaaaa!“ vom Pool.
Unsere Freude verwandelte sich in „Papa, Papa, komm ins Wasser!“-Schreie, gefolgt von einem Ausruf, den man überall auf der Welt von Kindern hört:
„Guck mal, Papa!“
Können Sie sich auch an solche Augenblicke erinnern? Wenn Ihr Vater auf der Bildfläche erschien, konnten Sie es kaum erwarten, ihm zu zeigen, was Sie konnten oder gelernt hatten – der beste Köpper oder der beste Platscher oder dass Sie ganz weite Strecken tauchen konnten, ohne Luft zu holen. Also haben Sie noch mal gerufen, diesmal lauter: „Guck mal, Papa! Papa, Papa! Guck mal, was ich kann! Guck mal, ich kann auf dem Rücken schwimmen! Guck mal, wie ich reinspringe! Guck mal, Papa! Jetzt springe ich mit Anlauf rein! Guck mal! Hast du’s gesehen, Papa? Paaaapaaaa!“
Was geschah in diesem Augenblick wirklich?
Vielleicht haben Sie sich verzweifelt gewünscht, dass Ihr Vater zu Ihnen herüberschaute. Sie wollten, dass er Ihre neuen Fähigkeiten zur Kenntnis nahm und Sie dafür lobte. Sie wollten, dass er Ihnen sagte, wie viel Sie ihm bedeuten. Sie wollten, dass er sich über Sie freute. Sie wollten, dass er Sie anfeuerte.
Vielleicht wollten Sie aber auch einfach nur, dass Ihr Vater Sie wahrnahm.
Sie wollten, dass er herüberschaute und sagte: „Ich sehe dich.“
Sie wollten, dass er da war.
Für Sie.
Können Sie noch spüren, was Sie in diesem Augenblick empfunden haben? Vielleicht hat sich die Szene bei Ihnen ja auf dem Trampolin im Garten abgespielt oder bei Fußballspielen, wenn Sie in der Halbzeitpause bemerkten, dass Ihr Vater kam. Oder vielleicht riefen Sie: „Papa ist da!“ bei Ihrer Klavieraufführung, nachdem Sie vor Ihrem Auftritt immer wieder hinterm Vorhang hervorgeschaut hatten, bis Sie endlich Ihren Vater am Eingang entdeckten.
Übrigens wollten Sie vermutlich bei keiner dieser Gelegenheiten damit sagen, dass die Meinung Ihrer Mutter oder ihre Zustimmung und Annahme nicht wichtig waren. Ich möchte von vornherein klarstellen, dass ich in diesem Buch die unglaublich wichtige und unersetzliche Rolle, die Mütter in unserem Leben spielen, nicht kleinreden will. Ihr segensreicher Einfluss ist entscheidend, und ohne ihn können wir uns nicht voll entwickeln. Aber die Haltung Ihres Vaters zu Ihnen war etwas anderes – und etwas Besonderes.
Das Urverlangen
Dieses Buch ist für alle diejenigen gedacht, die einen Vater haben. Und für alle, die wissen, wie es sich anfühlt, sich nach dem Segen des Vaters zu sehnen – nach seiner Anerkennung, Zuneigung und Aufmerksamkeit. Ich habe es für alle geschrieben, die sich danach sehnen, dass ihr Vater zu ihnen sagt: „Ich liebe dich, und ich bin so stolz auf dich.“
Vielleicht haben Sie diesen Segen erfahren. Aber vielleicht auch nicht. Oder vielleicht war der Segen eine Weile da, und dann ist er allmählich abgeebbt. Oder vielleicht haben Sie die väterliche Anerkennung nie ganz so erlebt, wie Sie es sich gewünscht haben. Sie hatten immer das Gefühl, sie hinge von Ihrer Leistung ab und wäre nicht bedingungslos.
Diesen wunden Punkt will ich in meinem Buch ansprechen. Diese Sehnsucht nach der Zuneigung und Anerkennung des Vaters ist von Geburt an in jeden Menschen hineingelegt – aber viele von uns haben nicht immer bekommen, was wir uns so sehnlich gewünscht haben von dem Mann, der uns in die Welt gesetzt hat.
Wenn wir heranwachsen, ist dieses Verlangen zweifellos da. Als Kinder sehnen wir uns so sehr nach der Aufmerksamkeit und Anerkennung unseres Vaters und wünschen uns so sehr, ihn sagen zu hören:
„Das war unglaublich, Schatz!“
„Wow! Top! (Das hat mein Vater immer gesagt.) Das war das beste Spiel aller Zeiten.“
„Ich hab’s gesehen, Prinzessin! Mach’s noch mal!“
„Du hast große Fortschritte gemacht, mein Sohn. Du bist schon viel besser!“
Aber dieses Verlangen ist selbst dann noch da, wenn wir älter sind, auch wenn es anders und wesentlich komplexer zutage tritt. Jeder von uns sehnt sich nach der Anerkennung eines Vaters – ganz gleich, wie alt wir sind. Eine vor einigen Jahren in Psychology Today veröffentlichte Studie betont, dass wir uns selbst dann noch nach der Zustimmung eines Vaters sehnen, wenn wir schon erwachsen und erfolgreich sind. Dr. Peggy Drexler schreibt:
„Ich war mir bewusst, dass ich im Rahmen meiner Forschungsarbeit über etwa 75 sehr erfolgreiche und sehr unabhängige Frauen auf eine starke Bindung zum ersten Mann in ihrem Leben stoßen würde. Was mich aber überraschte, war, wie tief (und überraschend traditionell) diese Bindung ist, wie stark sie während ihres gesamten Lebens bleibt und wie belastbar sie sein kann – selbst wenn ein Vater ihr großen Schaden zugefügt hat. Ganz gleich, wie groß der berufliche Erfolg dieser Frauen war, wie glücklich ihre Ehe oder wie erfüllt ihr Leben war: Sie berichteten mir, dass sie ihr Glück gewissermaßen durch die Brille der Reaktionen ihres Vaters betrachteten. Viele erzählten mir, dass sie versuchten, diese Brille abzusetzen, und das – sehr zu ihrer eigenen Überraschung – vergeblich. Wir wissen, dass Väter bei der Entwicklung und den Entscheidungen ihrer Töchter eine wichtige Rolle spielen. Aber ich fand diesen Hunger nach Anerkennung selbst bei Frauen, deren Väter sie vernachlässigt oder missbraucht hatten. Sie sehnten sich nach einer liebevollen Beziehung zu Männern, die keinerlei Beziehung verdient hatten!“1
Ist Ihnen der Schlüsselbegriff ins Auge gesprungen: „Hunger nach Anerkennung“? Das gilt für Söhne genauso wie für Töchter. Dr. Frank Pittman, Autor von Warum Söhne ihre Väter brauchen, schreibt: „Für die meisten Jungen und für viele erwachsene Männer ist das Leben eine einzige frustrierende Suche nach dem verlorenen Vater, der ihnen weder Schutz noch Versorgung, weder Fürsorge noch Vorbild geboten hat, geschweige denn Salbung.“2 „Salbung“ meint hier, erwählt, gesegnet … anerkannt zu sein. Wir sehnen uns alle nach der Anerkennung unseres Vaters. Aber wir bekommen sie nicht immer.
Und wenn wir diese Anerkennung nicht erhalten, beschleicht uns vielleicht das Gefühl, man habe uns aufgegeben, verlassen oder abgelehnt. Oder wir haben den Eindruck, isoliert zu sein, ignoriert, sitzen gelassen oder verurteilt zu werden. Es gibt ein Verlangen, das wir selbst nicht stillen können, ein Loch, das wir nicht stopfen können, ganz gleich, wie sehr wir uns auch darum bemühen. Diese Leere, diese mangelnde Präsenz des Vaters und seiner Anerkennung sind wie ein allgegenwärtiger Schatten auf unserem Leben, wie ein fehlendes Teil, von dem wir nicht einmal wissen, dass es uns fehlt, geschweige denn, wie wir es finden sollen. Um es mit den Worten von Dr. Drexler zu sagen: Wir betrachten unser Glück oder das Maß unserer Zufriedenheit oder unseren inneren Frieden immer noch durch „die Brille der Reaktionen unseres Vaters“.
Und wenn wir diese Anerkennung nicht erhalten, dann fühlen wir uns – um es in einem Wort zusammenzufassen:
verlassen.
Der Gott des Himmels wird Sie nicht hängen lassen.
Das Wort „verlassen“ bedeutet, von jemandem zurückgelassen oder in einer schwierigen Situation hängen gelassen worden zu sein, wenn man diese Person unbedingt gebraucht hätte. Aber Sie sollten wissen, dass der Gott des Himmels Sie nicht hängen lassen wird. Er wird Ihnen nicht den Rücken kehren oder Sie verletzen.
Vielleicht würden Sie eher den Begriff „wütend“ verwenden oder „im Stich gelassen“ oder „missverstanden“, um das Gefühl zu beschreiben. Aber unterschwellig werden Sie den Eindruck nicht los, dass Ihrem Vater irgendetwas anderes wichtiger war als Ihr Wohlergehen.
Ich bin mir bewusst, dass allein die bloße Erwähnung dieses Bedürfnisses nach der väterlichen Anerkennung für Sie schwierig sein oder einen Nerv treffen könnte. Oder sie legt den Finger in eine Wunde, rührt an etwas, von dem Sie dachten, dass Sie es tief in sich vergraben haben, damit Sie ja nie wieder daran denken. Obwohl Sie erst ein paar Seiten dieses Buches gelesen haben, merken Sie vielleicht, dass die Probleme mit Ihrem Vater realer sind, als Sie es sich eingestehen wollen. Vielleicht haben Sie auch schon Mauern um Ihr Herz errichtet.
Andererseits hatten manche von uns auch tolle Väter, und wir wissen, wie es ist, im Bewusstsein des väterlichen Segens und im Licht seiner Liebe zu leben. Wenn das auf Sie zutrifft, dann dürfen Sie sich darüber freuen und dafür dankbar sein. Aber legen Sie dieses Buch nicht zur Seite, weil Sie denken, es sei nichts für Sie. Ich kann Ihnen versprechen, dass Sie auf diesen Seiten eine großartige Belohnung erwartet: Sie werden entdecken, was es bedeutet, der Sohn oder die Tochter des Königs zu sein.
Am wahrscheinlichsten ist es, dass viele den Segen ihres irdischen Vaters nie erfahren haben – zumindest nicht den vollen Segen. Noch schlimmer ist, dass manche sich mit der Tatsache konfrontiert sehen, nie mehr von ihrem Vater ein „Ich liebe dich und ich bin stolz auf dich“ zu hören, weil er gestorben oder (innerlich) weit entfernt ist oder sich einfach nicht für sie interessiert. Der Segen, nach dem Sie sich sehnen, ist unter Bedauern, Schmerz oder dem Gefühl des Verlassenseins begraben. Das ist die Realität, mit der Sie leben, und Sie können wenig oder gar nichts daran ändern. Sie haben das Gefühl, dass es zu spät ist.
Jeder von uns hat andere Erfahrungen mit dem eigenen Vater gemacht. Aber was uns verbindet, ist dieses Bedürfnis tief in unserer Seele – das Bedürfnis, von unserem Vater geliebt, geschätzt, wahrgenommen und angenommen zu werden. Ganz gleich, wie sehr wir versuchen, dieses seelische Verlangen nach dem Segen unseres Vaters abzutun, wir brauchen ihn doch. Tief in unserem Inneren brauchen wir ihn doch alle. Wir alle sind ohne ihn unvollständig. Wir haben die Sommertage im Schwimmbad hinter uns gelassen, aber an unserem Bedürfnis nach der Anerkennung unseres Vaters hat sich nichts geändert.
Mir ist klar, dass dieses Buch bei den unterschiedlichsten Menschen landen wird. Wenn Sie 23 sind und gerade acht schlimme Jahre hinter sich haben, weil Ihr Vater die Familie verlassen hat, dann verstehen Sie vielleicht besser, wovon ich rede, als andere. Aber wenn Sie 49 sind, in einem noblen Stadtteil von Hamburg leben, eine steile Karriere hingelegt haben und dieses Buch gerade in Ihrem Ferienhaus auf Sylt lesen, sehnen Sie sich vielleicht genauso nach der Anerkennung Ihres Vaters.
Wir sind alle von Natur aus so gestrickt, dass wir unter dem reichen Segen unseres Vaters gedeihen. Wenn etwas schiefgeht und dieser Segensstrom ausbleibt, ist der Schmerz ganz real, und wir können die daraus folgenden Konsequenzen nicht ignorieren – selbst wenn wir noch so sehr versuchen, sie beiseitezuschieben.
Mir wurde das mit 18 Jahren klar, als ich wie aus dem Nichts mit einer der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens konfrontiert wurde. Wie viele andere Studienanfänger auch hatte ich noch keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich wollte bloß so lange wie möglich auf der „Tennis-Welle“ reiten. Tennis war seit der Oberstufe meine größte Leidenschaft, und ich dachte, ich könnte mein Glück an der Georgia-State-Universität versuchen und das Beste hoffen. Aber der Zug war in dem Augenblick abgefahren, als ich mich gleich zu Beginn der Testspiele im Herbst verletzte. Mir wurde schnell klar, dass mein Ziel sowohl unrealistisch war (ich war einfach nicht gut genug) als auch wegen meines Muskelrisses unerreichbar. Ich hätte versuchen können, mich durchzubeißen, aber ich wäre so weit hinter den anderen zurück gewesen, dass ich nie aufgeholt hätte.
Aber Gott hatte ohnehin andere Absichten für mich.
Er hatte mich nicht dazu begabt, eine einhändige Rückhand punktgenau auf die Linie zu schmettern. Nein, meine Begabung lag mehr im Bereich Kommunikation. Vor Menschen zu sprechen, um genau zu sein. Es war mir damals zwar noch nicht wirklich bewusst, aber ich fühlte mich wohl, wenn ich vor Menschen sprechen sollte (manche Forscher sagen, dass dies die Sache ist, vor der sich die Menschen am häufigsten fürchten), und war überdurchschnittlich begabt darin. Das eröffnete mir immer wieder verschiedene Gelegenheiten, sei es vor der Studentenschaft zu sprechen oder eine kurze Ansprache zu halten, wenn ich mit der Jugendgruppe der Gemeinde auf einem Missionseinsatz war. Und das ermöglichte es mir, einen Weg einzuschlagen, der mir zum Zeitpunkt meiner Verletzung noch nicht in den Sinn gekommen wäre.
Wann immer sich eine Gelegenheit ergab, bei der jemand spontan etwas sagen sollte, schauten alle unweigerlich in meine Richtung. Zwar waren diese frühen Versuche, Menschen durch das gesprochene Wort positiv zu beeinflussen und zu ermutigen, noch etwas holprig, aber die Leute sagten, ich mache das gut, und so ergaben sich immer mehr Möglichkeiten.
Kurz nachdem mein Traum von einer Tenniskarriere geplatzt war und ich diese fixe Idee abgelegt hatte, machte Gott mir eine verblüffende Ansage: Er berief mich zum Predigen. Ich muss gestehen, dass ich das bis zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Schirm gehabt hatte, aber es ergab Sinn. Alle meine Erfahrungen und Leidenschaften und auch meine sich entwickelnden Fähigkeiten deckten sich mit seiner Berufung. Es war, als würde ich schlagartig entdecken, welche einzigartige Begabung Gott mir gegeben hatte, und ich erkannte, welchen Lebensweg mir das eröffnen würde.
Jeder ist einzigartig gestrickt
Gott hat jedem von uns eine einzigartige Mischung aus Fähigkeiten, Neigungen und Wünschen mitgegeben. Und irgendwo in dieser Kombination verbirgt sich unsere gottgegebene Begabung – unser Lebensweg auf dieser Erde. Wir sind vor allem deshalb auf diesem Planeten, damit wir unseren Schöpfer kennen und lieben und uns für immer an ihm erfreuen. Nichts ist wichtiger als das. Nichts übertrifft diese zentrale Bestimmung. Aber im Rahmen unserer Beziehung zu Gott hat dieser uns so erschaffen, dass jeder seinen einzigartigen Beitrag zum großen Ganzen leisten kann. Dazu hat er dem Leben jedes Einzelnen eine besondere Bedeutung und Richtung gegeben.
Es entspricht nicht seinen Absichten für Sie, dass Sie nur herumvegetieren. Sein Plan geht weit über stumpfsinnige Schinderei hinaus oder über einen Job, den Sie nicht ausstehen können und in dem Sie nicht gut sind. Er hat Ihnen eine Gabe und einen Traum ins Herz gelegt, damit Sie Ihre Zeit in sinnvolle Dinge investieren können, durch die Sie und die Menschen, mit denen Sie in Berührung kommen, sich wirklich lebendig fühlen.
Als ich damals an der Georgia-State-Universität meine Berufung entdeckte, fing ich an zu verstehen, dass es meine Bestimmung war, den Menschen die Geschichte von Jesus zu erzählen. Diese Erkenntnis wurde von Beklemmung einerseits und freudiger Erregung andererseits begleitet. Aber ich brannte vor Verlangen, Ja zu Gott zu sagen, und dieses Verlangen war stärker als meine Angst. Mein Pastor legte mir nahe, zwei Wochen darüber nachzudenken, mit Gott zu sprechen und in der Bibel nach Antworten zu suchen. Er empfahl mir außerdem, das Buch So send I You von Oswald Chambers zu lesen. Das Buch stieß mich auf eine Bibelstelle, die sowohl das bestätigte, was Gott zu mir gesagt hatte, als auch, was ich zu Gott gesagt hatte.
Nach diesen zwei Wochen hatte ich meine Antwort und war bereit, meiner Gemeinde zu erklären, dass ich das tun wollte, wozu Gott mich berufen hatte: nämlich zu predigen.
Ich war ganz heiß darauf, es ihnen zu sagen. Doch da gab es einen Haken – ich musste es auch meinem Vater mitteilen.
Mein Vater war ein toller Mensch. Aber wenn es um das ging, was mir am wichtigsten war – meine Beziehung zu Jesus –, hatten wir nicht viel gemeinsam. Unsere Familie war schon immer bikonfessionell gewesen. Mein Vater war ein nicht praktizierender Katholik, der hin und wieder in unsere Baptistengemeinde ging. Aber mit dieser „Jesus-Sache“ konnte er nicht wirklich etwas anfangen. Im Gegensatz dazu war meine Mutter eine echte Heilige, die oft und intensiv betete. Sie hatte sich Jesus und der Gemeinde ganz hingegeben. Meine Mutter würde also von meiner Entscheidung begeistert sein. Da gab es keine Probleme. Aber mein Vater würde nicht wissen, wie er damit umgehen sollte, und ich hatte keine Ahnung, wie ich es ihm sagen sollte. Also schob ich das Gespräch so lange wie möglich vor mir her.
Die Tage vergingen, und schon stand der Sonntag vor der Tür, an dem ich im Abendgottesdienst meine Berufung bekannt geben wollte. Ich wusste, mir blieb nicht mehr viel Zeit. Schließlich konnte ich es nicht der gesamten Gemeinde verkünden, ohne es vorher meinem Vater gesagt zu haben. Aber wie sollte ich ihm diese Neuigkeiten mitteilen? Am Spätnachmittag betrat ich die Küche unserer bescheidenen Wohnung, als mein Vater sich gerade Reste aufwärmte. Ich schluckte, öffnete den Mund und hörte, wie die Worte aus mir heraussprudelten.
„Papa, ich habe ein paar wichtige Neuigkeiten. Ich glaube, Gott hat mich zum Prediger berufen. Ich werde es der Gemeinde heute Abend im Gottesdienst sagen, und es wäre toll, wenn du dabei wärst.“
Peinliche Stille.
Mein Vater war sprachlos. Er war schockiert. Ich hatte ihn kalt erwischt. Ich gebe zu, dass ich ihn ganz schön in Verlegenheit brachte, weil ich ihm meine Entscheidung so ganz beiläufig mitteilte. Schließlich brachte er ein „Toll, Sportsfreund“ heraus.
Aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
Ich spürte, wie es in seinem Kopf ratterte – „Mein Sohn wird ein Prediger bei den Baptisten“. Die Söhne seiner Golf- und Pokerkumpels waren allesamt entweder Footballspieler am College oder wollten Rechtsanwalt oder Steuerberater oder irgendetwas ähnlich Respektables werden. Der Sohn eines seiner Kumpel würde sogar das Familienunternehmen übernehmen. Wenn am Freitagabend dieser Woche die Karten gemischt wurden, würde zwangsläufig irgendwann die Frage aufkommen: „Lou, was macht dein Sohn doch gleich noch mal?“
„Äh, er hat vor, Prediger zu werden.“
Das war das Letzte, was mein Vater in den Zigarettenqualm hinein sagen wollte, der den Pokertisch umwaberte. Gott hatte eine spannende Berufung für mich, aber soweit ich sagen konnte, war mein Vater enttäuscht. Von diesem ersten Augenblick an, an jenem Sonntag in der Küche, wusste ich, dass wir die Reise, auf die ich mich für den Rest meines Lebens begab, vielleicht nie wirklich miteinander unternehmen würden. Während der nächsten Tage wuchs die Spannung in mir. Einerseits war ich total begeistert, weil ich wusste, was ich mit meinem Leben anfangen würde. Andererseits wünschte ich mir auch sehr die Zustimmung meines Vaters. Ich wollte seinen Segen.
Leider kam mein Vater an jenem Abend nicht zum Gottesdienst. Was zunächst nur eine unangenehme Kluft zwischen meinem Leben mit Jesus und seinem gewesen war, hatte jetzt einen tiefen Riss in meinem Herzen hinterlassen. Ich wusste, dass mein Vater es nicht böse gemeint hatte, als er nicht zum Gottesdienst kam, aber es tat trotzdem weh. Schließlich wollte ich einfach nur eines von ihm: sein Einverständnis.
Wollen wir das nicht alle? Wollen wir nicht alle, dass unser Vater uns wirklich sieht? Wollen wir nicht alle seine Bestätigung? Seine Wertschätzung? Wollen wir nicht alle, dass er uns anfeuert und uns sagt, dass er uns liebt?
Ich bin mir bewusst, dass diese Geschichte über die zögerliche Begeisterung meines Vaters in einigen von Ihnen etwas zum Klingen bringt, während sie bei manchen völlig andere Gefühle auslöst. Sie denken vielleicht: Hast du Glück, Louie. Mein Vater war ja nicht einmal da, um mit mir über lebenswichtige Entscheidungen zu sprechen. Und wenn er da gewesen wäre, hätte er mir vielleicht eher vor Wut eine gescheuert und Gott verflucht.
Als Sie Ihrem Vater Ihre Lebensträume anvertraut haben, haben Sie vielleicht nur zu hören bekommen: „Na, dann viel Glück. Ich bezweifle, dass du es je zu etwas bringen wirst.“
Vielleicht hat sich Ihr Vater über Ihre Ziele lustig gemacht. Oder er hat versucht, Ihnen seinen Plan für Ihr Leben aufzuzwingen.
Wir alle haben mit unseren Vätern unterschiedliche Erfahrungen gemacht, aber wir alle teilen das tiefe Verlangen nach der Zustimmung und Annahme unseres Vaters.
Manche von Ihnen leben im Genuss dieses Segens, und Sie denken: Ich liebe meinen Vater! Als Sie ihm von Ihren Träumen erzählt haben, hat er nur gegrinst, zustimmend genickt und Ihnen versichert, dass er Sie so gut wie möglich unterstützen würde. Ein solcher Vater ist ein Geschenk, und wenn Sie so einen Vater haben, danken Sie ihm hoffentlich heute noch mal dafür! Aber andere werden beim Lesen dieser Zeilen ganz still, und Sie denken darüber nach, das Buch zur Seite zu legen. Sie wollen lieber nicht hinter all die Mauern blicken, die Sie wegen Ihrer schlechten Beziehung zu Ihrem Vater in Ihrem Herzen errichtet haben. Es ist zu schmerzhaft, und die Verletzungen sind noch zu frisch und real.
Aber ich möchte Sie ermutigen, nicht aufzugeben. Lesen Sie weiter. Warum? Weil Gott Ihnen etwas verspricht, das Ihr Leben für immer verändern könnte.
Die Antwort des Vaters
Er verspricht Ihnen, dass Sie – ganz gleich, wie es um das Verhältnis zu Ihrem biologischen Vater bestellt ist – einen vollkommenen Vater im Himmel haben, der Sie liebt und Sie mit seinem Segen überschütten will.
Der Psalmist drückt das so aus: „Selbst wenn Vater und Mutter mich verstoßen, nimmst du, Herr, mich dennoch auf“ (Psalm 27,10; Hfa).
Selbst wenn uns der Segen unseres leiblichen Vaters entgeht, begleitet uns die Liebe unseres himmlischen Vaters dennoch. Auch wenn unser biologischer Vater tot oder weit entfernt ist, kann Gott, unser Vater, uns dennoch in die Arme nehmen. Nur weil unsere Beziehung zu unserem irdischen Vater zerbrochen ist, heißt das nicht, dass wir nicht eine wunderbare Heilung unserer Beziehung zu Gott erleben können. Und wenn unser Vater uns Verletzungen zugefügt hat, kann Gott uns wiederherstellen, und wir können geheilt werden und heil sein.
Das klingt für Sie vielleicht ein bisschen weit hergeholt, nach etwas, das völlig unrealistisch und unmöglich ist. Oder Sie denken wie viele andere: Wenn Gott auch nur im Entferntesten so ist wie mein Vater, will ich nichts mit ihm zu tun haben.
Jeder von uns hat seine ganz eigene Geschichte mit seinem Vater. Meine ist zum größten Teil positiv, und auch wenn mein Vater nicht fehlerlos war, so hat er meine Schwester und mich doch geliebt und sein Bestes gegeben. Ihre Erfahrung mit Ihrem Vater ist vielleicht schrecklich und tragisch und so schmerzhaft, dass Sie nicht einmal darüber sprechen können. Aber ich hoffe, dass Sie durch das Buch folgende Chance entdecken: Ganz gleich, was zwischen Ihnen und Ihrem Vater vorgefallen ist – Gott lässt Sie nicht allein.
Vielleicht können Sie aus dem Stand all die Situationen aufzählen, bei denen Ihr Vater Sie im Stich gelassen hat. Sie wurden verlassen. Die Erinnerung daran ist noch lebendig und real. Sie wurden fertiggemacht. Sie wurden angelogen. Sie wurden verletzt. Sie wurden abgelehnt. Sie wurden herabgewürdigt. Sie wurden ignoriert. Sie mussten einem Maßstab genügen, den niemand erfüllen kann.
Aber selbst wenn Sie von dem, dessen Segen wir am nötigsten brauchen, verlassen wurden – und das ist einer der schwersten Schläge, die man uns zufügen kann –, gibt es doch eine umwerfende Verheißung: „Du, Herr, nimmst mich dennoch auf.“
Gott ist ein Vater, aber er ist nicht die gleiche Art Vater wie Ihr irdischer Vater. Sein Herz ist gütig und seine Arme sind stark.
Ihr Leben ist bis zu diesem Punkt vielleicht von Verrat, Enttäuschung und Niederlagen durchzogen, aber die Geschichte belegt, dass der Gott des Himmels auf Ihrer Seite ist. Er hat Sie erschaffen. Er sieht Sie. Und er möchte, dass Sie die Freude erleben, ein Kind Gottes zu sein und den allerbesten Vater überhaupt zu haben. Er selbst möchte Ihr Vater sein und Sie mit seinem Segen überschütten. Er möchte Ihnen auf die Beine helfen, will Ihnen zeigen, wo es langgeht, will Ihnen Kraft schenken und Sie anfeuern, während Sie Ihrer gottgegebenen Leidenschaft nachgehen. Er möchte das Fangnetz seiner Liebe unter Ihnen spannen, damit Sie die Flügel ausbreiten und Fliegen lernen können, ohne dass die lähmende Angst vor dem Versagen Sie am Boden hält.
Das ist natürlich nicht das Gleiche, wie Ihren irdischen Vater zurückzubekommen, und es bedeutet auch nicht, dass dieser sich verändern wird. Aber der Segen, den Gott Ihnen schenken möchte, ist nicht zu verachten. Der Segen unseres göttlichen Vaters übersteigt alles, was Ihnen eine menschliche Beziehung geben könnte, bei Weitem. Der beste irdische Vater, der Ihnen den größtmöglichen Segen gibt, ist noch nichts im Vergleich zu einem Lächeln Ihres himmlischen Vaters. Seine Liebe ist schier übernatürlich und mächtig, unendlich und unangreifbar. Und das bedeutet seine Liebe für uns:
Niemand, der Gott als Vater kennt, ist jemals verlassen.
Niemand wird je im Stich gelassen.
Niemand wird je ein Waisenkind sein.
Niemand ist je ungewollt.
Niemandes Lebensgeschichte wird je in Missbrauch und Verrat enden.
Niemand muss je wieder ohne die Liebe eines Vaters leben.
Niemand und auch niemals.
Den Sprung wagen
Gott will nur eines: dass Sie ihm eine Chance geben. Auf unserem gemeinsamen Weg durch dieses Buch möchte er Ihnen die Augen öffnen, damit Sie ihn als den Vater sehen können, der er wirklich ist. Er möchte alle irrigen Vorstellungen ausräumen, die sich aufgrund von Erlebnissen oder dessen, was andere über ihn gesagt haben, bei Ihnen festgesetzt haben. Und er möchte gemeinsam mit Ihnen durch die schweren Zeiten und den Schmerz hindurchgehen, den Sie wegen Ihrer zerbrochenen Beziehung zu Ihrem Vater erlebt haben. Er möchte Ihr verletztes Herz heilen und es wieder zum Leben erwecken.