Читать книгу Der Frauenmann - Louis Flathmann - Страница 5
ОглавлениеProlog
Ob das wirklich reichte?
Er spürte das Adrenalin durch seinen ganzen Körper fließen. Es fühlte sich an, wie eine nicht endende Achterbahnfahrt. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
Mit dieser Angespanntheit konnte er nicht operieren. Zumindest noch nicht.
Es war seine erste richtige Operation. Lange hatte er auf diesen Tag gewartet und sich gut vorbereitet. Heute war es so weit. Endlich.
Mit zitternden Händen zündete er sich eine Zigarette an. Der tiefe Zug tat gut und brannte in seiner Lunge. Aufgeregt starrte er auf die Skalpelle. Es waren viele verschiedene. Alle online bestellt. Was man alles im Internet bekommen konnte war faszinierend. Er hatte eine ganze Sammlung von OP-Sachen hier in seinem ganz persönlichen „OP-Bereich“, wie er ihn nannte. Die Anspannung und Aufgeregtheit ließ nach jedem Zigarettenzug nach. Zufrieden sah er sich seinen „OP-Plan“ an. Jeder Schritt und Schnitt war hier in allen Einzelheiten festgehalten worden.
Er wusste, er würde es hinbekommen. Er würde gut operieren. Alles würde klappen. Sein Handy summte und der Timer flackerte auf. Zehn Minuten. Die Narkose würde allmählich nachlassen. Er war gut in der Zeit. Es waren locker noch eine Zigarette und ein Toilettengang drin.
Mit einem Lächeln zündete er sich eine weitere Zigarette an und sah noch einmal auf den Tisch mit den Werkzeugen. Er wusste, die Skalpelle waren bereit und würden auf ihn warten.
Es war ein Gefühl, als wäre der Kopf explodiert. Oder als hätte man ihm mit einer Axt den Schädel gespalten. Er war sich nicht sicher.
Felix Baumer merkte nur, dass neben den immensen Schmerzen im Kopf auch ein weiteres Gefühl sich stark am entwickeln war. Angst. Panik. Gemischt mit einem Gefühl, als hätte er eine ganze Packung Leck-mich-am-Arsch-Pillen gleichzeitig geschluckt. Warum fühlte er sich so? Und was führte dazu, dass er sich so fühlte? Er war nicht dazu fähig, irgendeinen klaren Gedanken fassen zu können. In keinster Weise. Doch eins wusste er: Irgendetwas stimmte nicht.
„Wo war ich, bevor mir so komisch wurde?“, versuchte er sich zu erinnern.
Mit seinem steigernden Bewusstsein, nahm er auch ein Gefühl von Taubheit in seinem restlichen Körper wahr. Zack! Und schon wieder. Sein Kopf fühlte sich an wie ein Vulkan, der jeden Moment ausbrechen würde. Er versuchte, dem Schmerz auf den Grund zu gehen und wollte sich an den Hinterkopf fassen, der das Zentrum des Schmerzes sein musste. Doch warum konnte er sich nicht rühren? Warum prallten die Signale, die sein Hirn an seinen Arm sendete, so an ihm ab?
„Scheiße, was ist das?“ Seine Angst ließ nun bald auch sein Herz explodieren.
So langsam nahm er erst richtig seine Umgebung wahr. Er sah ein helles, stechendes Licht. Mehr nicht. Das helle Licht blendete ihn so sehr, dass er das Gefühl hatte, dass es nochmal extra für die unaushaltbaren Kopfschmerzen verantwortlich war. „Bin ich tot? Ist es das Ende?“ Doch konnte der Tod so riechen? So… medizinisch? Er vernahm einen intensiven Geruch von Desinfektionsmitteln und Gummihandschuhen. Wie im Krankenhaus.
„Hatte ich einen Unfall und liege jetzt in einer Klinik?“ Hoffnung keimte in ihm auf und vertrieb seine Ängste. Wahrscheinlich würde jeden Moment jemand vom Personal kommen und ihm alles erklären. Hoffentlich konnte er einem Arzt all seine Fragen stellen. Bestimmt hatte er einen Unfall und konnte sich deswegen an nichts mehr erinnern.
Schritte ließen ihn aus seinem Gedankenkarussell aufschrecken. Er stockte den Atem. Warum tat er das? Er spürte die Angst, die plötzlich zurückkehrte. Doch das schob er darauf, dass er generell keine Krankenhäuser mochte. Sie waren mit Unwohlsein und Angst verbunden, auch wenn Menschen dort geholfen wurde. Er war doch im Krankenhaus, oder?
Die Schritte wurden lauter und schienen immer näher zu kommen. Doch plötzlich verstummten sie. Er vernahm leise, jedoch abgestumpfte Atemgeräusche, wie durch eine Maske. Die Person musste direkt neben ihm stehen. Er versuchte vergeblich, etwas oder jemanden zu erkennen. Das Licht brannte sich so stark in seine Augen, sodass er sie gleich wieder schließen musste. Das grelle Licht hatte so eine Power, dass es ihn sogar durch die geschlossenen Augen zu blenden schien.
Felix versuchte ein „Hallo“ raus zupressen, irgendeinen Ton, doch es gelang ihm nicht.
Dann legte sich auch schon eine warme Hand, die in einem Gummihandschuh stecken musste, auf seine Schulter. Der Latex des Handschuhs fühlte sich schwitzig an. Vielleicht kam es ihm aber auch nur so vor, er wusste es nicht.
Er wusste gar nichts mehr.
„Entspannen Sie sich.“ Die fremde Stimme hörte sich beruhigend und selbstbewusst an. Felix entwichen undefinierbare Laute und er schämte sich.
„Verdammt, warum kann ich nicht richtig sprechen, mich irgendwie mitteilen?“, schimpfte er sich gedanklich aus. Und warum drehte der Arzt, er ging davon aus, dass es sich um einen Arzt handelte, nicht das helle Licht weg, damit er sehen konnte, wer da mit ihm sprach? Unbehagen breitete sich erneut in Felix’ Bauch aus.
„Ich sehe Ihnen an, dass Sie viele Fragen haben“, sagte der Fremde in einem unglaublich ruhigen, dennoch bestimmenden Ton. „Sie verstehen nicht, warum Sie hier verkabelt und nackt bei mir im OP liegen. Doch keine Angst, ich werde Sie über jeden Schritt genau aufklären. Bei mir sind Sie in den besten Händen. Ich werde Sie auch nicht nochmal einschlafen lassen, keine Sorge. Sie sollen schließlich alles mitbekommen.“ Ein Kichern entging dem Mann, fast schon ein wahnsinniges Kichern, das das Blut in Felix’ Adern gefrieren ließ. Er war sich sicher, dass er sich in keinem richtigen Krankenhaus befand. Seine Angst war begründet. Seine Panik war begründet. Das war kein normaler Arzt, der da mit ihm redete, dem er ausgeliefert war. Kein echter Arzt würde so mit ihm reden. Oder?
Den Kontext hatte Felix auch nicht richtig aufnehmen können, so verängstigt war er. Das Kichern war der Auslöser für den Beweis, dass er so schnell wie möglich verschwinden sollte. Doch er konnte sich nicht rühren. Und erst jetzt begriff er richtig, dass er nackt war. Gänsehaut bildete sich sekundenschnell auf seinem gesamten Körper. Fror er oder war die Angst inzwischen so groß, dass sie ihn frösteln ließ? Er wusste es nicht.
„Sie frieren ja! Ja, eine OP ist immer was ziemlich Aufregendes!“, sprach der Irre fast schon zu sich selbst.
Felix merkte, dass etwas über ihn gelegt wurde. Etwas Warmes.„Hier haben Sie eine Wärmedecke, da wird es Ihnen gleich besser gehen!“, lachte der Fremde hysterisch. „Wo bin ich hier nur gelandet? Ich muss doch was tun können!“ Doch keine Chance, Felix war noch immer wie gelähmt.
„W-warum?“, brachte er japsend heraus und war gleichzeitig überrascht von sich selbst, endlich die Sprache wiedergefunden zu haben.
Neben seinem Überraschen traf ihn außerdem ein Geistesblitz, warum das Licht so stark auf ihn gerichtet war.
Der Unbekannte wollte nicht, dass Felix ihn sah! Er wollte sich nicht zu erkennen geben! Warum? Was hatte er mit ihm vor?
„Warum ich Sie operiere? Beziehungsweise warum Sie bei mir auf dem OP- Tisch liegen? Nun, das müssen Sie nicht verstehen und außerdem fällt das unter die ärztliche Schweigepflicht!“ Er lachte so laut, als hätte er Felix einen der besten Witze erzählt. Nur war es kein Witz... Es war ein unheimliches Lachen, das Felix erneut die Haare zu Berge stehen ließ.
„Wichtig ist, dass Sie jeden meiner einzelnen operativen Schritte verstehen, damit Sie später gut damit zurechtkommen.“ Später? Er wollte ihn also nicht umbringen? Wer war dieser Kerl? So viele Fragen, die Felix` Kopf wieder einmal zum Rauchen brachten. Sein Lachen wurde immer verrückter. So ein Lachen konnte nur von einem Wahnsinnigen kommen. Er schien richtig Spaß daran zu haben, Felix im Ungewissen damit zu lassen, was er mit ihm anstellen würde. Doch wollte er es wirklich wissen?
„Was haben Sie mit mir vor?!“, gelang es Felix endlich zu fragen. Er hörte sich kleinlich und ängstlich an, was ihn sehr ärgerte.
„Warum kann ich diesen Kerl nicht anschreien?“, fragte er sich. „Die Angst!“, erwiderte gleichzeitig sein Verstand. Er spürte, dass es nichts Schönes war, was ihn erwarten würde.
„Nun, das werden Sie nach und nach sehen und merken!“, speiste der Fremde ihn ab. Felix’ Angst verwandelte sich langsam in Zorn und all seine Sorgen wurden durch die sich anbahnende Wut vertrieben. Vorerst. Er versuchte mit aller Kraft, aufzustehen, sich zu bewegen, doch dies gelang ihm immer noch nicht. Der Unbekannte schien seine Bemühungen zu bemerken und lachte erneut sein schaurig-wahnsinniges Lachen.
„Warum zeigen Sie sich nicht?“, huschte ausgerechnet diese Frage über seine Lippen. Er hatte tausend Fragen. Mindestens. Aber grade diese Frage hatte es geschafft, ausgesprochen zu werden.
Der Verrückte schien ernst zu werden, denn Felix hörte kein Lachen oder Kichern mehr. Es dauerte einige Sekunden, bis er ihm antwortete, doch Felix kam es in dieser stressigen Situation, wie eine halbe Ewigkeit vor.
„Sehen Sie mich als den, der Sie in eine andere Welt befördert. Es ist wie, wenn Sie sterben: Sie kommen durch das weiße Licht in ein anderes Universum, eine andere Welt. Genau wie bei mir.“ Er sprach in Rätseln und Felix verstand in seinem Zustand kein einziges Wort. Die Ratlosigkeit und Verwirrtheit schien der Fremde ihm wieder vom Gesicht ablesen zu können und fügte bloß hinzu: „Sie werden nicht sterben.“
Dann schienen sich die Schritte wieder etwas zu entfernen, aber nicht weit. Der Psycho war immer noch mit ihm in einem Raum. Felix hatte noch mehr sagen wollen, um Hilfe schreien wollen, doch es hatte ihm vor lauter Panik erneut die Sprache verschlagen. Er dachte über die letzten Worte des Mannes nach und versuchte krampfhaft, sie auf sich wirken zu lassen. Er würde ihn nicht töten, hatte er gesagt. Felix war sich nicht sicher, ob diese Tatsache ihn unter diesen Umständen eher beruhigen oder noch mehr beunruhigen sollte. Er wusste es nicht.
Der Mann kam wieder zu ihm und schien ihm etwas in die Armbeuge zu spritzen, denn er verspürte einen leichten Druck, der vom Arm in den Kopf schnellte.
„Gegen die Unruhe.“, sagte der Unbekannte trocken.
„Was…?“, mehr gelang Felix nicht zu sagen.
„Ich habe Ihnen erneut eine große Menge Muskelrelaxans spritzen müssen, da Sie leicht zu zittern begonnen haben. Und das würde diese schwierige OP nicht leichter machen. Für Sie nicht und für mich nicht. Und Sie wollen doch schließlich auch das bestmögliche OP-Ergebnis erzielen, nicht wahr?“ Er verfiel wieder in sein psychopathisches Lachen. Felix kam sich vor wie im falschen Film. Mit aller Kraft versuchte er seinen Kopf ein wenig zu bewegen, um sich sehen zu können. Sein Kopf zitterte und schwitzte gleichzeitig, bei den verzweifelten Versuchen, ihn anzuheben.
Rien ne va plus. Nichts ging mehr.
Im gleichen Moment merkte er erschrocken, dass sich seine Kopflehne aufrichtete. Von einem leisen Surren begleitet, erblickte er seinen nackten Körper. Es machte sich ein Gefühl in ihm breit, als habe man ihm die ganze Luft aus den Lungen gezogen. Er wollte gleich wieder die Augen schließen, aber er konnte den Blick einfach nicht abwenden.
Er sah seinen schockierten Blick und konnte seine Angst förmlich riechen. Seine Augen sprachen Bände. Ein stechender Schweißgeruch hing in der Luft. Sein Leiden verschaffte ihm Lust und bestärkte ihn in seinem Vorhaben. Er tat das richtige. Von Hass und Wahn erregt sah er sich die Bemalungen des Körpers, der vor ihm lag, an. Sie zeigten ihm, wo er das Skalpell überall ansetzen musste.
Hatte der Idiot gerafft, was er vorhatte? Die Angst in seinem Gesicht ließ darauf schließen. Er wollte jedoch noch mal nachhelfen, was das Verständnis anging. Sein Hass und seine Lust führten ihn direkt vor sein Bett. Er hörte den Atem seines Patienten, der immer ruhiger wurde. Muskelrelaxans war Dank! Ein Glück taugten die Sachen aus dem Internet was! Er hatte schon befürchtet, er sei an schlechte Qualität geraten. Er drehte den Strahler zur Seite, damit sein Opfer nicht so geblendet war und seinen neuen Körper besser erkennen könnte im Laufe der Operation. Die Dunkelheit schien sich ihren Platz im Raum zurückzuholen. Er sah in das Gesicht des jungen Mannes und blendete ihn somit auf ein Neues. Er trug eine Kopflampe, die Dinge in hundert Metern Entfernung noch klar erschienen ließ. Er wollte sich nicht so schnell zu erkennen geben. Zumindest noch nicht. Die Überraschung, die geschützt wurde vom hellen Schein der Lampe, würde er ihm zeigen, wenn er mit ihm schlafen würde. Er würde dann eine sie sein.
„Ich werde Ihnen jetzt als erstes eine Infusion mit Follikelhormonen injizieren. Es ist eine sehr zähe Flüssigkeit und läuft daher sehr langsam. Ich werde die Flaschen immer wieder zwischendurch auswechseln müssen. Eine Flasche hat nämlich nicht mehr als hundert Milliliter.“ Mehr nahm Felix nicht auf. Folli- was? Das konnte doch alles nur ein Albtraum sein. Womit hatte er das verdient? Er hatte noch nie einer Fliege was zuleide getan! Er war dreiundzwanzig und grade fertig mit seiner Ausbildung zum Bürokaufmann.
Erneut wurde er von einer Panik ergriffen, die ihn wie eine Riesenwelle nach unten drücken wollte. Niemand würde ihn so schnell vermissen. Zurzeit hatte er zwei Wochen Urlaub. Seine Eltern starben bei einem Verkehrsunfall als er neun war. Eine Freundin hatte er auch nicht. Niemand, der auf ihn wartete, außer das leere Haus seiner Eltern, in dem er seit er achtzehn Jahre alt war, drin wohnte. Er spürte heiße Tränen an seinen Wangen runter laufen. Das kannte er vorher nicht von sich. Er war eigentlich immer taff. Eigentlich.
„Ich werde Sie in dieser Position, in der Sie jetzt sind, lassen. Sie sollen ja schließlich alles genauestens mit verfolgen können. So einen Luxus gibt es in Krankenhäusern nicht. Da wird Ihnen das Licht ausgeknipst und Sie wachen irgendwann, wenn alles vorbei ist, wieder auf. Und das ist doch schade, oder?“
Felix kannte die Stimme nicht. Sie kam ihm nicht ansatzweise bekannt vor. Der Irre schien in seiner eigenen Welt zu leben. Man hätte meinen können, er würde einen Vortrag halten, so ruhig und gelassen wie er sprach. Felix registrierte erst jetzt, dass er sich hinter der Kopflampe versteckte. „Zeig dich, du feiges Schwein!“, wollte er rufen, doch er fing nur laut zu schreien an. Zu mehr war er nicht im Stande, seine Muskeln waren völlig entspannt. Er war dem Arschloch hilflos ausgeliefert.
Er schrie und schrie und hatte immer noch Hoffnung, von irgendjemandem gehört zu werden. Doch würde man ihn in diesem dunklen Dreckloch hören? Die Luft roch betonartig und feucht. War er in einem Keller? Er hatte jedes Zeitgefühl verloren, da es keine Fenster zu geben schien, die auf eine Tageszeit hätten schließen lassen. Sein Schreien schien den Irren nur noch mehr anzutreiben.
„Ja, schreien Sie! Schreien Sie sich die Seele aus dem Leib! Hier wird Sie niemand hören, die Wände sind schallisoliert!“ Auch sein Ton wurde lauter. Lachend lauter.
„Was für eine Scheiße wollen Sie hier an mir durchführen, Sie verdammter Mistkerl?!“, schrie Felix. Ein Stein fiel ihm beim Schreien vom Herzen. Jedoch war die Erleichterung nur von kurzer Dauer.
„Haben Sie es immer noch nicht kapiert?“ Der Psychopath sprach mit Felix, wie mit einem kleinen Kind. Er hatte das Gefühl, sein Peiniger verdrehte die Tatsachen. Er war nicht der Dumme und Verrückte! Aber er würde verrückt werden, wenn er hier noch länger liegen würde. Felix glaubte zu verstehen, was der Irre vorhatte, doch er hoffte, dass es nicht so sein würde, wie er dachte. Seine Brust war mit zwei großen Kreisen markiert. Außerdem waren an seine Genitalien mehrere Striche gekritzelt worden. „Oh doch, ich habe verstanden, was du krankes Miststück mit mir vorhast. Du willst mir die Brustwarzen entfernen und mich womöglich beschneiden. Bestimmt hast du irgendeine kranke Sekte, für die du das tust. Danach werde ICH DICH umbringen!“, antwortete er im Kopf. Dass alles viel schlimmer war, als er dachte, wusste er noch nicht. Er hätte es niemals erahnen können.
„Sie werden von mir einen anderen Körper bekommen. Ich werde Sie zur Frau machen. Es wird eine lange und sehr schwierige Operation. Sie bekommen genügend Schmerzmittel. Ich bin ja kein Unmensch!“, erzählte der fremde Mann mit einem Lächeln in den Mundwinkeln. „Ich werde jetzt auch loslegen, schließlich wollen wir ja bis morgen früh fertig sein, nicht?“ Erneut verfiel er in sein schauriges Gelächter.
Felix fühlte sich so, als hätte man ihm soeben den Boden unter den Füßen weggerissen. Er hätte mit allem gerechnet und sich schon das schlimmste ausgemalt.
Die Brustwarzen abgeschnitten bekommen, brutal beschnitten werden, oder einfach nur sinnlos gefoltert werden, aber NIEMALS damit! Warum wollte der Psycho aus ihm eine FRAU machen? Er konnte diesen verrückten Plan doch nicht wirklich in die Tat umsetzen?Heftig wurde Felix aus seinen Gedanken gerissen, als ihm die Augen wortwörtlich aufgerissen wurden. Ein tosender Schmerz durchfuhr nun nicht nur seinen Kopf, sondern auch seine Augen. Dann folgten zwei heftige Stiche in seinen Lidern. Seine Augen begannen wie wild zu tränen und sein Sichtfeld verwandelte sich schlagartig in eine schwammige Umgebung. Für die Angst war kein Platz mehr, denn der Schmerz vertrieb jegliche Gefühle und bohrte sich mit einer enormen Kraft bis in sein Unterbewusstsein.
„Ich möchte zu hundert Prozent sicher sein, dass Sie alles mit ansehen können. Ich halte Ihnen mit Klammern die Augen auf, falls Sie sich wundern, woher der Druck in den Augenlidern auf einmal herkommt. Die Augenklammern werden nach dem Eingriff entfernt. Das kann unschöne Narben geben, ist aber nicht weiter tragisch.“
Felix spürte, wie die Tränen auf seine Brust tropften. Sie wollten einfach nicht aufhören zu fließen.
„Ich weiß, ich weiß“, bahnte die verrückte Stimme sich erneut in Felix’ Ohren. „Alles Neue ist erst mal seltsam, aber irgendwann gewöhnt man sich dran. Man findet sich mit der Situation ab.“
Felix erschrak, als er bemerkte, dass der Unbekannte ihm auf die Schulter klopfte. Er war nicht mehr wütend. Er hatte Angst. Todesangst.Wenn dieser Mistkerl ihm schon mit Klammern gewaltsam die Augen öffnete, würde er ihm auch mehr antun. Doch würde er ihn wirklich zu einer Frau verstümmeln?Das waren seine letzten Gedanken, denn plötzlich überfiel ihn ein großes Druckgefühl im gesamten Körper, das genauso schnell wieder verschwand, wie es gekommen war. Es fühlte sich an, als würde er schweben, fast schon fliegen.Es war ein tolles Gefühl.
Sein Patient schien ihm wegzutreten.
Er war auf die Situation vorbereitet, dass er bewusstlos werden könnte. Er hatte vorgesorgt. Zugegeben, er war ein wenig enttäuscht. Enttäuscht, dass sein Patient bereits bewusstlos wurde, bevor die OP richtig losging.
Den Ärger ließ er ihn mit dem Defibrillator spüren. Eine teure Anschaffung. Aber sie war notwendig, wie er feststellen musste.
Das Geräusch des Gerätes und das anschließende Aufzucken seines Opfers ließen ihn erneut loslachen. „Konzentration!“, ermahnte er sich innerlich.
Sein Patient kam allmählich wieder zu Bewusstsein. Er war bereit, den Defibrillator bei jedem Bewusstseinsverlust einzusetzen. Dafür hatte er ihn ja schließlich gekauft. Und er würde ihn noch oft einsetzen.
Sein Opfer war nicht mehr in der Lage, zu sprechen. Die Mischung aus Muskelrelaxans, Schmerzmitteln und Östrogenen hatte bereits volle Leistung getan! Ihm war bewusst, dass das Östrogen in so einer kurzen Zeit nicht viel reißen würde. Dazu müsste er sein Opfer schon über Monate gefangen halten, aber er wollte diesen Bastard so schnell wie möglich wieder loswerden. Sicher war aber, dass die weiblichen Hormone seinen Testosteronspiegel ziemlich durcheinanderbringen würden.
Jetzt war es so weit. Gleich würde er loslegen. Und niemand konnte ihn aufhalten, geschweige denn davon abbringen.
Er schaltete das Radio ein und drehte es laut auf. Er liebte den Sender, der den ganzen Tag über Oldies spielte. Da konnte seine Arbeit ja nur perfekt werden! Er griff zum Skalpell und schnitt in das Fleisch, das er um diese perfekte Brust markiert hatte. Er würde mit dem Brustaufbau beginnen. Dann würden die Orchiektomie und die Meatus urethrae folgen. Zuletzt würde er die Labienplastik durchführen und schließlich die Neovagina und die Neoklitoris aufbauen. Kurz gesagt, er würde ihm Brüste machen und eine funktionstüchtige Vagina, mit der er außerdem problemlos urinieren kann. Er stellte fest, dass es keinen Sinn machte, seinem Patienten in diesem Zustand jeden Schritt zu erklären. Er war nicht mehr richtig aufnahmefähig. Er entschied sich dafür, die OP im Stillen durchzuführen. Und nur die Musik „sprechen“ zu lassen. Er griff zu den Silikonplatten und sah, wie der junge Mann mit Entsetzen alles mit verfolgte. Die Geräte verrieten ihm, dass sein Puls immer schneller wurde.
Die schrecklich alte Musik war lange verstummt.
Felix fühlte sich wie unter Drogen. Er wusste nicht, wie lange er jetzt schon alleine in diesem dunklen Verlies lag. In der HÖLLE.Der Fremde hatte sich ewig an ihm vergangen.
Er hatte wehrlos mit ansehen müssen, wie er Blut verlor. Viel Blut. Aber er lebte noch. Er war zu keinem klaren Gedanken fähig. Es schien, als hätte der Verrückte ihm die Klammern, die mit einer unglaublichen Spannung in seinen Lidern steckten, entfernt, da er die Augen endlich wieder schließen konnte. Felix stand unter Schock. Immer wieder sah er sein Blut, wie es aus den frischen Wunden lief, vor Augen und die ganzen messerscharfen Skalpelle, die dafür verantwortlich waren. Still musste er alles mit ansehen, was… Schritte versetzten ihn erneut in Angst und er stockte den Atem.
„Na, wie geht’s der jungen Dame?“
Noch nie hatte Felix so einen großen Wunsch… Den Wunsch zu sterben.Zitternd schloss er die Augen. Er wollte dieses Monster nicht mehr sehen; nicht mehr hören, jedoch war er noch nicht in der Lage, sich die Ohren zu zuhalten.
„Ich muss sagen, die OP lief sehr, sehr gut und zu meiner vollsten Zufriedenheit!“
Ein Klatschen.„Die Verbände muss ich Ihnen jetzt entfernen.“ Felix merkte ein ganz leichtes, taubes Gefühl in seiner Brust. Für einen kurzen Moment öffnete er die Augen. Das Gefühl der Erschütterung traf ihn mit voller Wucht. Er hatte „Brüste“! Sehr hässliche „Brüste“! Von seiner perfekt durchtrainierten Brust war nichts mehr übrig. Er sah, wie der Fremde diese „Brüste“ knetete.
Ein Ekel, wie er ihn zuvor noch nie erlebt hatte, fuhr Felix bis ins Knochenmark.
Das war krank. Absolut KRANK!„Ich bring dich um!“, flüsterte er mit einer unglaublichen Angestrengtheit.
Das Monster hielt inne und kicherte. „Wenn ich mit Ihnen fertig bin, können Sie es gerne versuchen.“ Die nächsten Minuten und Stunden liefen an Felix vorbei, wie ein Horrorfilm. Mit dem Unterschied, dass er mittendrin war. Sie flogen an ihm vorbei, wie ein Vogelschwarm.
Damit er nichts mehr sagen konnte, bekam er etwas tief in den Mund gesteckt. Es waren seine Genitalien. Die Schmerzen, die er hatte, und die Tränen, die er vergoss, würde er nie vergessen. Niemals.Der Psychopath hatte mit ihm über mehrere Stunden Geschlechtsverkehr. Diese Stunden kamen ihm vor wie Jahre und waren ein ewiger Wechsel zwischen Wachzustand und Bewusstlosigkeit.
Die hässliche Maske des Täters brannte sich in seine Seele. Bei der Vergewaltigung sah er sie das erste Mal.
Die nächste Erinnerung war, dass er irgendwo am Waldesrand aufwachte. Wie er dort hingekommen war, wusste er nicht.