Читать книгу Blutblume - Louise Boije af Gennäs - Страница 7
PROLOG
ОглавлениеDer Schmerz war unerträglich. Er hatte eine Farbe: Außen rot, innen weiß, und er hatte sich in seinem Kopf festgesetzt. Es war unmöglich zu sagen, ob sein Körper noch mit seinem Gehirn verbunden oder einzelne Gliedmaßen abgetrennt worden waren. Der Geruch von Blut – seinem eigenen – war überwältigend und ekelerregend. Er würgte, aber in seinem Magen gab es nichts mehr, was er hätte erbrechen können.
Er verlor immer wieder das Bewusstsein, die Stimmen um ihn herum verschwanden, kehrten zurück. Sie sprachen eine Sprache, die er verstand, aber die Wörter wollten keinen Sinn ergeben. Trotzdem war ihm klar, was sie wollten: Er sollte kapitulieren und etwas preisgeben. Was er unmöglich tun konnte.
»… Sara.«
Der Name seiner Tochter ließ ihn leicht den Kopf heben, ein Stöhnen entwich seiner Kehle. Sofort folgte der weiß glühende Schmerz: Ein kräftiger Schlag gegen den Schädel. Das Rote breitete sich immer weiter aus und bedeckte nach und nach den weißen Kern.
Die beiden Männer betrachteten ihn: die nagellosen Finger, den Mund, in dem nun kein einziger Zahn mehr war, die zugeschwollenen Augen, die vielen Schnitt- und Brandwunden. Unter dem Tisch, neben zwei Elektroden, lag seine zerbrochene Brille. Der nackte Körper ruhte in unnatürlicher Haltung auf dem Tisch, nicht wiederzuerkennen nach den vielen Stunden der Folter.
Sie wechselten einen kurzen Blick, einer von ihnen nickte kurz.
Das Geräusch von einem Handy, das ein Foto schoss.
Der Geruch von Benzin: streng, beißend. Sein Gehirn wollte den Gedanken nicht verarbeiten, aber sein Körper reagierte trotzdem. Was sich noch in seinen Gedärmen befand, leerte sich auf den Tisch.
Heftiges Fluchen. Das Geräusch von leeren Blechkanistern, die draußen auf dem Hof auf das Pflaster schlugen. Dann Stille.
Bilder lösten sich in seinem Kopf ab.
Ein Ring.
Ein Siegel.
Ein Judaskuss.
»Leiste Widerstand.«
Dann die Familie: Elisabeths Hände; Saras Lächeln; Lina, die auf dem Pferd durch den Nebel eines sonnigen Herbstmorgens galoppiert.
Im nächsten Augenblick ein Blitz und eine Explosion, so heftig, dass sie alle Schmerzen, alles Leid und alle Farben, Gerüche und Gedanken auslöschte.
Etwas entfernt standen die beiden Männer und beobachteten die Flammen, die bis in den blassblauen Frühsommerhimmel schlugen. Rechts von ihnen – über den Baumkronen des Waldes – funkelte die Venus, der Abendstern. Nachdem sie einige Augenblicke lang den heftigen Brand betrachtet hatten, drehten die Männer sich um und gingen zu dem schwarzen Wagen, der unten am Weg geparkt war. Dahinter sprang gerade eine grau gestreifte Katze mit großen Sätzen quer über die Wiese und verschwand unter einer duftenden Traubenkirsche, deren Blüten weiß in der Dunkelheit leuchteten.
Dear Sir/Madam,
ich wende mich an Sie, weil Sie Chefredakteur oder verantwortlicher Herausgeber einer Zeitung oder eines anderen Pressekanals (Funk, Fernsehen oder internetbasiertes Medium) sind, und ich Sie respektiere. Im Anhang finden Sie Dokumente, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie einen Blick darauf werfen würden.
Ich habe viel auf mich genommen, um dieses Material zusammenzutragen. Andere Menschen mussten leiden, anfangs ohne mein Wissen, um zu verhindern, dass es Sie erreicht. Deshalb wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich die Mühe machten, alles auf seine Echtheit zu prüfen, bevor Sie es ad acta legen.
Dabei werden Sie herausfinden, dass alle Dokumente, die ich diesem Schreiben beigelegt habe, authentisch sind. Ich kann verstehen, dass das anfangs schwer vorstellbar ist, weil das Material so umfangreich, tiefschürfend und entlarvend ist für eine Vielzahl führender Persönlichkeiten. Es berührt nicht nur mein Land, sondern eine Vielzahl weiterer Nationen überall auf der Welt. Mir ist bewusst, dass die Veröffentlichung dieses Materials schwerwiegende Folgen für viele Menschen haben wird, nicht nur in Schweden. Unsere ökonomischen Systeme sind verzweigt und international. Selbst auf Verteidigungs-, Handelsoder Migrationsebene oder im Bereich Arbeitskraft und Umwelt wird kooperiert.
Ich hoffe, dass Sie sich nicht vom Umfang des Materials oder den eventuellen Konsequenzen von einer Publikation abhalten lassen, sondern es der Allgemeinheit zugänglich machen. Alle Mitbürgerinnen und Mitbürger haben das Recht, dies alles zu erfahren. Dies macht den Kern einer Demokratie aus, genauso des journalistischen Auftrags. Die Bevölkerung soll bestimmen. Aber ohne Wissen und Information kann niemand eine bewusste Wahl treffen.
Eine Spur zu mir werden Sie nicht finden. Ich hingegen werde voller Zuversicht darauf warten, dass das Material in den Medien auftaucht.
Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass ich das gesamte Material gleichzeitig an Redaktionen auf der ganzen Welt geschickt habe. Manche werden es sicher sofort ablehnen, anderen wird ein Maulkorb verpasst. Trotzdem hoffe ich sehr, dass es jemand wagt, der Erste zu sein, der alles veröffentlicht …